Prolog
„Ihr seid umzingelt. Gleich werden sie durch die Tore brechen. Ergebt Euch jetzt oder sterbt so elendig, wie Ihr gelebt habt!"
Apio schnaubte halb belustigt, halb, weil er nicht wusste, wie er anders reagieren sollte. Letztes Mal hatte er gewartet, bis die Tore aufgebrochen und seine Heimat überrannt war. Erst dann hatte er sich ergeben und war dafür gevierteilt worden.
„Makiro", sagte er und hob seinem Blick. Seinem Gegenüber rannen Tränen über die Wangen. Ob wegen der Tat, die er vollbringen musste, oder den Ereignissen, die in der Vergangenheit lagen, wusste Apio nicht. Den Kloß in seinem Hals schluckte er herunter. „So muss es doch nicht enden." Er sagte dies, obwohl er wusste, dass seine Worte keine Wirkung erzielen würden.
Schon im nächsten Augenblick zog Makiro sein Schwert. „Ihr habt diesen Weg gewählt! Ihr habt Euch für diese Seite entschieden! Genau hier muss es enden! Ich muss Euch aufhalten, ehe Ihr noch weiter geht!" In seiner Verzweiflung schrie er, aber Apio zuckte nicht einmal zusammen.
Langsam nickte er. „Dann tue, weswegen du hier bist." Er sprach ruhig, ließ keine Aufregung auf sich abfärben. Doch das tränenüberströmte Gesicht konnte er nicht länger ertragen. Er wandte sich ab und blickte auf die rot-gelb gefärbten Blätter des herbstlichen Waldes. Der Wind strich sanft durch die Baumkronen, aber trotz der vorsichtigen Berührung riss er einige Blätter mit sich fort. Eines von ihnen legte sich auf Apios Schulter. Ein Farbklecks auf der dunklen Robe. Ein Abschied, wie viele vor ihm.
„Wie lange dauert es noch, bis die Mauern fallen?" Apio behielt seinen Blick auf den Bäumen. Der Herbst war dieses Jahr früher gekommen als erwartet.
„Nur wenige Minuten." Makiro hatte sich wieder gefangen. Innerlich bereitete er sich auf die bevorstehende Tat vor.
„Wenn ich schon sterben muss, dann wenigstens durch deine Hand." Apio atmete tief durch, warf einen letzten Blick auf den Wald und schloss dann die Augen. Er hörte Makiros Schritte näherkommen.
„Es tut mir leid." Makiro sprach so leise, dass seine Stimme fast vom Wind fortgetragen wurde.
„Glaub mir, wir beide wollten hier nicht ankommen..." Dies sollten Apios letzte Worte sein. Wohlgesetzt, jedes einzelne.
Von hinten bohrte sich das Schwert durch seine Rippen und trat vorne aus seiner Brust wieder heraus. Ein gepresstes Stöhnen kam ihm über die Lippen, doch den Schrei erstickte er in der Kehle. Nur für den Bruchteil einer Sekunde hielt der Schmerz an, denn Makiro hatte direkt ins Herz getroffen. Apio spürte noch, wie er fiel, doch ehe er auf dem Boden aufschlagen konnte, zerbrach die Welt um ihn herum.
°
Ein blaues Interface blendete ihn. [Wollen Sie Ihren letzten Speicherpunkt laden?], ertönte die blecherne Stimme einer Frau.
„Ja", antwortete Apio ihr.
[..................reloading.data............restoring.last.savepoint..........savepoint.not.found.............]
„System, was ist los?"
[Ihr letzter Speicherpunkt kann nicht gefunden werden. Während Ihrer Sitzung gab es ein Update, das Sie herunterladen müssen, da Sie es zum Weiterspielen benötigen.]
„Und dann kann ich von meinem letzten Savepoint weitermachen?"
[Das ist unmöglich. Mit dem Update wird Ihr Spielstand korrumpiert.]
Er seufzte. Es hatte wohl keinen Zweck. „In Ordnung. Lade das Update herunter."
Ein neues Fenster öffnete sich. In der Überschrift stand Nutzungsbedingungen. Der kleine Balken am Rande der Leiste ließ erahnen, wie lange es dauern würde, alles sorgsam und gründlich zu lesen. Unten im Fenster war ein kleines ausgegrautes Kästchen, neben dem Ich habe die Nutzungsbedingungen gelesen und stimme ihnen zu stand.
[Bitte bestätigen Sie die Nutzungsbedingungen.]
Er legte den Zeigefinger auf das Interface und scrollte. Es vergingen nur wenige Minuten, bis er am Ende ankam. Im Laufe der Zeit hatte er die Fähigkeit, AGBs zu überspringen, nahezu perfektioniert. Das Kästchen färbte sich bläulich. Er drückte darauf und sofort füllte es sich mit einem Häkchen.
„Weiter", sagte er.
[Das Update wird nun heruntergeladen. Dies kann einige Minuten dauern. Bitte gedulden Sie sich und trinken Sie eine Tasse Tee.]
Ein Ladebalken kletterte gewohnt langsam über das Interface. 2%
In der unteren rechten Ecke baute sich eine kleine Pixeldarstellung auf. Von Apio. Wie er Tee trank. „Sehr witzig, System." Ungeduldig tippte er mit dem Zeigefinger auf das Interface. Unter seiner Berührung gab es leicht nach und als er seinen Finger hob, sprühten kleine Kästen von dieser Stelle über den Bildschirm.
Er seufzte. „System?" Wenn er Glück hatte, dann könnte er nebenbei zumindest Schach oder Solitär spielen.
[Bitte warten Sie, bis die Aktion beendet wurde.] 13%
Natürlich war es ihm nicht vergönnt. Die Systemleistung reichte nur für Teetrink-Abbildungen, aber keineswegs für ein Schachspiel.
Er starrte auf den Ladebalken, doch nun schien er sich noch langsamer zu bewegen. Einige Minuten brauchte er, um von 23% auf 24% zu springen. Diesmal musste es ein wirklich großer Patch sein. Kein Wunder, dass der Spielstand danach unbrauchbar war.
Ein Blick auf die Dateien, die heruntergeladen wurden, bestätigte Apios Vermutung. Neue Texturen, Dialogzeilen, Items und sogar Figuren. 50%
Die zweite Hälfte verging ebenso schleichend wie die erste. Erst nach gefühlten Stunden war der Ladebalken endlich gefüllt. Doch nun öffnete sich ein weiteres Fenster.
[Bitte passen Sie ihre Optionen an.]
Apio scrollte nur halbherzig durch und sagte, als er am Ende ankam: „Die stimmen so." Das Herunterladen hatte ihm schon alle Geduld abverlangt. Er wollte sich jetzt nicht durch die Einstellungen quälen.
[Sind Sie sicher? Sobald Sie das Spiel gestartet haben, können die Optionen nicht mehr verändert werden.]
„Ja, bin ich."
[......starte.worldbuilding.........welt.wird.erstellt.............]
Ein neuer Ladebalken erschien, doch dieser füllte sich schneller als der erste.
[Welchen Charakter wollen Sie wählen?]
Apio unterdrückte ein Schnauben. Das System sprach, als hätte er eine Wahl, aber auf dem Interface war nur ein Charakter in Farbe. Die anderen waren ausgegraut. Er drückte auf die einzig verfügbare Figur. An sie wurde herangezoomt. Es war nicht der Protagonist, nicht einmal ein Sidekick. Nein, diese Figur glänzte allein durch die Anzahl an Todesarten, die sie erleiden konnte. Allein siebzehn davon im Tutorial. Jeder andere Charakter hatte mindestens fünf Möglichkeiten ihn umzubringen.
Er drückte auf ebendiese Figur.
[............apio.wird.geladen...............]
„System, was sind die neuen Änderungen?", fragte er, während sich langsam die Fragmente der Welt aneinanderreihten.
[Neben Fehlerbehebungen und Neuheiten, die Sie im Laufe des Spieles herausfinden werden, wurde ein neuer Schwierigkeitsgrad erstellt, um Ihr Erlebnis so realistisch wie möglich zu gestalten. Dieser gibt Ihnen einen Permanent-death-Modus. Außerdem sind ungewöhnliche, epische und legendäre Items und ebenso Talismane seltener zu finden. Für Ihre Aktionen verdienen Sie weniger Character-Points. Zum Speichern müssen Sie in diesem Modus Ihre OC-Punkte oder Talismane einsetzen. Wir freuen uns sehr, dass Sie sich entschieden haben, in diesem Schwierigkeitsgrad zu spielen :)]
Apio stockte. „Wann habe ich dem zugestimmt?"
[In den Einstellungen :)]
„Hör auf mit den Smileys und sag mir lieber, wie ich den Schwierigkeitsgrad ändern kann!"
[Änderungen an den Einstellungen können innerhalb eines Spieles nicht vorgenommen werden.]
„Abbrechen! ABBRECHEN!", rief Apio, in der Hoffnung zum Hauptmenü zurückkehren zu können.
[Diese Aktion kann nicht ausgeführt werden.]
Die Welt um ihn herum war schon fast vollständig errichtet. Die Bäume, deren Blätter in einem weichen Hellgrün aus den Knospen sprossen. Die kleinen Hütten, aus Holz gefertigt. An einigen arbeiteten NPCs, reparierten das Dach oder stopften kleine Löcher sporadisch mit Stroh.
Apio atmete tief durch. Nun gab es kein Zurück mehr.
[Genießen Sie Ihr Spielerlebnis.]
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