Kapitel 115
Donnerstag, 15. Februar
"Du machst den Wagen dreckig", murrt Can, als ich mir die Krümel der Pringles abklopfe. "Staubsaugen." Ich bin so glücklich, weil nach etlichen Problematiken mein heiliges EBC-46 angekommen ist. Ich kann es kaum abwarten, damit herumzuexperimentieren. "Du freust dich ja richtig, wegen des Mittels." Ich werde meinem Ziel, ein Heilmittel zu kreieren, immer näherkommen. Hoffentlich schaffe ich es auch. "Die Doktorarbeit wird vor positiver Resonanz platzen." Natürlich ist das übertrieben, aber da ich mich freue, gönne ich es mir. Wir sind gerade auf der Autobahn Hamburgs und fahren zu unseren Eltern. Zum Glück ist mein Knutschfleck weg, da es sonst sehr unangenehm wäre, damit bei meinen Eltern zu sein, vor allem, wenn meine Brüder es sehen würden - oh Gott. Das Aux-Kabel stibitze ich mir und schließe es an mein Handy. Sofort ertönt Dr Dre ft. Eminem - Forgot about Dre im Auto, woraufhin ich meine Schultern im Takt zucken lasse. Langsam lasse ich meine Hand unter Cans Hintern gleiten und bemerke, wie sich sein Gesicht verzerrt. Schnell hole ich sein Handy raus und mache ein Video. "Wir fahren jetzt zu unseren Eltern." Ich wackele lächelnd mit meinem Kopf, weswegen mir eine Locke ins Gesicht fällt. "Can ist pissig, weil ich sein Auto verdreckt habe." Neckend pikse ich in seine Wange. "Ich bin nicht pissig", brummt er, woraufhin ich meine Augen verdrehe und kaum vernehmbar ein Doch flüstere. Ich wechsele das Lied, bis von Sido und Loreen - Nein! angespielt wird. Während Can konzentriert das Auto fährt, tanze ich und bewege meine Lippen synchron zum Lied. So entsteht ein Kontrast, indem Can der Ruhige und ich die Verrückte bin. "Wofür nimmst du das überhaupt auf?", fragt er mich schmunzelnd. "Keine Ahnung, als Erinnerung? Wir haben nicht viele Fotos, da sind Videos doch besser." Ich zucke verlegen mit meinen Schultern. "Für die Zukunft?" Auf Cans Gesicht zeichnet sich ein zartes Lächeln ab. Es wäre doch bestimmt schön, wenn unsere Kinder es sehen würden, oder? "Hast du schon Vorstellungen?", fragt er mich und küsst meine Fingerknöchel. "Eine Tochter." Das wäre wunderbar. "Aber sie muss die Jüngste sein und davor kommen drei Söhne." Sofort verdrehe ich meine Augen. "Oder vielleicht fünf Söhne." Natürlich!, denke ich sarkastisch. "Sehe ich so aus wie eine Geburtsmaschine?" Can nickt schelmisch. "Meine Tochter muss beschützt werden." Immer dieser Beschützerinstinkt der Männer. "Mein armes Mädchen wird ja gar keine Privatsphäre haben", schnaube ich. "Wieso?", grinst Can. "Weil nicht nur ihre Brüder auf sie aufpassen werden, sondern auch ganz Hamburg, weil jeder dich kennt und vor allem du. Du und deine 157 prozentige Sehstärke." Can lacht. "Du kennst mich zu gut." Ich seufze. "Dein Vater ist verrückt. Er ist berühmter als der Bürgermeister Hamburgs. Ich werde schon überall bewacht, da will ich nicht wissen, wie es bei dir sein wird", spreche ich in die Kamera und seufze. "Hast du dir schon Namen überlegt?", fragt Can mich lächelnd. Sein Lächeln ist wunderschön. "Die Jungen sollen mit A anfangen, alle. Mädchennamen habe ich keine im Sinn. Dana? Aya ist auch sehr schön." "Wie wäre es mit Cana?" Ich pruste los. "Unsere Namen in einem?" Er nickt. "Dann wird sie das Credo des Cana-Fanclubs. Ramazan und Malik werden sie wie eine Heilige behandeln." Cana hört sich wirklich schön an. "Ich weiß nicht so ganz. Es kommt mir etwas egoistisch vor, dass wir unsere Namen vereinen und es unserer Tochter übergeben." Nachdenklich schürze ich meine Lippen. "Ich finde es schön. Ein Liebesbeweis, weil unsere Liebe unsterblich ist." Ein wohliger Schauer überkommt mich. "Jetzt schämt sie sich wieder", lacht Can. Verlegen fahre ich mir über meine Wange. "Stimmt doch gar nicht", nuschele ich. "Ich finde Cana schön. Das ist die weibliche Version von Can." Er grinst. Dieser Egoist! "Dann heißt sie Dana." Ich verschränke stur die Arme vor der Brust. "Wieso nennen wir sie nicht Cana-Dana?" Entgeistert verziehe ich das Gesicht. "Und ich dachte, du hättest Geschmack." Ich schüttele mich. "Und wieso sollte Cana vor Dana kommen?!" "Wegen den Buchstaben. C kommt vor D." Meine Augen verdrehen sich. "Die Intuitionen von bildhübschen und intelligenten kommen vor jenen der unästhetischen und ignoranten", summe ich mit einem süffisanten Blick. "Ich bin hässlich?" Ich nicke spitzbübisch. "Was hast du mir letztens noch einmal im Bad erzählt? Wie schön meine Augen sind und weiß Gott noch was?" Nun schaut er spitzbübisch. "Das war gelogen." Das war gelogen. "Du sagst nie zu mir, dass ich hübsch wäre!" Exaltiert schnappe ich nach Luft und schlage gegen Cans Oberarm. "Schmoll nicht, mein Käsebrotchen." "Ich bin Laktoseintolerant." "Schmoll nicht, mein laktosefreies Käsebrötchen." Ich ziehe die Unterlippe hervor und schaue zu ihm. Kurz schaut er von der Straße zu mir, wieder zurück und dann wieder zu mir, woraufhin er mir einen raschen Kuss auf die Lippen drückt. Verdutzt hebe ich die Schultern an. "Can", murre ich. "Seit wann genierst du dich, wenn ich dir ein Küsschen gebe?" Can kneift mir lachend in die Wange. "Unsere Kinder werden das sehen." Anscheinend interessiert es Can herzlichst wenig, was sie sehen werden. "Es gibt schlimmeres", säuselt er. Oh nein! Ich schaue konsterniert in die Kamera und beende das Video.
"Sowas kannst du doch nicht hat vor laufender Kamera bringen!" "Was denn?" "Du weißt, was ich meine!" "Nein, Shana, das tue ich nicht." Natürlich tut er es! "Dein Säuseln! Du hast indirekt behauptet, mit mir ein Sextape aufnehmen zu wollen!" Sofort ertönt Cans kehliges und melodisches Lachen. "Ach, Shana, ich liebe deine Gedanken." Vor Lachen seufzt er und lässt seine Hand auf meinen Oberschenkel sausen. "Aua", murre ich. "Ich mag deine Oberschenkel. Wenn du abnimmst, bringe ich dich um." Kurz zuckt sein Kiefer. "Okay, Mama." Seine Miene wird hart. "Ich meins ernst. Ich will nicht, dass du dünn wirst. Als du abgenommen hast, hat sich meine Brust zusammengezogen. Als du ohnmächtig geworden bist, musste ich mich stark beherrschen, nicht auszurasten und in Panik zu verfallen. Das war gar nicht gut. Aber umso schöner war die Umarmung unserer Versöhnung." Das stimmt. Diese Distanz war schlimm. Da war ich schon in Can verliebt, habe es aber nicht eingesehen. Faszinierend, wie schlecht es dem menschlichen Körper gehen kann, nur weil eine bestimme Person nicht anwesend ist. Ich habe mich nach kurzer Zeit wieder an Can gewöhnt, heimlich seine Nähe genossen und gerne mit ihm geredet. Verlegen nicke ich und schaue auf meinen Schoß. Cans Hand übt leichten Druck auf meinen linken Schenkel aus. "Wann würdest du es deinen Eltern sagen?" Ich schaue in sein unsicheres Gesicht. Wann soll ich es sagen? "Ich weiß es nicht." Ich habe keine Lust auf das ständige Ausfragen und vor allem nicht, dass ich am Ende gedrängt werde, zu heiraten. Ich mag es generell nicht, wenn man mich über meine Beziehung ausfragt. Wir sind zusammen und fertig ist, mehr müssen andere nicht wissen. "Es hat schon über ein halbes Jahr gedauert, bis du es deinen besten Freundinnen gesagt hast", murmelt er. "Ich habe keine besten Freundinnen. Ramazan ist wirklich eine Ausnahme, aber nur weil ich noch nie davor in so einem engen Kontakt zu einem Jungen stand. Er ist wie ein perfekter Bruder." "Also seid ihr nicht so eng, wie es erscheint?", möchte er wissen. "Doch, natürlich. Ich kenne Saliha seit der Grundschule, aber... ich weiß nicht, wie ich es erklären soll." "Du bindest dich nicht gerne an andere?" Perfekt definiert. "Genau." Ich schürze meine Lippen. "Ich habe bei Ranja zwei Jahre gebraucht, bis ich sie als Freundinnen zählen konnte." Can hebt überrascht seine Augenbrauen. "Und bei mir ganze fünf Jahre", nuschelt er. "Ich schätze, ich habe keine Lust enttäuscht zu werden. Ich verlasse mich auch so gut wie gar nicht auf jemanden, da es sehr oft so war, dass die gewisse Person etwas doch nicht eingehalten hat. Das begann schon bei einem einfachen Treffen. Wenn sie einmal doch nicht kommen konnte, habe ich sofort registriert, dass ich mich nicht auf sie verlassen kann, egal wie übertrieben es auch klingt. Wenn es schon bei einem einfachen Treffen nicht klappt, wie soll es bei anderen Dingen gehen? Das habe ich sogar verifiziert bekommen und deswegen verlasse ich mich am liebsten auf niemanden", erzähle ich. Das habe ich bis jetzt niemanden erzählt, aber nicht, weil ich es geheim halten wollte, sondern einfach, weil es nie zum Anlass kam. "Das hängt mit deinem Nachtragen zusammen, nicht wahr?" Ich nicke, und Cans Miene wird matt. Ich glaube, er fühlt sich angesprochen. "Du gehörst da nicht zu. Also bis jetzt noch nicht." "Erzähl mir mehr davon", fordert er. Was gibt es da noch großartig zu erzählen? "Nun ja, ich bin immer einer der Personen gewesen, die nie mit zu Besuch gegangen ist, falls jemand etwas mit mir geplant hat, deswegen fand ich es immer mehr als nur dumm, dass es andersrum nie so war. Der Satz: Wir haben Besuch oder, dass sie selber zu Besuch gehen, hat mich immer genervt. Wenn ich für euch zu Hause geblieben bin, wieso könnt ihr das nicht? Ich finde so etwas total unverschämt, aber was soll man machen? Ändern kann ich nichts mehr, deswegen gebe ich mir auch keine Mühe mehr, jemanden zu fragen. Wenn sie mit mir rausgehen möchten, dann bitte. Ich bin sowieso immer zu Hause, also früher zumindest. Ich hatte nie sonderlich viele Freunde. Vier Stück vielleicht, von denen auch nur Ranja immer für mich Zeit hatte", erzähle ich. "Und die anderen? Saliha?" Ich verdrehe die Augen. "Mal musste Saliha dort hin und mal hier hin." Desinteressiert zucke ich mit meinen Schultern. "Jetzt ist es anders herum, was sehr zuvorkommend für mein Nachtragen ist. Ich kann nie, weil ich entweder lernen muss, im Labor arbeite oder bei dir bin." Er lächelt leicht. "Du bist nicht so?", hake ich nach. "Mal so, Mal so. Kommt auf die Situation an, aber bei Ramazan und Malik bin ich nicht so. Eigentlich gar nicht." Ich nicke. Anscheinend bin nur ich so Rachsüchtig.
"Hast du komische Angewohnheiten oder Ticks?", frage ich ihn, was ihn Schmunzeln lässt. "Ich muss dir immer auf den Arsch und auf die Brüste schauen und dann kneife ich in die Matratze oder ins Kissen. So kann ich mir vorstellen, wie ich dich anfasse." Empört schaue ich ihn an. Das hat er jetzt nicht ehrlich gesagt! "Du... dein Ernst?" Unschuldig nickt er. "Wieso?", will ich verstört wissen. Er zieht die Schnute. "Wenn ich nicht anfassen darf, darf ich wenigstens träumen." "Schon klar, aber... ich stelle mir ja auch nicht vor, wie du in mir wärst, während ich... vergiss es!" Du hast es dir schon vorgestellt, du Schlingel, hehe. "Nein, rede ruhig weiter. Das hört sich interessant an." Er grinst dreckig. "Nein, Can!" "Stellst du dir vor, wie ich es dir besorge, während du es dir machst?" "CAN!" Ich schaue empört aus dem Fenster. "Erzähl es mir ruhig. Ich stelle mir auch immer vor, wie du auf mir-," "Ich. Will es. Nicht. Hören!" "sitzt und mich reitest." Ich schaue nach oben und seufze. "So ähnlich schaust du auch in meinen Runterholgedanken." Er prustet los, während es mir warm den Rücken runterläuft. Dieser Junge ist unmöglich! "Komm, du musst auch lachen." Er pikst mir in die Wange, was mir ein Schmunzeln entlockt. "Du bist widerlich." "Das gefällt dir", lacht er, woraufhin ich schmunzelnd die Augen verdrehe. "Und du?" "Immer wenn Männer hinter mir vorbeilaufen, zucke ich zusammen. Ich weiß nicht wieso." Vom weiten sehe ich ein Burger King und grinse verstohlen. "Can." Ich tippe ihn an und zeige auf das Emblem. Sofort fährt er zum Burger King. "Was möchtest du haben?", fragt er mich. "Nichts, ich muss nur kurz auf Toilette", lüge ich und steige aus. Ich gehe vorsichtshalber trotzdem auf Toilette und bestelle dann zwei Long Chicken Menüs plus Chili Cheese Nuggets. Mit einer großen Tüte in der einen Hand und zwei großen Colas in der anderen, laufe ich grinsend aufs Auto zu und sehe Cans Augen gefährlich aufblitzen, als er von seinem Handy aufschaut. Er öffnet die Tür für mich und beobachtet mich mit verhärteter Miene. "Sieh mal, was ich auf der Toilette gefunden habe." Ich grinse und hole seinen Long Chicken raus. "Shana, lass den Scheiß." Sofort verfliegt mein Grinsen. Ich hasse es, wenn man von mir fordert, dass ich eine Sache unterlassen soll. "Was? Dass ich dir etwas zu essen gekauft habe?", blaffe ich und drehe mich mit seinem Long Chicken zur Seite. "Dann iss es halt nicht!", zische ich und lege mir die Pommes auf meinen Burger. Wieso muss er es mir so verderben? "Shana." "Nö", brumme ich. "Komm schon, Shana, das war nicht so-," "NÖ!" Wütend lege ich das Brötchen wieder auf den Burger und esse ihn beleidigt. "Das erinnert mich an den Tag, an dem deine Weisheitszähne gezogen wurden", witzelt er. Ich lache nicht. Er hat mich wütend gemacht, Arschloch. "Shana", seufz er, woraufhin er meinen Mittelfinger in sein Gesicht gedrückt bekommt. "Ich liebe dich auch."
Seufzend lasse ich mich auf mein Bett fallen. Heute war ich mit meiner Mutter in der Stadt, dann bei Verwandten, weil sie mich so lange nicht mehr gesehen haben, dann noch bei den Nachbarn, die die Freundinnen meiner Mutter sind und musste jedem eine Diagnose stellen, weil sie alle bald an Rheumatismus leiden werden. Can habe ich nur elliptische Antworten gegeben. Ich hasse es über alles, falls mir jemand etwas verbietet, wenn meine Laune an diesem Tun enorm ist. Das war eine miese Aktion von ihm. Da haben ihn seine Kosenamen Dile min und Mein Käsebrötchen auch nicht retten können. Wenn man vom Teufel spricht, er schreibt mir wieder eine Nachricht.
'Babe, bitte sei mir nicht sauer.'
'Komm schon, mein Nippel.'
'Die Haken sind blau. Ich weiß, dass du es liest.'
Hat er mir jetzt wirklich ein Foto seines Nippels geschickt?! Er will mich klein kriegen! Aus Prinzip antworte ich nicht, speichere jedoch das Foto und lege mein Handy weg, das nach mehreren Sekunden aufblinkt. Meine Mutter kommt ins Zimmer, weswegen ich mein Handy auf Stumm stelle. "Alle haben sich sehr gefreut, dich zu sehen. Sie haben geschwärmt, wie hübsch du bist." Ich grinse. "War das nicht immer so?" Sie verdreht ihre Augen. "Du strahlst seit Neustem." Verlegen lächele ich. Seitdem ich mit Can zusammen bin, bin ich wirklich am strahlen. "Gehst du morgen irgendwohin?" Ich verneine es. "Und für Prüfungen musst du nicht lernen?" Auch das verneine ich. "Nicht jetzt zumindest." "Gut." Sie schau irgendwie komisch, was mich grinsen lässt. "Shana?" Ich schaue sie abwartend an. "Du hast jemanden gefunden, nicht wahr?" Mein Grinsen verfliegt sofort. Mir wird kalt und warm zu gleich und mein Herz schlägt langsam aber kräftig. Scheiße, woher weiß sie das? Ich kriege gerade kein Wort aus, weil ich nicht weiß, was passieren wird, wenn ich Ja sage. Nein zu sagen, wäre dumm, da sie Bescheid weiß. "Ich sehe es dir an, Shana. Ich bin deine Mutter." Immer noch paralysiert, schlucke ich. Es ist beängstigend, was für Fähigkeiten eine Mutter doch besitzt. "Wer ist es?", fragt sie und nähert sich mir. "C-can." Ich schlucke, weil meine Antwort ein Flüstern war. "Der, der mit mir in Hamburg-," "Ich weiß, welcher Can." Stumm nicke ich. Mir ist die Situation mehr als nur unangenehm. Was wird sie jetzt machen? Ich will nicht, dass meine Brüder es erfahren. Das wäre mehr als nur unbehaglich für mich. "Wann?" Ich kriege keinen Mucks raus und schweige deswegen. Kurz zucke ich mit meinen Schultern. "Wieso hast du mir nichts erzählt?", will sie wissen. Leichter Vorwurf schwingt in ihrer Stimme. "Ich hatte Angst", flüstere ich. Ich mag es nicht, so etwas zu posaunen. "Wovor, mein Kind?" Tief atme ich durch. "Dass ich dann sofort heiraten muss oder dass ihr denkt, dass es zu früh wäre, dass er nicht gut für mich wäre." Ahnungslos zucke ich mit meinen Schultern und senke den Blick, da mir die Tränen aufkommen. "Shana, ich habe dir doch gesagt, dass du vor fünfundzwanzig nicht heiraten sollst. Ich kenne die Familie und Can ist ein sehr guter Junge aus einem kultivierten Elternhaus. Das Heiraten würde eurem Studium im Weg stehen und du bist alt genug, wie kommst du darauf?" In mir kommt Erleichterung hoch. Sie hat nichts dagegen. Ich wische mir über die Augen. "Weil es bei den anderen doch auch so ist. Entweder die Tochter wird angeschrien und geschlagen oder sie muss dann sofort heiraten." Ich habe schon so viele Geschichten von so vielen südländischen Mädchen gehört, sogar von meinen eigenen Cousinen. Da kann man doch nicht in Ruhe seinen Freund lieben. "Hat dein Vater oder einer deiner Brüder jemals die Hand dir gegenüber erhoben?" Ich schüttele den Kopf. "Wieso sollten sie es jetzt tun, wenn du eine Entscheidung triffst, die jeder einmal tun muss?" Ich zucke mit den Schultern und wische mir meine Tränen weg. "Wissen seine Eltern Bescheid?" Ich nicke. "Sie waren die Ersten", flüstere ich. "Dann laden wir sie morgen doch zum Essen ein." Ich nicke. "Komm her, du brauchst nicht zu weinen." Meine Mutter schließt mich in ihre Arme und küsst meinen Kopf. "Ich bin froh, dass du dir jemand gutes angeschafft hast." Wenn du nur wüsstest, wie gut. "Du musst es aber deinem Vater erzählen." Ich reiße die Augen auf. Ich schäme mich jetzt schon, wie soll ich es dann meinem Vater erzählen? "Sag du es." Meine Mutter schüttelt den Kopf. "Mam, bitte, ich schäme mich", flehe ich. Sie zieht mich hoch und läuft mit mir ins Zimmer, wo mein Vater seinen Schwarztee trinkt und sich ein Video auf seinem Handy anschaut. Vermutlich ist er auf Facebook. "Salih, deine Tochter hat etwas zu verkünden." Sofort verspanne ich mich. "Was ist es?" Er scheint auf das konzentriert zu sein, was sich auf dem Video abspielt. Ich hoffe, das Video endet nie. "Jetzt pack dein Handy weg und setzt dich ordentlich hin!", meckert meine Mutter ihn an. Seufzend schaut mein Vater zu mir und setzt sich auf. "Was ist los?" Ich brumme und winde mich. Das ist mir total unangenehm. Hilfesuchend schaue ich zu meiner Mutter. Sie weiß, dass ich schweigen werde. Passend zu meinem Unwohlsein, höre ich, wie jemand seinen Schlüssel ins Schloss steckt. Muss mein Bruder jetzt nach Hause kommen?! "Kommt her, dann wisst ihr es auch." Mama, ich mag dich wirklich, aber jetzt würde ich dich am liebsten umbringen! "Was ist los?", fragt mein Cousin Ahmed und grinst, als er mir durch mein Haar wuschelt. Mein Bruder beäugt mich argwöhnisch. Jetzt fehlt nur noch der Älteste, dann wären wir vollzählig! Meine Schwester ist nicht in der Wohnung, weswegen ich mich etwas alleine fühle, so unter drei Männern, auch wenn meine Mutter da ist. "Ich soll sagen, dass Barzan ab morgen Aufenthalt bekommt und dann für eine Woche zu Besuch kommt." Na super! Morgen wird also mein ältester Bruder für eine Woche aus dem Knast entlassen, um bei uns zu sein, bevor er wieder rein muss. Ich verstehe nicht, was er alles an Scheiße baut, dass er permanent im Knast sitzt. Das ist doch nicht mehr normal! Das Gefängnis ist sein zweites Zuhause. "Mama, bitte", flüstere ich. "Was hat sie gemacht?", fragt mein Bruder und hebt seine Augenbraue an. Ich will zurück nach Hamburg! "Sie hat jemanden gefunden." Die Bombe ist geplatzt! Ich laufe rot an und schaue auf den Boden. "Wer?", fragt mein Bruder sofort. "Aha? Du heiratest also morgen?" Mein Cousin fängt kurz an zu lachen und erntet einen Killerblick von mir. Unpassender Moment, Cousin. "Wer ist es?", fragt mein Vater neutral. Gott sei Dank, ist er so neutral. "Der Sohn von Amir Jamil. Er studiert mit Shana in Hamburg", erzählt meine Mutter. "Wer? Wie heißt er?" Musst du so neugierig sein, Bruder?! "Can", murre ich. "Can? Ach der! Warte, war der nicht verlobt?" WAS?! Ich schaue erschrocken zu meinem Bruder. "Doch. Einmal habe ich ihn am Strand gesehen und das mit seiner Verlobten." Nein, nein, nein, das kann nicht wahr sein! "Du verwechselst ihn", gebe ich heiser von mir. Scheiße, dieser Junge ist dumm wie Brot, wieso erinnert er sich ausgerechnet an den Tag, als er uns fast erwischt hat?! "Ich habe noch nie mitbekommen, dass er verlobt ist." Danke, Mutter! "Doch, das war-," Zum Glück unterbricht mein Vater meinen nervigen Bruder. "Das ist doch jetzt egal. Wir laden sie zum Essen morgen ein und fertig ist." Ich seufze erleichtert. Argwöhnisch schauen mein Bruder und mein Cousin mich an. Mein Vater widmet sich seinem Tee und meine Mutter zwinkert mir aufmunternd zu. Anscheinend ist es geklärt. "Aber die beiden werden nicht mit uns essen." Ich zeige auf die beiden Jungen. "Die kommen nach dem Essen und Barzan auch." "Was?! Wieso?", murrt mein Bruder. "Ich bin mir sicher, dass er verlobt war." Ich mag dich, Bruderherz, aber halte für einmal bitte deine gottverdammte Schnauze! Musst du nicht Shisha rauchen oder zu deiner Frau?! "Wartet deine Frau nicht auf dich?", murre ich, woraufhin er seine Augen zusammenkneift. Denk bloß nicht, du kannst mich einschüchtern, Fettsack! "Gib mir die Nummer seiner Mutter, dann rufe ich direkt an." Ich nicke meiner Mutter zu und verlasse hastig das Wohnzimmer.
Auf meinem Bett angekommen, spüre ich wie mein Herz pocht und muss tief durchatmen. Meine Eltern wissen Bescheid. Heute hat Can noch gefragt, wann sie es wissen werden, Schicksal! Das hat etwas zu bedeuten. Mit zitternder Hand nehme ich mir mein Handy und lese mir die Nachrichten kurz durch, bevor ich den FaceTime-Anruf mit Can beginne.
"Can, es gibt Neuigkeiten."
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An alle, die gestern (23.07) nicht zu Arroganz' Einjährigem gratuliert haben, sind Wichser.
*hust* nichts für Humorbehinderte *hust*
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