Kapitel 52

Ein kalter Schauer übermannt mich, als es mir klar wird. Ich liebe Can. Welch Ironie des Schicksals! Doch wieso freue ich mich nicht? Wo ist das ganze Dopamin und Serotonin? Wenn man verliebt ist, ist man doch glücklich, hyperaktiv, man kann nicht aufhören zu lächeln? Und ich? Ich erhole mich gerade von meinem Zusammenbruch und realisiere erst jetzt, nach fünf Jahren, dass ich mich im Laufe dieser fünf Jahre in ihn verliebt habe und dass ich es einfach nie eingesehen habe. Can hat es geschafft, meine Mauer zu überwinden, sie zum Einstürzen zu bringen. Meine Haltung spannt sich an und meine Hände krallen sich in meine Oberschenkel, während es sich immer wieder, wie ein Mantra in meinen Ohren abspielt. Ich liebe Can. Feste schlucke ich und atme scharf ein. "Was ist los?" Ich presse meine Lippen auf einander. Ich muss mich doch wieder freuen, dass er hier ist und nicht wieder traurig werden. Die negativen Gedanken kommen wieder. Was, wenn er mich nicht liebt? Er liebt mich nicht. Er hat sich doch lustig gemacht. Er hat aus Wut alles rausgelassen. Die Schmerzen kommen wieder. Mein Magen zieht sich zusammen, meine Luftröhre verschnürt sich wieder und mein Herz schmerzt. Wieder verschleiern mir meine Tränen meine Sicht und das bekommt Can mit. "Was ist los? Was belastet dich, Shana?" Besorgt wischt er mir meine Tränen weg. Er soll aufhören, so sanft zu mir zu sein. "Can", flüstere ich brüchig. Seine Hand legt sich sanft auf meine Wange. "Ich habe mich verliebt." Ich presse meine Lippen sowie meine Lider aufeinander. Cans Hand verkrampft sich und entfernt sich von meiner Wange. Wieso bleibt sie nicht da? Stoßt er mich ab? Ängstlich öffne ich meine Augen und sehe in Cans angespanntes Gesicht. "Was soll ich bloß tun?", schluchze ich. Seine Kiefermuskel fangen an zu zucken und seine Gelenke fangen an zu knacken. "Bist du deswegen so aufgewühlt?" In seiner Stimme liegt unterdrückte Wut. Ich nicke und wische mir meine Tränen weg, was ich für unnötig halte, da sowieso neue Tränen kommen. "Wieso tut es so weh?", flüstere ich und beiße auf meine bebende Unterlippe. "Wer ist es?", will er wissen. Ich kann es ihm nicht sagen. Er hat mich ausgelacht. Ich will es ihm nicht sagen. Er wird mich wieder auslachen. Mein Kopf schüttelt sich panisch. "Aykan?" Nein, du. Mein Herz schmerzt wieder, weswegen ich es mir halte. "Ist er es? Hat er dir wehgetan?", knurrt Can, was ich verneine. "Can, es tut so weh", weine ich. "Ich dachte, man freut sich. Ich dachte, man ist glücklich", schluchze ich. Immer habe ich gelesen, wie fröhlich das Mädchen ist, doch ich leide. "Can, wieso tut mein Herz weh? Es ist doch nur ein Muskel, es kann doch nicht fühlen." Mein Schluchzen wird stärker, während Can mich verzweifelt ansieht. "Es soll aufhören." Ich fahre mir durch mein Haar und raufe es. "Seit wann kann ein Muskel meine Gefühle in sich aufnehmen?" Meine Atmung beschleunigt sich wieder und eine kalte Gänsehaut breitet sich auf meinem Rücken aus. "Dazu ist das Herz nicht da! Da Herz versorgt uns doch mit Blut? Ein ungefähr dreihundert Gramm schweres, muskuläres Hohlorgan. Es hat keine Gefühle! Wieso tut es weh, Can? Erkläre es mir!", gebe ich verzweifelt von mir und kralle mich in seinen Pullover. Er sieht paralysiert zu Boden. Was hat er? Hat er verstanden, dass ich ihn liebe und kann mir nicht sagen, dass er nicht gleich fühlt? Hat er mitleid mit mir? "Ich-, ich weiß es nicht." Er lächelt gequält und nimmt mich in den Arm. Das brauche ich. Ich muss mich damit zufrieden geben, bis ich irgendwann mehr brauche und neue Schlüsse ziehen muss. Ich bin ja so widersprüchlich. Ich habe es für unwahrscheinlich gehalten, dass ich mich in so einen Jungen - einen Player - verliebe und doch ist es mir passiert. Ich habe mich verliebt und es erst nach vielen Jahren realisiert. Zu Anfangszeiten habe ich immer an ihn denken müssen, aber richtige Gefühle waren es im ersten Jahr nicht. Es hat sich jedoch in den drei Jahren entwickelt, nur hat mein Stolz es versteckt, bis es irgendwann so groß und mächtig geworden ist, dass es meine Arroganz, meinen Stolz, meine Sturheit und sogar mein Nachtragen überwunden und zum Teils auch gebrochen hat. Ich habe Can erzählt, dass er sich irgendwann mal verlieben wird und dass ein Gefühlschaos in ihm sein wird, nur wusste ich nicht, dass es am Ende mich, statt ihn trifft. Ich habe mir doch immer wieder eingehämmert solide zu bleiben, ihm zu widerstehen, aber anscheinend rebelliert mein limbisches System.

"Hat er dich verletzt?" Ich zucke mit meinen Schultern. "Irgendwie schon, aber er ist so-, er ist etwas besonderes." Can seufzt resigniert und löst sich von mir, was mich kränkt. Er stößt mich ab. "Aber ich will nicht an ihn denken, ich muss doch lernen. Wie soll ich das hinkriegen, wenn er die ganze Zeit in meinen Gedanken ist und mich psychisch so mitnimmt?" Er schüttelt kaum vernehmbar seinen Kopf. "Wir kriegen das schon hin. Wegen diesem Hund wirst du nicht leiden." Du bist doch der Hund. Er nimmt meine Hand, was ein wunderbares Gefühl in mir auslöst und meine Bauchschmerzen auf magische Art und Weise verschwinden lässt. "Bleibst du bei mir?" Unsicher beiße ich mir auf meine Unterlippe und kriege Herzklopfen bei dem Gedanken, dass er Nein sagen könnte. "Ich bleibe solange du willst." Ich lächele leicht und drücke seine Hand. Ich will so viel Zeit bekommen, wie es nur geht. Ich will es genießen, ich muss das Beste daraus machen. Ich darf nicht zulassen, dass er mich kaputt macht. Ich lehne mich gegen seine Schulter und schließe schniefend meine Augen. Es klopft an der Tür, wo drei Augenpaare hineinschielen. "Ist alles wieder in Ordnung?", fragt Saliha schaut mich besorgt mit ihren braunen Kulleraugen an. Ich zucke mit meinen Schultern. Die Antwort ist nicht ganz bekannt. "Ich weiß es nicht", flüstere ich und seufze. "Soll ich heute Lasagne machen?", fragt Ranja. Sie weiß, dass ich Lasagne liebe, deswegen nicke ich leicht lächelnd. Die beiden Mädchen machen sich auf den Weg in die Küche, während Ramazan unbeholfen an der Tür steht. "Komm her, ich will dich umarmen." Er kommt schmunzelnd auf mich zu und lässt sich von mir in den Arm nehmen. "Es wird alles gut, Shana." Zweifelnd schließe ich meine Augen und lasse meine Schultern wieder zucken. "Ich hoffe es." Langsam lösen wir uns wieder, woraufhin ich ihn leicht anlächele. "Ich glaube, das mit dem Rausgehen wird nichts mehr?" Ich nicke. Ich bin zu müde. "Dann ist mein Job erledigt." Wieder nimmt er mich in den Arm. "Wir holen es nach", verspreche ich ihm, woraufhin er nickt und geht. Da mir auf einmal sehr warm ist, öffne ich das Fenster ganz und fächere mir Luft zu. "Was ist los?" Die Hitze steigt immer mehr. "Mir wird heiß." Er fasst mir an die Stirn, woraufhin sich seine Augenbrauen zusammenziehen. "Du bist total warm, Shana." Er legt mich aufs Bett. "Du kannst die Lasagne dann nicht essen, das verschlimmert alles." Mir ist gerade auch der Appetit vergangen. Ich muss schlucken, als mir das Bild von Lasagne in den Kopf kommt. "Sag, dass sie aufhören sollen." Er nickt und sagt den Mädchen bescheid, bevor er mit einem ACE-Saft zurückkommt. Ich trinke den Saft aus und seufze. Mein Immunsystem ist jetzt befallen und das nur, weil ich verliebt bin, Halleluja! Irgendwie muss ich deswegen kurz schmunzeln. Es ist einfach paradox! Ich, Shana bin in Can verliebt. Ich habe meine Gefühle in der Oberstufe verdrängt, ich habe sie unterdrückt, bis sie dann aus allen Nähten geplatzt sind. "Ich will Eis." Can sieht mich lächelnd an. "Wir haben Beeren-Mix am Stil da." Er steht auf und holt sich jeweils für sich und für mich eins. "Soll dir Suppe gemacht werden?" Ich schüttele meinen Kopf. "Nicht jetzt." Can seufzt. "Wie sensibel du doch auf solch einen Stress reagierst." Ich wusste ja selber nie, dass eine gesunde Person mich krank machen kann. Ich wusste ja selber nie, dass ich mich in dich verliebe und mir gleichzeitig klar ist, dass du über meine Gefühle lachst.

Die Tatsache lässt meine Laune wieder sinken. Es wird sich niemals etwas entwickeln. Ist es Karma? Karma, dass ich Anfangs seine Gefühle nicht erwidert habe aus Angst? Jetzt bin ich diejenige, die Gefühle für Can hat - ich liebe ihn! Gott, das Schicksal meint es nicht gut mit mir. Es hat mich fliegen lassen, einen Schein-Himmel aufgestellt, bis zum Punkt, an dem ich abstürzte und auf der Realität lag. Das erinnert mich an Ikarus. Es ist ein widerliches Gefühl. Er ist jemand, der nur an dem Einen hängt. Er will nur Sex und ich will eine Beziehung. Ich und eine Beziehung. Da verliebe ich mich einmal und schon merke ich, dass es keine Zukunft haben wird. Es führt doch nur zu Streit und Kummer. Da wird nie etwas sein und das lässt mein Herz schmerzen. Es ihm beichten kann ich nicht, er würde sich distanzieren und wenn nicht, dann würde er mich auslachen. Ich will es ihm nicht sagen, aus Angst, mir mehr Schaden hinzuzufügen. "Was ist los?" Ich sehe gequält hoch in seine Augen. Die Augen, die ich liebe. Gott, ist das schmerzhaft. "Hey, nicht weinen." Er nimmt mich wieder in den Arm und egal, wie schmerzhaft es auch ist, ich genieße es. Es brennt. In meinem Herzen brennt es, dass er gerade so liebevoll ist. Mein Verstand schreit mich an, ich solle ihn wegschubsen, ihm sagen, was ein gefühlsloses Arschloch er ist, doch ich kann nicht. Mein Verstand wurde besiegt. Mein Verstand ist nicht mehr so groß, wie meine Gefühle es jetzt sind. Ich habe Angst, dass er dann wieder gehen würde, wenn ich es sage. "Warum tut die Liebe so weh?", flüstere ich und verziehe weinerlich das Gesicht. "Ich dachte wirklich, dass es schön wäre, sich zu verlieben, Can." Ein kleines Schluchzen entkommt mir. "Es ist alles andere als schön", gebe ich brüchig von mir. "Shana, wer hat dir das angetan?" Du! Du, allein du warst es! Ich schüttele meinen Kopf. Ich kann es ihm nicht sagen. "Es würde einfach nur schlimm werden, wenn ich es sage." Er streicht mir mein Haar zur Seite, was mich frösteln lässt. "Wenn er dir nicht gut tut, dann musst du loslassen." Feste schließe ich meine Augen. "Ich kann nicht. Ich liebe ihn zu sehr." Das kannst du nicht verstehen, weil du nicht geliebt hast. Du hast dir doch nur etwas eingebildet und mich damit verletzt, Can. "Shana, wer ist es? Sag es mir bitte, ich kann dich nicht so leiden sehen." Wieso lässt du mich dann leiden? "Nein", flüstere ich. "Wie kann ich dich wieder glücklich machen?" Erwidere meine Liebe, denke ich mir verzweifelt, woraufhin mir sein gehässiges Gelächter wieder in den Sinn kommt. Wieso ist er so widersprüchlich? Wieso lacht er mich aus, wenn er mich im nächsten Moment in seinen Armen hält? Um den inneren Schmerz zu lindern, esse ich einfach das Eis weiter. Vielleicht betäubt es ihn. Vielleicht kühlt es meine Gefühle ab. Wir sitzen schweigend auf dem Bett. Seine starken Arme, die mich halten und mich beschützen, obwohl es vor einer Woche noch komplett anders war. Was wäre wohl passiert, wenn ich das Video nicht gesehen hätte? Wäre alles wie zuvor? Würde ich meinen Gefühlen dann im klaren sein? Würde ich dann realisieren, dass ich mich in ihn verliebt hätte? Ich will, dass es aufhört. Ich will mich verlieben und fröhlich sein, ich will schwärmen und komische Gedanken haben, ich will deswegen lachen und kreischen und nicht weinen und schreien. Ich will diese Schmetterlinge im Bauch haben und keine Bauchschmerzen. Mein Herz soll wieder flattern, es soll erblühen und sich nicht zusammenziehen und schmerzen. Wieso ist es nicht so einfach? Bei Saliha und Malik ist es doch auch einfach. Sie lieben sich und haben es schnell bemerkt. Wieso geht es bei mir nicht? Wieso nicht bei uns? Weil wir nicht so einfach sind? Weil wir so widersprüchlich und stur sind? Weil wir zu stolz sind, unsere Gefühle Preis zugeben? "Er hat dich nicht verdient, Shana." Das mag sein, aber ich liebe dich zu sehr! "Ich lasse nicht zu, dass ein so wunderbares Mädchen, wie du verletzt wird. Wir werden das wieder hinkriegen und du wirst strahlen!" Seine Worte sind so wunderbar und schmerzend zu gleich. Er will, dass ich ihn vergesse. Ich weiß nicht, wie ich mit meinem Verliebtsein umzugehen habe. Es ist ein komplettes Neuland für mich.

"Willst du Suppe? Champignoncremesuppe?" Ich nicke. Er legt seinen und meinen Eisstiel auf den Tisch und hilft mir auf. Seine große Hand legt sich auf meinen Rücken, wo es angenehm anfängt zu kribbeln. Im Wohnzimmer läuft Saliha von Küche zum Wohnzimmer und lächelt mich an. "Wo ist Ranja?", frage ich und setze mich auf den Barhocker. "Sie ist kurz einkaufen gegangen. Was hältst du von Fifty Shades of Grey?" Sie wackelt mit ihren Augenbrauen und grinst mich pervers an. "Bei Christian kommt man doch gerne auf andere Gedanken." Ich schmunzele leicht. "Ich muss lernen." Nun mischt sich Can ein. "Nein, wir schauen den Film." Entgeistert sehe ich ihn an. "Aber ich muss den gesamten Stoff wiederholen! Ich-, ich habe alles vergessen, ich werde alle-," "Shana, du hast nichts vergessen und das wirst du auch nicht", beruhigt er mich. "Du bist nur etwas verwirrt und wenn du dein Gehirn weiter strapazierst, machst du es nur schlimmer. Wir lernen morgen, wir haben genügend Zeit." Unbeholfen zucke ich mit meinen Schultern und nicke. "Ich hoffe du magst Fifty Shades of Grey." Ich schaue zu Can, welche schmunzelnd nickt. Er holt das Tütchen raus und fängt an die Suppe zuzubereiten. Dabei mahlt er ab und zu seinen Unterkiefer. Anscheinend denkt er nach. Er denkt nach, wie er mir helfen könnte. Er muss nur meine Liebe erwidern, doch das geht nicht. Er liebt mich nicht. Vielleicht ist er auch nicht der Richtige. Lüg dich nicht an. Aber was, wenn er mich nur ausnutzen würde, falls ich es ihm beichten würde? Er will mich doch nur ficken. Das hat er gesagt. Das kannst du nur wissen, wenn du es herausfindest. Was soll ich denn machen? Soll ich mich dumm stellen? Soll ich so tun, als ob ich betrunken wäre? In mir blitzt etwas auf. Soll ich es wirklich einmal tun? So tun, als ob ich komplett benommen wäre? Wie damals? Mein Magen zieht sich bei dem Gedanken zusammen, also streiche ich es lieber. Das wäre zu absurd. Wenn er sich irgendwann mal in jemanden verlieben würde, dann wüsste ich nicht, wie ich damit klar kommen soll. Ich wüsste nicht, was ich machen würde. Ich weiß nur, dass ich komplett zusammenbrechen würde und nur noch weinen werde, doch das will ich nicht! Ich will nicht weinen! Ich will nicht schwach werden, so war ich doch sonst auch nie. Ich war doch dieses starke, selbstbewusste Mädchen, die die Menschen nie verstehen konnte, warum sie weinen und so sehr leiden. Ich konnte nie verstehen, warum man sich in jemanden verliebt, der einen nicht zurück liebt oder ihm nur schaden hinzufügt. Ich habe es nie verstanden, bis ich selbst zum Opfer wurde und es ist grauenhaft. Es ein Teufelskreis: erst kommt das Gute von ihm, bevor er dich niederschmettert und wieder aufhebt. "Hier." Can stellt mir eine Schüssel mit Suppe hin, weswegen ich mich bedanke und langsam anfange zu essen. Mit meiner freien Hand streife ich mir meine Haare hinter meine Ohren, woraufhin Can sie in seine Hände nimmt. "Hast du ein Haargummi?" Du trägst doch ständig eins mit dir herum. Ich halte ihm mein Handgelenk hin, wo er sich eins nimmt und vorsichtig meine Haare zu einem Dutt bindet. "Willst du auch Suppe?", frage ich Can, was er jedoch verneint. "Du hast sie sehr gut gewürzt", nuschele ich. Er wäre ein guter Freund. Ich verstehe nicht, wieso wir keine Beziehung führen können. Weil er dich nicht liebt. Ich verziehe kurz mein Gesicht und seufze. Es wäre wunderbar, wenn wir zusammen wären. Es wäre wie immer, nur intensiver. Wir würden keine Hemmungen haben, uns zu küssen. Keine Hemmungen, wenn es um unsere Gefühle und Gedanken geht. Aber er wollte mich doch küssen? Wollte er es nur, damit er derjenige ist, der mir meinen ersten Kuss geraubt hat? Als eine Art Preis? Sieht er es so? Mein Bauch zieht sich zusammen und mein Herz pocht. Und ich wollte ihn noch freiwillig küssen. Ich bereue es, aber ich will es auch wieder machen. Ich will ihn küssen. Aber was, wenn er es nur ausnutzen würde? Ich brauche schnell Informationen. Dieser lächerliche Versuch mit dem gespielten Betrunken sein kommt mir wieder in den Sinn. Würde er mich ausnutzen? Er hat gesagt, dass er es nicht machen würde, aber er auch auch gesagt, dass ich nicht auf Cihan hören soll und hat am Ende zugegeben, dass Cihan doch recht hatte. Ich sollte ihn nicht lieben, nach diesem Geständnis. Nach diesem perfiden Geständnis, sollte ich ihn komplett aus meinem Leben streichen, doch er hat sich schon in mein Herz gesetzt. Ich verstehe immer noch nicht, wieso mein Herz wehtut. Hat es einen neurologischen Hintergrund? Sendet mein Gehirn irgendwelche Signale? Ich muss es nachschlagen.

Als Ranja mit einigen Snacks wiederkam, haben wir den Film eingeschaltet. Als ich die beiden sehe, muss ich an das erste Mal denken, als ich den Film mitten in der Nacht, ein Jahr nach seiner Publizierung geguckt habe und die Protagonisten anfangs hässlich fand. Ich weiß nicht wieso, aber dann habe ich mich im Laufe des Filmes in beide verliebt und mit meinen Möbeln während des Filmes über die beiden geredet und ihn mir im Laufe des Jahres noch sieben weitere Male angeschaut. Es ist eine besondere Liebe. Er kann nicht lieben, bis er auf Ana trifft und sie sein Leben verändert. Sie war noch nie verliebt, hat auf den Richtigen gewartet und dann wurde ihr das Herz gebrochen, weil Christian die Liebe nicht erwidern kann. Wieso widerspiegelt der Film meine jetzige Situation? Meine Brust zieht sich wieder schmerzlich zusammen. "Shana? Was ist los? Sonst springst du auf und ziehst uns die Kleidung vom Leib. Du sprichst doch sonst immer die ganzen Dialoge nach." Ranja sieht mich fragend an. Langsam wende ich meinen Blick wieder auf den Fernseher und zucke mit meinen Schultern. Es deprimiert mich, dass meine Liebe nicht erwidert wird. "Ich bin müde", flüstere ich und laufe mit Can in mein Zimmer. Der Film hat noch mehr auf meinen Gefühlen herumgehakt. Ich habe genau gefühlt, wie Ana sich in diesem Moment gefühlt hat. Als Christian gesagt hat, dass sie ihn nicht lieben kann, haben sich meine ganzen Muskeln zusammengezogen. "Ich habe hier eine Short für Jungen." Ich lege ihm die schwarze Short hin. "Du kannst auch oben ohne schlafen, mir egal", flüstere ich. Mir ist alles egal geworden. Nur das Studium schiebe ich aus dieser Apathie. Das Studium, meine Karriere darf darunter nicht leiden. "Willst du dir jetzt schon die Zähne putzen?" Er nickt. Er folgt mir ins Bad, wo ich nach einer neuen Zahnbürste suche, jedoch keine finde. "Dann nimm meine, die ist sowieso neu. Seit gestern." Es ist mir scheißegal, wie unhygienisch andere es finden würden. Ich sterbe nicht und ich bin mir sicher, dass seine strahlend weißen Zähne gesund sind. "Wenn es keine gibt, dann ist nicht schlimm. Ich will deine Zahnbürste nicht verseuchen." Ich sehe ihn finster an. "Nimm." Ich drücke ihm die Zahnbürste in die Hand. "Oder bist du sensibel, was sowas angeht?" Ich beiße mir auf die Unterlippe. Er schüttelt seinen Kopf. "Nein, ich habe keine Hypochondrie." Ich lächele und hole mir solange eine Wasserflasche aus dem Balkon. Ranja sieht mich lächelnd an. Es ist kein fröhliches, sondern ein bemitleidendes. Seufzend mache ich mich in mein Zimmer und dann ins Bad, als Can es verlassen hat. Ich war noch nie die Person, die vor Speichelkontakt Angst hatte. Außerdem wird das Ganze überbewertet meiner Meinung nach. Wenn man sich küsst, dann tauscht man doch auch Viren und Bakterien aus, aber da tickt man nicht aus. Wenn man aus einer anderen Flasche trinkt, dann ist weniger Angst, als wenn man eine andere Zahnbürste benutzt. Es kommt einfach auf die Einstellung der Person an. Einem sollte einfach nur bewusst sein, dass überall Bakterien sind. Ich bin der Meinung, dass je mehr Sorgen man sich um Viren und Bakterien macht, umso schneller infiziert man sich - weil das Immunsystem bei negativen Gefühlen geschwächt wird.

Ich schlürfe wieder ins Zimmer und schließe die Tür, bevor ich zum Schrank laufe und mir das größte T-Shirt raushole, welches ich anziehe. Es ist ein graues Nike T-Shirt und reicht mir bis zur Mitte meiner Oberschenkel. Ich bin gerade so desinteressiert, dass ich mich nicht einmal schäme mein Oberteil vor Can auszuziehen. Vielleicht liegt es auch daran, dass ich noch ein Unterhemd unter dem Oberteil anhabe. Als ich das T-Shirt anhabe, ziehe ich die Hose aus und lasse sie auf dem Boden liegen. Ich habe weder Lust noch Kraft und will mich einfach nur hinlegen. "Du kannst deinen Pullover ausziehen, Can. Ich weiß doch, dass dir Nachts warm wird." Er nickt und schaut kurz auf meine Beine, bevor er sich seinen Pullover auszieht. Ich seufze leise und schalte das Licht aus, bevor ich mich zu ihm in mein Bett lege. Er zieht mich an seine Brust und fährt mir über meinen Rücken. Meinen Kopf lege ich auf seine nackte Brust und genieße seine Nähe. Es ist ein süßes und schmerzhaftes Angebot, welches ich gerade annehme. Ich muss mich von ihm entfernen, damit ich mich an den Schmerz gewöhnen kann, doch ich will mich nicht entfernen, da es sonst zu schmerzhaft wäre. Ich will ihn bei mir haben, ich will mit ihm lachen, die Neckereien wieder haben. Ich will glücklich sein mit ihm. Gedankenverloren fahre ich über seine Brust und schmiege mich kurz an seine Brust an. "Sei bitte nicht traurig." Genau das lässt meine Tränendrüsen wieder arbeiten. "Bei Gott, wenn ich weiß, wer es ist, dann gnade ihm Gott!", knurrt Can. Du bist es! Was willst du gegen dich schon anrichten?! "Du hast so Glück, dass du dich nicht verliebt hast, Can", flüstere ich und blinzele meine Tränen weg. "Es ist schmerzhaft." Er zieht mich näher an sich, woraufhin ich meinen Kopf in seine kräftige Halsbeuge lege. Sein natürlicher Duft ist so berauschend. Alles an ihm ist berauschend. Er ist ein wunderbarer Mensch. Wunderbar und zerstörerisch zugleich. "Ich helfe dir da raus, Shana." Eine Träne verlässt mein Auge und landet auf seiner Haut. "Verlass mich bitte niemals, egal was auch passiert", flüstere ich angebrochen und schließe fest meine Augen. "Sh, alles wird gut. Ich verlasse dich niemals. Ich schwöre es dir wieder, Shana. Bei Gott, ich werde dich niemals loslassen." Mein Herz pocht und vielleicht spürt er es auch. Vielleicht spürt er auch den Schmerz so stark, wie ich es tue. Vielleicht verliebt er sich aus heiterem Himmel in mich.

Ich bin einfach nur verzweifelt.

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Gott, wie ich diese Menschen hasse, die versuchen mich zu korrigieren. NEIN! Solange ihr mich auf orthografische oder grammatikalische Fehler hier hinweist, ist alles in Ordnung. Aber sonst ist alles richtig! VERSUCHT ES NICHT MICH ZU VERBESSERN, WENN IHR KEINE AHNUNG HABT! Danke ☺️ Solche Menschen wissen nicht, dass ich ein sturer Felsen bin und gerne hypothetisch denke und ALLES EINEN BESTIMMTEN GRUND HAT. So, das musste raus. Oh, und das mit Fifty Shades of Grey stimmt 🙂

DANKE AN @shxrlinx Wattpad ist gerade am Minus, was Sympathie angeht. Alle Kapitel kamen bis jetzt pünktlich by the way. Wattpads Schuld.

-Helo

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