Kapitel 101
Montag, 6. November
Dieses Wochenende hat mir mehr als nur gut getan. Es war wie der Himmel auf Erden. Ich war bis 18:00 Uhr im Labor, was sich auf jeden Fall gelohnt hat. So leid es mir auch tut, konnte ich wegen Saliha nicht zur Arbeit. Ich weiß nicht, was sie vorhat, aber ich will sie wegen der Arbeit auch nicht vernachlässigen. Den Lippenstift habe ich für Saliha, bin aber immer noch stutzig deswegen. Das ist doch viel zu wenig? Okay, so ein kleines Ding hat einen großen Preis, aber es sieht nach so wenig aus. Ist es doch auch, es ist nur ein Lippenstift. Aber ich wusste einfach nicht, was ich ihr sonst kaufen sollte. Was, wenn sie es nicht mögen würde? Ich hasse meine Geschenk-Komplexe. Ich sitze seit gut zehn Minuten mit dem Lippenstift auf meinem Bett. Ich habe sogar eine rote Schleife darum gebunden, aber das lässt das Geschenk auch nicht größer wirken. Ist die Uhr für Can überhaupt genug? Er hat mir auch viel mehr geschenkt. Bis Heiligabend werde ich nie im Leben das Geld für ein neues Auto auftreiben können. Aber vielleicht kann ich ihm noch ein Hugo Boss Parfüm kaufen. Ich suche sofort auf meinem Handy nach Boss Bottled und stoße sogar auf ein Set. Okay, das Parfüm enthält 50 ml, das Deo 150 ml und das Duschgel ebenfalls 50 ml. Reicht das? Gott, es kommt mir immer noch so wenig vor. Das Parfüm alleine kostet 36,37 Euro, aber nicht auf der Douglas Seite. Soll ich ihm einfach das Set von Douglas holen und noch einmal das Parfüm? Das Parfüm ist zwar schon im Set, aber ist das nicht zu wenig? Bleib einfach beim Set. Damit habe ich schon fast vierhundert Euro, die ich dann insgesamt haben muss. Die Uhr finde ich schön. Sie ist braun und besitzt ein glattes Lederarmband. Can mag doch braunes Leder. Ich hoffe einfach nur, dass er sich freut. Langsam stehe ich auf und laufe in die Küche, wo Saliha schon einiges vorbereitet. Sie ist schon zurechtgemacht, während ich noch in meiner Jogginghose bin. "Saliha?" Sie dreht sich mit einem strahlenden Lächeln um und kommt auf mich zu. Soll ich es ihr jetzt einfach geben oder muss ich noch etwas sagen? "Alles gute zum Geburtstag." Vorsichtig halte ich ihr den Lippenstift hin, den sie mustert. Will sie ihn nicht? "Oh Gott, Shana!" Sie umarmt mich sofort und lässt mich gar nicht los. Ich bin zwar nicht sehr begabt, was die Gefühle anderer angeht, aber sie freut sich. Trotzdem bin ich unsicher. "Dankeschön, mein Schatz." Sie drückt mir einen Kuss auf die Wange und lächelt. "Du Hexe, deswegen hast du mich gefragt." Finster kneift sie ihre Augen zusammen, was mich lächeln lässt. "Irgendwie?", säusele ich und bin erleichtert, dass Saliha sich freut. "Los, zieh dich um. Wir haben schon 19:50 Uhr. Ranja kommt gleich." Seufzend laufe ich in mein Zimmer und suche etwas in meinem Schrank. Saliha hat ein knielanges Kleid an. Es ist doch November? Soll ich auch so etwas anziehen? Aber dann müsste ich mir die Beine rasieren. In diesem einen Monat hatte ich gerade mal die Kraft mir meine Augenbrauen zu zupfen. Es wird mal wieder Zeit meinen ganzen Körper zu enthaaren. Ich schlürfe also ins Badezimmer und seufze, als mich das warme Wasser ummantelt. Soll ich mir auch meine Haare glätten? Welches Kleid soll ich überhaupt anziehen? Ich weiß nicht einmal, was der Anlass ist, also werde ich einfach mein knielanges Stretchkleid anziehen. Ich will gar nicht aus der Dusche steigen und setze mich einfach auf den Boden, der nach kurzer Zeit wärmer wird. Den Duschkopf lege ich auf meine Brust und schließe für einen Moment meine Augen. Saliha meinte, dass alle kommen werden. Wird Can also auch kommen? Wenn er nicht kommen würde, wäre ich nicht sauer. Wieso sollte ich auch? Aber es wäre etwas Schade, wegen Saliha. Sie möchte etwas verkünden und wenn sie will, dass alle dabei sind, dann sollen auch wirklich alle dabei sein.
Nachdem ich glattrasiert bin, die Augenbrauen gezupft sind und mich dick eingecremt habe, schlüpfe ich in das Kleid und bin froh, dass meine Mutter mir diese Unterhose geholt hat. Vielleicht liegt es auch daran, dass das Kleid doch nicht so eng ist, weil ich eine Größer größer geholt habe. Die Träger ziehe ich etwas runter, da ich Schulterfreies gern habe. Wenn ich mir Saliha und Ranja ansehe, dann frage ich mich wirklich was gleich passieren wird. "Weiß Ranja von deinem Vorhaben Bescheid?", frage ich leicht argwöhnisch und ziehe die Augenbrauen zusammen. Saliha schüttelt fröhlich den Kopf. "Sie weiß nur, dass wir danach feiern gehen. Pack dir High-Heels ein." Ich würde Sneaker bevorzugen. Zudem überlege ich mir wirklich, ob ich eine Strumpfhose anziehen soll. Weder Saliha noch Ranja hat es getan. Es wird im Club sowieso stickig werden, vielleicht haben sie deswegen keine an. Meine Augen verdrehen sich. Ich hasse Diskotheken. Was soll ich bitteschön da, außer herumzusitzen? Ich komme eigentlich nur wegen Saliha mit. "Zieh doch deine Kette an, Shana. Du trägst zur Zeit gar keinen Schmuck." Ich habe einfach keine Lust und Kraft mir etwas rauszukramen. Ich nehme immer eine Hose und irgendein Oberteil raus. Ich lege mir nicht einmal mehr meine Kleidung einen Tag davor zurecht, sondern plane es im Kopf, da ich immer übermüdet nach Hause komme. "Diese Kristallkette, die eng anliegt, die ist schön." Ich nicke einfach nur und hole die Kette von meinem Schmuckbaum. Die Kette mag ich sehr, aber mir ist die Lust darauf vergangen. Parfümiert, mit einer Kette um den Hals und geglätteten Haaren, helfe ich Saliha und Ranja bei den letzten Vorbereitungen. Es klingelt an der Tür, weswegen ich etwas schnell zur Tür gehe und Malik, Nadim, Ramazan und Meryem umarme. Ramazan umarme ich besonders innig. "Du siehst besser aus", murmelt Ramazan und fährt mir über meinen Rücken. "Ja", seufze ich. Can ist nicht da, was mich etwas enttäuscht. Es sollte mich aber nicht enttäuschen, denn ich wollte ihn wegen seiner Aggressionen nicht sehen. Aber in mir sind manchmal kleine Hoffnugsfunken. Ist das bei allen Verliebten so oder nur bei mir? "Can kommt gleich nach." Sofort hebe ich meinen Blick an und presse meine Lippen aufeinander. "Das... das ist gut." Ich nicke dazu und lasse ihn vorbei. Mich beeindruckt Meryem immer wieder, da sie einfach nur dasteht und mich anlächelt, statt auszurasten, dass ich Ramazan so nahe stehe. Sie vertraut ihm. Ich will sie vorsichtshalber noch einmal fragen, ob es ihr auch wirklich nichts ausmacht. Als Ramazan durch den Flur läuft und Meryem ihm hinterher, halte ich sie fest. Fragend blickt sie mich an. "Das macht dir nichts aus, oder?", frage ich sofort, woraufhin sie den Kopf leicht schief legt. "Also, dass Ramazan und ich so-," "Nein, nein. Ich weiß, dass ihr euch lange kennt und beste Freunde seid, keine Angst. Ich vertraue ihm und dir." Sie schenkt mir ein ehrliches Lächeln, was mich erleichtert seufzen lässt. "Gut." Gemeinsam laufen wir in Wohnzimmer, wo eine ausgelassene Stimmung herrscht. Nur ich bin ruhig und sonst bin ich die, die nicht still ist. Es kopft an der Tür, weswegen mein Herz schneller schlägt. Ich stehe sofort auf greife zögernd nach der Türklinke.
Ich erblicke seine Augen, die mich ausdruckslos ansehen. Die Tür öffne ich weiter, damit er hineintreten kann, doch er bleibt lieber stehen und mustert mich. Er sieht gut aus. Er hat ein Hemd an. Heute sehen alle so formell aus, und wenn ich mich nicht spontan dazu entschieden hätte, in diesem Kleid zu stehen, stände ich in meiner Hose und Pullover vor ihm. Sein Blick bereitet mir Unbehagen. Soll ich Hallo sagen? "Magst du rein kommen?", gebe ich heiser von mir und schlucke. Die Erkältung ist immer noch nicht weg. Er tritt hinein und kommt mir sehr nahe, was mir heiß den Rücken runter läuft. Eine Rose mit einem kurzen Stängel hält er mir hin. Sie wurde abgerissen. Mein Herz klopft wegen seiner Nähe und der Geste schneller. "Danke", flüstere ich kaum vernehmbar und laufe vor ihm ins Wohnzimmer. Die Rose lege ich nicht in meinem Zimmer ab. Vielleicht tröstet das Can ja. "Shana, alles in Ordnung?" Ich hebe meinen Blick an und sehe in Salihas besorgtes Gesicht. Wieso steigen mir jetzt die Tränen hoch? "Ja, ich bin noch erkältet", rutscht es mir aus. Ich wollte gar nicht, dass Can von meinem Kranksein weiß. Alle Blicke liegen auf mir, vor allem Cans, der mich erschaudern lässt. Ich will nicht, dass mich alle ansehen. "Wollen wir nicht anfangen zu singen?", wechsele ich schnell das Thema und nehme mir die Streichhölzer zur Hand, woraufhin ich die Zwei und die Drei anzünde. Es wird für Saliha gesungen, die gar nicht mehr aufhören kann zu lächeln, woraufhin sie die Kerzen auspustet. Jeder klatscht und natürlich muss Ramazan pfeifen und laut flüstern, dass Malik und Saliha sich küssen sollen. "Kein Küsschen?", schmollt Ramazan, wegen dem ich lächeln muss. "Sie schämt sich zu sehr." Malik küsst ihre Schläfe und legt einen Arm um sie. Er akzeptiert es. Der Kuchen wird angeschnitten und die Getränke von mir verteilt. "Was möchtest du trinken, Meryem?" Sie lächelt mich an. "Fanta, Ramazan hat mich mit seiner Orangensucht angesteckt." Stolz küsst Ramazan sie auf den Mund, weswegen sie rot wird. Ich muss lächeln. Ich gebe ihr die Fanta, Nadim die Cola und muss bei Can nicht fragen. Als ich ihm mit einem gesenkten Blick das Glas überreiche, streifen sich unsere Finger, was mir eine Gänsehaut beschert. "Und was wolltet ihr uns beichten?", frage ich, da ich langsam neugierig werde. Saliha und Malik schauen sich glücklich an und langsam habe ich einen Verdacht, was gleich passieren wird. "Wir wollen uns Verloben." Mir wird kalt. Ich sollte mich freuen, aber ich verkrampfe mich nur und spüre seinen Blick auf mir. Ich muss aufpassen, dass ich die Rose nicht in meiner Hand zerdrücke. Sofort werden die beiden beglückwünscht und die ausgelassene Stimmung kehrt wieder ein. Alle reden durcheinander. Mein Atem ist leicht stockend. Die beiden Heiraten und Can und ich kriegen es nicht einmal hin, unser Temperament zu zügeln. Mir wird schlecht. Ich muss mich für die beiden doch freuen! Wieso freue ich mich nicht?! Liegt es daran, dass ich mental gerade unten bin? Ich habe doch geschlafen? Es muss mir doch jetzt gut gehen. Ich muss dank dem Schlaf mehr Serotonin haben, ich muss mich doch jetzt normal fühlen. Mir kommen die Tränen hoch, die ich wegblinzele. Ich senke meinen Blick, damit man mir nichts aus dem Gesicht ablesen kann. Meine Übelkeit verfliegt nicht, weswegen ich schnell etwas trinke und mir Salzstangen in den Mund stopfe. Tief durchatmen. Kurz schließe ich meine Augen und bin froh, dass ich mich nicht schminke, da mein unterer Wimpernkranz meine Tränen auffängt. Das Misstrauen wird weg sein, wenn ich das Geld zusammen habe. Es dauert nicht mehr lange. Nur noch einen Monat und achtzehn Tage. Dann habe ich auch endlich etwas für Can. Dann kann ich mir sicher sein, dass auch ich ihm etwas bieten kann. Ich blinzele mehrmals und schaue zur Decke, bevor ich mich dem Kuchen widme. Ich bin so froh, dass ich ihn essen kann. Ich war eigentlich nie ein großer Freund des Kuchens, aber es ist einfach ein anderes Gefühl, wenn man nicht mehr dazu kommt, etwas Süßes zu essen. Schniefend binde ich mir meine Haare zu einem Zopf, damit ich ungestört essen kann. Meine Müdigkeit kehrt wieder zurück. Ich will schlafen. Ich will in mein Bett und mich mit Essen vollstopfen, da ich es diese Wochen nicht konnte. Ich habe Angst, dass ich wieder abgenommen habe. Ich brauche Fett. Ich bin gestresst und mein Körper braucht mehr Energie oder meine Leistungsfähigkeit geht den Bach runter. Mir fehlt Glucose und deswegen blockiert mein Nucleus arcuatus den Rest meines Körpers. Dieses Stück Kuchen ist also mehr als nur gesund gerade.
"Shana?" Ich hebe meinen Kopf an und sehe zu Ramazan. Dabei versuche ich neutral zu schauen. "Ich brauche etwas von deinen Neurologie Unterlagen wegen der Arbeit, hast du deine Unterlagen noch da?" Ich nicke. Es wäre ein großer Fehler, wenn ich meine alten Unterlagen wegschmeißen würde. Mit meinem Kuchen und der Rose in der Hand, laufe ich in mein Zimmer und knie mich vor meinem Schreibtisch hin. Ramazan schließt die Tür. "Es ist etwas sehr unordentlich, aber ich habe sie nicht weggeschmissen." Ich schniefe einmal und schaue zwischen meinen Büchern nach, als mich Ramazan hochzieht. "Was ist passiert, Shana?" Er blickt mich besorgt an und legt den Kopf leicht schräg. Meine Unterlippe fängt leicht an zu beben. "Nichts", kommt es eine Oktave höher raus. Der Druck, der sich auf meinen Nacken setzt schmerzt schon. Ramazan nimmt mich in seine Arme und fährt mir beruhigend über meinen Rücken. "Ich will doch nur, dass es gut wird", bringe ich kaum vernehmbar raus und wische mir meine Tränen weg. "Willst du es mir erzählen?" Ich will mich nur noch schlafen legen. "Kann ich es dir ein anderes Mal erzählen? Es ist Salihas Geburtstag", schniefe ich und wische mir meine Tränen ganz weg. "Geh du wieder rein. Ich tue dann solange so, als ob ich nach den Notizen suche." Ramazan lächelt aufmunternd und öffnet die Tür. "Ich hole die Unterlagen dann morgen oder so ab." Ich nicke. "Ja, ich suche noch solange nach den Notizen von meinen Prüfungen." Ich dachte wirklich, dass Ramazan die Notizen braucht, aber im Nachhinein hätte er Can gefragt. Er schließt die Tür, und ich lasse mich auf den Boden plumpsen, wo ich meinen Kuchen esse und mir meine Pathologie Unterlagen zur Hand nehme, bis ich keinen Kuchen mehr habe und mit meinem leeren Teller zurück zu den anderen gehe. Zum Glück ist noch Kuchen da, denn ich habe totalen Heißhunger.
Jeder ist mit seinem Partner ins Auto gestiegen; Malik und Saliha, Ramazan und Meryem, Ranja und Nadim, Can und ich. Die Stimmung ist komplett am Arsch. Die Stille im Auto ist erdrückend. "Wieso hast du geweint?", durchbricht er die Stille. Er hört sich monoton an. Er hat es mitbekommen? Ich schaue von meinem Schoß hoch und sehe auf Cans Kiefer. Was soll ich antworten? Dass ich einfach das Bedürfnis dazu hatte? "Stress." Das entspricht auch der Wahrheit. Ich bin gestresst. "Wieso?", möchte er wissen. "Weil ich nicht schlafen kann und lernen muss", antworte ich und sehe kurz seinen Kiefer zucken. "Und wieso kannst du nicht schlafen?" Weil ich Geld auftreibe, um dir etwas zu schenken. "Weil ich lernen muss." Er schnaubt. "Du musst dich nicht überlasten, nur weil du eine Klausur schreibst, Shana." Er hört sich tadelnd an. Das kann ich gerade echt nicht gebrauchen. "Ich muss es nicht, ich kann es aber." Sein Blick ist finster, als er sich zu mir dreht. Wieso muss die Ampel jetzt rot werden? "Du verheimlichst mir irgendetwas, Shana." Ich muss schlucken. "Denkst du, weil ich dich nicht abtaste, bemerke ich nicht, dass du geschwächt bist?" Mein Blick gilt der Ampel, die grün wird. "Fahr los, Can." Er seufzt. "Ich will doch nur wissen, was los ist, Shana. Wieso willst du es mir nicht sagen? Vertraust du mir nicht?" Muss ausgerechnet er das Fragen? "War ich diejenige, die dein Handy-," "Shana, bitte!" Ich schließe seufzend meine Augen. Nicht von vorne anfangen. "Du kannst mir nicht böse sein, weil ich Verdacht geschöpft habe, dass du etwas mit anderen Jungs unternimmst." "Doch kann ich. Wieso sollte ich dich sonst lieben, Can?" Mir kommen wieder die Tränen hoch. "Ich habe doch nur Angst vor Verlusten, Shana." Seine Stimme wird sanfter. "Ich auch", flüstere ich und schaue aus dem Fenster. Mir kullern unwillkürlich die Tränen hinunter. Ich will nicht weinen, aber irgendwann kann ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. "Wieso willst du mir nicht sagen, warum du nicht schlafen kannst?" Er greift vorsichtig nach meiner Hand, die ich drücke. Sofort verlassen mehr Tränen meine Augen. "Es ist nicht schlimmes, Can. Bald ist es sowieso vorbei. Vertrau mir nur." Ich wische mir meine Tränen weg und schaue leicht flehend zu Can, der mich ansieht, bevor er das Auto parkt. "Es dauert nicht mehr lange. Bitte schrei mich nicht an und... bitte tu mir nicht weh." Sein Mund klappt auf. Er ist vollkommen entrüstet. Das ist er immer, wenn er realisiert, dass er mir wehtut. "Ich-, das-, Shana." Er schluckt feste. Er weiß nicht, was er sagen soll. "Du bemerkst es nicht, ich weiß, aber vielleicht kriegst du das irgendwie in den Griff? Keine Ahnung, wieso du plötzlich so starke Aggressionen hast und ich habe auch das Gefühl, dass sie immer stärker werden." Ich zeichne leicht zitternd Kreise auf seinen Handrücken. "Wieso hast du diese Aggressionen plötzlich?" Zögernd hebe ich meinen Blick an und sehe in sein verhärtetes Gesicht. Langsam überkommt mich die Angst. Nicht, dass er wieder ausrastet. "Ich will es nicht wahrhaben", knurrt er und steigt aus dem Auto. Die Tür knallt er feste zu, sodass das Auto leicht bebt. Fragend und verdutzt sehe ich ihm hinterher. Was will er nicht wahrhaben? Habe ich irgendetwas gesagt, dass ihn verletzt hat? Ich steige aus dem Auto und laufe neben Can her. "Was ist passiert?", frage ich vorsichtig, doch er antwortet nicht. Stattdessen schließt er das Auto ab und läuft auf die anderen zu. Schnell kommen wir in den Club, wo ich wieder von Wärme empfangen werde.
Ich mag die Atmosphäre nicht so ganz. Das liegt aber auch daran, dass ich Clubs nie betrete. Ich bin nur wegen Saliha hier und wegen dem Fakt, dass sie und Malik heiraten wollen. Wow, sie wollen heiraten. Ich werde also Tante. Ich ärgere mich gerade darüber, dass ich mich nicht freuen konnte, weil ich zu sehr in Gedanken versunken war. Sie ist deswegen doch nicht sauer, oder? Wenn ich die Zeit finde, kann ich sie deswegen ja aufziehen und Spaß haben. Ich kann doch auch jetzt Spaß haben, aber Cans mögliches Geheimnis macht mich stutzig. Hat es etwas mit seiner Vergangenheit zu tun? Mit seinem Trauma? Das könnte gut möglich sein. Menschen mit schweren Traumata sind öfters psychisch verwundet. Ich kann nicht lange darüber nachdenken, da der Club sehr voll ist und ich von beiden Seiten bedrängt werde. Cans Arm schlingt sich um mich und zieht mich nahe an sich, bis wir an einen Tisch ankommen, der gut möglich reserviert worden ist. Sofort kommen zwei Mitarbeiter mit kalten Getränken und Snacks. Sowohl alkoholische, als auch Softdrinks mit denen ich mit zufrieden gebe. Meinen Mantel ziehe ich aus und lege ihn auf meinen Schoß, bevor ich mich an den Snacks bediene. Hätte ich bloß meine Notizen mitgenommen. Oder hätte ich sie mir abfotografiert. Wenn ich in diesem Loch Netz habe, kann ich mir ja die Skripte im Internet durchlesen. Ranja und Saliha nehmen nichts Alkoholisches zu sich. Meryem auch nicht. Die Jungs jedoch schon und auch Can. "Du fährst doch das Auto, Can?", sage ich in sein Ohr und schaue ihn fragend an. Sofort legt er die Flasche zurück und schaut mich leicht benebelt an. Er nickt als Dank und schenkt uns beiden Cola ein. Anscheinend war er in Gedanken woanders. Wollte er seine Gedanken wegtrinken?
"Wann wollt ihr die Verlobung feiern?", rufe ich Saliha und Malik zu und kann endlich normal Lächeln. Mein Hals schmerzt aber immer noch, weswegen ich ab und zu das Gesicht verziehen muss. "Das wissen wir noch nicht. Maliks Mutter ist aus dem Häuschen und meine Mutter auch." Ich lächele und spüre, wie Cans Hand unter den Mantel rutscht und zudrückt. Ich glaube, ich sollte es jetzt ansprechen. Ich bin nervös. Es wird niemand etwas sagen, das weiß ich und selbst wenn, dann wäre es mir egal, aber trotzdem bin ich nervös. Jetzt oder nie. Gerade will ich etwas ansetzen, als Ranja aufspringt und Nadim mitreißt. "Lasst uns tanzen!" Sofort gehen alle mit und ich bleibe verdutzt sitzen. Okay, war das ein Zeichen? Ich schaue zu Can, dessen Kiefer im bunten Licht zuckt. Er ist doch nicht sauer auf mich oder? Bitte Gott, lass Can nicht sauer werden. Ich wollte es wirklich machen, aber dann hat Ranja alle mit auf die Tanzfläche gezogen. Es war also nicht meine Schuld. Wenn Can es aber nicht so sieht und mir dann die Schuld gibt, wird es wieder zu einem Streit kommen und das will ich nicht. Wir sind doch gerade zerstritten. Noch eine Schippe mehr und es wird zur Katastrophe mutieren. Und darauf habe ich gerade wirklich keine Lust. "Ich wollte es wirklich gerade ansprechen, Can", versuche ich ihm zu erklären. "Can, wirklich. Ich schwöre-," Er lässt mich gar nicht ausreden und drückt mir seine Lippen auf, weswegen ich überrumpelt meine Augenbrauen zusammenziehe. Seine Lippen sind zärtlich, was mich entspannt. Langsam erwidere ich ihn und werde von einer beruhigenden Wärme empfangen. Es ist so nostalgisch, wenn seine Lippen nach einer Distanz auf meinen liegen. Es ist so, als ob wir uns die Gefühle und Gedanken dieser Zeit über den Kuss mitteilen. Es ist schön. Cans weichen Lippen verlassen meine, woraufhin er mich an meinem Arm hochzieht und auf die Tanzfläche zieht. Und schon versteife ich mich. Can zieht mich nah an sich, sodass ich seinen Atem an meiner Schläfe spüren kann und legt seine Arme um meine Taille, womit er mein Becken gegen seins drückt. "Wie in Barcelona." Ich spüre sein Lächeln an meinem Ohr, was angenehm prickelt. Meine Arme lege ich um seinen Nacken und bewege verlegen meine Hüften im Takt, was Can lächeln lässt. Er sieht so gut aus, wenn er lächelt. Ich könnte immer dahinschmelzen, wenn er anfängt zu lächeln. Als das mir unbekannte Lied wechselt und von Drake - One Dance abgespielt wird, fangen alle an zu grölen. Ich bin kein Fan von Drake und generell kein Fan von Liedern, die von jedem gehört werden, aber komplett intolerant bin ich ihnen gegenüber auch nicht. Ich weiß nicht wieso, aber das Lied lockert mich auf und macht mich mutig, weswegen ich mich lässiger bewege und sogar an Can anschmiege.
"Baby... I like your style", singe ich mit, auch wenn man nichts hört und fahre mit meinem Zeigefinger über Cans Oberkörper, bevor ich schalkhaft zwinkere. Meine Hände wandern wie automatisch über Cans Oberkörper und meine Hüften wollen gar nicht aufhören sich zu bewegen. Es ist gut, dass ich mich dazu entschieden habe High-Heels anzuziehen, so bin ich fast mit Can auf Augenhöhe. Meine Lippen schweben vor seinen und lächeln wissend. Er drückt mich an sich und lässt unsere Hüften wie eine Welle hin und her schwingen, was für ein Ziehen in meinem Unterleib sorgt. Ich hätte nicht gedacht, dass ich wirklich in einem Club tanzen würde. Aber trotzdem würde ich es verneinen, wenn mich jemand fragen würde. Ich bin gerade so ausgelassen, weil ich nicht an die Arbeit oder an die Uni denken muss, sondern einfach mit Can tanze und alles wieder gut ist. Ich habe seine Berührungen vermisst und wie ich es genossen habe, seine Haut zuspüren, weswegen ich mich langsamer bewege und meine Lippen auf seinen Hals lege. Sein Griff auf meine Taille wird fester. Er bewegt sich nach hinten und ich folge ihm, wobei ich immer noch kleine Küsse auf seinem Hals verteile. Erst als ich die Wand hinter mir spüre, kann ich in Ruhe weiter machen. Neckend fahre ich mit meiner Zunge bis zu seinem Lymphknoten, wo ich anfange zu saugen und meine Hand auf Cans Hals lege, um sein Brummen, Knurren und sein Schlucken zu spüren. Mein Körper schüttet wegen unseres Friedens Dopamin aus und das macht mich so glücklich und ausgelassen. Can drückt meine Arme gegen die Wand und presst stürmisch seine Lippen auf meine. Voller Passion erwidere ich seinen Kuss. Dass ich ihn nicht berühren kann, spornt mich dazu an, mein Becken nach vorne zu bewegen, um seins zu spüren. Zart streifen seine Lippen meine Wange und dann meine Ohrmuschel. "Wieso hast du so etwas Aufreizendes an?" Seine Stimme ist so rau, dass es in meinem Inneren vibriert. "Merkst du nicht, wie sehr du mich damit verführst?", zischt er und presst seinen Körper gegen meinen, weswegen ich ganz deutlich seine Erektion spüren kann. Etwas überrascht sehe ich in seine Augen und weiß gerade nicht, ob ich ihn weiter küssen soll. Ich will es unbedingt, aber was, wenn wir uns nicht mehr beherrschen können? Egal, mach einfach! Ich nehme sein Gesicht in meine Hände und küsse ihn sachte, bevor wir wieder in die leidenschaftliche Richtung wechseln. Ich mag das Gefühl, es hat etwas Aufregendes, schon fast Elektrisierendes in sich. Es kribbelt so schön im Bauch und im Unterleib und irgendetwas spornt mich dazu an, ihn mehr spüren zu wollen. An seinem Gürtel ziehe ich Can näher an mich heran und lasse meine Zunge in seinen Mund gleiten. Gott, ich liebe diese Zungenküsse. Sie haben etwas viel Intimeres in sich, als normale und lassen mich mutiger werden. Cans Hände krallen sich in meine Hüften und ziehen mich noch enger an sich. Ich weiß gar nicht, ob noch irgendetwas zwischen uns passt, da wir so eng aneinander gebunden sind. Seine Hände legen sich auf meinen Bauch und fahren langsam auf und ab, was für eine Gänsehaut und einen Schauer sorgt - ich liebe es. Während unsere Zungen sich berühren, fahren Cans Hände meinen Bauch langsam hinab. Kurz bevor er meinen Venushügel streift, halte ich ihn fest und löse mich von ihm. Seine Pupillen kann ich im Licht nicht besonders gut erkennen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass sowohl meine als auch seine Pupillen total geweitet sind. Atemlos blicken wir uns an und versuchen unsere Erregung runterzuschrauben. Mir dröhnt erst jetzt wieder die Musik in die Ohren und erst jetzt spüre ich, dass meine Füße langsam zu schmerzen beginnen. "Können wir uns hinsetzen? Meine Füße tun weh", rufe ich Can zu, welcher kurz nickt und mich durch die Menge zieht. Keiner ist zurück. Die Ausdauer unserer Freunde muss wohl echt stark sein. Meine Müdigkeit kommt wieder und auch der Schmerz in meinem Hals, wenn ich schlucke. Can hat die Schmerzen und meine Müdigkeit mit seinem Mund betäubt, faszinierend. Seufzend schließe ich meine Augen und gähne. Das, was gerade passiert ist, war schön. Can war zwar kurz davor etwas intimer zu werden, aber ich habe schnell genug aufgehört. "Schlaf heute bei mir", raunt er mir zu, weswegen ich mich leicht verspanne. Ich kann nicht, ich muss arbeiten. "Ich muss morgen früh los, Can." Fragend sieht er mich an. "Wann musst du los?" Ich kann nicht sagen, dass ich um 20:00 Uhr im Vapiano sein muss. Er würde mir nachspionieren und dann fragen, wieso ich die Nachschicht schiebe. "Um 17:00 Uhr." Am Ende klinge ich leicht fragend, aber ich hoffe, dass er es wegen der Musik nicht mitbekommen hat. "Das ist doch nicht früh. Wohin musst du? Ich kann dich dahinfahren." Toll, was soll ich jetzt sagen? "Kommst du denn morgen mit ins Labor?", frage ich, woraufhin er seinen Kopf schüttelt. "Wir schreiben am Montag Pathologie. Wir müssen lernen, Shana." Vielleicht kann ich ja meinen Chef fragen, ob ich noch einen Tag frei nehmen kann. Er wird sowieso nichts sagen, aber ich will nicht, dass ich wegen meines Fehlens weniger Gehalt bekomme. Wie soll ich Can sonst die Uhr schenken? Und was genau soll ich Ranja und Saliha erklären? Ich muss ihnen eigentlich gar nichts erklären.
"Können wir dann jetzt gehen?" Ich fühle mich irgendwie wieder unwohl. Meine Widersprüchlichkeit lässt grüßen. Vielleicht liegt es einfach daran, dass ich immer noch unausgeschlafen bin. Vielleicht kann ich in Cans Armen besser schlafen. Unsere Freunde haben wir schon längst unter der Menge verloren und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie noch lange feiern werden, deswegen schreibe ich Ranja und Saliha eine Nachricht, in der steht, dass ich bei Can bin, da ich keinen Schlüssel habe. Stimmen tut es ja. Can und ich laufen aus dem Club raus, wo ich von der kalten Novemberluft empfangen werde, die ich genieße, da es im Club sehr warm war. Auf den Straßen ist nichts los, weswegen Can eigentlich schneller fahren könnte, aber seine Sicherheitsmaßnahmen gehen vor, weswegen wir nach gut zwanzig Minuten aussteigen und die Wohnung betreten. Mir würde es nichts ausmachen, im Kleid zu schlafen. "Fühlt sich das gut an", nuschele ich, als ich die kühle Decke auf meiner Haut spüre. "Hier, zieh das an." Mir wird ein T-Shirt und eine Short an den Kopf geworfen. Die Short ziehe ich einfach unter mein Kleid an und verkrieche mich unter der Decke, damit ich mir das T-Shirt anziehen kann. Dabei schaue ich Can zu, wie er sich umzieht und versuche nicht auf sein Geschlechtsteil zu schauen, auch wenn ich es im Augenwinkel verschwommen sehe. Keine dreckigen Gedanken kriegen, Shana. Can steigt zu mir ins Bett, als er das Licht ausgeschaltet hat und küsst mich zärtlich, während er mit seiner Hand meinen Bauch streichelt. "Es hat mich echt gefreut, dass du die Rose in der Hand hattest und sie nicht sofort in deinem Zimmer versteckt hast", gesteht er. "Man hat es mir zwar nicht angesehen, aber es hat mich gefreut. Das war gut. Das war schon die halbe Miete. Und ich bin nicht sauer, wegen heute. Hätte Ranja nicht dazwischen geredet, wäre es sicher dazu gekommen." Ich bin froh, dass er nicht falsch gedacht hat. Das ist sehr gut. Das ist super gut. "Willst du mir immer noch nicht sagen, wieso du geweint hast?" Habe ich doch? "Müdigkeit, Stress, mehr nicht", nuschele ich. "Shana", seufzt er. Er möchte es unbedingt wissen, aber ich kann es ihm nicht verraten. Es sind nur noch ein Monat und siebzehn Tage. "Can, schenk mir nur etwas Vertrauen, bitte." Ich atme tief ein und versuche nicht vorwurfsvoll zu klingen. "Dass du mein Handy durchstöbert hast, ohne mein Einverständnis, war ganz und gar nicht gut. Ich weiß nicht, was du dir gedacht hast, aber es hat nichts mit einem anderen Jungen zu tun. Auf meinem Handy ist nichts, was zu verheimlichen ist, aber in diesem Moment hat es mich einfach nur wütend gemacht und verletzt, dass du mir misstraust-," "Was ist es denn?" Er klingt schon leicht verzweifelt. Can ist echt neugierig. "Das erfährst du bald, Can." Ich drücke ihm einen Kuss auf den Mund und kuschele mich an seine nackte Brust an. "Wann ist bald?" Ich muss wegen seiner Ungeduld schmunzeln und fahre über seine Brustwarze. "Nicht jetzt. So weit ist es gar nicht." "Diesen Monat noch?" Als Antwort zucke ich mit meinen Schultern. "Du weißt, wie ungeduldig ist bin", brummt er unzufrieden. "Vielleicht versüßt das ja alles", säusele ich gähnend. "Gerade versalzt es mir eher alles." Theatralisch seufze ich. "Ich liebe dich. Versüßt das alles, mein Herz?" Can drückt mir einen Kuss auf die Stirn und zieht mich näher an sich. "Mehr als alles andere."
______________________________________
Supportet die Can und Shana Fanpage auf Instagram 🌚🌚🌚🌚🌚
canjamilfanpage und shanasalihfanpage, wobei ich gerne wissen würde, wer die Shana Seite erstellt hat. Ich feier die Seiten und postet mal mehr, ich bin voll neugierig. Danke an Helin und Unbekannt 🌚🌚🌚❤️❤️❤️
- Helo
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top