Kapitel 36
Da Deutschland gerne im Sommer das komplette Gegenteil ist, regnet es in Strömen, weswegen wir doch nicht zum Tetraeder fahren konnten. Wir waren zwar da, aber da war noch kein Regen, bis es dann angefangen hat aus Eimern zu schütten. Ich lasse mich auf Cans Bett nieder und schmunzele, als ich Can dabei zusehe, wie er verärgert sein T-Shirt auszieht. "Wenn die Wettervorhersage vorhersagt, dass es beschissene, sonnige fünfundzwanzig Grad werden, dann will ich keinen beschissenen Tropfen sehen!" Verträumt schaue ich auf seinen Oberkörper, der wegen der Feuchtigkeit leicht schimmert. "Anscheinend magst du keinen Regen", stelle ich fest. "Ich hasse Regen", zischt er. "Ich auch." Ich setze mich auf und falte das nasse T-Shirt, welches er aus Wut aufs Bett geschmissen hat. "Wieso hast du dann gelacht?" Can setzt sich zu mir aufs Bett. "Es war lustig. Wenn es regnet, die Situation an sich aber trotzdem schön ist, dann kann ich deswegen nicht sauer sein. Außerdem war es trotzdem schön. Ich sehe es als Erfrischung." Ich lache kurz und zeige auf meine Haare, die dank dem Regenwasser total lockig geworden sind. "Außerdem habe ich jetzt perfekte Locken." Can schiebt seinen Finger in eine meiner Locken und spielt mit ihr. "Waren sie doch schon immer", murmelt er. "Aber jetzt sind sie noch perfekter." Er lächelt mich an und widmet sich wieder meiner Locke. Can Hand geht an den Ärmel meines T-Shirts und zieht daran, da es an meiner Haut klebt. "Warte, ich gib dir eins von mir." Can schmeißt mir ein schwarzes T-Shirt und eine lockere Stoff-Short zu und geht dann aus dem Zimmer. Ein Wunder, dass er nicht gebettelt hat, mir zuzusehen. Schnell ziehe ich mich um und lege meine Kleidung auf den Boden. "Kannst wieder rein!", rufe ich, woraufhin Can sich aufs Bett schmeißt. Seine Haare legen sich dabei auf sein Gesicht, die ich ihm wegstreiche. Er schaut zu mir hoch und schließt dann brummend seine Augen. "Was sollen wir solange machen, bis meine Mutter und Derya wiederkommen?" Ich zucke ratlos mit meinen Schultern und fahre die Einkerbungen, die sich auf seinem Rücken durch seine jetzige Lage breitmachen nach. "So schlimm war es aber nicht." Genervt schaut er mich an. "Es hat regelrecht gepisst, Shana." Ich lache leise. "Aber es war warm, irgendwie", nuschele ich zum Schluss, was Can aufstehen lässt. "Du warst diejenige, die am Ende bei zwanzig Grad gefroren hat, weil es kurz geweht hat." Ich zucke verlegen mit meinen Schultern und schlage ihn mit seinem Kissen, weswegen er mich leicht verstört anschaut. "Ich will dich auch mit einem Kissen schlagen", murrt er und will nach dem anderen Kissen greifen, auf das ich mich aber schmeiße. "Ne, das akzeptiere ich nicht." Er zieht spöttisch die Augenbraue hoch. "Wenn ich will, hebe ich dich mit einer Hand hoch und schmeiße dich in meinen Schrank, also denk bloß nicht, dass dein Gewicht mich aufhält." Ich strecke ihm die Zunge raus. "Versuch es doch." Gefälscht lächele ich ihn an und drücke mich extra nach unten, damit ich es ihm schwerer mache, doch ich habe vergessen, dass es Can ist und ich nun mal Shana bin, die in Cans Händen maximal zehn Kilo wiegt. "Willst du freiwillig runter oder soll ich dich wegschmeißen?" Ich grinse und verschränke meine Arme vor meiner Brust. "Du willst also weggeschmissen werden", seufzt er. Mit meinem Fuß kicke ich das Kissen zu mir, was aber zu erst auf Cans Nacken landet. Da Cans Reflexe messerscharf sind, reagiert er im selben Moment wie ich und schon entsteht ein Krieg. "Gib her!", rufe ich und steige auf seinen Rücken. "Bin ich dein scheiß Pferd?!" Ich springe einmal als Bestätigung. Als Can mich runterschmeißen will umklammere ich ihn mit meinen Beinen und meinen Armen und komme mir wie beim Rodeo-Drive vor. "Los, du Bulle!", lache ich und schreie kurz auf, als Can immer wilder wird. "Ich bin anscheinend wirklich ein Bauerntier." Ich lache zustimmend und werde dann auf die Matratze befördert. Dass Can sich über mich stellt hat, interessiert mich herzlich wenig, da ich zu beschäftigt bin zu lachen und mich zu beruhigen. Als ich mir die Tränen wegwische, seufze ich und schaue in zwei leuchtend gelbe Augen. "Haben wir uns wieder beruhigt?", fragt er mich lächelnd, was ich ihm bestätige. Puh, es ist warm hier. Um irgendwie an Halt zu gewinnen, obwohl ich liege, halte ich mich an seinen kräftigen Oberarmen fest, dessen Wärme mich durchflutet. Dass er ohne ein T-Shirt über mir ist, unterstützt nicht wirklich die Regulierung meiner Körpertemperatur und lässt meine Gedanken nicht wirklich rein bleiben. Etwas nervös schaue ich von seinen Augen zu seinen Lippen, von seinen Lippen zu seinem Oberkörper und dann zurück zu seinen Lippen, gefolgt von seinen gelben Augen. "Alles in Ordnung?" Wenn deine Stimme so unfassbar rau und attraktiv bleibt, dann nein - nichts ist in Ordnung. Ich beiße mir verlegen auf die Unterlippe und schaue zur Seite, um Can irgendwie auszublenden. Can weiß anscheinend von meinem Tun Bescheid und dreht sanft mein Kinn zu sich, über das er streicht. "Nicht schämen. Sowas ist ganz normal." Ein unwiderstehliches Lächeln schenkt mir Can, was mich erschaudern lässt. Ganz ruhig bleiben, Shana. Alles ist gut! Na ja, anscheinend ist nicht alles gut, denn als Cans sanft seine Hand unter meinen Hinterkopf schiebt und ihn anhebt, bin ich kurz davor den Verstand zu verlieren. Ich darf jetzt nicht hyperventilieren! Tief einatmen und dann wieder aus, Shana! Ich spüre nicht einmal meinen Körper, ist das Problem. Das heißt, dass ich ihm vollkommen ausgesetzt bin und er machen kann, was er will, bis ich mich wieder bewegen kann. Als mein Kopf auf einer bestimmten Höhe ist und seinen fülligen Lippen gefährlich nahe ist, geschieht es um mich herum und seine Lippen treffen auf meine. Das Gefühl ist so neu, dass ich es nicht einmal spüre. Meine Hände verkrampfen sich und möglicherweise bohren sich meine Nägel in seine Oberarme, was Can entweder nicht stört oder er spürt es erst gar nicht. Ich dachte, dass, wenn ich meinen ersten Kuss verliere, ich es spüren werde, aber ich bin wirklich wie gelähmt und kann nur meine Lippen, die ich Cans Tempo anpasse, bewegen. Er löst sich von mir und schaut mich lächelnd an. Ist das gerade wirklich passiert? Der Kuss war kurz, doch das ist mir egal. "Shana." Er lächelt zufrieden und fährt mir über meine Wange. "Shana?", flüstert er. "Ja?"
"Shana?" Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen. "Shana, steh auf." Meine Augen weiten sich und plötzlich ist alles weg. "Shana, du fetter Zwerg!", flüstert Can, während ich unzufrieden brumme und dann zusammenzucke, als ich meine Augen öffne. Zwar ist es dunkel, doch trotzdem sehe und spüre ich, dass Can halb auf mir liegt. "Was willst du hier?!", zische ich. Es war ein Traum. Ein Traum, den ich niemals vergessen werde. "Wir fahren jetzt zum Tetraeder." Ich stöhne leise und genervt auf. "Wir haben mitten in der Nacht! Es ist-," Ich taste mein Handy ab und verziehe bei dem grellen Licht das Gesicht. "Wir haben kurz nach vier!", fauche ich, was Can unbekümmert lässt. "Es ist warm draußen und Mittags wird es regnen. Schwing deinen Arsch hoch, bevor jemand aufsteht." Er zieht mich hoch, während ich deprimiert seufze. Ich habe ihn in meinem Traum geküsst! Ist das zu fassen? Nach meinem Kussversuch, der dank Ramazan kläglich gescheitert ist, träume ich, wie ich Can küsse? Hat sich dieses Scheitern so sehr in mich hinein gefressen, dass ich schon so verzweifelt bin und davon Träume, wie er mich küsst? Wieso sollte ich überhaupt wollen, dass Can mich küsst?! Ich glaube langsam, dass Can mich manipuliert hat. Ich war diejenige, die seinen Kussversuchen aus dem Weg gegangen ist, sie abgeblockt hat und ich werde auch immer diejenige sein! Was ist bitte in mich gefahren, dass ich so verrückt geworden bin und mich von ihm in Traum hab küssen lassen?! "Jetzt iss endlich." Ich zucke zusammen und esse mürrisch das Toast, das Can vor mich hingelegt hat. "Es ist echt schwer dich zu wecken, weißt du das?" Sauer zeige ich ihm den Mittelfinger, was ihn genervt aufstöhnen lässt. Er soll bloß nicht hoffen, dass ich jetzt gut gelaunt bin, denn er hat mich aus dem Schlaf gerissen und ich bin immer noch hundemüde. "Komm, wir gehen." Er hebt mich an den Oberarmen hoch und stützt mich noch ab. Anscheinend sieht man mir sogar im Dunkeln an, wie müde ich bin. Schlaftrunken ziehe ich mir meine Schuhe an und lehne mich an Cans Schulter, als wir im Aufzug sind. "So müde?" Ich nicke. Die warme Luft trifft auf meine müde Haut, was sich gut anfühlt. Der Himmel erstreckt sich in einem etwas hellen blau und es herrscht toten Stille auf den Straßen, was sehr beruhigend ist. "Wieso konnten wir nicht eine Stunde später losfahren?", quengele ich. Ich will schlafen und ich will wissen, wie es in meinem Traum weitergeht! Vielleicht hätten wir uns ja gestritten und dieser Traum hätte mir damit endgültig die Augen geöffnet und das mit der Moral, dass wenn wir zusammenkommen, wir uns nur streiten werden. Oder es wäre alles friedlich und die Moral wäre, dass ihr euren Seelenfrieden gefunden habt. Wir fahren los, wobei mir Can freundlicherweise die Tür aufgehalten hat. Wahrscheinlich wäre ich sonst gegen die Tür gelaufen oder hätte mich auf das Dach gelegt. Während der Fahrt schließe ich meine Augen und erst jetzt steigt mit der Duft von Can in die Nase. Ich öffne meine Augen und sehe, dass sein Bart ab ist und rieche, dass er geduscht hat. "CAN!", kreische ich, was ihn zusammenzucken lässt. Verdammte Scheiße, er sieht verdammt nochmal sexy aus! "Was ist los?" Cans Kiefer beginnt zu arbeiten, was perfekt zur Geltung kommt. Plötzlich bin ich hellwach und beobachte Cans kantiges Gesicht. Mit meiner Hand fahre ich über seine weiche, rasierte Haut und will gar nicht mehr aufhören. Wow, wieso sieht er so gut aus? "Dein Bart ist weg." Er seufzt. "Du liebst es andere zu erschrecken, nicht wahr?" Ich nicke, benommen von der Tatsache, dass sein Bart weg ist und er immer noch unverschämt gut aussieht. "Wow", flüstere ich fasziniert und fahre über seine Kinnlinie, die so aussieht, als ob sie zum Schneiden gebraucht wird. Seine Kiefermuskel strahlen schon förmlich und seine Wangenknochen fallen deutlich mehr auf, als zuvor. Wieso, Gott? Wieso hast du Can so verdammt gutaussehend kreiert? Ich habe vor Can noch nie in meinem Leben einen so attraktiven jungen Mann gesehen. Das grenzt ja schon an Fantasie oder Magie oder gar an beiden! Irgendwann löse ich meinen Blick und meine Hand wieder von Cans Gesicht und kurz danach spüre ich einen kleinen Hauch an Müdigkeit zurückkeheren. Ich schließe leise seufzend meine Augen und versuche mich an den Traum zu erinnern. Mir fällt nichts ein, außer der Kuss, weswegen ich mich mehr anstrenge, aber nicht darauf komme. Es kann ja nicht sein, dass ich urplötzlich in seinem Bett lag. Na ja, vielleicht war der Rest ja auch nicht so wichtig. Aber dieser Kuss, wie? Wieso habe ich nichts gespürt? Weil es ein Traum war? Vielleicht kann Can ja gar nicht küssen? Er hat mehr Erfahrung, als du jemals machen könntest. Anscheinend konnte ich in diesem Traum einfach nichts spüren.
Der Himmel wird immer heller, und wir kommen unserem Ort immer näher, weswegen ich lächele. Das war der Ort, an dem ich Can einen Kuss auf die Wange gegeben habe, weil er den Tag so schön gemacht hat. Hoffentlich sind unsere Initialen immer noch dort eingeritzt und sind nicht irgendwie verschwommen. Mit etwas Elan steige ich aus, gefolgt von Can, der einen Arm um mich legt und wir gemeinsam die Treppen hochsteigen. Da sich die Anzahl der Treppen nicht geändert hat und es sich für mich nach viel mehr Treppen anfühlt, fange ich schon leise an zu hecheln. "Komm her." Er geht in die Hocke, damit ich auch seinen Rücken springen kann. Ich schmiege mich an ihn an und schließe meine Augen, während Can uns hoch transportiert. "Gemütlich?" Ich brumme ein leises Ja. Als wir meiner Meinung nach viel zu früh oben ankommen, setzt Can mich ab. Sofort füllt mein Kopf sich mit alten Erinnerungen und meine Beine tragen mich sofort an die Stange, wo Can und ich unsere Buchstaben eingeritzt haben. Sie sind noch da. Lächelnd fahre ich über sie und seufze. Can stellt sich neben mich und zuckt ein Taschenmesser. "Findest du nicht, dass man es als falsch und gar als verstörend gelten lassen kann, wenn man bedenkt, dass du mit mitten in der Nacht aufgeweckt hast, mich irgendwo hingeschleppt hast und jetzt noch ein Taschenmesser mit dir dabei hast?" Schmunzelnd schaue ich zu ihm hoch und sehe, wie sich ein kleines Lächeln auf seine Lippen legt. "Wenn hier jemand jemanden tötet oder vergewaltigt, bin ich mir ziemlich sicher, dass du die Täterin sein wirst." Misstrauisch geht er einen Schritt zur Seite, was mich lachen lässt. Mit dem Messer ritzt er wieder nach und gibt mir dann das Messer. "Nein, du stichst mich nicht ab." Er zeigt auf die Stange. "Ritz was Neues ein." Ich nicke und fange an, woraufhin Can mir nachhelfen muss, da er nun mal derjenige ist, der mehr Kraft hat. "Was soll da stehen?", fragt er mich. "Can liebt Shana." Ich lächele ihn spitzbübisch an. "Und am Ende ein Herz", füge ich hinzu und sehe Can dabei zu, wie er super sexy aussieht und dabei das, was ich auf der Stange haben will, einritzt. Nachdem Can fertig ist und ich zufrieden bin, lächele ich. "So, Can liebt Shana. Kriege ich jetzt einen Kuss?" Er lächelt mich schelmisch an, während mir ganz warm wird. Ach, das mit dem Küssen ist auch so eine Sache. "Du kannst mich überall küssen. Küsse nehme ich über all an." Er tritt schalkhaft an mich heran. "Wirklich überall." Er zwinkert, weswegen ich rot werde und ihn haue. Ich schaue mir den Himmel an und erfreue mich an der orange-rosa Farbe. "Die Leidenschaft für sowas ist also immer noch vorhanden?" Ich nicke. "Sie ist nie vergangen." Als ein kleiner Windstoß kommt, schließe ich meine Augen und spüre neben dem Wind, dass Can sich leicht an mich schmiegt und heimlich genieße ich es. Ich lehne mich gegen ihn und kann noch Stunden so verbringen. "Bis jetzt läuft die Wette gut", murmele ich. Vielleicht ist die Wette ein Weg zu einem neuen Ziel. Vielleicht schaffen wir durch die Wette mehr und kommen uns sogar vielleicht noch näher, als wir es schon sind. Es würde mir wirklich nichts ausmachen, wenn wir uns näher kommen würden. Seine Nähe mag ich sehr und könnte immer bei ihm sein. Ziemlich komisch, wenn man meine früheren Gedanken reflektiert. "Ja, das tut sie", raunt Can, zu dem ich mich drehe. Ich nehme sein Gesicht in meine Hände und inspiziere sein Gesicht, auch wenn ich es schon im Auto getan habe. Sein hübsches Gesicht kann man immer zweimal begutachten. Mit meinem Finger fahre ich sein Kinn nach und merke währenddessen, dass der Himmel trüber wird. "Nett." Ich nicke und gebe Can einen belohnenden Klaps auf die Wange. "Ich will auch." Er entfernt meine Hände von seinem Gesicht und macht dasselbe bei mir. "Ich mag deine Wangen", murmelt er und spielt mit ihnen. Die Kontur meiner Wangenknochen fährt er nach und schaut dabei so gespannt zu, so als ob es das interessanteste der Welt wäre. Sanft drückt er meine Wangen zusammen und lächelt sanft.
Es ist schon erschreckend, wie sehr mich Augen faszinieren können. Egal, wer kommt, niemand wird mich jemals mit seinen Augen so faszinieren wie Can es tut. Liegt es an der Farbe oder an dem, was man an ihnen ablesen kann? Man liest aus ihnen die Stärke, die Can besitzt. Man kann Can wirklich mit einem Löwen gleichstellen. "Du erinnerst mich an einen Löwen, Can." Er lächelt. "Wie kommst du darauf?", möchte er wissen und legt seine Hände auf meinem Rücken ab. "Deine Augen. Sie sehen genau so aus wie die von Löwen, nur mit grauen Sprenkeln und schöner", murmele ich. Can weiß, dass ich seine Augen faszinierend finde, von mir aus kann es sogar die ganze Welt erfahren. "Und deine Art", füge ich hinzu, was ihn etwas fraglich gucken lässt. "Du bist furchtlos und beschützend. Du würdest dich mit deinem Fleisch und Blut für die einsetzen, die du liebst." Lächelnd tippe ich auf seine Brust. "Du hast ein Löwenherz." Ich lege meinen Kopf auf seine Brust und lausche seinem Herzschlag, der mich beruhig. Es schlägt etwas schneller, was mich fraglich macht. Kommt es von meinem Worten? Oder von meiner Nähe? Ich will mir keine Hoffnungen machen, deswegen lasse ich die Frage einfach weg. "Deine Worte müssen immer außergewöhnlich sein", murmelt er und verstärkt seinen Griff um meinem Rücken. "Wieso außergewöhnlich?", möchte ich wissen. "Während andere nur auf mein Äußeres achten und dieses Standardgelaber von sich geben, vergleichst du mich mit majestätischen Tieren und siehst sie in mir." Das Erinnert mich an seinen Geburtstag, wo er schon betrunken war und mir erzählt hat, dass keiner wirklich Komplimente über seine Augen gemacht hat, außer ich, was ich absolut nicht verstehen kann. "Ich mag das", gesteht er und schiebt eine Haarsträhne hinter mein Ohr. Der Himmel ist trüber geworden, was auf ein schlechtes Wetter hinweist, obwohl es warm ist. Sanft lächele ich Can an, da ich mich gerade so unbeschwert fühle. Es ist für mich kaum zu glauben, dass ich diesen Jungen vor wenigen Jahren so sehr gehasst habe und mich mit ihm jede Woche mindestens zweimal gestritten habe. Ironie des Schicksals, dass ich noch unter dem Dach seiner Eltern aufgenommen wurde, durch ihn. Mir kommt der Tag in Düsseldorf in den Sinn, wo wir die Aussicht durch den Fernsehrturm genossen haben. Er meinte, dass er mir irgendwann mal zeigen wird, was er wunderschön findet. "Can?" Er schaut mich abwartend an. "Kannst du dich noch daran erinnern, als du mir versprochen hast, dass du mir zeigst, was du wunderschön findest?" Seine Augen beginnen zu leuchten. Er muss es ja wirklich lieben. "Ja", haucht er und fährt mir durchs Haar. "Aber dafür musst du dich gedulden." Ein Donner ertönt, weswegen ich zum Himmel schaue. Es wird regnen. Nach diesem Gedanken tropfen schon die ersten Regentropfen, die sich rasch vermehren. "Scheiße!", zischt Can, als es dann anfängt zu nieseln. Ich lache und drehe mich im Kreis. Den Regen hasse ich eigentlich, aber es wäre zu schade die Situation, wegen des Regens auf den Boden zu ziehen. "Shana, du wirst dich erkälten." Ich schüttele den Kopf. "Es ist warm, Can." Ein weiterer Donner ertönt, gefolgt von einem Blitz, der sich über den Himmel erstreckt, weswegen Can meine Hand nimmt und mich hinter sich her zieht, als der nächste Blitz auftaucht. Ohne auszurutschen, flitzen wir die Treppenstufen hinunter und steigen durchnässt ins Auto. Genervt schaltet Can den Wagen ein und fährt schnell los.
Als wir zu Hause ankommen, schleichen wir uns in sein Zimmer, wo Can genervt und unzufrieden sein T-Shirt auf das Bett schmeißt. Wir haben mittlerweile kurz vor sechs und wir verspüren keine Müdigkeit. "Es war schön." Can schaut mich seufzend an. "Wieso regnet es, wenn diese gottverdammte Wettervorhersage vorhersagt, dass die beschissene Sonne scheinen wird?" Bei seinen Worten ziehe ich kaum merklich die Augenbrauen zusammen, da es mir so bekannt vorkommt. Haben wir schon einmal so etwas erlebt? Nachdenklich nehme ich sein T-Shirt zur Hand und falte es. Genervt fährt sich Can durch seine Haare und murmelt leise etwas. "Du magst den Regen anscheinend nicht", stelle ich schmunzelnd fest. "Ich hasse Regen", zischt er. Da haben wir ja was gemeinsam. "Ich auch." Verwirrt zieht Can seine Augenbrauen zusammen. "Aber wieso hast du dann heute gelacht und wolltest nicht weg?" Ich zucke mit meinen Schultern und werde das Gefühl nicht los, dass wir das schon einmal erlebt haben. "Es hatte etwas Lustiges an sich. Ich wollte keine schlechte Laune haben, da es ja an sich schön war." Ich knete meine Haare, dessen Locken stärker geworden sind. "Außerdem hat mir der Regen schöne Locken beschert." Can setzt sich zu mir aufs Bett in nimmt eine Locke in die Hand. "Sie waren doch schon immer schön", murmelt er und schiebt seinen Finger in die Locke. "Jetzt sind sie noch schöner." Ich schaue Can schmunzelnd zu, wie er fasziniert meine Locke hält und danach an meinem T-Shirt zieht, da es durch den Regen an mir klebt. "Ich gebe dir neue Sachen." Aus seinem Schrank holt er ein schwarzes T-Shirt raus und gibt mir noch eine graue Stoff-Short. Wie gut, dass meine Beine rasiert sind. Abwartend schaue ich Can an, welcher mich fragend ansieht. "Raus?" Er schmollt. "Einmal, Shana." Ich schüttele den Kopf. "Komm schon", versucht er es. "Nein, Can." Ich zeige auf die Tür, hinter die er mürrisch verschwindet und ziehe mich um. Als ich Can wieder hineingeholt habe, entscheiden wir uns einen Film zu schauen. "Wir wär es mit Rocky 4?" Er nickt und sucht den Film raus. Dass er ohne T-Shirt mit mir unter einer Decke ist, macht mir gar nichts aus. Mich stört nur die Geräuschkulisse draußen. Regen ist total nervig. Ein lauter Donner ertönt, weswegen ich zusammenzucke und Can es schmunzelnd bemerkt hat. "Hat da jemand Angst vor Gewittern?", neckt er mich, doch ich schüttele nur meinen Kopf. "Ich bin nur schreckhaft und der Donner kam plötzlich." Ich kann es nicht nachvollziehen, wieso Mädchen Angst vor diesen Geräuschen haben und manche schon anfangen zu weinen. "Schade, ich wollte den Beschützer spielen", schmollt er und steht auf. "Wohin?", frage ich. "Ich schaue doch keinen Film ohne etwas zu Essen." Mit einer Schale voller Chips und einer Colaflasche kommt er zurück und danach beginnt schon der Film. Im Laufe des Filmes rege ich mich so leise wie es geht darüber auf, dass Ivan Apollo getötet hat. "Rocky wird dich auseinandernehmen!", zische ich und esse frustriert die Chips, was Can belustigt. "Stell dir mal vor Malik oder Ramazan wäre Apollo, du hättest Ivan getötet." Can spannt seinen Kiefer an. "Da hast du recht." Wir schauen den Film weiter und genießen Rockys Sieg um 07:23 Uhr. "Müde?", fragt Can mich, was ich verneine. "Du?" Er schüttelt den Kopf. "Ein kleines bisschen." Ich lächele und sehe ihm an, wie müde er doch ist. "Du lügst, geh lieber schlafen. Du bist länger wach, als ich." Er schüttelt den Kopf und hält mich fest. "Nicht jetzt." Seufzend schaue ich Can an und bemerke erst jetzt seine gereizten Augen. "Du brauchst Schlaf." Er legt brummend seinen Kopf in meine Halsbeuge und atmet tief ein. "Kriege ich eine Belohnung für den Ausflug?" Ich lache kurz auf. "Was willst du den haben?", frage ich. Langsam hebt er seinen Kopf aus meiner Halsbeuge und schaut mich müde lächelnd an. "Überrasche mich." Er grinst schelmisch. Ich weiß worauf er hinaus will. "Ich werde dir deine dreckigen Wünsche nicht erfüllen." Er schmollt. "Aber einen winzigen Bruchteil." Fragend sieht er mich an. Schnell setze ich einen Kuss auf seine Wange und kneife in die andere hinein, bevor ich kichernd aufstehe und Cans überraschten Gesichtsausdruck noch einmal betrachte.
"Schlaf gut, Can."
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Der Kuss kommt bald, keine Sorge HAHAHAHAHAHHAAH ❤️🌚
-Helo
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