Kapitel 19

Mit höllischen Schmerzen und einer geradewegs erträglichen Hitze wache ich auf und merke, dass ich nicht alleine im Bett liege. Außerdem habe ich gerade sehr viel Körperkontakt zu dieser Person. Langsam schaue ich hoch und sehe Cans markantes Kinn vor meinen Augen. "Oha", flüstere ich. Ich liege eingekuschelt in Cans Armen, was meinen Bauch sehr stark kribbeln lässt. Es fühlt sich sehr gut an. Langsam aber wandelt sich das Kribbeln in Schmerzen um. "Oh, Scheiße!" Ich versuche mich vorsichtig von ihm zu lösen, da ich weiß, dass er einen sehr leichten Schlaf hat. Leider war ich nicht leise und vorsichtig genug, sodass Can leise brummt und verschlafen seine Augen öffnet. Verlegen ziehe ich mir die Decke bis zu meinen Augen und genieße Cans verschlafenes Lächeln. "Hi", flüstere ich, was ihn kurz lachen lässt. "Hey." Gott, seine verschlafene Stimme ist ja noch rauer und tiefer, als sie sonst ist und sie hört sich so sexy an! Das kann auch nur Can schaffen. Diese ekelhaften Bauchschmerzen kommen wieder, weswegen ich zusammenzucke. Habe ich irgendetwas gegessen, wogegen ich allergisch reagiere? Ich kann mich an nichts mehr erinnern, nur dass ich etwas ekelhaftes getrunken habe. Als ich plötzlich etwas flüssiges zwischen meinen Beinen spüre, weiß ich auch, wieso ich diese Schmerzen habe. Abrupt springe ich aus dem Bett und halte mir das Gesicht, da auch das mir wehtut. "Oh Gott", flüstere ich gehe Richtung Tür. "Scheiße, Shana! Setz dich hin." Ich drehe mich langsam um, und drücke alle Muskeln unten rum zusammen, da nichts auslaufen soll. Meine Augen weiten sich, als ich den großen Blutfleck auf Cans Matratze sehe. Scheiße! Ich will jetzt und hier sterben! Ich halte mir beschämt die Hände vor meinem Gesicht und bin kurz vorm Weinen. Mein ganzes Gesicht und mein Unterleib schmerzen sehr stark und außerdem habe ich Cans Bett vollgeblutet und habe dazu noch starke Stimmungsschwankungen. "Entschuldige!", gebe ich flüsternd und wimmernd von mir. Gott, ist das peinlich! Kann es mir nicht wo anders passieren? "Shana, setz dich. Hast du starke Schmerzen?" Can steht besorgt auf und mustert mich. "Ich-, ich muss nach Hause." Ich schaue an ihm vorbei und schlucke, auch wenn es sich nicht so gut anfühlt, wenn ich meinen Mund irgendwie betätige. "Nein, du bleibst hier, Shana. Ich lasse dich in diesem Zustand doch nicht nach Hause!" Er dirigiert mich aufs Bett, doch ich wehre mich. "Can, ich will dein Bett nicht noch mehr beschmutzen." Flehend schaue ich ihn an. "Von mir aus kann das ganze Bett voller Blut sein. Du bleibst hier!" Seine tiefe Stimme duldet keinen Widerspruch. "Wie viel Uhr haben wir?", murmelt er und schaut auf sein Handy. "Okay, 09:57 Uhr. DM und Lidl haben offen. Ich gehe für dich Sachen kaufen. Eine Wärmeflasche auf jeden Fall. Tampons oder Binden?" Bei der Frage schießt mir das Blut ins Gesicht und ich schaue beschämt zu Boden. Ach, komm schon! Schlimmer kann es nicht werden. "Binden", flüstere ich. "Okay, bestimme?" Es wird immer unangenehmer. "Hol die Größten, die du finden kannst, bitte." Ich presse meine Lippen auf einander. "Okay, soll ich dir ein Bad einlassen?" Ich schaue mit verzweifelt zusammengezogenen Augenbrauen zu ihm hoch. "Oh, also-, egal. Wechselkleidung ist in meinem Schrank. Unterhosen sind unten und willst du jetzt-, später duschen ist glaube ich besser?" Ich nicke und schaue zu ihm hoch. Er lächelt mich verschlafen an und fährt sich die Haare nach hinten. "Okay, ich komme gleich wieder. DM ist sowieso hier um die Ecke." Er verlässt die Wohnung und somit bin ich alleine mit Ramazan und Malik. Ich stehe langsam auf und drehe meinen Rücken zum Spiegel - super! Ein toller, dunkelroter Blutfleck hat sich auf Cans grauer Short verbreitet und sieht sehr toll aus! Gott, wieso muss es heute passieren? Wieso bin ich überhaupt hiergeblieben? Oh Gott! Ich will gar nicht wissen, wie ich mich im benommen Zustand war. Hoffentlich habe ich nichts Falsches gesagt!
Langsam schlürfe ich zu Cans Schrank und hole einen großen, langen und schwarzen Pullover raus, den ich mir überziehe und Gott danke, dass er sehr lang ist. Ich schaue mich im Spiegel an und sehe aus wie ein Hamster. Ein Hamster mit leicht gereizten und geschwollenen Augen und gelblichen Flecken auf den Wangen, die von der OP kommen. Meine Haare binde ich leicht gequält zu einem Dutt und halte mir den Kiefer. Das Knacken ist hoffentlich jetzt weg, aber dieser Schmerz ist höllisch. Es pocht und zieht. Socken von Can ziehe ich mir ebenfalls an und ziehe sie so hoch, wie es nur geht, danach schlürfe ich angespannt und mit Schmerzen in die Küche, um mir einen Tee zu machen. Ich trinke eigentlich selten Tee, aber jetzt habe ich es mehr als nur nötig. Meine Tränen wische ich mir weg und klappere die Regale nach Tee ab. "Suchst du was?", höre ich einen belustigten Ramazan sagen, der mich mit Malik grinsend beobachtet. "Tee." Müde und gequält nicke ich, woraufhin sie lachen. "Kannst du dich an gestern erinnern?" Ich schüttele den Kopf und halte mir unauffällig den Bauch. "Du warst traurig und glücklich zu gleich. Du hast uns einen Wangenkuss gegeben", kichert Ramazan und hält sich die Wange. Es wird wieder sehr warm in meinem Gesicht. "Und du findest uns sehr hübsch und hast uns gefragt, wieso wir keinen Dreier gestartet haben. Ich glaube, du wolltest sogar mitmachen", ergänzt Malik und prustet. Ich halte mir die Hand vor den Mund und schüttele den Kopf. "Du hast auch geweint, weil du dachtest, du wärst ein Vampir." Beide lachen los, während mir wieder Tränen in die Augen steigen. Eigentlich würde ich mit lachen, aber da ich meine Tage habe und möglicherweise noch etwas Beruhigungsmittel intus habe, kann ich meine Tränen nicht zurück halten. "Oh, nein, nein, nein, nein! Shana, nicht weinen." Ich presse meine Lippen aufeinander und schließe meine Augen. "Das ist alles Scheiße!", wimmere ich. Gott, ich kann manchmal zu emotional sein. "Shana, nicht doch!", sagt Malik nun und läuft mit Ramazan auf mich zu, woraufhin sie mich umarmen. "Bist du immer noch benommen?", fragt Ramazan mich, woraufhin ich kopfschüttelnd mit den Schultern zucke. "Ich weiß gar nichts!" Ich schniefe und wische mir die Tränen weg. "Komm, ich mach dir einen Tee", sagt Malik, der mich aufmunternd anlächelt. "Setz dich doch?", fragt Ramazan verwirrt, woraufhin ich den Kopf schüttele. "Ich gehe mich wieder hinlegen", flüstere ich und husche schnell in Cans Zimmer, wo ich wütend auf den Blutfleck schaue und mich dann seufzend hinlege. Diese Schmerzen sind grausig! Und wenn ich Schmerzen habe oder sonst irgendwie leide, dann müssen alle in meiner Nähe meine Stimmungsschwankungen und Übertreibungen aushalten und da ich noch meine Periode bekommen habe, ist es wie ein tödlicher Cocktail. "Oh Gott!", rufe ich leidend und halte mir die Wange. "Ramazan!" Sofort stürmt Ramazan ins Zimmer. "Ja, Queen?" Ich muss schmunzeln, aber es tut weh. "Weißt du, wo meine Tabletten sind?" Er nickt. "Du musst erst etwas im Magen haben, dann darfst du erst die Tabletten nehmen." Ich schnalze genervt mit der Zunge. "Ich habe Hunger!", rufe ich wütend und wimmere danach. "Keine Milchprodukte und nur breiige Nahrung, wie soll ich das überleben?" Ramazan schaut mich grinsend an. "Also du könntest mich ja entjungfern, sowie du es gestern gesagt hast, dann überlebst du bestimmt." Ich schlage mir gegen meine Stirn und danke Gott, dass es nicht wehtat. "Du hast gestern echt viel gegessen. Wir mussten wirklich improvisieren", erzählt er mir. "Was habe ich gegessen?" Er setzt sich zu mir aufs Bett, was mir etwas Paranoia bereitet, da das Bett ja Blut auf sich trägt. Zwar sitze ich auf dem Fleck, aber trotzdem. Gott, wann kommt Can? Ich habe Angst, dass ich wieder ausblute, aber bis jetzt Spuckt mein Zervix Uteri nichts aus. "Suppe, aber danach wolltest du keine Suppe mehr, also hat Can dir Kartoffeln zubereitet, die du dann schnell aufgegessen hast und dabei hast du die ganze Zeit gelacht. Das war der beste Tag meines Lebens", erzählt er mir.

Als Can das Zimmer mit zwei Tüten betritt, atme ich erleichtert auf. Can zeigt Ramazan mit einer Kopfbewegung an, dass er aus dem Zimmer gehen soll, sodass nur noch wir beide im Zimmer sind. Malik kommt noch kurz hinein und gibt mir meinen Tee, bevor auch er raus geht. "Wieso hast du so viel gekauft?", frage ich etwas wütend, aber die Freude in meiner Stimme ist viel zu hoch. "Du brauchst flüssige Kost. Hier sind einige Babybreisorten. Ich habe nur die mit Früchten geholt. Hauptsächlich Beeren, aber in dieser Form reagierst du nicht allergisch, oder?", fragt Can und schaut mich leicht verzweifelt an. "Nein, aber bevor ich essen muss, würde ich gerne duschen wollen", flüstere ich und nippe an meinem Tee. "Oh, ja, klar. Warte, ich hole dir Kleidung raus." Can lächelt mich an und läuft zu seinem Kleiderschrank. Wieder taucht dieses Kribbeln im Bauch auf, da er sich so um mich sorgt. Ich kann nicht anders und muss mich einfach gut und besonders fühlen. Er gibt mir eine Hose und eine Unterhose, was mich erröten lässt. "Gib mir eine, ohne Marke." Ich gebe ihm die schwarze Calvin Klein Boxershort zurück, doch er lehnt ab. "Du nimmst sie." Er läuft zur DM-Tüte, wo sich anscheinend Gläser drinnen befinden und holt mir die Packung Binden raus. Ich bin mir mehr als nur sicher, dass ich gerade rot geworden bin. "Größere habe ich nicht gefunden." Ich nicke und packe die Maxi-Packung unter die Kleidung. "Schon gut, danke." Ich lächele leicht und laufe langsam raus. "Handtücher liegen schon im Bad", weist Can mich hin. Hastig schließe ich das Bad ab und frage mich, was soll ich jetzt mit meiner Unterhose machen? In die Wäsche hier werde ich es ganz sicherlich nicht schmeißen. Einfach ganz klein Falten und in Klopapier wickeln. Vielleicht findest du noch eine Klorolle. Ich seufze wegen meines Dilemmas und entsorge das Stück Stoff so gut wie möglich. Zum Glück ist hier noch eine leere Klorolle. Nachdem ich frisch bin, verlasse ich das Bad und tapse immer noch mit Schmerzen ins Zimmer. Das warme Wasser hat die Schmerzen in meiner Unterleibsgegend wenigstens unter der Dusche etwas gedämpft. Ich muss was essen! In der Küche steht Can, der den Kartoffelbrei, welcher herrlich duftet, auf den Tisch stellt. "Ich hoffe, du magst es noch." Noch? Ach ja! Ich habe es ja gestern auch gegessen, nur erinnere ich mich nicht daran. "Hier." Can gibt mir eine Wärmeflasche, die ich direkt an mich nehme und mich sofort, aber mit Vorsicht, hinsetze und die Wärme der Flasche genieße. "Iss etwas von den Kartoffeln, danach kannst du die Tablette nehmen." Malik und Ramazan kommen wieder in die Küche und lassen sich vor mir nieder. "Ich glaube, Shana ist noch benommen", sagt Malik lachend. "Was? Wie?" Can kommt zu mir und schaut mir in die Augen, während sich meine Augenbrauen zusammenziehen. "Wir müssen dann ins Krankenhaus, das ist doch nicht normal!" "Can, ich bin nicht mehr benommen." Finster schaue ich zu Malik, der mich nur schmunzelnd betrachtet. "Wie kommst du darauf, Malik?", fragt Can. "Vorhin hat sie geweint." Ich schließe fest meine Augen und seufze. Danke, Malik. "Wieso?" Can stellt die letzten Sachen auf den Tisch und schaut mich eindringlich an, als er sich zu mir setzt. Ich zucke mit meinen Schultern. "Habe Schmerzen", nuschele ich und löffele den Kartoffelbrei, der mich an den meiner Mutter erinnert. "Iss noch zehn Löffel und nimm dann die Tablette", murmelt Can und legt mir meine Ibuprofen 800 Tabletten hin. Als ich das Schafskäse sehe, würde ich am liebsten weinen. Ach, es passiert schon nichts! Ich stibitze mir ein Stück und esse ihn mit meinem Kartoffelbrei, dabei verdrehe ich genießend die Augen. Verstohlen schaue ich zu Can, der mich schmunzelnd beobachtet. "Das ist keine pure Milch!", rechtfertige ich mich und bemerke jetzt, dass ich etwas lispele. "Alles gut", sagt Can und schiebt den Teller näher zu mir. Ich schaue verlegen hoch und sehe, wie Ramazan mich heimlich grinsend anschaut und die Augenbrauen auf und ab tanzen lässt. "Wo ist Habib?", frage ich. "Habib wirst du in dieser Lage nicht sehen." Entgeistert schaue ich zu Can. "Brauchst nicht so zu gucken. Dein Gesicht ist schon geschwollen, eine Katze würde dich dann wie ein Sumoringer aussehen lassen." Beleidigt schaue ich wieder auf meinen Brei und esse ihn. Dieser Junge kann wirklich kochen! Ich nehme die Tablette und lege langsam meinen Kopf in den Nacken, da ich immer noch zu inkompetent bin, um eine Tablette normal zu schlucken. "Hier, Tee." Dankend schaue ich zu Malik und nippe langsam daran. Ich habe eine verdammte Lust auf Gurken! Diese Gurken schreien schon nach mir. Sie wollen von mir gegessen werden. Wird schon nicht so schlimm sein. "Nein, Shana." Unschuldig schaue ich zu Can. "Ich weiß nicht wovon du redest", lispele ich leicht. "Du isst die Gurken nicht. Dein Kiefer schmerzt dann noch mehr. Keine Belastungen." Ich schnaube. "Ich will aber!" Can schaut mich mahnend an, woraufhin ich so viel von meiner Zunge zeige, wie ich in meiner jetzigen Lage nur kann. Bockig greife ich mir eine Gurke und bereue schon beim draufbeißen, dass ich überhaupt daran gedacht habe. Das abgebissene Stück ist hängt mir etwas aus dem Mund raus, doch meine Lippen lassen es nicht zu, dass es runterfällt. Gequält schaue ich und Ramazan und Malik, die heimlich lachen. "Tut es gut? Schmeckt es denn auch?", fragt Can mich, woraufhin ich nicke und versuche weiter zu kauen, mir aber dann innerlich gegen den Hinterkopf haue. Can hält mir seine Hand vor dem Mund, woraufhin ich das Stückchen Gurke fallen lasse. "Den Rest auch." Mürrisch gebe ich es ihm und schmolle leicht. "Schmollst du jetzt wirklich, weil du die Gurke nicht essen kannst?" Ich schüttele meinen Kopf. "Ich kann nichts essen, was richtig herzhaft ist!", meckere ich, woraufhin Can genervt aufstöhnt. "Stöhn nicht, du kannst wenigstens das Essen, was du willst!" Bockig verschränke ich meine Arme vor der Brust, weswegen fast die Wärmeflasche von meinem Schoß fällt. "Geh ins Zimmer, ich habe Babybrei geholt." Entgeistert schaue ich ihn an. "Shana, bei Gott, wenn du meckerst, dann steck ich dir das ganze Glas in den Mund." Empört öffne ich meinen Mund, soweit es geht. "Nicht, bevor ich es dir in deinen Arsch stecke!", zische ich. Cans rechte Augenbraue zuckt amüsiert. "Das Angebot von gestern finde ich deutlich besser." Oh, nein! Was habe ich gesagt?

Verlegen, ohne es mir ansehen zu lassen, räume ich meine Sachen zusammen, stecke davor die Wärmeflasche in die Hose, mir egal, ob Malik und Ramazan dann Bescheid wissen, ob ich meine Tage habe oder nicht und lege alles in die Spüle. "Sagt mir dann bescheid, ich spüle dann." "Nein?!", kommt es synchron von allen dreien, woraufhin ich schnaube und demonstrativ mein Geschirr wasche. "Leg dich hin, Shana", knurrt Can, dem ich nur die Zunge zeige. Vorsichtig zieht Can mich, doch ich drücke mich immer weiter an das Waschbecken. "Ich will spülen!" "Und ich will dich umbringen. Wir können nicht alles machen, was wir wollen." Entrüstet schaue ich ihn an. "Nö! Keiner bringt meine Shana um!", ruft Ramazan, den ich einen Luftkuss schenke. "Willst du mir nicht, wie gestern, einen Wangenkuss geben?" Ramazan und Malik machen Kussgeräusche, woraufhin Ramazan nach Maliks Gesichts greift und ihn küssen will, doch Malik entfernt sich angeekelt von ihm. Malik geht ins Zimmer und sagt, dass er sich umzieht. Ich presse meine Lippen aufeinander und spüle schnell zu Ende, bevor ich ins Zimmer spurte und den Matratzenbezug abziehe. "Habt ihr frisches Bettzeug?" Er nickt und holt es aus einem Schrank raus. "Ich mach das", kommt es bestimmend von Can. Wie gut, dass ich nicht auf ihn höre. Nachdem auch das neu Beziehen geschafft ist, schaue ich kurz in den Spiegel, nur um sicher zugehen, dass nichts ausgelaufen ist und lege mich vorsichtig hin. "Can?" Er schaut mich abwartend an. "Was habe ich gestern gemacht?" Ein Schmunzeln schleicht sich auf seine Lippen. "Du hast mit dem Chirurgen über meine Brustwarzen geredet, wie niedlich sie doch sind und sie als Cappuccino-Nippel bezeichnet." Ich nicke einmal. Toll gemacht, Shana! "Und dann hast du erzählt, dass die OP-Schwester auf mich steht und du hast mich als Arschloch betitelt." "Das ist doch gut!" Er zieht seine rechte Augenbraue hoch. "Und dann hast du Anus gesagt und erzählt, dass alle verrückt nach mir sind und ich kalt zu ihnen bin, ich aber nicht so zu dir bin, da ich weiß, dass man so etwas nicht bei dir abziehen kann, danach hast du mir einen Luftkuss geschenkt." Ich kann dir auch einen richtigen schenken. "Und du hast - ich hätte dich am liebsten umbringen wollen dafür - gelogen." Gelogen? "Was habe ich getan?", möchte ich wissen. "Du hast dem Arzt gesagt, dass du noch alles nach dem Beruhigungsmittel spürst und hast erst nach der zweiten Dosis zugegeben, dass du gelogen hast." Ich lache und klopfe mir innerlich auf die Schulter. "Gleich lachst du nicht mehr." Angriffslustig schaue ich ihn an. "Du hast an meinem Hals herumgeleckt." Ein empörter Laut verlässt meinen Mund, während Can mich dreckig angrinst. "Nein!" "Doch!" Ich spitze meine Lippen. "Ich war benommen, denk dir nichts dabei!", zische ich und ziehe arrogant die Augenbraue hoch. "Du hast dir bestimmt die perversesten Szenarien ausgemalt." Er nickt. "Wenn du nur wüsstest, wie pervers", raunt er, weswegen ich schlucke. Oh Gott! "Aber nach der OP warst du unausstehlich." Beleidigt verschränke ich meine Arme vor meiner Brust. "Du hattest die verrücktesten Gedanken, du hast herumgeschrien, weil du wolltest, dass die Straße sich bewegt und nicht das Auto, du hast geweint, weil du dich nicht von deinen Zähnen verabschieden konntest und weil ich so hübsch bin", sagt Can lachend am Ende. Mein Kopf wird wieder ganz warm. Och, nö! Musste ich das sagen? "Du hast mir in den Arsch gekniffen", kommt es dann etwas verstört von ihm. "Und du wolltest mit ihm Nüsse aufknacken." Ich fange direkt an zu lachen. Ach, bei so einem Arsch kann man nicht anders denken. "Du findest mich hübsch", sagt Can und sieht mich schelmisch an. "Gar nicht!" Gott, es ist eine Sünde, dass ich seine Schönheit verleugne. "Lüg nicht." Ich schaue stur zur Seite und höre ihn lachen. "Nö." "Doch." "Nö!", rufe ich, woraufhin er sich mir nähert. "Doch", gibt er dann sanft von sich, was mich etwas zittern lässt. "Nein", flüstere ich. "Oh doch, Shana." Er fährt mit seinem Daumen über mein Kinn, was mich ganz kirre macht. Jetzt bloß nicht die Contenance verlieren, Shana! Ich entziehe mich der wunderbaren Berührung und recke ihm trotzig mein Kinn raus. "Nö." Ich lege mich wieder hin und schaue ihn an. Ich will wissen, was mit ihm passiert ist. "Can?" Er schaut mich mit hochgezogener Braue an. "Was ist passiert?" Er zieht fragend seine Augenbraue hoch. "Der Unfall." Er spannt sich kurz an. "Okay", flüstert er. Wieder setze ich mich auf und höre ihm aufmerksam zu. "Das war so, dass ich unbedingt vorne sitzen wollte und meine Mutter sich wegen mir nach hinten gesetzt hat. Genau hinter den Beifahrersitz. Ich kann mich sogar daran erinnern, dass ich eine Capri-Sonne mit Orangengeschmack in der Hand hatte und ein gelbes T-Shirt getragen habe. Ich war damals sieben. Auf der Autobahn habe ich mich dann abgeschnallt und etwas herumgealbert und ich wollte meiner Mutter zeigen, dass ich ohne mich festzuhalten stehen kann, ohne zu schwanken und ich wollte ihr auch zeigen, was ich mit meinen Augenbrauen machen kann. Ich war mit dem Rücken also logischerweise zur Straße gedreht und dann-," Er schluckt kurz und lässt kurz seine Schultern kreisen. "dann gab es einen sehr starken Aufprall. Es wurde später nur erzählt, dass es ein Geisterfahrer war. Eine sehr große Scherbe hat sich in meinen Rücken geschnitten und auch den Muskel und hat einige Nerven getroffen." Meine Augen weiten sich und meine Hand schnellt zu meinem Mund. "Ja, und hast du schon einmal die Narben an meiner linken Augenbraue gesehen?" Ich nicke geschockt. "Der Strohhalm der Capri-Sonne hat sich durch die Haut gebohrt, aber nur weil ich es so cool fande mit der spitzen Seite zu trinken." Meine Augen weiten sich noch mehr. "Ich-, oh mein Gott!", flüstere ich. "Ja", seufzt er. "Deswegen kann ich auch nicht so gut die linke Augenbraue heben, davor war ich aber ein richtiger Augenbrauentänzer", erzählt er mir und lächelt leicht. "Und-, und dein linker Arm?" Ich traue mich fast gar nicht zu fragen. Er hebt seinen Arm an und kurz vor Schulterhöhe fängt er an zu zittern, je höher er ihn hebt, umso stärker zittert er, weswegen ich seinen Arm schnell nach unten drücke. Ich schließe gequält meine Augen und schüttele den Kopf. "Anfangs konnte ich ihn gar nicht bewegen, man hatte sich überlegt, ob man eine Nerventransplantation durchführt, doch in meinem Alter hätte es zu viel Kraft von mir gekostet. Ich habe also früh mit dem Trainieren angefangen, um so die Muskulatur zu stärken. Das Zittern werde ich aber niemals los, aber wenigstens kann ich ihn wieder bewegen." Ich nicke mit offenem Mund. "Aber eine gute Sache hatte der Unfall an sich." Ich schüttele verständnislos den Kopf. "Ich habe meine Mutter vor dem Tot bewahrt." Ich fahre mir fassungslos über mein Gesicht. "Wie?", kommt es heiser von mir. "Die Ärzte meinten, dass wenn ich normal gesessen hätte, ich oder jeder andere schon längst tot wäre, also war es Glück im Unglück." Er lächelt leicht, aber man sieht es ihm an, dass es aufgezwungen ist. Meine Augenbrauen ziehen sich zitternd zusammen und meine Augen füllen sich mit Tränen. Dass Can so etwas erlebt hat, nimmt mich mehr mit, als es sollte. Er sieht so perfekt aus, doch hat Einschränkungen. Ich presse meine Lippen aufeinander und wische mir die Tränen weg, die kurz davor waren meine Wasserlinie zu verlassen. "Hey, alles ist gut." Can nimmt mich in den Arm und fährt mir beruhigend über den Rücken. "Gott, das belastet dich also immer die ganze Zeit?", gebe ich brüchig von mir. "Ja." Ich kralle mich fest und nicke. Es muss mehr als nur schlimm für ihn sein, jederzeit an diesen Tag erinnert zu werden, wenn das Gefährt überall ist. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie sich so etwas anfühlt. Ich blinzele die Tränen weg und löse mich langsam von ihm, woraufhin wir beide seufzen.

"Hast du es von Jahr zu Jahr etwas abgebaut?", frage ich, woraufhin er leicht den Kopf hin und her bewegt. "Teilweise, die Erinnerung bleibt. Ich habe deswegen auch Angst um Verluste." Er schließt seine Augen und atmet tief ein. Ich nehme seine linke Hand und drücke sie, bevor ich sie mit meiner verschränke. Ich will ihn nicht alleine lassen, vor allem nicht nach diesem Geständnis. Am liebsten würde ich für immer bei ihm bleiben, doch diese ganzen Streitereien könnten das Hier und Jetzt vollkommen zerstören. "Willst du irgendwo hin?", fragt Can mich, woraufhin ich meinen Kopf schüttele. "Ich will einfach nur im Bett liegen", flüstere ich und schlucke. Nach dieser Information, kann ich nicht einfach so tun, als ob nichts wäre. Ich kann nicht einmal meine Stimmungsschwankungen rauslassen. Ich muss es verdauen. "Willst du irgendwo hin?", stelle ich die Gegenfrage, woraufhin Can mit seiner Zunge schnalzt und sich hinlegt, was ich ihm nachtue und seine Hand zu mir ziehe. Ich will sie nicht loslassen. "Das Leben ist manchmal etwas zu schwer", seufzt Can. "Dann ist das die schwierigste Prüfung. Bestehe diese und du wirst belohnt", gebe ich ruhig von mir und drehe mich zu Can, dessen Gesicht zur Decke zeigt. "Meinst du?" Ich summe ein Ja. "Alles ist vorgeschrieben. Unser Leben ist schon von Anfang an geplant", flüstere ich. "Also ist auch schon bestimmt, mit wem ich heirate?", fragt Can, was ich ihm bestätige. "Interessant." Ich nicke. "Manche Menschen sind einfach für einander geschaffen und andere nicht", murmele ich und sehe, wie Cans Kiefermuskeln zur Geltung kommen. Ich mag seinen Bart. "Mir kommt es manchmal so vor, als ob die, die nicht für einander geschaffen sind, immer zusammenkommen und die, die für einander geschaffen sind, es nicht einmal versuchen", nuschelt Can. Ich gebe ihm vollkommen recht. "Aber was soll man machen?", frage ich. "Kämpfen, meintest du doch einmal." Mich freut es zu sehr, dass Can sich noch an meine Worte erinnern kann. "Wo geht Malik hin?", frage ich beiläufig, damit er nicht bemerkt, wie sehr es mich freut, dass er sich noch daran erinnern kann. "Er trifft sich mit deiner Freundin." Ich verdrehe die Augen. "Trifft Ramazan sich immer noch mit Ranja?" Can schnalzt mit der Zunge. "Schon lange nicht mehr." Ich nicke und hole die Wärmeflasche aus der Hose raus und weite meine Augen, als ich sehe, wie rot mein Bauch geworden ist, wegen der Hitze. "Shana, verträgst du das Gummi nicht?", fragt Can und nimmt mir den Beutel weg. "Doch, aber ich habe nicht bemerkt, dass das Wasser zu warm war", murmele ich, woraufhin Can seufzt. "Das geht schon wieder weg", besänftige ich ihn. "Shana, deine Haut wird immer mehr gereizt. Hast du Neurodermitis?" Ich nicke, woraufhin er genervt aufstöhnt. Er steht auf und holt einen Stift und ein Blatt. "Du schreibst jetzt all deine Allergien, Unverträglichkeiten und Krankheiten drauf." Ich schaue verdutzt. "Los." Ich fange direkt an zu schreiben und muss das Eine oder Andere Mal auch grübeln, bis ich auf die Allergien stoße. "Dreizehn Allergien, viele Früchte verträgst du des Öfteren nicht und du hast zwei Krankheiten?" Can schaut mich entsetzt an, während ich schon etwas stolz nicke. "Gott, dich muss man ja in eine Blase stecken", nuschelt er und geht in die Küche. "Ich habe es an den Kühlschrank gehängt", informiert er mich, woraufhin ich schmunzelnd nicke. "Was sollen wir jetzt machen?", fragt Can mich, woraufhin ich mit meinen Schultern zucke. "Einen Film schauen? Plötzlich Papa! Jeder sagt, dass es ein schöner Film sein soll", nuschele ich verträumt. Can holt seufzend seinen Laptop hervor und sucht den Film. Während des Filmes lache ich viel und rege mich vor allem über die Mutter auf, die nach acht Jahren wieder aufgetaucht ist und Gloria einfach zurück haben will. "Will diese Frau mich veraschen?!", zische ich. "Erst gibt sie Samuel das Baby und haut ab und dann, nach tausenden von Jahren kommt sie, sieht das Kind und will es sofort zurück haben, ich bring die um!", fauche ich. Gespannt schaue ich weiter und ticke vollkommen aus, als Samuel doch nicht das Sorgerecht kriegt. "Das ist unfair! Er war doch immer für sie da! Dieses Misstück hat Gloria einfach alleingelassen und ist abgehauen!" Can drückt mich lachend nach hinten. "Ganz ruhig, du tötest sie ja gleich noch." Seufzend schaue ich weiter und fange dann am Ende an, geschockt die Luft einzuziehen. "Nein", flüstere ich und halte mir die Hand vor dem Mund. Okay, meine Tränen kann ich auch nicht mehr zurückhalten und lasse es raus. Das ist das schlimmste Ende, welches ich in einem Film erlebt habe. "Can, ich dachte Samuel stirbt!" Ich zittere und als auch Can meine Lage bemerkt, verschwindet sein Lächeln. "Shana." Er schüttelt leicht den Kopf. "Gloria ist tot!" Ich lache hysterisch und weine dabei. Das Ende hat mich wirklich aus der Bahn geworfen und gerade jetzt bemerke ich, wie emotional ich doch eigentlich bin. "Shana, ganz ruhig! Es ist nur ein Film!", versucht Can mich zu beruhigen und nimmt mich in den Arm. "Aber so etwas ist total schlimm!", wimmere ich. Seit der Stelle beim Arzt, dachte ich, dass der Vater krank ist und die Behandlung nicht angeschlagen ist, aber es ging die ganze Zeit nur um Gloria. Der Regisseur hat es total geschickt gemacht. "Es ist nur ein Film", versuche ich mich selber zu beruhigen, doch es geht nicht so einfach. "Nur ein Film." Ich verliere wieder Tränen und versuche normal zu atmen. Solche Filme haben mich schon immer mitgenommen. Auch als Shah Rukh Khan in Lebe und denke nicht an Morgen am Ende gestorben ist, habe ich mich weinend in mein Bett gelegt und habe mich gefragt, was wohl passiert wäre, wenn er seine Mutter nicht angelogen hätte und an diesem Tag, als er mit Rohit war, seine Medikamente genommen hätte. "Shana, deine Augen sind schon ganz rot, hör bitte auf zu weinen", bittet Can mich und wischt mir meine Tränen weg. Ich atme tief durch und versuche mich zu beruhigen, was mir auch nach fünf Minuten gelingt. "Was können wir machen, was dich ablenkt?" Ich grübele kurz. "Lernen?" Can verdreht seine gelben Augen. "Komm schon. Etwas Anatomie schadet nie." Ich lächele und merke, wie geschwollen meine Augen sind. "Iss erst einmal den Babybrei. Der ist mit Beeren", sagt Can, bevor er mir einen Löffel und das Glas gibt und dann das Buch aufschlägt. Das wird ein recht entspannter Tag.

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