Donnerstag, 2. Juni
Seit dem Vorfall am Samstag, habe ich mich unauffällig von Can zurückgezogen. Im Nachhinein wurde mir klar, was genau ich da versucht habe. Ich hatte eiskalt vor Can zu küssen. Wäre Ramazan nicht gekommen, dann wäre es passiert. Ich bin Ramazan sehr dankbar, nur muss ich immer an Can denken, wenn ich Kühe sehe oder etwas über sie höre. Was habe ich mir eigentlich dabei gedacht? Ich wollte mich doch fernhalten und dann kam genau das Gegenteil, aber da ich mich jetzt wieder im Griff habe und etwas schüchtern gegenüber Can geworden bin, kann alles nur noch bergauf gehen - hoffe ich. Zum Glück hat Ranja heute keine Vorlesung und Saliha um 08:20 Uhr, weswegen ich einen vollkommen plausiblen Grund habe, nicht mit Can zur Uni zu fahren. Wenn ich mit Can mitgefahren wäre, wäre ich möglicherweise vor Scham gestorben und das will doch wirklich keiner. Gerade steige ich seufzend aus dem Wagen und haste schon fast in das große Komplex. Saliha und Ranja habe und werde ich nichts erzählen, da es mir erstens: unangenehm ist und zweitens: haben sie mir auch nicht gesagt, dass sie etwas mit den Jungs am laufen haben. Zwar Ranja nicht mehr, aber mein Nachtragen bleibt immer noch bestehen. Zum Glück sind die schrägen Blicke der anderen nicht mehr so auffällig wie vor einigen Wochen und wer weiß? Vielleicht haben sie das Gerücht ja schon vergessen. Als ich Can mit einigen Kommilitonen nur wenige Meter von mir entfernt sehe, bleibe ich abrupt stehen und fühle, wie mein Herzschlag sich verdoppelt. Die Hitze an meinem Rücken ignoriere ich und husche langsam und vorsichtig an ihm vorbei, aber da Can eine Sehstärke von 157 Prozent besitzt und eine lebende Überwachungskamera ist, sieht er mich natürlich und lächelt mir zu, was ich gezwungen erwidere. Es ist nicht nur so, dass Cans Augen sehr gut sind, nein, sein Sinn ist auch noch schärfer, als ein Skalpell. Leider Gottes entfernt er sich von den Mitstudierenden und kommt auf mich zu. "Och, nö", nuschele ich und brumme. Cans leuchtenden Augen inspizieren mich, weswegen ich mich total unwohl fühle und zur Seite weiche. Can hält mich mit seiner großen Hand vor meinem Fluchtversuch auf und schaut mir eindringlich in die Augen. "Wir haben 08:15 Uhr!", quietsche ich, als ich auf die Uhr hinter ihm geblickt habe. Ich husche an ihm vorbei in die Neuroanatomie Vorlesung und bin etwas erleichtert, als ich Aykan auf seinem Standardplatz sehe. "Du bist nicht bei mir im Krankenhaus, oder?", frage ich und hole meinen siebten Collegeblock raus, da die anderen in diesem Semester sehr schnell voll geworden sind. "Nein, ich bin im Herzklinikum." Ich nicke und schlucke, als ich Can sehe, der in seinem dunkelblauen Hemd auf seinen Platz - der immer neben mir ist - zu kommt. Gott, sieht er gut aus! Ich versuche nicht auf seine Brust zu schauen, doch sie steht wie ein Geschenk vor mir und da kann man wirklich nicht wegschauen. Er hat noch die ersten drei Knöpfe offen, weswegen man einen kleinen Einblick auf Cans prächtigen Oberkörper bekommt. Heute hat er keine Kette an, aber dafür sehe ich jetzt - da er sich hingesetzt hat -, dass er seine schwarze Hugo Boss Uhr trägt und noch ein schwarzes Lederarmband. Wieso sieht alles an ihm so gut aus? Selbst wenn er einen Müllbeutel tragen würde, dann würde Can zum anbeißen aussehen. Während der Professor redet und ich mir Notizen mache, plane ich schon einmal, wie ich gleich schnell und geschmeidig von hier abhauen kann, ohne dass Can mich irgendwie kriegt und ohne, dass es zu auffällig wird, dass ich weg von ihm will. Gibt es hier irgendwo einen Notausgang? Da ich aus dem Augenwinkel erkenne, dass Can zu mir schaut und dieser Blick mir Unbehagen bereitet, drehe ich mich unauffällig mit dem Gesicht zu Aykan und stütze meinen Kopf mit meiner Hand ab, sodass ich Can dank meiner Hand nicht mehr sehen kann und oder muss. Leider Gottes kann ich dies nur für einige Sekunden durchziehen, da Can zu meiner Linken sitzt und ich mit dieser Hand schreiben muss. Stattdessen lehne ich meinen Kopf einfach nach vorne, sodass mir meine Haare vor mein Gesicht fallen. Seelenruhig schreibe ich alles über den Lobus frontalis ab, gefolgt von Lobus temporalis. Ich seufze genervt, da meine Haare mein Gesicht kitzeln und ich es kratzen muss. Ich gebe mich geschlagen und lege meine Haare so, dass Can mein Gesicht doch sehen kann. Da Aykan mehr als ich aufgeschrieben hat, schreibe ich ab und spicke dann auf Cans Blatt, wo ich mir ebenfalls fehlende Informationen entnehme, bis die Vorlesung dann schließlich endet und ich schnell meine Sachen zusammenpacke. Hastig laufe ich aus dem Saal und atme erleichtert aus, da Can mir nicht folgt, weswegen ich langsamer laufe, dann stehen bleibe, um auf Aykan zu warten. Doch genau das wird mir zum Verhängnis, da der liebe Can die Initiative ergreift und mich hinter sich herschleppt. Bei seinem sanften, dennoch bestimmenden Griff, versteife ich mich, was auch er mitbekommt.
"Denkst du, ich bin dumm?", fragt er mich und schaut mich abwartend an. Ich zucke mit meinen Schultern und fahre mir durch meine Haare. "Shana, antworte." Ich schaue kurz in seine Augen und dann an ihm vorbei, während ich mir verlegen über die Arme fahre. "Du hast deinen Tattoo Termin verpasst", nuschele ich und höre ihn seufzen. "Ich habe ihn verschoben", informiert er mich, woraufhin ich anerkennend nicke. "Das ist doch toll?" Meine Stimme ist heiser und höher als sonst und mein Herz hat sich anscheinend daran gewöhnt in der Nähe von Can schneller zu schlagen. "Shana, denkst du, ich bemerke es nicht, wenn du dich distanzierst?", faucht er und dreht mein Kinn zu sich. Ich schlucke und atme scharf ein. "Was ist denn daran so schlimm?", nuschele ich etwas mürrisch, was dazu führt, dass er seinen Kiefer mahlt. "Wie? Daran ist also nichts verwerflich?!" Ich zucke bei seinem harschen Ton zusammen. "Ich finde nichts daran verwerflich", versuche ich mich rauszureden und verdränge die Hitze, die in mir aufsteigt. "Ist es wegen des Fast-Kusses?" Eine kalte Gänsehaut durchzuckt mich. "Can, ich will gehen." Ich senke meinen Blick, doch Can, der immer noch mein Kinn in seiner Hand hält, bewirkt das Gegenteil. "Es ist also deswegen", nuschelt er. "Nein, ist es nicht. Es war sowieso nichts Besonderes." Verdammt! Das Letzte sollte eigentlich nicht raus, weswegen ich mir auf die Zunge beiße, und Cans Miene sich schlagartig verdunkelt. Ich hätte es nicht sagen sollen. "Genau, was sollte denn daran besonders sein?", zischt er und verstärkt den Druck um mein Kinn, bevor er es loslässt. "Dann sind wir ja einer Meinung", nuschele ich und muss hart schlucken. "Mhm", brummt Can und blickt missbilligend zu mir. "Wieso bist du jetzt so wütend?", frage ich argwöhnisch und ziehe die Augenbrauen zusammen. "Geh zu Aykan, er wartet auf dich", faucht Can und geht. Ich schließe fest meine Augen und nicke. Das sollte eigentlich nicht so sein. Es sollte ganz und gar nicht so sein. Meine Laune ist gesunken, genau wie meine Redseligkeit. Dass Can mir bestätigt hat, dass es nichts besonderes war, obwohl ich anderer Meinung bin, verletzt mich. Ich kann es ihm aber nicht ganz übel nehmen, da ich es zuerst gesagt habe, auch wenn es gelogen und ausgerutscht war. Leicht lächele ich Aykan zu und laufe mit ihm seufzend zur Mensa. "Scheint wohl ein Streit gewesen zu sein", stellt Aykan fest. "Was soll man machen?", seufze ich und fahre mir durch meine Haare. Was wohl passiert wäre, wenn es mir nicht ausgerutscht wäre? Wie wäre es wohl ausgegangen? "Mach dir nichts draus. Soll ich dich nach der Uni ins Krankenhaus fahren?" Ich nicke lächelnd und lasse mich mit ihm in der Mensa nieder. Etwas weiter vor uns ist Can mit zwei Mädchen am reden. Ich erkenne Aleynas Fratze und verkrampfe mich. Egal, es ist nur Can. Ich atme tief ein und schließe meine Augen. Soll er doch mit ihr reden! Soll er sie vögeln und weiß Gott was noch machen. Das hat er auch früher gemacht, wieso sollte er damit aufgehört haben? Nur weil er es mir so gesagt hat, heißt es noch lange nicht, dass es auch wirklich stimmt. Vielleicht hat Cihan nicht ganz unrecht. Na ja, genug davon! "Wie läuft es bei dir bis jetzt?", frage ich, nachdem wir uns etwas zu Essen geholt haben. "Bis jetzt läuft alles gut. Ich habe auf meiner Station eine Krankenschwester kennengelernt." Ich grinse. "Und? Gefällt sie dir?" Ich wackele mit meinen Augenbrauen. "Bis jetzt ist sie ganz normal." Meine Augenbraue hebt sich. "Wie? Nicht dieses Herzpochen und diese Schmetterlinge im Bauch?" Ich lache leise und auch Aykan kann sich ein Lachen nicht verkneifen. "Nein, bis jetzt ist alles noch im normalen Bereich. Was ist mit dir?" Mein Gesicht wird neutral. "Auch nichts." Ich räuspere kaum vernehmbar. "Wie weit bist du für das nächste Testat?", wechsele ich das Thema und schaue in seine grünen Augen. "Bin schon relativ weit, mir fehlen noch die Gefäße im Becken und du?" Ich lächele etwas. "Ich bin eigentlich schon durch, gehe es aber zum dritten Mal wieder durch." Verblüfft schaut er mich an. "Du nimmst das Ganze ziemlich ernst." Ich nicke. Es geht ja schließlich um meine Zukunft, um meinen Traum. "In welche Richtung willst du gehen?", frage ich interessiert und stochere in meinem Essen herum. "Pädiatrie." Ich nicke. "Passt zu dir. Du hast so ein liebliches Gesicht, da werden die ganzen Kinder und die Mütter auf dich fliegen", versichere ich ihm lächelnd. "Du willst in die Chirurgie?" Ich nicke und stelle mir vor, wie ich in einem OP stehe und nach dem Skalpell vordere. Ein zehner Skalpell, wie in Grey's Anatomy. Aber dafür muss ich noch lange und viel büffeln.
Heute beginnt der letzte Praktikumsmonat und somit meine letzte Station: die Neurologie. Derek Shepherd kommt mir direkt in den Sinn, weswegen ich schelmisch grinse. Motiviert trete ich aus der Kabine und kann direkt mit einem Patienten zum CT. CT's, MRT's und vieles mehr habe ich schon zu oft gesehen und habe mir selber beigebracht sie zu lesen, was mir in Zukunft weiter helfen wird. Gerade bin ich wieder auf der Station und muss einen weiteren Patient zur Untersuchung bringen, als ich gegen eine männliche Schulter rankomme. "Pass doch auf", kommt es hochnäsig vom dunkelbraunhaarigen Jungen. "Pass du doch auf?", gebe ich patzig von mir. Der Junge schaut mich missbilligend an und verdreht seine Augen. "Guck nicht so!", zische ich. "Immer diese Krankenpfleger, die einen auf dicke Hose machen", höhnt er. Ich will ihm diese Akte über die Ohren schlagen, beherrsche mich aber. "Und wer bist du, dass du auf dicke Hose machst?" Ich wollte ihn noch als Missgestalt beleidigen, habe es mir aber doch verkniffen. "Tugay, Medizinstudent." Er zwinkert mir zu und schaut dann wieder herblassend zu mir hinunter. "Wievieltes Semester?", frage ich. "Erstes." Ich pruste los. "Shana, Medizinstudentin, kurz davor ins dritte Semester zu steigen, du Nichtsnutz", gebe ich zynisch von mir und lächele. Sofort versteinert sich seine Miene und er schluckt. "Denk bloß nicht, nur weil du ein Medizinstudent bist, dass du besser bist, als alle anderen hier. Die Krankenschwestern haben hier mehr Erfahrung, als du. Du bist derjenige, der die Drecksarbeit machen wird, hier-," Ich drücke ihm die Akte in die Hand, weswegen er leicht nach hinten schwankt. "Herr Hirschmann im Zimmer 4A muss zum Röntgen", gebe ich kalt von mir und laufe ins Sekretariat, wo mich alle schmunzelnd anschauen. Anscheinend war ich nicht leise. Na ja, egal. Von mir aus hätte das ganze Krankenhaus zuhören können. "Dürfte ich eine Patientin auf der Gyn besuchen gehen?", frage ich, was mir sofort erlaubt wird. Ich bin sehr oft zu Doris auf die Station gegangen, doch sie war immer bei ihren Untersuchungen. Ich konnte sie nur einige Male flüchtig sehen, als ich Patienten von der Onkologie oder vom MRT abgeholt habe. Ich klopfe an ihrer Zimmertür und trete dann hinein. Doris lächelt mich müde an und winkt mir langsam zu. "Habe ich dich geweckt?", möchte ich wissen, bevor ich mir den Stuhl zur Hand nehme. "Nein, nein. Die heutige Sitzung hat mich müde gemacht." Ich nicke mit zusammengepressten Lippen und setze mich. Doris hat sich verändert. Ihr Haar, welches ich in einem glänzenden Blond in Erinnerung hatte, ist jetzt matt und sie sind noch dünner geworden, als sie schon waren. Ihre Haut hat ebenfalls an Glanz verloren und ist blasser geworden. "Du bist dünn geworden", flüstere ich kopfschüttelnd. Es geht mir wirklich nahe, dass Doris Krebs hat und schon wieder kommt mir der Tag in den Sinn, als sie Atemnot hatte. Was wäre bloß passiert, wenn ich nicht reingeplatzt wäre? Die schlimmsten Szenarien spuken in meinem Kopf herum, die ich sofort abschüttele. Doris nickt und lächelt mich müde an. Nur ihre Augen haben sich nicht verändert. Sie leuchten immer noch in diesem schönen blau. "Deine Yogurettenpackung hat mir wirklich gut getan." Sie lacht und hustet dabei. "Danke, meine Liebe." Ich drücke ihre Hand und blinzele meine Tränen weg. "Wie geht es dir?", frage ich, woraufhin sie seufzt. "Es geht. Was ist mit dir?" Im sterilen Raum schaue ich mich um und fahre mir über meinen Oberarm. "Es ist ganz okay", kommt es dann schließlich von mir. Doris schaut mich fragend an, weswegen ich anfange zu erzählen. In diesen Monaten ist Doris meine Bezugsperson geworden, die ich niemals missen will. "Vielleicht will das Schicksal nicht, dass es jetzt passiert." Ich schaue sie fragend an. "Hat das Schicksal etwa einen festen Termin für uns oder was?" Sie nickt. "Ihr seid sowieso das Speziellste, das mir begegnet ist", kommt es gespielt abwertend von ihr, was mich schmunzeln lässt. "Ja, das stimmt." Doris setzt sich etwas auf und schaut mir tief in die Augen. "Bleib am Ball. Ich weiß: er regt dich oft auf, aber durch diese starke Anziehung seid ihr verbunden." Ich weiß nicht, was ich sagen soll. "Außerdem braucht dieser Junge, der euch gestört hat gehörig eine verpasst." Schmunzelnd hebt sie ihre Braue, woraufhin ich lache. "Ich fand es eigentlich gut, dass er gekommen ist." Ich spiele mit dem Saum des Oberteiles herum. "Vielleicht, weil du dich nicht bereit fühlst?" Den Saum lasse ich los und zucke mit meinen Schultern. "Möglicherweise?" Nachdenklich kaue ich auf meiner Lippe herum. "Ich weiß gar nicht, wie ich fühle, Doris", gestehe ich und schaue von ihren blauen Augen auf das weiße Bettlaken. "Du bist komplett unerfahren in diesem Bereich, aber das lernst du noch, schließlich verbringst du sechs Jahre mit ihm." Sechs Jahre. Diese sechs Jahre werde ich mit Can verbringen ihn mindestens fünfmal die Woche sehen und vielleicht auch am Wochenende. "Du musst wieder auf die Station", macht Doris mich aufmerksam. Ich nicke und verabschiede mich von ihr. Doris hat recht: ich bin unerfahren und ich habe noch viel Zeit, um nachzudenken. Ich will einfach nicht verletzt werden und leider Gottes kann ich nicht in Cans Kopf gucken, um herauszufinden, was in seinem hübschen Kopf vor sich geht. Der Aufzug hält an, doch nicht auf meiner Etage, sondern auf der von Can. Wir blicken uns in die Augen, doch ich wende meinen Blick schnell ab. Als sich die Türen schließen steigt direkt die Spannung an und ich fühle mich unwohl. Nicht nur, weil Can und ich uns heute indirekt verletzt haben, sondern auch, weil ich seine Augen auf mir spüre. "Mach um 20:00 Uhr Feierabend. Ich nehme dich mit", ertönt seine tiefe und raue Stimme, die mich zusammenzucken lässt. Ich nicke kaum vernehmbar und steige schnell aus dem Aufzug aus. Sofort sinken meine Schultern und auch mein Herzschlag reguliert sich. Diese Spannung hat auch früher geherrscht, nur war sie damals, meines Erachtens, nicht so stark, wie jetzt und das gefällt mir irgendwie nicht. Es erscheint mir als gefährlich, dass die Spannung sich verstärkt hat. Ich hätte ihn fast geküsst! Ich spinne doch vollkommen. Mir soll die ganze Sache einfach nicht zu Kopf steigen. Ich muss wirklich auf vieles jetzt achten, vor allem auf meine Wortwahl, sonst entsteht wieder solch ein Missgeschick.
Schweigend sitzen wir im Auto. Ihn anschauen tue ich nicht, da ich mich schäme. Meine Hände liegen auf meinem Schoß, die ich ineinander verschränkt habe. Meine Zähne kauen leicht angespannt auf meiner Unterlippe herum und meine Temperatur steigt und sinkt. Die Fahrt kommt mir lang vor - zu lang. Nimmt er einen anderen Weg? Nein, den Weg nehmen wir immer. Ich schlucke und habe das Gefühl, dass es so laut war, dass auch Cans Ohren es gehört haben. Wir sind gerade mal sieben Minuten unterwegs und es kommt mir wie zwanzig Minuten vor. Seine Wut spüre ich und frage mich, wieso er so sensibel auf diesen Satz reagiert hat. Hat es ihn wirklich getroffen? Irgendwie kann ich das nicht glauben. Vielleicht hat es einfach sein Ego gekränkt, da er von anderen Mädchen das Gegenteil zu hören bekommen hat. Ich würde ihn gerne darauf ansprechen, doch mein Mund weigert sich, sich zu öffnen. Als der Wagen endlich stehen bleibt, lasse ich einen lautlosen Seufzer austreten und schnalle mich ab, genau sowie Can. "Du musst mich nicht hoch-," "Doch, muss ich", widerspricht Can mir und steigt aus dem Auto, um mich hoch zu begleiten. "Okay", flüstere ich und steige ebenfalls aus. Seine Kälte ist ihm anzusehen und durch Zuckungen meinerseits auch zu spüren. Sein Kiefer ist angespannt und sein Blick ist starr nach vorne gerichtet, bis wir oben ankommen. Ich krame nach meinem Schlüssel und versuche die ganze Zeit Can nicht anzuschauen, was mir nicht gelingt. Sein Blick lag schon etwas länger auf mir anscheinend und er wagt es nicht einmal wegzuschauen. Sein intensiver und nachdenklicher Blick wandert hoch und runter, bis er einen Schritt nach vorne wagt. Mein Schlüssel fällt mir aus der Hand, doch ich kann gerade nicht runterschauen, da Can einen weiteren und langsamen Schritt auf mich zu macht. Je näher er mir kommt, desto nervöser werde ich und schreite deswegen zurück, bis mein Rücken den Lichtschalter berührt. Einen letzten Schritt macht Can, bevor er sich langsam und sich mit einer beeindruckenden Eleganz hinkniet, woraufhin ein kleines Klimpern ertönt. Als er sich wieder aufrecht und fast in seiner vollen Größe hinstellt und dabei seine Nasenspitze nur wenig weit von meiner entfernt ist, habe ich das Gefühl zu glühen und muss schlucken. "Dein Schlüssel", raunt er und hebt mit einem Finger meinen Schlüssel an. Ich nicke hastig, nehme den Schlüssel und sehe verdutzt dabei zu, wie Can einfach weggeht. "Was zum?", flüstere ich und schließe seufzend meine Augen.
Das werden noch komische sechs Jahre.
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