Kapitel 63
Donnerstag, 18. Mai
Ich liebe den Donnerstag, da meine erste Vorlesung um 10:00 Uhr beginnt. Den Freitag nicht, denn an diesem Tag muss ich schon um 08:00 Uhr dort sein. Müde mampfe ich meine Butterkekse und trinke aus meiner Flasche meinen Apfelsaft, bis ich irgendwann mal aufstehe und mich anziehe, woraufhin ich in die Küche latsche und doch noch Zeit habe, mit Saliha und Ranja frühstücken zu können. Sofort greife ich nach den Gurken und versuche meine Augen offen zuhalten. "Shana?" Ich brumme als Antwort für Saliha. "Es gehen Gerüchte um dich und Can herum." Es ist die Wahrheit. "Mhm", summe ich einfach und esse mit geschlossenen Augen weiter. "Dass ihr wohl zusammen seid." Ich nicke und höre Ranja kichern. "Ich habe davor erzählt, dass er schwul sei. Eine Kompensierung", nuschele ich und mache mir ein Brot. "Wann hast du es mitbekommen?", frage ich desinteressiert. "Am Dienstag." Ich nicke kauend. "Bist du dir auch sicher?", hakt Saliha nach, was ich bejahe. "Und die Rosen in deinem Zimmer?" Ach ja! Die lasse ich ja immer draußen, bis sie welken. "Rosen fördern die Konzentration, wegen ihrer ästhetischen Farbe und ihren besonderen Pheromonen. Außerdem führe ich eine Art Experiment mit ihnen durch, um zu gucken, wie lange sie durchhalten, denn das tun sie sehr lange, falls es dir nicht aufgefallen ist. Hat was mit meiner Doktorarbeit zu tun." Meine Damen und Herren! Hier sehen sie die beste Lügnerin der Welt: Shana Salih! "Bleibe heute lange im Labor", informiere ich sie und esse zu Ende, nehme einen ordentlichen Schluck von meinem Apfelsaft, bevor ich ins Bad husche, mir die Zähne putze und meinen Dutt öffne, sodass meine noch leicht nassen Haare zu schönen Wellen über meine Schultern fallen. Ich bin nicht wirklich überrascht, dass ich so locker gelogen habe. Ich habe es ja immer in Gedanken gehabt und außerdem hat mir die Müdigkeit etwas meine Emotionen geklaut. Um 07:30 Uhr liege ich dann wieder im Bett und ruhe mich bis 08:10 Uhr noch aus, da mein Handy anfängt zu klingen.
"Ja?", murmele ich müde.
"Mach die Tür auf." Es klopft an der Tür, weswegen ich müde auflege und dann die Tür öffne.
"Hi." Ich reibe mir meine Augen und lächele, als Can mir eine weitere Rose gibt. "Can, das musst du nicht machen." Er zuckt mit seinen Schultern und zieht seine Schuhe aus. "Willst du etwa keine Rosen? Soll ich das nächste mal mit Tulpen kommen? Oder Gerbera?" Etwas unsicher kratzt er sich am Nacken, weswegen ich lächeln muss. Gott, er ist so süß! "Nein, Can. Alles gut." Ich nehme ihm die Rose entgegen und gebe ihm einen Kuss auf die Wange, bevor ich ihn in mein Zimmer ziehe, die Rose zu den anderen in die Vase lege und ihn auf mein Bett drücke, bevor ich mich an ihn herankuschele. "Habe ich dich geweckt?" Er fährt mir durch mein Haar, während ich ein Ja brumme. "Du riechst so gut", nuschele ich und reibe meine Nase gegen seine Brust. Ich bin zwar müde, aber trotzdem habe ich dank Cans Anwesenheit ganz viel Oxytocin in meinem Blut, weswegen ich ganz Kuschelbedürftig bin und mich auf Can lege. "Wie geht es dir?", frage ich und lege meinen Kopf in seine Halsbeuge. "Gut und dir?" Bei seinen Händen, die sanft meinen Rücken auf und ab streichen, verdrehe ich vor Genuss die Augen. "Auch gut." Ich setze einen Kuss auf seinen Hals und atme tief seinen Duft ein. Ich weiß nicht wieso, aber ich bin gerade echt auf ihn angewiesen. "Möchtest du etwas Essen oder Trinken?", murmele ich, obwohl ich müde bin. "Nein, schlaf lieber etwas." Ich lege mich mehr auf ihn und brumme zufrieden. "Kannst du noch normal atmen oder soll ich runter?" Can lacht. "Nein, alles gut. Wieso bist du heute so harmonisch? Müsstest du nicht herumschreien?" Ich schüttele meinen Kopf. "Heute nicht. Es ist schön, dass du hier bist." Ich glaube, ich kriege meine Tage in dieser Woche noch, denn mir steigen ohne Grund einfach die Tränen auf. Meine Hand berührt sein Gesicht, wo ich kleine Bartstoppel spüre. "Lässt du ihn wieder wachsen?" Can schnalzt mit der Zunge, bevor ich meinen Kopf aus seiner Halsbeuge nehme und mich langsam auf seinem Schoß aufsetze. "Ich hatte diese Tage einfach keine Zeit." Er lächelt mich an, was mir Schmetterlinge im Bauch schenkt. "Du siehst verdammt gut aus, egal ob mit Bart oder nicht." Ich habe Can wirklich selten Komplimente gemacht. Alles, was in meinen Gedanken ist, habe ich nie gesagt und manchmal, als ich im Bett lag und über seine Komplimente nachgedacht habe, habe ich mich etwas schuldig gefühlt, weil ich nie etwas für ihn mache. "Dankeschön, Shana, aber sicher, dass es dir gut geht?" Er lacht und auch ich kann mir ein kleines Lachen nicht verkneifen. "Ich weiß es nicht. Mein Kontingent an Hormonen ist heute anders." Ich fahre ihm verträumt über die Brust und seufze. "Gibt es etwas, was du dir wünscht, Can?" Es muss doch irgendetwas vorhanden sein, was er sich wünscht und noch nicht bekommen hat. "Nein." Skeptisch ziehe ich meine Augenbrauen zusammen. "Doch!" Verdutzt hebt er seine Augenbrauen. "Nein, Shana." Ich nicke und greife nach meiner Flasche, um etwas zu trinken, woraufhin ich es Can anbiete, er es aber ablehnt. "Wünsch dir etwas!", fordere ich, was ihn schmunzeln lässt. "Ich hab da was." Er setzt sich auf und zieht mich näher an sich heran. "Was denn?" Ich fahre ihm durch sein weiches Haar und sehe ihn aufmerksam an. "Dich in nackt?" Ich schlage sofort gegen seine Brust, was Can lachen lässt. "Okay, in Unterwäsche geht auch." Ich verdrehe meine Augen und lege meine Stirn gegen seine. Diese Geste habe ich von ihm. Es beruhigt ihn immer. "Es muss doch wirklich etwas vorhanden sein, was du dir wünscht, Can", flüstere ich und sehe in seine leuchtenden Augen. "Ich habe das, was ich mir so sehr gewünscht habe." Er streicht mir meine Strähne hinters Ohr, was mich frösteln lässt. "Ich habe gebetet und es bekommen." Sanft küsst er mich, was ich sofort erwidern muss. Seine Lippen haben etwas Betäubendes an sich. Wenn er mich küsst, dann spüre ich nichts außer ihn. Ich fühle mich wie auf einer Wolke, von der ich niemals absteigen will. "Mehr will ich nicht, Shana", unterbricht er kurz den Kuss und küsst mich wieder, wobei er seine Hände auf meine Wangen legt und zart mit seinen Daumen über sie streicht.
Mag sein, dass ich es mir nur einbilde, aber ich spüre, wie es in meinen Adern zu rauschen beginnt. Ich bemerke, wie viele Glückshormone gerade freigesetzt werden und meine Müdigkeit bekämpfen. Faszinierend, was seine Lippen mit mir anstellen können. Sanft streift er mit seiner Zunge über meine Unterlippe, was ich zögernd zulasse. Nicht, weil ich Zungenküsse verabscheue, sondern weil ich keine Ahnung von der Technik habe. Das hier ist mein zweiter Zungenkuss, den ich vorsichtig angehe und Cans nach Minze schmeckende Zunge mit meiner berühre. Ich spüre, wie seine Mundwinkel zu einem Lächeln hochgehen, da ich alles ganz vorsichtig angehe. Ich lerne sozusagen die Physiologie des Zungenkusses und erkunde seinen Mund. "Du schmeckst süß", murmelt er, was mich kurz lächeln lässt. "Apfelsaft", gebe ich küssend von mir und lasse dann von ihm ab. Er zieht mir sanft mein Oberteil über meine Schulter, weswegen ich ihn verwirrt ansehe, doch sein Blick liegt auf meinem Schlüsselbein und meiner Schulter, weswegen er meinen Blick nicht sieht. "Ich liebe deine Schlüsselbeine und Schultern." Er setzt kleine Küsse auf mein rechtes Schlüsselbein und dann einen etwas längeren auf meine Schulter, bevor er mein Oberteil wieder an Ort und Stelle zieht und zufrieden seufzt. "Ich mag deine schulterfreien Oberteile." Ich lächele. "Soll ich eins anziehen?" Ich will von seinem Schoß runter, was Can aber nicht zulässt und mit zusammengezogenen Augenbrauen seinen Kopf schüttelt. "Nein? Dann sehen die anderen noch deine Schultern!", gibt Can mürrisch von sich. "Nur bei deinem Hochzeitskleid toleriere ich träger- oder schulterfrei." Meine Augen weiten sich leicht. Es überrascht mich gerade sehr, dass Can schon an so etwas denkt. "Du-, du denkst schon ans Heiraten?", hauche ich überrascht, woraufhin Can sich verlegen am Nacken kratzt. "Vielleicht?" Unsicher sieht er mich an und zuckt mit seinen Schultern. Wird er gerade etwa rot? Meine Augen weiten sich wieder ein Stück, als ich realisiere, dass Can schüchtern wird und verlegen zur Seite schaut. Mein Herz pumpt schneller, bei der Tatsache, dass er schon an so etwas denkt, dass er mich so sehr liebt, dass er mich wirklich heiraten möchte. Meine Finger bewegen sich wie verrückt und auch der Rest meines Körper kann nicht still bleiben, weswegen ich mich kreischend an Can schmeiße, sodass wir wieder liegen. "Da freut sich aber einer", neckt er mich lachend und küsst meine Stirn. "Ein kleines bisschen?", quieke ich und schaue abrupt zu ihm hoch, woraufhin ich meine Augen zu Schlitzen forme. "Du willst nur mit mir in die Kiste steigen!" Ich fange an ihn zu attackieren, was ihn belustigt. "Nein, Shana!", versucht er mir lachend weiszumachen, was ich ihm aber nicht glaube. "Ich nehme den Antrag aus Prinzip nicht an!" Das war der Punkt, an dem Can uns umdreht und er über mir ist. Verdutzt sehe ich in sein ernstes Gesicht und versuche irgendwo den Schalk raus zu lesen, doch Fehlanzeige. "Du wirst meinen Antrag also nicht annehmen?", raunt er tief, was mich schlucken lässt. Sein Blick ist so streng, dass es mich schon einschüchtert. "Sag!", fordert er streng und nähert sich mir. Diese Dominanz! "Ich will dich also nur vögeln?", knurrt er schon fast, was mir eine Gänsehaut verpasst. Ihm scheint es ganz und gar nicht zu gefallen, dass ich ihn beschuldigt habe. "N-noch steht doch gar nichts fest?" Es sollte keine Frage werden und vor allem sollte es nicht als ein Flüstern kommen, doch seine Dominanz ist so einschüchternd, dass ich nicht anders kann. "Es wird passieren", gibt er forschend von sich, was mich scharf die Luft einziehen lässt. Er meint es wirklich ernst. "Ich sag dir mal was, Shana." Er kommt mir so nah, dass sich unsere Nasenspitzen berühren und seine Kette auf meiner Brust liegt. "Mag sein, dass ich dir immer diese schmutzigen Dinge sage und ja, ich will unbedingt mit dir schlafen, aber das heißt noch lange nicht, dass ich bei dir nur aufs Ficken fixiert bin." Sein Ton ist ruhig, doch in ihm steckt eine Menge an Druck. "Ich stelle mir eine Zukunft mit dir vor, die viel mehr, als nur Sex beinhaltet. Ich will alles mit dir teilen und damit ist nicht nur das gottverdammte Schlafzimmer gemeint, Shana!", knurrt er verärgert, weswegen ich mir auf die Lippe beiße und seinem herrischen Blick ausweiche. Er hebt mein Kinn an und erwartet nonverbal, dass ich ihn ansehe, was ich dann auch tue. "Hast du verstanden?" Ich will ein Nicken ansetzen, als er mein Kinn festhält. "Du besitzt einen Mund, einen vorlauten Mund. Benutz ihn zum Antworten." Wieder atme ich scharf ein und schlucke. Diese Seite ist so verdammt einschüchternd. Ich hätte nie in meinem Leben gedacht, dass es eine Person - und dann noch ein Mann - es schafft, mich einzuschüchtern. "Antworte!", fordert er, was für ein Ziehen im Unterleib sorgt. Oh Gott! "Ich-, ja, ich habe verstanden", flüstere ich und schlucke hart, bevor ich meinen Blick wieder senke und versuche mein Herzschlag zu beruhigen. Natürlich spielt meine innere Stimme verruckt und hüpft bestimmt herum - falls sie einen kleinen Körper besitzt. "Gut", sagt Can nun sanft und küsst meine Stirn, bevor er runtergeht und mich wieder an sich heranzieht. Cans Stimmungsschwankungen bleiben konstant. Das war... es war-, sowas von geil, erregend, sexy, anturnend, perfekt! Ich wusste doch, dass meine innere Stimme ganz pathetisch ist. Ich lege meinen Zeige- und Mittelfinger auf meine Pulsader und spüre, dass mein Blut immer noch schnell durch meine Vene pumpt und noch durch den Rest meines Körpers. Irgendwie bin ich gerade wütend, da ich ihm nicht die Stirn geboten habe. Warum zum Teufel muss er auch so eine starke Wirkung auf mich haben?! Anmeckern tue ich ihn jetzt ganz sicherlich nicht, sonst versohlt er mich noch am Ende. Er spielt mit meinem Haar, was mich entspannt und etwas müde werden lässt. "Wie viel Uhr haben wir?", flüstere ich. "Kurz vor neun." Ich nicke und schließe meine Augen. "Ich bin nicht vorlaut!", gebe ich dann kleinlaut von mir und hoffe, dass er nicht ausrastet. "Doch, Shana." Puh! "Ich sage nur meine Meinung", rechtfertige ich mich nuschelnd. "Es ist also deine Meinung, dass du irgendwann meinen Antrag aus Prinzip nicht annehmen wirst?" Okay, er hat mich! "Ja." Ich baue mich innerlich wieder auf, damit ich ihm die Stirn bieten kann. "Du stures, kleines Etwas." Ich schnaube. "Du stures, großes Etwas", parallelisiere ich seinen Satz, was ihn lachen lässt. "Groß trifft es auf jeden Fall." Ich weiß ganz genau, mit was er es verbindet. Dieser perverse Junge mit Stimmungsschwankungen! "Du bist echt herrisch", kommentiere ich sein vorheriges Verhalten etwas bockig. "Du meckerst mir zu viel", stöhnt er genervt auf. "Und du bist mir zu dominant!" Na ja, er ist perfekt. "Ich weiß doch, dass dir das gefällt", raunt er und küsst meine Stirn. "Arsch", murmele ich und ruhe mich nun wirklich aus, bis wir losfahren.
Als wir in die Uni laufen, sind wir still, genau sowie auf dem Weg. Anscheinend kratzt es an Cans Stolz, dass ich so denke, aber jetzt freue ich mich umso mehr, dass er es wirklich ernst meint. Er meint es so ernst, dass er mich sogar heiraten möchte! Na klar, ist es noch zu früh, aber allein der Fakt, dass er schon daran denkt, reicht mir vollkommen aus, um zufrieden zu sein. Es ist wunderbar, wenn die Person, die man liebt, mit einem sein ganzes Leben verbringen möchte. Can kann ich nicht böse sein, dass er mir meine Anschuldigung etwas böse nimmt. Das klärt sich schon wieder. Es ist fast leer auf den Gängen, weswegen mir jetzt die penetranten Blicke vom Leibe bleiben. Der Hörsaal dagegen ist schon voll, weswegen Can und ich uns in die siebte Reihe setzen. "Bist du sauer?", frage ich vorsichtig, woraufhin er mich leicht verachtend ansieht und sich mir nähert. "Lass mich mal nachdenken: die Liebe meines Lebens, mit der ich mir eine gemeinsame Zukunft vorstelle, denkt, dass ich sie nur ficken will. Nein, Shana! Ich bin total froh, dass du so denkst!", kommt es voller Sarkasmus von ihm, weswegen ich mit gespitzten Lippen nicke. Die Liebe seines Lebens! Innerlich kreische ich und ich würde es in echt tun, aber hier sind mir zu viele Leute. Ich mag es nicht, wenn Can sauer auf mich ist. "Es war doch nur ein Satz?", murmele ich, weswegen Can mich ungläubig ansieht. "Dieser Satz hatte eine dicke Anschuldigung in sich, die mich aufregt, Shana!", presst er hervor und holt seinen Kugelschreiber raus. Okay, vielleicht war es nicht so nett, ihm das zu sagen, aber es ist mir ausgerutscht. Ich Ignorantin. Ich sehe ihn entschuldigend an, was er jedoch nicht sieht, weil er stur nach vorne schaut. Oh Mann, ich muss wirklich lernen, aufzupassen, was ich da von mir gebe.
Nach zwei Stunden klinischer Physiologie verlassen wir beide den Hörsaal. Can ist immer noch verärgert. Was soll ich machen? Ich hab's! Ich gebe ihm einfach eine Rose! "Gehst du schon mal in die Mensa? Ich komme nach." Er nickt etwas misstrauisch und geht dann. Mit den Bruchstücken an Erinnerungen laufe ich zum Biologie Labor, finde dort aber keine Rosen. Anscheinend hat Can alle geklaut. Ahnungslos laufe ich einfach auf dem Campus herum und reiße ein Gänseblümchen ab, mit dem ich in die Mensa laufe und nach Can suche, welcher schon etwas für uns beide gekauft hat. Dass er Geld für mich ausgegeben hat - mal wieder -, werde ich ein anderes mal ansprechen. Schüchtern laufe ich auf ihn zu und halte das Blümchen hinter meinem Rücken. Fragend sieht er mich an und zeigt auf den Stuhl gegenüber von ihm. Ich drehe mich einmal um, um zu gucken, ob einer uns beobachtet, was leider Gottes der Fall ist. Damit die Spanner weniger zu sehen haben, beuge ich mich über den Tisch und gebe ihm die Gänseblume, was ihn schmunzeln lässt, auch wenn er es sich verkneift. "Tut mir leid, Can." Ein kleines Lachen entkommt ihm, als er mir das Blümchen entgegennimmt. "Verzeihst du mir?" Wenn ich von einer einzigen Person Vergebung möchte, dann von ihm. "Ja, Shana", seufzt er schmunzelnd und fährt mit seinem Zeigefinger, welcher breiter und länger als mein Geschenk ist, über die Narbe des Gänseblümchens. "Ich wusste nicht, dass dich das so erzürnt", murmele ich und fahre mir mit meinem Zeigefinger über meine Nasenspitze. "Es hat mich wirklich verärgert, Shana. Ich will nicht, dass du immer noch dieses alte Bild von mir hast." Ich nicke. "Ich habe ja nicht immer das alte Bild vor mir. Auch, wenn du dich nicht wirklich verändert hast." Ich schaue auf das Essen und schaue ihn wütend an, was ihn schmunzeln lässt. "Deine Großzügigkeit zum Beispiel." Ich zeige auf das Essen. "Oder deine beschützende Art, deine liebevolle Seite." Ich lächele verträumt. "So warst du schon immer, nur leider auch ein Ficker." Er stöhnt genervt auf. "Sag dieses Wort nicht", brummt er, was mich schmunzeln lässt. "Ficker?", hake ich belustigt nach, was er bestätigt. "Wenn wir schon mal dabei sind." Ich nehme einen Bissen und sehe Can an, wie er trinkt und sein Adamsapfel so schön auf und ab springt. "Wann hast du deine Jungfräulichkeit verloren?" Er schließt seine Augen und legt das Getränk wieder hin. "Shana", setzt an an, woraufhin ich ihn unterbreche. "Ich will es wissen." Ich zucke mit meinen Schultern und sehe ihn abwartend an, während ich esse. Can fährt sich seufzend über sein Gesicht und schüttelt dann leicht den Kopf. "Das war mit... vierzehn? Oder doch fünfzehn? Nein, vierzehn." Entgeistert sehe ich ihn an. "Hormongesteuerter Schwanz", brumme ich und esse weiter. "Und wie war es?", nuschele ich und schiele zu ihm. "Shana, willst-," "Ja, Can", versichere ich ihm und trinke einen Schluck meiner Cola. "Es war okay. Als erstes dachte ich mir, ich wäre der König. Ich war halt unerfahren und wollte es machen. Malik meinte, dass es total gut wäre, wenn man Sex hat. Jedenfalls hatte ich es mit einem Mädchen aus meinem Jahrgang auf der Klassenfahrt und dann wurde aus dem einem Mal immer mehr, bis ich dann festgestellt habe, dass das erste Mal gar nicht so gut war, im Gegensatz zu den anderen Malen. Übung macht halt den Meister." Ich verdrehe meine Augen und beiße in meinen Strohhalm. "Ficker!", zische ich, woraufhin er mich mahnend ansieht. "Du wolltest es hören." Ich nicke und zucke mit meinen Schultern. "Übung macht den Meister", äffe ich ihn genervt nach und steche in meinem Essen herum. "Ich hatte mein erstes Mal auch mit vierzehn." Er zieht arrogant seine Augenbraue hoch und sieht mich aufmerksam an. "Ach wirklich?" Ich nicke stolz. "Er war sehr groß", mache ich ihm weis und esse schlicht mein Essen. "Missionarsstellung", füge ich elliptisch zu. "Hat Spaß gemacht", kommentiere ich und schmunzele leicht. "Ich wusste gar nicht, dass wir es schon getan haben." Grimmig sehe ich ihn an. "Ich habe gesagt, dass er groß war. Damit war nicht die Körpergröße gemeint." Provokant zwinkere ich und trinke schmunzelnd meine Cola. "Wenn du den Beweis wieder einmal sehen willst, dann bitte ich dich mit mir auf die Toilette zu kommen." Ich huste kurz und sehe ihn entrüstet an. "Was heißt hier wieder einmal?" Er redet doch nicht von der Klassenfahrt oder? "Na ja, als du mir da mal unbeabsichtigt rein geschlagen hast und ihn als fett betitelt hat, sagt doch schon alles oder nicht?" Indigniert fahre ich mir über meine Wange und trinke etwas, um mich abzukühlen. "Das war ein Versehen!", keife ich, was ihn lachen lässt. "Ja, natürlich, Shana", säuselt er und zwirbelt den Stängel des Gänseblümchens zwischen seinen Fingern hin und her. Ich sehe ihm verträumt zu, wie er ebenfalls verträumt auf meine Wiedergutmachung schaut, bis er mich ansieht und sanft, aber mit geweiteten Augen mich an meinen Haaren hochzieht. "Du verschluckst den Strohhalm noch, Shana!" Ich blinzele verwirrt. Can spannt seinen Kiefer an und fährt sich über sein Gesicht. "Du hattest den Strohhalm... tief im Mund." Meine Augen weiten sich. Ich schaue auf meinen Becher, dessen Strohhalm weit rausgefahren ist und schaue auf die angebissene Stelle, die sehr weit unten ist. "Das-, ouh. Ich habe nichts bemerkt", nuschele ich und spüre, wie mir die Hitze in den Kopf steigt. Das ist echt, echt peinlich. Aber ich habe an nichts falsches Gedacht? Vielleicht ist seine Schönheit so ablenkend, dass ich und mein Würgreflex nichts mitbekommen haben. Du schmutziges Mädchen, hehe.
Wir räumen unsere Tabletts weg, weswegen ich wieder an den Tag denken muss, wo ich Can aus dem Weg gehen wollte und mein Tablett runtergekracht ist, sodass mich jeder hier angeschaut hat. Ach, das waren noch Zeiten. Ich drehe mich um und sehe eine aufgebrachte Aleyna auf mich zukommen, weswegen ich süffisant lächele. "Das ist doch nicht wahr!", zischt sie, weswegen ich liebevoll zu Can sehe und ihn zurückdrücke, als er nach vorne schreiten will. Wie gut, dass sie es auch weiß. "Doch?" Ich klimpere mit meinen Wimpern. Ich freue mich, dass sie es endlich weiß und ich will wissen, von wem sie es weiß. "Es ist doch immer noch das Gerücht, nicht wahr, Can?" Sie sieht Can mit leuchtenden Augen an, weswegen ich seine Hand nehme. Mir egal ob mir Leute zu schauen oder nicht. "Es ist kein Gerücht mehr", flüstere ich forschend, lächele sie perfide an und gehe einen Schritt auf sie zu. Sie schnaubt und sieht wieder zu Can. Sie soll aufhören, sich etwas mit Can vorzustellen! "Das hält eh nicht lange", lacht sie arrogant und schmeißt ihr Haar nach hinten. Wenn du nur wüsstest, dass er sich mit mir sogar eine gemeinsame Zukunft vorstellen kann. "Er lässt dich sowieso fallen." Cans Hand schließt sich fester um meine. Ihm gefällt es also genau so wenig, wie mir, dass diese Schabracke hier ist und so groß redet. "Halt den Mund, Aleyna!", knurrt Can, weswegen ihre selbstsichere Haltung etwas bricht. "Tja", setzt Aleyna schulterzuckend an. "Can hat von mir das bekommen, was du ihm nicht geben kannst." Sie fängt dreckig an zu lachen, weswegen ich mich leicht verspanne. Diese Schlampe, weiß gar nichts! "Halt deine Schnauze, Aleyna!" Ich halte Can wieder zurück, fahre beruhigend über seine Brust und warte, bis sie sich von ihrem komischen Gelächter erholt hat. "Ich hatte ihn vor dir und ich werde ihn wieder krieg-," Meine Hand schlägt hart auf ihrer Wange auf, weswegen einige scharf die Luft einziehen. Empört hält sie sich die Wange und will etwas ansetzen, woraufhin ich ihr wieder eine scheuere. "Du Nutte!", zische ich und werde dann von Can zum Ausgang gedrückt. Meine Wut schäumt erst jetzt hoch. Was denkt diese Missgestalt, wer sie ist, dass sie immer noch denkt, dass sie Can haben kann?! 'Can hat von mir das bekommen was du ihm nicht geben kannst.' Ich würde jetzt einfach aus Prinzip Can heiraten und dann mit ihm schlafen, nur um ihr widersprechen zu können, egal wie grotesk das auch klingen mag. Saliha steht mit Malik an einer Wand und sieht mich fragend an, als sie meinen wütenden Gesichtsausdruck sieht. "Was ist passiert?", fragt sie direkt und mustert mich mit ihren Kulleraugen. "Ich habe Aleyna zweimal eine gescheuert." Ich schnaube und drehe mich dann um, wo Aleyna mit einigen Mädchen steht. Ich will wieder auf sie zugehen und sie dann anschreien, werde von Can aber zurückgehalten. "Ich bringe sie mal irgendwo hin, wo sie niemanden töten kann", verabschiedet Can sich und zieht mich durch die Gänge. "Dieses dreckige Miststück! Ich reiße ihr ihre Extensions raus!" Can dreht mich zu sich und fährt mir liebevoll über meine Wange. "Ich weiß ganz genau, dass sie sich nicht zurückhalten wird, Can!" Vor Wut steigen mir Tränen hoch, die ich wegblinzele. Wenn diese Schlampe es wirklich wagt, sich an Can ranzumachen, dann wird sie sehen, was sie davon hat! "Hey, beruhige dich." Er küsst meine Stirn und zieht mich an seine Brust. Seufzend schließe ich meine Augen. "Ich will nur dich, Shana. Zweifele bitte daran nicht." Ich nicke und schlinge meine Arme um ihn. Wie sehr mich seine Stimme doch beruhigt und mir das Gefühl von Sicherheit vermittelt. Seufzend öffne ich meine Augen und sehe, wie Aykan etwas aufgebracht läuft. Anscheinend hat er uns gesehen. Ihn um eine Aufklärung zu bitten, will ich jetzt nicht, da ich einfach keine Lust habe. "Kommst du heute mit mir oder möchtest du alleine lernen?", fragt Can mich und fahrt mir sanft durch mein Haar. "Ich will zu dir", murmele ich und vergrabe mein Gesicht in seiner muskulösen Brust. "Gut." Ich löse mich von ihm, schaue mich kurz um, um sicherzugehen, dass keiner hier ist und gebe ihm einen kurzen Kuss auf den Mund, bevor wir dann in den Hörsaal laufen. Diesmal setzen wir uns wieder vorne hin, da fast keiner hier ist. Cans Gänseblümchen liegt auf dem Tisch, neben seinen Unterlagen und wird dann wieder von ihm in die Hand genommen. "Das ist echt süß", schmunzelt er.
Während der Vorlesung konnte ich nicht ganz aufpassen, da mich Aleynas Worte immer noch verfolgen. Dieses Miststück wird sich an Can ranmachen! Ich kann an nichts anderes denken. Hätte ich ihr noch mehr Schellen gegeben! Gott, dieses Mädchen lässt mein Blut kochen! Wie charakterlos muss man sein, dass man sich an einen vergebenen Mann ranmacht?! Wie verzweifelt ist sie? "Shana, mach dir nicht so viele Gedanken." Can legt seine Hand auf mein Bein, nachdem er den Copyshop verlassen hat und fährt die Einfahrt hoch. "Can, das geht einfach nicht! Sie wird alles daran setzen, uns auseinander zubringen!" Seufzend fahre ich mir über mein Gesicht und versuche mich zu beruhigen. "Shana, das wird sie nicht schaffen." Er küsst meine Hand und parkt das Auto. Wir betreten die Wohnung, woraufhin ich mich in der Küche bediene und Kekse im Schrank finde. Frustriert esse ich einen und lege die Packung zurück. "Du kannst ruhig mehr essen", sagt Can belustigt und geht mit der kleinen Tüte ins Zimmer. Mit den Keksen in der Hand laufe ich ihm nach und sehe, wie er etwas schneidet. Ich gehe näher ran und sehe, dass es mein Gänseblümchen ist, welches laminiert wurde. Ich muss sofort lächeln und schlinge meine Arme um ihn. "Das ist echt süß", nuschele ich und küsse seinen Nacken. Mit den einfachsten Dingen schafft Can es, mich auf andere Gedanken zu bringen. Mein Herz, welches eigentlich vor Rage schneller schlägt, schlägt jetzt vor Freude schneller und mein Körper beruhigt sich, wegen dieser kleinen Aufmerksamkeit.
"Ich liebe dich, Can", flüstere ich.
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