Kapitel 108

Mittwoch, 3. Januar

Und schon bin ich seit drei Jahren auf dieser Universität. Ich habe überhaupt keine Lust auf die Vorlesungen. In zwei Tagen schreibe ich schon eine Klausur und nächste Woche zwei weitere. Ich freue mich wirklich sehr auf die Semesterferien, sodass ich endlich wieder ausschlafen kann und besser an meiner Doktorarbeit arbeiten kann. Einen winzigen Fortschritt muss ich dieses Jahr hinkriegen, so blöd kann ich doch nicht sein. Ich muss es hinkriegen! Wenn nicht, dann randaliere ich. Can. Can werde ich heute so gut es geht ignorieren und in der Bibliothek für meine Epidemiologie Klausur lernen. "Wie läuft es mit den Vorbereitungen?", frage ich Saliha müde. "Ach, das dauert noch", summt sie und parkt. Ich weiß gar nicht, ob sie sich jemals stark mit Malik gestritten hat. So etwas habe ich noch nie mitbekommen. Ob das wohl am ruhigen Charakter der beiden liegt? "Du und Malik habt euch nie gestritten, oder? Also so stark." Ich drehe meinen Kopf zu ihr und sehe sie nachdenklich die Schnute ziehen. "Nicht wirklich, klar gab es Tage, wo wir uns gestritten haben, aber das war immer nur ein Anzicken." Ich nicke. Kein Bedrängen, wenig anschreien und bestimmt packt er sie nicht brutal an. Langsam steige ich aus und lockere kurz meine Schultern, während ich zum Seminarraum laufe. Vom weiten sehe ich Aykan, der mir zuwinkt. Wenigstens einer, der immer eine Wärme ausstrahlt. "Und? Wie war dein Silvester?" Sein typisches Lächeln schmückt sein nettes Gesicht. Ach, Silvester war ein komischer Tag. "Es war sehr... ereignisreich." Ich spitze meine Lippen. "Und dein Silvester?", will ich von mir ablenken. "Ganz gut, war mit einigen Kollegen weg. Hast du meine Nachricht überhaupt gesehen?" Ich ziehe meine Augenbrauen hoch und dann zusammen. "Nein." Ich schüttele meinen Kopf und hole mein Handy hervor. "Ich habe gar nicht mitbekommen, dass du mir geschrieben hast, sonst hätte ich dir geantwortet", murmele ich und entdecke seine Nachricht.

'Ich wünsche dir alles Gute fürs neue Jahr, Shana. Feier schön.' Dahinter ist ein lächelnder Emoji.

"Oh Mann, tut mir leid." Ich lächele peinlich berührt. Bin ich zu blöd, um Nachrichten zu lesen? "Dankeschön, ich wünsche dir auch alles gute." Ich war so sehr mit Can beschäftigt, dass ich nichts weiteres mitbekommen habe. Aykan lächelt und schaut kurz zur Seite, was ich ihm nachtue. Can lehnt sich mit angespannter Miene gegen die Wand an. "Lass uns in den Raum rein", murmele ich und husche hinein. Ich will seinen Blicken nicht ausgesetzt werden. Seit wann lasse ich mich so einschüchtern? Ich müsste die Blicke genießen, verdammt! Wie von alleine nehme ich eine gerade Haltung ein, wobei meine Schultern gestreckt sind. Mein Blick wird angriffslustig. So habe ich es doch am liebsten. Ich ziehe mir meine Jacke aus und lege sie über den Stuhl, wobei ich bemerke, dass mich Can ansieht. Meine Unterlagen hole ich raus, schmeiße kurz meine Haare nach hinten und drehe mich um. Weiter so, Schwester! Einige Sekunden später wird der freie Stuhl neben mir nach hinten gezogen und am Duft registriere ich Can. Sollte ich jetzt meine Rache planen, die ich einmal machen wollte? Na ja, ich weiß nicht, wie ich die Rache gestalten soll. Egal, ignorier ihn einfach. Meine Haare lege ich auf die linke Seite, damit ich sehe, falls er mich mustert. Soviel zum Thema Ignorieren. Meine rechte Hand bleibt auf dem Tisch liegen, mit dem Handrücken nach unten, während ich dem Dozenten zuhöre. Can legt seine Hand auf meine, weswegen ich meine wegziehe. Irgendwie tut er mir leid. Es ist echt schwer jemanden zu kränken und zu ignorieren, wenn man ihn gleichzeitig liebt. Verflucht sei die Liebe! Ich kann mein Nachtragen gar nicht richtig rauslassen, weil ich Can so liebe. Er brummt unzufrieden und seufzt. Ich sehe, wie er etwas auf sein Blatt schreibt. Ich tue es ihm gleich, als der Dozent aufhört zu schreiben. Can schiebt mir sein Blatt zu. Und ich dachte, dass er sich auf das Seminar konzentriert. Shana, verzeih mir bitte, steht da. Ich schiebe es zurück und konzentriere mich auf das Seminar, dabei höre ich, wie Can wieder etwas auf sein Blatt kritzelt und es wieder zu mir schiebt. Ich schaue es mir aber nicht an. "Shana, lies", flüstert Can, doch ich höre nicht auf ihn, woraufhin er mir in die Seite pikst. Dieser Junge lässt sich auch echt nicht abwimmeln. Er kitzelt mich mit irgendetwas weichem am Ohr, weswegen ich genervt mit meiner Zunge schnalze und eine Rose vor die Nase bekommen halte. "Verzeih mir." Ich schiebe die Rose weg und versuche dem Dozenten zuzuhören. Bist du gemein zu ihm. Er soll aufhören zu versuchen, mich mit diesen Dingen kleinzukriegen. Versteht er nicht, was für einen Schaden er angerichtet hat? Er legt seine Hand auf meinen Oberschenkel, die ich wegschlage. "Es reicht!", zische ich leise und schiele kurz zum Dozenten, der mich ansieht. Jetzt kriege ich noch bestimmt ärger. Dafür will ich wenigstens, dass Can versteht, dass er Scheiße gebaut hat. Can schaut beleidigt auf seinen Zettel und schnaubt. Ist mir recht. Ihm ist anscheinend immer noch nicht klar, was er da angestellt hat.

Saliha hat ebenfalls Pause, weswegen ich mit ihr in die Mensa laufe. Ich will schlafen. Einfach nur schlafen und entspannt aufstehen. Ja, das wäre es jetzt. Nachdem wir uns jeweils ein Pizzastück geholt haben, lassen wir uns auf den hinteren Plätzen nieder. Ich merke wie lustlos ich bin. Am liebsten würde ich mit diesem Stück Pizza in meinem Zimmer, auf meinem Bett liegen. Das wäre schön, aber nein, ich muss noch einen Monat durchstehen und dann kann ich zwei Monate schlafen. Das schaffe ich bestimmt. Irgendwie ist mir alles total egal. Dass ich gleich eine weitere Vorlesung habe und sie einfach schwänzen würde, ohne irgendwelche Bedenken zu haben, dass ich deswegen Klausurrelevantes verpassen würde. Es interessiert mich gerade null. Ich habe gar keine Lust auf den heutigen Tag. Wow, ich merke wirklich, wie sehr mich meine Laune runterzieht. "Du siehst ja richtig fröhlich aus", kommt es ironisch, aber dennoch humorvoll von Saliha. "Heute ist auf jeden Fall mein Tag", gebe ich murrend von mir und beiße in meine Pizza. Ich bin zu faul, um das Stück Pizza zu essen. Mein Bett schreit glaube ich nach mir. Can betritt mit einigen Kollegen die Mensa und setzt sich nur einige Tische vor uns hin, als sie sich etwas zu Essen geholt haben. "Hat Malik keine Vorlesung?" Saliha schüttelt den Kopf. "Übermorgen habe ich auch keine." Saliha macht einen kleinen Freudentanz und gluckst dann auf. Ich will auch. Wann habe ich einen vorlesungsfreien Tag? Nächstes Jahr? Ich bin froh, wenn ich dieses Semester los bin, dämliche Epidemiologie. "Will auch", nuschele ich und kaue auf meinem Bissen herum. Kurz schiele ich an Saliha vorbei, wo ich auf Cans Augen treffe, die mich finster ansehen. Aus Reflex verdrehe ich meine Augen und schaue wieder zu Saliha. "Was ist los? Wer macht Stress?" Can. Ich brumme einfach nur, weil ich irgendwie zu faul, zum Reden bin. "Ich wollte dich etwas fragen." Ihre Kulleraugen werden neugierig. "Hab ich eine andere Wahl, als zu antworten?" Sie verneint es. War mir auch klar. "Was ist das jetzt zwischen Can und dir?" Mir ist gar nicht aufgefallen, dass ich es die ganze Zeit über hätte erwähnen können. Ich bin mit meinen Gedanken irgendwie nie im Geschehen. Kurz räuspere ich mich und setze mich etwas gerader auf. "Ich bin-," "Shana." Ja super. Ich schaue zu Aykan, der lächelnd auf uns zukommt und Saliha begrüßt. "Ich hoffe, ich störe nicht?", fragt er leicht schüchtern, was mich und Saliha lächelnd lässt. Aykan ist echt höflich und so niedlich. "Nein, nein, ich höre euch gerne zu, während ihr über etwas redet, was ich sowieso nicht verstehe", sagt Saliha schelmisch und macht mit ihrer Hand eine wegwerfende Geste.

"Hier." Meine Augen weiten sich, als er mir eine Rose gibt. Ach du heilige Scheiße, wenn Can das sieht, ist Aykan tot. Und Saliha kriegt anscheinend einen Herzinfarkt. Wieso? Warum? Was habe ich getan? Bin ich so nett? Wie? Ich glaube, ich träume. "Das-, da-, also-, danke", gebe ich verdutzt von mir. Als eine Art Geschenk der Freundschaft? Bin ich blöd? Ja, bin ich. Vielleicht verstehe ich das auch nur falsch. Statt zu antworten, lächelt Aykan nur. "Was wolltest... du mich fragen." Ich komme mir wie betrunken vor. Ich habe meine Frage nicht einmal als Frage geäußert, sondern als einen normalen, wenn sogar trockenen Satz, weil ich immer noch so verdutzt von seiner Rose bin. Can gibt mir immer Rosen, aber Aykan? Das ist echt sonderlich. "Genau." Aykan scheint mein Verhalten gar nicht zu treffen. Er holt seinen Block raus, auf dem ganz groß Epidemiologie draufsteht. Ich hasse die Epidemiologie. Er zeigt auf das Dreieck, welches wir heute abgezeichnet haben, wo ein E, ein K und unten ein C gezeichnet wurde. Ich lege meine Pizza weg und schlürfe aus meiner Cola. "Ich habe das mit der Exposition, mit der Krankheit und mit dem Confounder nicht verstanden." Das war das Einfachste. Ich schaue mir das Dreieck an und räuspere mich, als ich auf das E zeige. Aykan hat doch die ganze Zeit über richtig aufgepasst, während ich fast eingedöst bin. "Also, wenn die mögliche protektive Wirkung Alkohol - also E - auf die Entwicklung der koronaren ... ", nuschele ich am Ende nachdenklich. Ich spitze meine Lippen, weil ich an Cihan denken muss. Ich muss wieder recherchieren. "Herzkrankheit - also K - untersucht, muss man den Faktor Rauchen - das würde mit einem R abgekürzt werden - als möglichen Confounder erwägen, weil Rauchen ein eigenständiger Risikofaktor der Krankheit ist und meist auch positiv mit dem Alkoholkonsum assoziiert ist." Aykan nickt und zieht kurz seine Augenbrauen zusammen. "Nicht verstanden?", hake ich nach. "Doch, aber würde dann in der Datenanalyse-, ach schon gut." Ich ziehe meine Augenbrauen zusammen und schüttele den Kopf. "Wenn man in der Datenanalyse nicht für den Confounder Rauchen 'kontrolliert', dann könnte sich ein möglicher protektiver Effekt von Alkohol auf die KHK nur vermindert oder gar nicht abbilden", informiere ich ihn, woraufhin sich anscheinend sein Gehirn aufhellt. "Genau! Das war das also, stimmt. Danke, Shana, ohne dich würde ich die Klausur verhauen." Ich lächele. "Bleibst du heute in der Bibliothek?", frage ich ihn, woraufhin er nickt. "Gibst du mir dann Nachhilfe?", fragt er mit einem schelmischen Grinsen, woraufhin ich belustigt meine Augen verdrehe. "Muss ich dann. Eine andere Wahl werde ich nicht haben." Angriffslustig hebe ich meine Augenbraue. "Stimmt." Er grinst, ich grinse und Saliha grinst. Okay, Saliha versteht das ganz falsch. Kurz schaut sie auf ihr Handy und nimmt dann ihre Tasche Wohin will sie jetzt auf einmal hin? "Malik wartet auf mich." Ich hebe meine Augenbrauen an. "Ach, du verlässt mich, nur weil Malik dich ruft?" Ich schnaube. Hat sie jetzt schon Schluss oder was? "Geh." Sie schmollt. "Shana", säuselt sie "Nein, geh doch." Aus Prinzip schaue ich zu Aykan und dann wieder auf die Rose. Okay, das kann nie im Leben von ihm sein oder doch? Nein, als ob. Vielleicht ist es ein Missverständnis, oder? Nein, oder? Oh Gott, wenn Can das mitbekommt. Etwas geniert senke ich den Blick und knabbere an meiner Pizza. "Willst du ein Stück?", frage ich Aykan, der es lächelnd verneint. Oh Mann, ich bin bestimm seltsam. "Okay", murmele ich. Ich weiß nicht, aber ich habe ein mulmiges Gefühl im Magen. Guck lieber nicht zu Can, rät mir meine innere Stimme und ich glaube, ich sollte auf sie hören, tue es aber doch nicht, weil ich zu neugierig bin und ja, das war ein Fehler, denn Can sieht sehr sauer aus. Er steht auf, weswegen mein Herz schneller klopft. Ich mache mich bereit, damit ich Aykan vor Cans Faust beschützen kann, doch Can kommt gar nicht zu uns, sondern läuft aus der Mensa raus. "Scheiße." Ich schaue hibbelig zu Aykan, der meine Unruhe bemerkt. "Geh zu ihm." Ich beiße mir unsicher auf meine Lippe. Wenn er komplett ausrastet, dann habe ich keine Lust drauf. Aber andererseits soll er wissen, dass ich mich davon nicht einschüchtern lasse. "Hast du hier jemanden?" Aykan nickt und gibt mir die Rose. So süß das Geschenk auch ist, Can würde ausrasten. "Aykan, wenn Can sie sieht, dann-," "Sie ist von ihm." Meine Augenbrauen heben sich. "Du hast sie im Seminar vergessen und ich sollte sie dir geben." Sein Lächeln beruhigt mich. Es ist doch nicht wegen der Rose. "Okay", seufze ich erleichtert und laufe mit der Rose raus. Can müsste auf dem Parkplatz sein. Wehe er raucht wieder!

Ich laufe etwas schneller, als ich sehe, wie Can sich die Zigarette in den Mund steckt und ziehe ihm die Zigarette aus seinem Mund, weswegen er mich genervt ansieht. "Was?", blaffe ich. "Bist du genervt, weil ich dich davon abhalte, deine Gesundheit zu schädigen?", will ich trocken wissen und ziehe meine Hand weg, als er nach seiner Zigarette greifen will. "Ja, das bin ich!", zischt er. Na super, ich will, dass er keine noch geschädigtere Lunge bekommt und das nervt ihn. Es ist sowieso nicht der eigentliche Grund. "Okay, was ist los?", will ich wissen und verschränke meine Arme vor meiner Brust. Can fährt sich gestresst über sein Gesicht und lässt seinen Nacken knacken. "Mich nervt es nur unheimlich, dass meine Freundin mich abblitzen lässt und sich dann noch mit einem anderen Jungen amüsiert." Ich schaue ihn finster an. Ist das gerade sein Ernst? "Hast du nicht Aykan die Rose gegeben, damit er sie mir gibt, Can?" Er spannt seinen Kiefer an und schaut kurz zur Seite. "Muss dieser Pisser dann die ganze Zeit bei dir bleiben? Was habt ihr gemacht, huh?" Ruhig bleiben, Shana. "Er hat mich etwas wegen Epi gefragt, sehr schlimm, nicht wahr?", gebe ich sarkastisch von mir. "Ach und du vergisst mich dann ganz oder was?" Ich glaube, Cans Gehirn ist zwischen seinen Arschbacken oder sonst wo. Ist er komplett dumm? "Was redest du da für einen Scheiß, Can? Wenn ich dich vergessen hätte, dann hätte ich dich wohl nicht angesehen oder?" "Das nennst du ansehen? Du hast mich vielleicht gestreift mit deinen Blicken, gehe ich dir plötzlich am Arsch vorbei?" Was ist sein beschissenes Problem auf einmal? "Denkst du, ich springe dir auf den Schoß, nachdem du mich nötigen wolltest?", platzt es aus mir heraus. Wie ignorant ist dieser Typ eigentlich? Seine Miene verhärtet sich und sein Blick gilt kurz dem Boden. Can leckt er sich über seine Unterlippe und atmet tief durch. "Ich habe doch gesagt, dass es mir leid tut oder hast du das vergessen?", giftet er mich an, was mich spöttisch auflachen lässt. Für wen hält er sich? "Vergessen habe ich es nicht, aber eine kleine Entschuldigung macht so etwas nicht gut, Can! Du solltest mal darauf klar kommen, dass deine billigen Entschuldigungen, die du womöglich deinen Weibern aufgetischt hast, nachdem du sie betrogen hast, nicht bei mir ziehen." Versteht er nicht, dass ich ihm nicht so schnell verzeihen will? Sein Blick verdunkelt sich, und er holt sich aus seiner Schachtel eine neue Zigarette raus, die er sich in den Mund steckt und schon das Feuerzeug bereithält. "Du rauchst nicht!" Ich halte meine Hand auf das Feuerzeug und genau im selben Moment kommt die Flamme hervor, weswegen ich aufschreie und meine Hand in der Luft wedeln lasse. "Scheiße, zeig her." Can nimmt meine Hand, die ich wegziehen will. "Es ist nichts", sage ich leicht unbehaglich. Es brennt gerade sehr, aber tragisch ist der kleine Unfall nun auch nicht. Bedacht fährt Can mit seinem Daumen über meine gerötete Handfläche und küsst sie. Wie paradox und widersprüchlich das Ganze jetzt ist. Gerade haben wir uns noch angeschrien und jetzt küsst er meine Handfläche. Das beweist mir sooft, dass wir uns sehr stark lieben. "Oh", murmelt er leise und schließt einen Moment lang seine Augen. "Lass uns in den Sanitätsraum." Ich schüttele meinen Kopf. "Shana, du hast dich verbrannt", kommt es gedämpft zornig von ihm. Ist er sauer, weil ich mir wehgetan habe? "Es geht schon, Can, wirklich." Seufzend hebe ich die Rose vom Boden auf, sowie sein Feuerzeug und die Zigaretten samt Schachtel, die ich in meine Tasche packe. Wie schnell er sich neues besorgt hat. "Kein rauchen für dich." Er zuckt mit seinen Schultern und lehnt sich gegen sein Auto, dabei ist sein Blick die ganze Zeit auf meine verletzte Hand gerichtet. "Sicher, dass du nicht in den Sanitäts-," "Ganz sicher." Ich habe die Hand schnell genug weggezogen, dass keine Blasen entstehen konnten. Ich muss ihm sagen, dass ich heute in der Bibliothek bleibe und dass Aykan ebenfalls dabei sein wird. Sag es einfach kurz und schmerzlos. "Ich gehe heute in die Bibliothek." Er nickt. Okay, jetzt nur noch die andere Hälfte. "Mit Aykan." Sofort schnellt sein Kopf zu mir. "Nein." Das war mir klar. "Ich habe nicht gefragt." Ich verschränke die Arme vor meiner Brust. Zwar war mein Ton gerade ruhig, aber trotzdem will ich ihn mit dieser Geste abblocken. "Nein, Shana", knurrt er und lässt seine Fingerknöchel knacken. "Can, ich muss lernen." "Ich auch, du kommst zu mir." Ich schüttele meinen Kopf. Ich möchte nicht zu ihm. "Was nein?", will Can wütend wissen. "Ich gehe in die Bibliothek, ich will nicht zu dir." Seine Augen weiten sich für einen Moment ein Stück. Can ist es gar nicht gewöhnt, dass jemand ihm die Stirn bietet. "Und wieso?", presst er wütend hervor. Seine Ader an seinem Hals sticht hervor. "Weil ich Aykan schon Bescheid gegeben habe, dass ich in der Bibliothek bin und ihm helfe. Ich muss doch nicht immer bei dir sein, Can." Das passt ihm so gar nicht. Can fährt sich einmal über seine Stirn und spannt kurz seinen Kiefer an, bevor er dann seine Schultern auflockert, sich aber dabei anspannt. "Du willst also lieber Zeit mit Aykan verbringen, huh?" Jetzt versteht er es vollkommen falsch. "Nein." Ich schnalze mit meiner Zunge und verdrehe meine Augen. "Was dann?!", zischt er und packt mich an meinen Schultern. Mein Herz schlägt schon viel schneller. "Can, komm runter, ich will nur lernen und ihm etwas helfen und du denkst, dass ich dich betrüge", kommt es leicht angesäuert von mir. Ich schiebe seine Hände weg und nähere mich ihm. "Ich will nur lernen, ja? Und bei Aykan musst du dir keine Sorgen machen, denn er wollte sogar, dass ich dir nachlaufe." Seine gelben Augen verdrehen sich. "Du gehst nicht, Shana." Ich atme tief durch. Ich werde gehen. "Doch." Das kann von mir aus Stunden lang so weiter gehen.

"Was verstehst du unter einem Nein nicht?", ruft er und hebt schnell seine Hand an. "Was verstehst du unter einem Doch nicht?", stelle ich ihm wütend die Gegenfrage und drücke seine Hand runter. Ich könnte so ausrasten! "Was verstehst du daran nicht, dass ich nicht will, dass du etwas mit anderen Jungs machst? Soll ich mich etwa mit anderen Frauen treffen?" Ich schaue ihn erzürnt an. "Das, was ich mache, ist nichts schlimmes. Soll ich dich verurteilen, weil du an Silvester feiern warst und auch schön getrunken hast? Wer weiß, was du alles gemacht hast. Am Ende hast du dich herum gefickt, weil ich nicht mit dir schlafen will!" "Sei still!", herrscht er mich an. "Sei still, Shana. Ich habe dieses Weib abgeblockt und angeschnauzt, damit sie sich von mir verpisst. Was hast du für verfickte Gedanken?", schreit er mich an. Ich hasse es, wenn er schreit. Den Gedanken, dass eine Frau Can anmachen wollte, verdränge ich. "Was stellst du dir denn vor, was ich mit Aykan mache, wenn wir in der Bibliothek sind? Dass wir Sex auf dem Tisch haben oder was?!" Wütend packt Can meinen Kiefer, weswegen ich ihm eine Backpfeife gebe und zwei Schritte nach hinten gehe. Sein Griff war wirklich feste, weswegen ich mir meine Wangen massiere. Can schaut mich bedrohlich an, was mich schneller atmen lässt. Mein Herz klopft schneller als davor, und ich sehe es Can an, dass er mich schlagen würde, wenn ich ein Junge wäre. Er fährt sich kurz über seine Wange und atmet tief und langsam. An meinem Unterarm zieht er mich brutal an sich, sodass ich gegen ihn knalle, und nähert sich meinem Ohr, wo sein Atem gegen prallt und es mir den Rücken runter kitzelt. "Du gehst jetzt in die Uni rein, bevor ich mich verliere, hast du mich verstanden?", raunt er mir bedrohlich zu, was mir eine Gänsehaut verleiht. "Hast du mich verstanden?", zischt er, weswegen ich zusammenzucke. Es baut sich Druck auf meiner Brust auf, doch ich ignoriere es. "Mach was du willst, aber heute wirst du mich von nichts abhalten", zische ich und laufe wütend zurück. "Warte ab, Shana!", ruft er mir hinterher. Ich presse meine Lippen aufeinander und atme tief durch, damit ich nicht die Tränen aus meinen Augen befreien muss. Bevor ich mich verliere, pah! Wann verliert er sich denn nicht? Als ob das gerade friedlich war. Irgendwie werde ich mich aber schon daran gewöhnen. Ich fahre mir über mein Gesicht und trete in den Hörsaal, wo ich mich zu Aykan setze, der mich mit leichter Neugierde mustert. "Was ist passiert?", fragt er vorsichtig, woraufhin ich einfach nur meinen Kopf schüttele. "Es ist einfach-," Ich seufze und halte mir die Stirn. Ich weiß nicht einmal, als was ich es definieren soll. "Ihr seid zusammen, nicht wahr?" Langsam schaue ich zu ihm. Entweder bilde ich es mir nur ein oder er wirkt leicht enttäuscht. Ich spitze meine Lippen kurz und nicke dann. "Schon länger", murmele ich etwas geniert. Er nickt mit einem leichten Lächeln und schaut dann nach vorne. "Und... hat er etwas dagegen, dass wir heute lernen?" Ich nicke und fahre mir über meine Stirn. "Ich komme trotzdem." Es wird Ärger geben bestimmt, aber Can soll verstehen, dass ich das mache, was ich will und was, weder mir, noch ihm, noch der Beziehung schadet. Ich werde mich ja nicht auf Aykans Schoß setzen, nur weil ich ihm etwas erkläre. Vielleicht hat Can das früher gemacht, aber ich will einfach nur lernen und nicht mit ihm alleine sein für einige Tage. "Aber lass uns davor etwas Essen gehen, ich brauche Essen." Er nickt lächelnd und wirkt dann unsicher. "Hör zu, wenn dieses Treffen euch schadet, dann müssen wir das nicht tun. Ich kann jemand anderen bestimmt fragen." Aykan fährt sich durch sein Haar und weicht meinen Blicken aus. "Nein." Ich schüttele meinen Kopf. Wenn Can mich anschreit, dann schreie ich zurück. Es ist nicht das erste Mal, dass wir uns so in die Haare kriegen. "Oder willst du nicht mehr?", hake ich nach, woraufhin er seinen Kopf schüttelt. "Ich will nur nicht für Streit sorgen." Glaub mir, das hast du schon öfters. "Nein, keine Sorge", lüge ich und öffne mein Mäppchen.

Das Praktikum ist für heute fertig. Schweigend verlassen Aykan und ich das Labor und laufen langsam zu seinem Auto. Es fühlt sich komisch an, es fühlt sich fremd an. "Was holst du dir?", fragt Aykan mich und parkt aus. "Das Long Chicken Menü und vielleicht noch Chili Cheese Nuggets." Ich spiele am Gurt herum und bin es eigentlich gewohnt, dass von Can kontrolliert wird, dass ich auch wirklich angeschnallt bin. Deswegen mache ich es selber und ziehe am Gurt, als er im Gurtschloss steckt. Das Einzige, was uns in die Ohren läuft, ist die leise Musik und der Motor des Autos. Ich mag diese Stille nicht, vor allem, da Aykan doch eigentlich immer etwas fragt, egal was. "Magst du grün?", frage ich aus dem Nichts, weswegen Aykan kurz und fragend schmunzelt. "Wie kommst du darauf?", will er wissen, was mich die Schultern zucken lässt. "Du hat grüne Augen." Wieder zucke ich mit meinen Schultern. "Grün ist ganz okay. Magst du braun?" Jetzt muss ich schmunzeln. "Braun ist ganz okay." Die jetzige Situation von Can und mir aber nicht. Ich sollte heute nicht daran denken, sonst kann ich nicht richtig denken. Aber das Essen wird meine Laune anheben. Dann habe ich wenigstens mehr Serotonin in mir - hoffentlich. Nach mehreren Minuten sehe ich das Burger King Emblem und steige mit Aykan aus. Heute ist wenig los, was sich als gut für uns entpuppt. So können wir schneller anfangen zu lernen und auch schneller mit dem Essen beginnen. Entweder halluziniere ich oder jemand beobachtet mich. Langsam und mit einem kühlen Blick drehe ich mich um, sehe aber niemanden, der mich ansieht. Anscheinend hat die Person schnell weggeschaut. Ich schaue mich gründlich um und ziehe dann meine Augenbrauen zusammen. "Komm." Hä? Langsam drehe ich mich um und sehe, dass Aykan zwei Tabletts in der Hand hält. Das hat er jetzt nicht wirklich gemacht. "Aykan!" Ich haue ihm auf die Brust. "Was denn?", gibt er belustigt von sich und läuft an mir vorbei. "Wieso hat du gezahlt?" Genervt schnalze ich mit meiner Zunge und verschränke säuerlich die Arme vor der Brust, als wir uns setzen. "Was ist denn los?", fragt Aykan schmunzelnd. Er weiß, was los ist. "Wieso bezahlst du für mich? Das ist unhöflich", murre ich, weswegen sich seine Augen weiten. "Es ist unhöflich, dass ein Mann für eine Frau zahlt?" Ich nicke trotzig, was ihn lachen lässt. "Ach, Shana. Du bist so stur." Bockig schüttele ich meinen Kopf. "Bin ich nicht." Motzig tue ich mir Pommes auf den Burger und schaue Aykan dabei finster an. Ich bezahle immer! Na ja, außer bei Can und wenn Ramazan oder Malik etwas mit mir kauft. Dann schaffe ich es nie. Nachdem ich die Pommes auf meinem Burger habe, fühle ich mich wieder beobachtet. Was ist hier los? Ich sehe, dass ein Junge auf uns zu läuft, weswegen ich argwöhnisch meine Augenbrauen zusammenziehe. Auch Aykan sieht ihn nicht gerade freundlich an. "Du bist doch Cans Verlobte oder nicht?" Etwas sehr zynisch blicke ich ihn an. "Wer will das wissen?" Jetzt kann ich nicht einmal mehr in Ruhe etwas essen. Der etwas korpulente Junge mit den dunklen Haaren verschränkt seine Arme vor seiner Brust, weswegen ich am liebsten meine Cola auf ihn schütten will. "Lässt er es zu, dass du mit anderen Jungs-," "Was geht dich das an?!", zische ich. Wer zum Teufel ist dieser Hund?! Was will er hier und was interessiert ihn das? "Ey, bleib ruhig", fordert er von mir, woraufhin ich ihm meinen Mittelfinger zeige. Ich hasse es, wenn jemand von mir fordert, dass ich ruhig bleiben soll, wenn ich in Rage bin. "Hier hast du dein ruhig. Verpiss dich und reg mich nicht auf. Was denkst du, wer du bist, dass du einfach hierhin kommst und dich so aufspielst, huh?" Der Typ kommt mir näher, weswegen ich mich bereit stelle. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie auch Aykan sich bereit macht. "Wie redest du? Du bist eine Frau, benimm dich anständig!", bellt er. Ich scheuer diesem Wichser gleich eine! "Du kannst mich mal. Vor jemanden wie dir, werde ich wie weiß Gott was reden, denn mir hast du nichts zu sagen! Und jetzt verpiss dich dahin, wo du hergekommen bist oder soll Can wissen, dass irgendein Wichser seine Verlobte belästigt?" Ich lächele gefälscht und lege den Kopf dabei etwas schief.

Der Typ verstummt und läuft mit einem missbilligenden Blick zurück, dem ich ihn ebenfalls zurück gebe. "Wichser", zische ich noch einmal und reiße mein Mayotütchen auf. "Das war Cengiz, mach dir keine Gedanken um den. Er ist ein richtiger Schwätzer. Behauptet, dass er den geschlagen hat, das geklaut hat, kommt bei einem Treffen zum Ausdiskutieren aber nie alleine." Aykan lacht spöttisch auf. "Du kennst ihn?" Er nickt. "Habe mich mal mit ihm gekloppt. Dieser Typ will nie aus seinen Fehlern lernen." Ich grinse. Das hat Aykan gut gemacht. Schade, dass Aykan diesmal ebenfalls nicht zugeschlagen hat. Seine Mimik wird etwas nachdenklich, weswegen ich wissensdurstig die Augenbrauen zusammenziehe. "Was ist los?", will ich wissen und hole einen Chili Cheese Nugget hervor. "Du bist verlobt." Beeindruckt hebt er seine Augenbrauen. Na super, irgendwann kommt dieses Gerücht bei meinen Eltern noch an. "Nein." Ich schüttele meinen Kopf. "Das sagt Can einfach so, keine Ahnung wieso", erkläre ich ihm, woraufhin er nickt. Ich frage mich, ob Aykan eine Freundin hat. Er wirkt so empathisch und so lieblich. "Hast du eigentlich eine Freundin, Aykan?" Neugierig lächele ich, woraufhin er sich schüchtern hinter seinem Ohr kratzt. "Nein." Verblüfft hebe ich meine Augenbrauen. Aykan ist nicht hässlich, das muss gesagt werden. "Das mit den Beziehung habe ich nach hinten geschoben, als meine Ex mich... na ja, sie hat mich betrogen." Meine Augen weiten sich. Was ein Miststück! "Schlampe", murre ich und stopfe mir wütend die Fritten in den Mund. "Wieso hat sie das getan? Gib mir die Adresse, dann rede ich mit ihr. Gott, ich hasse Menschen, die ihre Partner betrügen!" Ich habe mal einen Film geguckt, wo das Mädchen ihren Freund betrogen hat und dann den Mann, mit dem sie ihren Freund betrogen hat, ebenfalls betrogen hat. Ich glaube, ich habe innerhalb einer Stunde noch nie sooft Schlampe gerufen. Aykan lacht kurz und hält sich den Nacken, während er seine Pommes isst. "Sie fand, dass ich zu weich wäre. Sie wollte etwas Dominanteres, etwas Aggressiveres." Okay, das Mädchen muss geschlagen werden und zwar von mir! "Schlampe", knurre ich. Wie kann man nur so herzlos sein und seinen armen Freund wegen seiner Lieblichkeit betrügen? Ich will ihr Chili in die Augen drücken! "Aber ich bin über sie hinweg. Der Typ hat sie betrogen und dann wollte sie zu mir zurück, aber da wollte ich nicht mehr." Kräftig nicke ich. Die Schlampe hat es verdient. "Und seitdem bist du an niemanden interessiert oder hat niemand Interesse an dir gezeigt?" Wieder kratzt sich Aykan hinterm Ohr. "Ich weiß es nicht so ganz und doch, es haben schon viele ihr Interesse gezeigt. Auch diese Aleyna." Sofort verziehe ich mein Gesicht. Dieses Weib lässt auch niemanden in Ruhe. "Wenn du mit ihr zusammenkommst, bringe ich dich um, verstanden?" Aykan nickt schmunzelnd. Von der Schlampe habe ich schon lange nichts mehr gehört. Hat sie die Stadt verlassen? Hoffentlich. "Weißt du vielleicht, ob Aleyna verschollen ist?", frage ich ihn, was er lächelnd verneint. "Sie soll sich wohl zurückgezogen haben, keine Ahnung." Hoffentlich kommt sie nie wieder. Das wäre schön: ein Leben, ohne eine Nerv tötende Aleyna.

Nachdem wir zu Ende gegessen haben und dabei mehr vom Gegenüber erfahren haben, sind wir zurück zur Uni gefahren. Wir laufen Richtung Bibliothek, die ich lange nicht mehr betreten habe. Irgendwie kommen Erinnerungen hoch, als ich hier gelernt habe und Can unten war. Nach langem öffne ich die große Tür und sehe geradewegs in zwei gelbe und ungeduldige Augen.

Das kann nicht sein Ernst sein.

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I'm back, motherfuckers. Ich wollte es eigentlich gestern fertigstellen, aber ich musste einen zehnstündigen Mittagsschlaf halten, wer es auf Snapchat mitbekommen hat.

- Helo

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