Kapitel 22

Freitag, 29. April

Der April kam mir sehr lang vor. Aber zum Glück ist er vorbei. Vielleicht sind auch die ganzen negativen Dinge vorbei? Also zumindest zwischen Can und mir? Geredet haben wir bis jetzt nicht und von mir aus kann es so die nächsten Monate weiter gehen. Er schiebt mir eiskalt die Schuld zu, obwohl ich von nichts Bescheid wusste! Von Aykan habe ich mich auch etwas distanziert, aber ihn muss ich noch in Besschlag nehmen, wegen der Sache mit dem Restaurant. "Wann soll ich dich abholen?", fragt Ranja. "Hol mich spät ab, so um 20:00 Uhr." Ich steige aus dem Auto und fahre dann auf die Gynäkologie Station. Fertig angezogen, laufe ich aus der Kabine, bevor mir eine signifikante Brust ins Auge sticht. Ich verdrehe meine Augen und laufe an ihm vorbei ins Informationssekretatiat, bis ich dann Blut ins Labor bringen muss und sofort anfange zu schmunzeln, als ich den Notfallarzt sehe. Er redet mit einer älteren Dame und lächelt mich an. Sofort kreische ich innerlich, da er erstens: ein Arzt ist, zweitens: toll aussieht und drittens ist er ein Arzt! Ich gebe schmunzelnd das Blut ab und laufe mit dem leeren Kasten zurück auf meine Station. Kurz danach klingelt es, weswegen ich schmunzelnd in Doris' Zimmer laufe, Cans Rücken sehe und mein Schmunzeln sofort verschwindet. "Bin schon hier", gibt er trocken von sich. "Ist mir bewusst", kommt es zynisch von mir, weswegen Doris überrascht guckt. Can dreht sich kurz zu mir, doch ich beachte nur Doris. "Dann kannst du ja jetzt gehen." Ich schnalze mit meiner Zunge. "Ich habe mich jetzt gerade entschieden, hier zubleiben." Ich richte die Glasflaschen richtig und gucke, ob alles ordentlich ist. Can läuft aus dem Zimmer und schließt die Tür, woraufhin ich meine Augen verdrehe.

"Ich rieche Streit", kommt es von Doris. "Ja, er ist ein Idiot", gebe ich seufzend von mir und setze mich hin. "Was ist passiert, Kind?" Ich lächele und fange an zu erzählen. "Doris, er ist komplett gestört! So kann man doch nicht reagieren!" Sie hat mir aufmerksam zugehört und legt ihr Glas ab. "Ich würde mal direkt behaupten, dass er eifersüchtig ist." Ich schaue sie entrüstet an und fange an zu lachen. "Als ob. Das ist Can!" Ich seufze und schaue in Doris' verdutztes Gesicht. "Er ist sehr besitzergreifend." Ich nicke. "Deswegen ist er auch eifersüchtig. Er will nicht, dass du mit diesem Typen zusammen bist und war deswegen so sauer. Dass du zu ihm Nein, aber zu dem anderen Ja gesagt hast, hat ihn noch wütender gemacht und als du selber meintest, dass es ihn stört, dass du etwas mit diesem Aykan zutun hast und er nicht geantwortet hat, dann war es doch klar, wie Kloßbrühe, dass er eifersüchtig ist", erklärt sie mir, woraufhin ich stumm meine Lippen aufeinander presse. "Wie lange bist du denn noch auf der Station?", fragt Doris mich. "Bis zum fünften." Sie schmollt, was ich ihr nachtue. "Dann bin ich ja wieder alleine mit den ganzen langweiligen Schwestern", meckert sie, was mich lachen lässt. "Ich komme dich sooft es geht besuchen", verspreche ich ihr. Ich muss eine ältere Frau zu einer Untersuchung fahren und muss Doris deswegen verlassen. "Was genau haben Sie denn, wenn ich fragen darf?", frage ich, als wir den Aufzug betreten. "Ach, ich habe neben der Zyste in der Gebärmutter noch Parkinson", erzählt sie mir traurig. Mir ist aufgefallen, dass keiner sie während diesen Monats sie besucht hat. "Werden Sie denn von ihrer Familie besucht?" Sie schüttelt ihren Kopf, was mir leidtut. "Sie sind alle tot", flüstert sie. "Ich habe nur noch meine beste Freundin, aber sie erinnert sich nicht an mich." Ich presse meine Lippen aufeinander und fahre ihr aufmunternd über die Schultern. "Sowas ist total grausam. Sie erkennt mich nicht mehr und fragt mich immer, wer ich bin." Ich bereue es, sie gefragt zuhaben. Tränen kullern ihr runter, weswegen ich sie in den Arm nehme. "Dankeschön", flüstert sie. Ich muss sehr oft blinzeln, damit ich ebenfalls nicht weinen muss. Gott, sowas muss total schlimm sein. Leicht bedrückt fahre ich wieder hoch und betrete seufzend die Küche des Sekretariates, um etwas zu trinken, dabei belausche ich die Lästereien der Krankenschwestern.

"Diese Frau auf Zimmer 14B ist total nervig." Das ist das Zimmer der Frau mit Parkinson. "Ja, immer wieder erzählt sie, dass sie Parkinson hat", kommt es genervt von dieser Hexe Mariam. "Spinnt ihr eigentlich?" Beide schauen erschrocken zu mir. "Wisst ihr überhaupt, was diese Frau durchmachen muss, ganz alleine, ohne jemanden an ihrer Seite zuhaben?", zische ich. Die beiden schauen mich kurz an und schauen dann nachdenklich an mir vorbei. "Dachte ich es mir doch." Wütend verlasse ich die Küche und sortiere die Getränke aus. Irgendetwas, was mich ablenkt. Was sind das für dreckige Mitarbeiter? Ich bin mir sogar ziemlich sicher, dass sie ihre eigene Pause einem Menschenleben vorziehen würden. Wieso arbeiten die dann hier?! Gott, schon in der neunten Klasse waren zwei Tratschtanten da, die ebenfalls so arrogant waren. Ich habe die beiden so gehasst! Ich hoffe nur, dass die beiden irgendwann mal heulend in der Ecke liegen und von den anderen ausgelacht und verachtet werden! Nachdem ich die Getränke und die Kisten sortiert habe, laufe ich in die Cafeteria. Auf den Weg dahin, bleibt der Aufzug auf der vierten Etage stehen, wo ein junger Mann einsteigt. Ob er jetzt ein Pfleger oder ein Praktikant ist, kann ich nicht wissen. "Praktikantin also. Machst du ein Jahrespraktikum?", fragt er mich plötzlich, weswegen ich zu ihm hochschaue. "Nein, ein dreimonatiges." Er zieht die Augenbrauen hoch. "Wieso nur drei Monate?", möchte er wissen. Wir steigen aus dem Aufzug aus und laufen denselben Weg. Anscheinend will er auch etwas Essen gehen. "Weil das Studium es so möchte", lautet meine Begründung. "Ach, du studierst Medizin?" Ich nicke. "Im wievielten Semester denn?", fragt er, woraufhin ich antworte, dass ich im zweiten bin. "Hmm, also in einem Jahr schreibst du schon dein Physikum." "Du bist auch ein Student?" Er nickt. "Das ist mein praktisches Jahr." Ein erfahrener Student. Mit unserem Essen setzen wir uns an einen freien Platz. "War das Hammerexamen sehr schlimm?" Er lacht kurz. "Wenn man sich die Zeit gut einteilt, dann ist es halb so wild. Ich fande das Physikum schlimmer, wegen der ganzen Chemie und Physik vor allem." Ja, ich habe ein dickes Problem.

"Toll", kommt es etwas schroff von mir, was meinen Gegenüber lachen lässt. "Hast du es nicht so mit den Naturwissenschaften?" Er zieht belustigt die Augenbraue hoch. "Doch, na ja, nur mit Physik habe ich es zu kämpfen", erzähle ich und schaue kurz auf seine dunkelblonden Haare. "Ach so, das kriegst du schon hin. Es gibt im Internet gute PDF's. Wenn du willst kann ich dir auch eine Liste machen, mit Dingen, die auf jeden Fall vorkommen werden." Ich schaue ihn erstaunt an. "Das würdest du machen?" Er nickt. "Wieso denn nicht?" Ich lächele dankend und schaue an ihm vorbei, wo ich Can mit einer Schwester sehe. Ach so läuft das jetzt? Ich straffe die Schultern und schaue wieder lächelnd zum Fast-Arzt. "Auf welchen Stationen bist du?", frage ich und esse kurz was. "In der Chirurgie, in der inneren Medizin - da musst du hin und du hast dann ein Wahlfach und kannst dies nach 16 Wochen wechseln. Es ist zwar nicht nötig, aber so hast du die Chance mehrere Stationen und ihre Ablaufe kennenzulernen." Ich nicke aufmerksam. "Wo bist du denn?", frage ich. Ich werde auf jeden Fall in die Unfallchirurgie und vielleicht auch in die Thoraxchirurgie. "Gerade bin ich in der Elf. Thorax-, Viszeral-, und Gefäßchirurgie", erzählt er und fährt sich durch sein Haar. "Ehrlich? Wie lange denn noch?" Er grübelt kurz. "Den nächsten Monat noch, wieso?" Ich nicke leicht schmunzelnd. "Dann sind wir ja auf einer Station." Ich schiele kurz zur Seite, wo ich Cans argwöhnischen Augen sehe, die zu mir schauen. Tja, so läuft es halt, Can. "Gut, dann bist du ja in besten Händen. Ich bin übrigens Lukas." Er reicht mit die Hand, die ich annehme und innerlich lache, da ich weiß, dass Can hierhin schaut. "Shana", gebe ich laut und deutlich von mir, was auch bei Can ankommt. "Okay, Shana. Wir sehen uns dann noch bestimmt. Ich muss hoch." Er verabschiedet sich und läuft dann aus der Cafeteria. Ich hole mir mein Handy raus und kann mir ein siegessicheres Lächeln nicht verkneifen. Es ist immer wieder etwas schönes, Can zu provozieren. Da auch ich in drei Minuten wieder oben sein muss, stehe ich auf und nehme den Aufzug. Hinter mir spüre ich die Anwesenheit einer weiteren Person und identifiziere am Duft, dass es sich um Can handelt. Mit einem wissenden Lächeln steige ich ein und versuche so neutral, wie möglich zu gucken, was mir zum Glück auf gelingt.

Als wir auf der Station ankommen, kommt es uns nicht einmal in den Sinn, dem anderen den Vortritt zu gewähren, also steigen wir gleichzeitig aus und rempeln uns gegenseitig an. "Pass doch auf", gebe ich desinteressiert von mir und laufe wieder in Doris' Zimmer, da dort die Schelle betätigt wurde. "Liebes, könntest du mir einen Gefallen tun?" Ich nicke. "Hier, kannst du von unten für mich eine Packung Yogurette holen?" Sie blickt mich lieb an, weswegen ich schmunzelnd nach unten laufe und ihr die besagte Schokolade hole. Wieder auf der Station, freut Doris sich, was ich auch tue, doch als ich bemerke, dass Can gerade mit einer anderen Patientin beschäftigt ist und deswegen im gleichen Raum ist, wie ich, verfliegt diese Freude. "Hier, nimm eins." Ich lächele und nehme es dankend an, woraufhin es mir aus der Hand genommen wird. "Sehr freundlich, aber leider dürfen die Pfleger nichts annehmen." Ich schaue entgeistert zu Can, der Doris die Yogurette zurückgibt. "Wo steht das?", gebe ich patzig von mir. "In der Vereinbarung, die wir unterschrieben haben", lügt er. "Hör auf zu lügen, da stande nichts der Gleichen drin." Ich funkele ihn wütend an, während er sich lässig durch seine schwarzen Haare fährt und mich provozierend mit seinen gelben Augen anschaut. "Bei deinem Körperbau würde ich aufpassen, was ich zu mir nehme." Ich gebe einen empörten Laut von mir. "Doris!" Sie hält mir die Yogurette wieder hin. "Hinlegen, Doris!", herrscht Can etwas, weswegen ich ihm gegen die Schulter haue. "Herrsche Doris nicht an, du machst ihr Angst!", zische ich. "Doris, habe ich dir Angst eingejagt?" Ich schaue wieder zu Doris, die verdutzt den Kopf schüttelt. "Du musst ja immer nur am lügen sein." Schnaubend drehe ich mich wieder zu Can und verdrehe meine Augen. "Du hast sie noch mehr eingeschüchtert, du Monster!" Er tritt näher heran und das ist der Grund, warum ich vorbeischaue. Nicht, weil er mich gerade einschüchtert, sondern weil ihn das provoziert.

"Geh weg, ich kann dich nicht ernst nehmen", kommt es arrogant von mir, was ihn trocken auflachen lässt. "Wollen wir über deine Hände reden, die die Große von Chicken Nuggets haben?" Wieder entweicht mir ein empörter Laut. "Mit gekürzten Nägel sehen sie so aus, wie eine Spielzeughand", kommt es belustigt von ihn. "Und du siehst aus, wie eine rosa Leiter, die voller Testosteron ist!" Sein Kiefer spannt sich an. "Männer in rosa nehme ich nicht ernst. Du riesen Flamingo", kommt es lachend von mir. "Du hast Glück, dass hier noch andere sind", knurrt er. Ja, ich wäre sonst tot. "Tja, das Glück ist immer auf meiner Seite", gebe ich süffisant von mir und greife nach der Yogurette, die auf dem beweglichen Tisch liegt. "Zwar bin ich nicht der größte Fan von Schokolade, aber diese scheint mir ausgesprochen gut zu gefallen." Ich beiße mit hochgezogener Braue hinein und laufe raus. Natürlich war ich so schlau und habe Can noch angerempelt.

Als mich Ranja nach Hause gefahren hat, bin ich schon auf der Fahrt explodiert, doch in der Wohnung ist eine zweite Explosion entstanden. "Was fällt diesem Jungen ein, mir zu untersagen, keine Schokolade essen zu dürfen?!", meckere ich und verprügele das Sofakissen. "Ganz ruhig, Shana", kommt es belustigt von Saliha. "Nein! Er regt mich auf! Ich kriege die Schuld dafür, dass ich angeblich gelogen hätte und dann beschuldigt er mich wieder und das vor den Patienten!" Frustriert schreie ich auf. "Er hat es dir nicht erlaubt, weil er vielleicht weiß, dass du allergisch darauf reagierst", sagt Ranja, woraufhin ich meine Augen verdrehe. "Oh mein Gott! Scheiße!", zische ich, als mir wieder etwas einfällt. "Was denn?", will Saliha wissen. "Cans-, es ist ein wichtiger Termin am 4. Mai und ich muss mit Can dahin!" Ich stöhne genervt auf, da die Fahrt mit ihm scheiße sein wird. Trotzdem wird mich das nicht aufhalten, mit ihm zur Herzklinik zu fahren und dort seinem Vater beizustehen. "Kannst du es nicht verschieben?", fragt Saliha, weswegen ich den Kopf schüttele. "Egal, wird schon schief gehen." Egal, was Can auch versuchen wird, ich werde es zurück reflektieren. Mir doch egal, ob es alles verschlechtert! Mich kriegt er nicht klein!

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