Kapitel 35
Mittwoch, 24. August
"Hier", sagt Can und schmeißt einen rosafarbenen Nintendo DS zu mir, was mich sofort schmunzeln lässt. "Wir werden Mario Party spielen, aber nur die Mini-Spiele, danach Doktor Kawashimas Gehirnjogging." Ich nicke und starte den DS. "Und dann?", frage ich, als sich Can gegenüber von mir niederlässt. "Danach habe ich eigentlich schon gewonnen." Ach, Can. "Wir machen im Duell und extrem schwer." Ich nicke und mache mich bereit. "Was spielen wir zu erst?", frage ich ihn und warte darauf, dass mein DS sich mit seinem hellblauen verbindet. "Tückische Neonbrücke." Das Spiel habe ich schon immer gehasst. Ich bin nur ein oder zweimal dort raus gekommen. Als ich Cans Nintendo-Namen lese, fange ich an zu schmunzeln. "Candyboy? Dein Ernst?" Er fährt sich verlegen durch sein Haar. "Damals war das Lied Candy Shop total gehypt und ich habe es gefeiert, dass mein Name irgendwie vorkommt", kommt es mürrisch von ihm. Ich nicke einfach nur und wähle Toad. Can wählt Luigi. Er stellt alles ein und schon beginnen wir zu spielen. Natürlich haben Can und ich dieselben Hintergedanken und versuchen uns gegenseitig vom Feld zu schubsen. "Schummler!", rufe ich und höre ihn lachen. "Wir haben keine Regeln festgelegt, meine Liebe." Okay, wenn das so ist. Ich springe auf Cans Luigi und sprinte über die Neonfelder, bis ich ins Schwanken komme und mich wirklich in echt bewege, damit ich nicht hinfliege. "Karma würde ich mal sagen." Ich ignoriere Cans Satz und konzentriere mich darauf nicht auf die falschen Felder zu kommen, da sich die Farben der Felder so schnell ändern. Ich komme vor einem schwarzen Feld an, bei dem ich wieder ins Schwanken komme und dies nutzt Can aus, um mich durch zu schubsen. "Can!", meckere ich, doch er grinst mich nur überlegen an. Das nächste Spiel beginnt: Klötzchen Künstler. Das Spiel konnte ich als Kind nie. Ich weiß nicht wieso, aber die Formen wollten bei mir einfach nie, bis ich irgendwann jemande dabei zugeschaut habe und realisiert habe, dass man die Klötzchen nicht ausmalen muss. "Du kannst jetzt schon aufgeben." Ich zeige Can den Mittelfinger und konzentriere mich auf die abgebildeten Klötzchen, die ich nachzeichnen muss. Die typische Musik für das Spiel läuft und sofort steigen die alten Erinnerungen hoch, was mich lächeln lässt. Bei diesem Spiel bin ich Can überlegen, was mich grinsen lässt. "Can, du hast ja echt viele Klötzchen gezeichnet", gebe ich mit einer freundlich-ironischen Stimme von mir und gewinne das Mini-Spiel. "Anfängerglück", schnaubt Can. "Ich tendiere eher zur erfahrene Spielerin." Freundlich lächele ich, was Can mir nachmacht, bevor wir sieben weitere Spiele spielen. "Can, niemand kann mich beim Gumba Gewimmel besiegen, das wäre utopisch." Can brummt umzufrieden. Es steht 5:4 für mich, was Can überhaupt nicht gefällt. Er nimmt Doktor Kawashimas Gehirnjogging zur Hand. Ich mochte das Spiel schon immer, nur waren die Matheaufgaben nie was für mich, weswegen Can leider wegen des Spieles aufholt und es nun 17:14 für ihn steht. "Nein, du hast noch nicht gewonnen", gebe ich stur von mir. "Wie gut, dass ich noch einige Spielchen habe, da ich wusste, dass du nicht einsehen kannst, dass ich besser bin." Ich verdrehe meine Augen und folge ihm in sein Zimmer, wo Derya schon mit einigen Kärtchen bereit sitzt. "Das Spiel lautet: Diagnose. Derya hat einpaar schöne Aufgaben herausgefischt und zu den Symptomen müssen wir die passende Diagnose finden. Auch wenn ich nicht will, dass du in den Ferien lernst, muss es sein." Krankheiten sind mein Spezialgebiet. Ich lockere mich auf und bin bereit Can in diesem Spiel zu besiegen. Er müsste doch eigentlich wissen, wie gut ich mich damit auskenne. Es sei denn: er hat irgendetwas gemacht. "Du hast die Symptome mit den Krankheiten nicht selber rausgesucht!" Er schüttelt den Kopf. "Das war einzig und allein Derya. Jetzt hinsetzen." Er drückt mich auf den Boden und lässt sich dann neben mich nieder. Ich rempele ihn an, was er mir nachmacht. "Okay, ein 56-Jähriger Mann besitzt eine Koordinationsstörung, Muskelverspannung und eine eingeschränkte Beweglichkeit an beiden Armen. Das, was er hat, ist auch ein Symptom für eine zentralnervöse Läsion." Ich nicke und denke nach. Könnte es irgendetwas mit einem Anfall zutun haben? Oder doch eine Muskelerkrankung? Ich wundere mich, dass die Leute in Grey's Anatomy es so schnell geschafft haben, die Diagnose festzustellen. "Hat es irgendetwas mit einem Anfall zutun? Also mit einem Schlaganfall zumindest?", frage ich. Derya schaut auf ihren Zettel und nickt. Erinnere dich an den Terminologieunterricht, Shana! Ich spiele grübelnd an meiner Lippe herum und merke, dass auch Can keine Ahnung hat. Ich hebe einfach meine Hand, da mir nur ein Begriff einfällt. "Dysdiadochokinese?" Derya schaut auf ihren Zettel und nickt grinsend. Mit einem überlegendem Lächeln schaue ich zu Can, der mich falsch anlächelt. "Du hast dir hier den falschen Gegner ausgesucht." Er schnaubt. Nachdem ich noch einen Pneumothorax, Trigeminusneuralgie und das Sotos-Syndrom genannt habe und Glück hatte, dass Can langsamer war als ich, steht es nun 18:17 für mich. Da mein Wissen wieder aufgefrischt ist, ich mich wie ein Oberarzt aus Grey's Anatomy fühle und Can mich gerade zu sehr an Alex Karev erinnert, zieht er mich aus dem Zimmer.
"Und was spielen wir jetzt, du Verlierer?" Er brummt und zieht mich in die Küche. "Koch-Wettbewerb." Entgeistert schaue ich ihn an. "Das ist unfair, du hast die Gene eines Kochs!" Ich verschränke meine Arme vor meiner Brust. Can weiß ganz genau, dass er sehr gut kochen kann. "Und du bist eine Frau, also stell dich nicht so an." Ich gebe einen empörten Laut von mir und schnaube. "Wir machen etwas einfaches: etwas Hähnchen und dazu einfach etwas Joghurt mit Gurken." Argwöhnisch schaue ich Can an. "Wir teilen uns eine Hähnchenbrust, keine Angst." Er verdreht seine gelben Augen und holt die Sachen raus. "Meine Mutter und Derya probieren dann." Ich nicke. Ich muss das Stück ja nur etwas würzen. So schlimm kann es ja nicht werden. Ich wasche mir meine Hände und merke, dass Can mir ganz interessiert dabei zuschaut. "Was?" Er zuckt mit seinen Schultern und kneift mir in meine Wange. "Siehst niedlich aus, wenn du gewinnen willst." Mir wird natürlich wieder ganz warm, sowie immer, wenn Can so etwas sagt. Ich nicke einfach nur und weiche seinem wachsendem Grinsen aus. "Du kannst mir ruhig ebenfalls Komplimente machen, das ist kein Problem", sagt Can und hebt schmunzelnd mein Kinn an. "An dir gibt es nichts Schönes." Ich zucke mit meinen Schultern, während meine innere Stimme mich auslacht. Es müsste eher lauten: bei dir gibt es nichts Hässliches oder: bei dir ist einfach alles so gut aussehend, dass du mich für verrückt halten würdest, wenn ich alles aufzählen würde. "Natürlich." Er zwinkert mir zu und gibt mir dann ein Messer, weswegen ich kurz zusammenzucke. "Ganz ruhig. Ich steche dich nicht ab." Nun geht er misstrauisch auf Abstand. "Aber, ob du mich heile lässt, ist eine andere Sache." Ich schmunzele und nehme ihm das Messer ab. Ich fahre mit meinen Fingerkuppen über die Klinge und lasse es dann über meinen Handrücken gleiten, nur um zu wissen, wie scharf es ist. "Shana!" Can nimmt mir sauer das Messer ab. "Was denn?" Er brummt und kratzt sich seinen Bart. "Mach das nicht." Ich ziehe verwirrt die Augenbrauen zusammen. "Du könntest dich verletzen." Aww, wie süß! Ich lächele und kneife ihn in seine Wange. "Wie süß." Er brummt unzufrieden und gibt mir dann das Messer zurück. Die Hähnchenbrust teilt er in zwei, während ich die ganzen Utensilien raushole, woraufhin wir dann anfangen. Das Ganze geht eigentlich ganz schnell und deswegen muss man sich auch keine Sorgen machen, aber wenn ein junger Mann neben einem steht, der so aussieht, als ob er für einen Kuchen Olivenöl benutzen würde, aber eigentlich ein geborener Chefkoch ist, dann kommt einen ein mulmiges Gefühl hoch. Can hat alles an Gewürzen bereitgestellt: Knoblauchpulver, Chili, Salz und Pfeffer, sogar Zitronensalz und vieles mehr. Schnell würze ich es scharf und leicht säuerlich, wie meine Mutter es sonst macht und schmeiße es in die Pfanne, woraufhin ich schnell den Joghurt-Gurken-Salat mache. "Ihr kocht?", fragt die Mutter, die in die Küche gekommen ist. "Ein Wettbewerb", antwortet Can. Sie stöhnt genervt auf. "Wegen gestern?" Wir nicken. Cans Mutter schaut uns zu und gibt einen zufriedenen Laut von sich, bevor sie zu Can latscht und ihm leise etwas zuredet. Ich verstehe nur etwas mit Heirat und verstehe sofort, was sie meint. "Mama, lieber sterbe ich." Empört schaue ich Can an. "Du würdest jeden Tag zu Gott beten und ihm danken, dass du mich als Frau hast!" Er zieht arrogant die Augenbraue hoch. "Eher bringe ich mich um." Er lächelt gefälscht, weswegen ich ihm gegen die Brust haue. "Wow, das war ja so schmerzvoll." Wieder schlage ich ihm gegen die Brust und wende ihm beleidigt den Rücken zu. "Blödmann", flüstere ich. "Troll", erwidert er. "Arschloch." "Zwerg." Ich atme tief ein. "Riese." "Hexe", kommt es sofort von Can. "Eine Hexe würde jetzt ganz viel Salz über dein Hähnchen streuen." Ich lächele ihn Lieb an und greife nach dem Salz, weswegen Can sofort meine Hand wegschlägt. Es hat zwar nicht wehgetan, trotzdem schaue ich Can beleidigt an und fahre mir über meinen Handrücken. "Hat es wehgetan?", fragt Can etwas unsicher. Ich antworte ihm nicht und kümmere mich um mein Hähnchen. "Can!", meckert seine Mutter und verlässt die Küche. "Kümmere dich darum!", zischt sie und schließt die Tür.
Ich verkneife mir ein Lachen und tue weiter so, als ob ich beleidigt wäre. "Shana, zeig her." Ich schüttele den Kopf und versuche wirklich mich zu beherrschen, nicht zu kreischen, weil Can gerade so süß ist. "Scheiße", murmelt er und stellt sich hinter mich, weswegen ich mich kaum merklich versteife. Einerseits ist es mir unangenehm, dass er mir so nah ist, aber andererseits genieße ich seine Nähe und seinen Eigenduft. "Zeig her", murmelt er und legt seinen Kopf auf meine Schulter, was meine Halsbeuge kribbeln lässt. Er nimmt meine linke Hand und setzt kleine Küsse drauf, die ich wie kleine Elektroschocks anfühlen und meinen ganzen Arm kitzeln lassen. "Shana", brummt Can unzufrieden. Mir entkommt ein kleines Lächeln, doch das verstecke ich. "Tut mir leid", murmelt er, was mein Herz schmelzen lässt. Es gibt wirklich nichts süßeres, als einen süßen Can. Ein Can, der sich entschuldigt, weil er denkt, dass er mir wehgetan hat und sich um mich kümmert. Ich kann ihn einfach nicht mehr ignorieren und strahle schon fast, was Can bemerkt. "Tut es weh?" Ich schüttele meinen Kopf. Can hat eine enorme Kraft, was man ihm auch ansieht, aber der Schlag, der eher als Klaps durchgeht, hat nicht wehgetan. Ich weiß, dass Can mir nicht wehtun kann und gehe davon aus, das er seine Kraft bei mir auf die minimalste Stufe stellt, damit es nicht zu irgendwelchen Verletzungen kommt. "Sicher?" Es ist faszinierend, wie viel Besorgnis in Can doch vorhanden ist. "Ja." Ich lächele und spüre dann, wie Can sich von mir entfernt, weswegen es kühl um mich herum wird. Wir machen alles fertig und stellen jeweils zwei Teller vor Cans Mutter und Derya hin, wo sich das klein geschnittene Hähnchen und jeweils etwas von meinem und Cans Joghurt ist. "Und wir sollen dann sagen, welches besser ist?", fragt Derya, was ich ihr bestätige. Wir verlassen die Küche und setzen uns im Wohnzimmer hin. "Wenn du willst, können wir morgen zum Tetraeder fahren." Ich schaue zu Can. "Wenn du immer noch Angst hast, dann lass uns lieber hier bleiben." Ich will nicht, dass Can von Angst geplagt ist und mich irgendwo hinbringt, obwohl er sich nicht wohlfühlt. "Nein, nein. Es geht schon wieder", versichert er mir. Ich nicke einfach nur und schaue mir Can an. Sein Bart ist länger geworden und ich will unbedingt wissen, wie Can ohne ihn aussieht. Er würde auf jeden Fall jünger wirken, aber trotzdem wäre Can utopisch sexy. Seine Gesichtskonturen würden stark hervortreten, was eine Frau schmelzen lassen würde. "Was ist los?", fragt er mich und holt mich aus meinen Gedanken raus. "Wirst du deinen Bart irgendwann abrasieren?" Er zieht leicht seine Augenbrauen zusammen. "Bis jetzt habe ich nicht daran gedacht, wieso?" Ich zucke mit meinen Schultern. "Ich will dich einmal ohne Bart sehen." Ich streife mein Kinn mit meinen Fingern. "Wegen deinen Gesichtskonturen", füge ich hinzu, weswegen er verstehend nickt. "Irgendwann. Der Bart nervt langsam, ich muss ihn trimmen." Ich kann mir jetzt schon vorstellen, dass Can sich oberkörperfrei ins Bad stellt und beim Rasieren oder Trimmen so verdammt gut aussehen wird, dass man sich fragt, wie so etwas überhaupt geht. Ich frage mich wirklich, wie Can es schafft, bei allem so gut auszusehen.
Als die Mutter und Derya fertig degustiert haben, laufen wir wieder in die Küche. Die beiden haben sich wirklich Zeit gelassen und die Teller leer gegessen. "Wir sind für beide." Ich nicke. Besser, als dass Can gewinnen würde. Can schürzt seine Lippen. "Steht es nun 20:19?" Can nickt. "Das entscheidende Spiel: Mau-Mau." Ich nicke und laufe mit Can ins Wohnzimmer, gefolgt von seiner Mutter und seiner Schwester. "Wir spielen mit fünfzehn Karten diesmal." Da der Kartenstapel sowieso sehr groß ist, würde es mir auch nichts ausmachen, wenn wir mit zwanzig Karten spielen würden. Er mischt die Karten und legt fünfzehn Karten zu mir. Die Mutter nimmt das ganze Spektakel auf und knipst noch dabei Fotos. "Die entscheidende Runde, was?" Er nickt und lässt mich die erste Karte legen, eine Pik acht. Can seufzt, denn er weiß, dass ich gerne alles gegen ihn verwende. Ich lege danach direkt eine weitere Karte, welches eine Pik zwei ist, woraufhin Can dann eine Herz zwei legt. "Was kriege ich, wenn ich gewinne?", frage ich Can und lege eine Karo zwei. "Arschtritte von mir." Ich schaue ihm schmunzelnd zu, wie er eine Karo sieben legt, woraufhin ich eine Kreuz sieben lege. "Denk bitte niemals, dass ich keine sieben im Ärmel habe." Er legt eine weitere sieben, weswegen ich ihn geschockt ansehe. "Dich unterschätze ich nicht, mein Herzblatt." Er grinst, woraufhin ich mürrisch sechs Karten ziehen muss und direkt den Buben lege. "Ich wünsche mir-," Ich schaue mir meine Karten durch und merke, dass ich ganz viele Herzen habe. "Herz zwei." Er legt die Karte, woraufhin ich ebenfalls ein Herz raushaue und ein kleines Herz-Spiel entsteht, bis all meine Herzen weg sind und mein Stapel erheblich kleiner geworden ist, trotzdem hat Can weniger, als ich. Ich habe weder eine Acht, noch einen Buben oder eine Sieben. Eine Neun wäre nicht gerade angebracht, da sie nur dafür sorgt, dass das die Richtung gewechselt wird. Als Can seinen Buben legt, wünscht er sich eine Kreuz drei, die ich natürlich nicht habe und legt dann seine letzte Kreuz drei. "Mau-Mau." Er lächelt zufrieden. "Unentschieden, also." Er nickt. "Besser, als verloren zu haben." Er gibt mir die Hand, die ich schüttele und räumt dann die Karten weg. "Nur Hände schütteln?" Fragend schauen wir zu Cans Mutter. "Los! Umarmt euch!" Ich muss schmunzeln und schaue zu Can, der mich angeekelt ansieht. "Die doch nicht." Ich verdrehe meine Augen und schaue seufzend zu seiner Mutter. "Can muss man beibringen, nicht zu lügen." Ich laufe auf Can zu und schlinge meine Arme um ihm. Etwas überrumpelt von meiner Impulsivität, schlingt dann schließlich auch Can seine Arme um mich und drückt zu, während er zufrieden brummt. "So schlimm bin ich doch gar nicht." Er nickt. "Du bist unausstehlich", brummt er. "Es wird zwar unwiderstehlich ausgesprochen, aber jeder macht mal Fehler." Ich schaue zur Seite und bemerke erst jetzt wieder Derya und seine Mutter und löse mich abrupt von Can. Vor Scham schlägt mein Herz schneller und mir wird warm, woraus sich erschließen kann, dass ich noch errötet bin. Durch die Umarmung habe ich die beiden krankhaft grinsenden Frauen vollkommen vergessen. "Das war sehr schön", kommentiert Derya grinsend. "Joa", nuschele ich und schaue zu Can, der mich angrinst. "Ich geh dann mal aufs Zimmer." Schnell husche ich in Deryas Zimmer und setze mich auf ihr Bett. Kurze Zeit später kommt auch sie ins Zimmer und stemmt grinsend die Hände auf die Hüften. "Da läuft ja gar nichts zwischen euch", gibt Derya ironisch von sich und verliert ihr Grinsen nicht. "Da ist auch nichts", nuschele ich, was auch der Wahrheit entspricht. Wir verstehen uns nur halt gut - die meiste Zeit.
Derya setzt sich neben mich aufs Bett und verliert ihr Grinsen nicht. "Shana, schäm dich nicht. Wenn ihr heimlich zusammen seid, ist das nicht schlimm." Mit zusammengezogenen Augenbrauen schaue ich sie an. "Wir sind nicht zusammen." Derya verdreht ihre Augen. "Ihr seid zusammen, das sieht man doch." Wieder einmal wird mir bestätigt, dass egal wer, ob in einem anderen Land, in einer anderen Stadt, sonst wo oder sonst wer: jeder denkt, ich wäre mit Can zusammen. "Derya, ich schwöre, wir sind kein Paar." Ich fahre mir verlegen über meine Wangen und schaue dann zu Boden. Es hätte bestimmt etwas Schönes an sich, mit ihm zusammen zu sein. Ich weiß, dass er liebevoll ist und mich nie aus den Augen lassen würde, aber in mir sind immer diese Zweifel; was, wenn das nicht lange hält? Was, wenn er mich betrügt? Was, wenn er mich nur verarscht? Ich will nicht zerbrochen werden. Dafür habe ich mich viel zu lange geschützt, um jetzt von ihm zerbrochen zu werden. "Aber wieso sieht es dann so aus?", fragt sie mich nun ernst, woraufhin ich als Antwort nur mit den Schultern zucken kann. "Anscheinend verstehen es die Leute um uns herum falsch." Anders kann ich mir das nicht erklären. Derya schüttelt ihren Kopf und bindet ihre dunkelbraunen Haare zu einem Zopf. "Ihr seid wohl diejenigen, die es falsch verstehen." Fragend ziehe ich die Augenbrauen zusammen. "Ihr seht euch nur als Freunde, doch eure Augen oder eure Körpersprache sagen was ganz anderes." Ein wissendes Lächeln schenkt sie mir. "Dass Cans Pupillen permanent geweitet sind, kann nur drei Gründe haben: entweder er ist betrunken, er hat irgendwelche Drogen zu sich genommen oder der einzig wahre Grund-," Sie nimmt schmunzelnd meine Hand. "Er mag dich sehr. So sehr, dass er dich nicht aus den Augen lassen kann, weil er dich so hübsch findet." Meine Wangen sind ganz warm. Sofort vibriert meine Brust und mein Bauch ist dem Beben nahe. Ihre Worte schmeicheln mir, weswegen ich mir verlegen auf die Lippe beiße. Ich weiß, dass er mich mag und er hat mir schon öfters - auch früher - Komplimente gemacht, aber mein Verstand will es nicht zulassen, dass ich alles so euphorisiere. Mein Verstand will, dass ich für alles geschützt bin, damit ich nicht verletzt werde. "Ich weiß nicht so recht", seufze ich. Mag sein, dass da eine bestimmte Anziehung zwischen uns herrscht aber solange meine Mauer nicht erklommen oder zerstört wird, werde ich nichts einsehen.
Erklimme oder zerstöre die Mauer, Can.
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