if this wings could fly
Mit unerbittlichem Schluchzen kauerte er in der Ecke seines Zimmer und vergrub das Gesicht in den Hände. Er fand kaum Halten vom Weinen, welches schon längst überfällig war. Das, schon seit nun fast einem guten halben Jahr.
Alles Routine, alles ohne Komplikationen. Wie gerne würde er diese Worte nicht nur gehört, sondern auch erlebt haben.
Er war ein Nichts geworden. Mehr als zu Singen, blieb ihm nicht übrig und seine Leidenschaft war er gezwungen niederzulegen. Vielleicht in ein paar Jahren wieder, wenn alles sich in den normalen Alltag einpendelt. Doch bis dahin, werden die ersten in das Militär eingezogen werden und die Boygroup für eine breite Spanne nicht mehr bestehen. Was würde er dann tun.
Eigentlich war es, wie es nun war, ja nicht sein Verschulden, auch wenn sein Gewissen sich dies nicht einreden ließ. Er war dahinter gesessen, hat sie gesehen, war nicht fähig gewesen etwas zu tun. Und jetzt saß er hier, noch weniger fähig, mit seinem Leben umzugehen.
Die heißen Tränen flossen immer noch über seine Wangen und spendeten etwas Wärme in dem kalten Zimmer. Er zog seine Beine noch weiter an und erneut drängten sich Gedanken in seinen Kopf.
Er wollte doch dies alles nicht.
Er wollte seine Ruhe.
Wie oft hat er sich mit späßlicher Note über seine kurzen Beine beschwert. Kaum ein Stuhl war für Jimin gefunden worden, den es nicht in der Kinderinventarabteilung zu kaufen gab, um im Sitzen den Boden erreichen zu können. Es war dieser kleine Makel, das kleine Stigma an ihm, welches oft genug selbst an sich bekrittelt. Und jetzt, würde er es sich wünschen, nicht getan zu haben.
Er raufte sich die Haare und hörte erneut die sanfte Stimme in seinem Kopf. Wie lange war es her, seit er sie von Angesicht zu Angesicht vernommen hat. Wie lange wird es noch dauern, bis er sie wieder hören wird. Wird es überhaupt geschehen?
Vorsichtig wurde die Tür einen kleinen Spalt geöffnet und erhellte das so stockdunkle Zimmer. Er kauerte sich noch kleiner zusammen, als würde er vor den Lichtstrahlen fliehen können, doch selbst dies war unmöglich.
"Jimin?", fragte Hobi vorsichtig und machte einen kleinen Schritt in das Zimmer, "willst du mit uns Mittagessen?"
Als würde die Stimme des Rappers zerbrechen, zog es Jimin eine Gänsehaut auf die Arme. Sie klang so verängstigt und zugleich verletzt.
Jimin distanzierte sich viel zu viel von seinen Freunden und sprach kaum mehr mit ihnen und auch sie bemühten sich, ihm den nötigen Freiraum zu geben.
Als würde sie fühlen, wie schlecht es ihm ging.
"J-Ja", zwang er sich schon fast dazu, dies zu sagen und sah, wie Hoseok den Raum betrat. Ein Lächeln stand wie immer auf seinen Lippen, ein wenig gebrochener als sonst und er betätigte den Schalter der kleinen Nachtlampe auf dem Kästchen. So wie Jimin im Dunkeln herumgeisterte, müsste ihn das normale Licht wohl blenden.
"Brauchst du deine Kriegskatana?", fragte er mit einem leichten Kichern und konnte endlich Jimin ein kleines Lächeln auf die Lippen zaubern. Auch wenn er es ein wenig haste, dass die Jungs es so bezeichneten, war es dennoch lustig. Jungkook wollte ihm eine Freude machen und hat alle metallernen Stellen mit blauem Sternmuster-Washi-Tape vollgepflastert, damit es die Lieblingsfarbe seines Freundes trug. Und das, als Jimin nach gefühlten Jahren wieder einmal schlafen konnte.
Hobi stand nun vor ihm und war erstaunt, Jimin diesmal nicht in Schlafshirt und Shorts zu Gesicht zu bekommen. Er müsste sich nach dem Aufstehen selbst angezogen haben, was fast zu vergleichen war, wie mit einem sofort in die Charts eingestiegenen Album. Der Rapper streckte dem Sänger seine Hand entgegen und vermisste es, dies nicht mehr auf dem Tanzparkett tun zu können. Er fühlte sich so einsam dort, auch wenn ihm Jungkook beistand.
Jimin griff nach der Hand und wurde kräftig aufgezogen. Sofort krallte er sich an den Oberarmen von Hoseok fest und seine Mimik war angespannt. Die Angst war in seinen Augen deutlich zu sehen und nur langsam schwindend, wenn er irgendwo sicher saß oder liegen konnte.
"Keine Angst", versicherte ihm J-Hope, "ich lass dich nicht fallen."
Jimin atmete tief durch und versuchte etwas ruhiger zu werden, auch wenn es nur schwer ging. Sein Kopf war keinesfalls hilfreich, ihm nicht auf zigtausend Arten zu zeigen, wie er fallen könnte.
"Gestern hab ich das schon abgehakt", schnaubte er leicht unsicher und erinnerte sich an den vergangenen Tag. Wie Namjoon es gut gemeint hat, mit Jimin einen kleinen Spaziergang im Garten zu wagen. Doch sind sie schon daran gescheitert, aufzustehen. So war Rap Mon, wie ungeschickt er war, über seine eigenen Füße gestolpert und hat Jimin mit ihm zu Boden gerissen.
Mit bedachter Vorsicht, griff J-Hope zur Seite und gab Jimin seine Kriegskatana, für welche die Jungs jede Woche einen neuen Namen fanden. Von abgespaceten Essstäbchen bis hin zu nicht leuchtende Lichtschwerter war alles vorhanden gewesen.
Langsam wagte Jimin die ersten Schritte des Tages, der hoffentlich ein wenig gedankenarmer war, wie seine Vorgänger. Vielleicht konnte er heute mal abschalten. Was auch immer ihn dazu bringen mag.
Als Hobi und Jimin durch den kleinen Flur in die Küche kamen, J-Hope hatte sein Tempo dem seines Freundes angepasst, wurde es schlagartig still. Es war Monate her, wo Jimin vor dem Mittagsessen aus seinem Zimmer gekommen war. Egal wer auch in sein Zimmer geschritten ist, um ihn zu fragen, ob er hungrig wäre, hat er es immer abgeschlagen und meist dann, eine Stunde später mit Jin alleine im Esszimmer verbracht. Sie alle waren ratlos, was sie tun sollten. Konnten sich kaum in die Situation hineinversetzen.
Jungkook und Rap Monster rückten zur Seite, da sie, obwohl eigentlich schon wissend dass Jimin nie zum Essen erscheinen wird, immer noch für sieben aufgedeckt haben. So war nun ein Platz für den kleinsten der Gruppe geworden. J-Hope nahm Jimin die Krücken ab, die er ihm zum ersten Mal freiwillig gab und wurde von Namjoon und Jungkook, die ihm unterstützend an dem jeweiligen Unterarm hielten, beim Setzen geholfen.
"Du wirst immer besser", versuchte Suga die erdrückende Stimmung etwas aufzulockern, was er mit Bravour meisterte. Wenn Jimin nicht hier war, konnte Yoongi sich nicht mehr einreden, dass er im Tanzstudio war. Es fühlte sich an, als wäre er gestorben und auch wenn dies nicht der Fall war, glaubte er zu wissen, dass dieser Wunsch mehrere Male in Jimins Kopf geschwebt sein müsste.
"Danke", nickte er und versuchte zu lächeln. Wie schwer war es für ihn gewesen, Hobi die Krücken zu geben. Wie schwer war es gewesen, sich zu überwinden und Jungkook und Namjoon zu vertrauen. Warum war es nur so schwer, in der Welt, der Zeit, dem Schicksal wieder einen Funken Hoffnung zu finden. Einen Funken des Vertrauens.
"Jin hat Kimchi Jjigae gemacht", verkündete Jungkook mit gefalteten Händen vor der Brust, als würde er gerade den ältesten der Boygroup lobpreisen für seine Tat, zu kochen. Und zufällig auch noch das Lieblingsessen von Jimin an genau diesem Tage zuzubereiten.
Doch die Freude von Jimin war gedeckt, bedachten die anderen den Punkt nicht, was dieses Essen noch mit sich trug.
Jimin gab sich innerlich eine Ohrfeige. Wie konnte er nur immer das negative Denken und nicht einmal für einen Moment das Schöne genießen. So verkorkst war sein Leben immerhin noch nicht.
So streckte er freiwillig seine kleine Schüssel dem breiten Topf mit dampfendem Inhalt entgegen und forderte Jin indirekt auf, ihm etwas davon abzugeben.
Normalerweise herrschte reges Sprechen am Tisch, auch wenn sie dies von klein auf gelernt haben, nicht zu tun. Die Jungs sprachen über alles und auch wenn es nur über ein neues Hemd von V ging.
Jimin legte seine Stäbchen zur Seite und schluckte. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass seine Freunde nichts sagten, weil er am Tisch war. Als würden sie damit verhindern, versehentlich etwas Falsches zu sagen.
"Es fühlt sich an", lächelte er leicht und sah nun von seinen Händen, die sich um seinen Shirtsaum kampfkneteten, auf, "als wäre meine Beerdigung."
Als hätte er einen Schalter in ihnen umgelegt, sahen sie fast gleichzeitig zu oben und schmunzelten in sich hinein, bis Jungkook sich neben Jimin rührte und ihm fragte, ob er denn schon von den Neuigkeiten eines neuen Teils der Tazza-Filme gehört hat. Soviel sie wussten, war dies der Lieblingsfilm von Jimin, die für ihn auch nach dem zehnten Mal nicht langweilig wurde.
"Nein", kratzte er sich am Hinterkopf und konnte unmöglich glauben, dies versäumt zu haben, "wirklich? Die machen was neues?"
"Seit letzte Woche wird gemunkelt, wer aller dabei sein wird."
Es war das, was Jimin gesucht hatte, um abschalten zu können. Der Tag begann gut, also will er ihn noch besser beenden. Man möge ihm zwar den kleinen Hauch Lebenswillen genommen haben, der langsam wieder zurückgekrochen kam, aber niemals seinen Kampfeswillen, der gerade Winterschlaf gemacht hat.
So entwickelte sich das Mittagessen, welches immer nur gute zehn Minuten gedauert hat, endlich wieder zu seiner fast stündlichen Länge, die mehr reden und lachen als essen beinhaltete.
"Wie ist das Wetter heute?", fragte Jimin mit einem Strahlen auf den Lippen und wurde von Taehyung und Hoseok aufgezogen. Seine Angst war wie weggefegt, als J-Hope kurz seinen Arm losließ und die Kriegskatana holte, die er in die erste Ecke der Küche gestellt hat.
"Strahlender Sonnenschein", antwortete Jin, der mit dem leere Topf an ihm vorbeihuschte und Jimins Entschluss stand fest, endlich wieder einmal nach draußen zu gehen und die Sonne nicht nur sehnsüchtig vom Fenster aus zu beobachten.
"Dann lasst uns in den Garten gehen", bestimmte er für alle und bekam einstimmiges Nicken von jedem, mit einem Hauch Verwunderung im Gesicht. Taehyung war der erste, der mit Decke in der Hand und Sonnenbrille neben Jimin stand, der vor der Terrassentür wartete. Er fühlte sich wie ein kleines Kind zu Weihnachten, welches es kaum erwartete, bis es Geschenke gab.
"Bist du bereit?", fragte Tae ihn und fing sich hastiges Nicken ein. Jimin hatte das Gefühl, würde er zu viel darüber nachdenken, dass er sich selbst umstimmen würde. Er sah sicher schrecklich aus, seine Haare müssten zerzaust sein und seine Augen müder als alles andere auf der Welt, aber nichts verdirbt ihm nun den Moment der kribbelnden Sonne auf der Haut.
Jimin belagerte sofort einen der Sitzplätze der Terrasse und ließ seine Augen über den Rasen schweifen, in den sich V mit seiner Decke legte. Soviel Jimin mitbekommen hat, wird Taetae dort nicht mehr lange liegen, wenn J-Hope und Jungkook mit dem Fußball aufkreuzen werden. Seine Zehenspitzen sonnten sich in den weichen Lichtstrahlen und ließ ihn nur seufzen.
Es war schön wieder zu leben.
Suga zog sich einen der Stühle, die um den Tisch standen, näher zu Jimin und stellte ihn ebenfalls zum Rasen, um das spätere Spiel JH vs JK mit spärlicher Interesse verfolgen zu können.
"Weißt du noch, als ich mich immer beschwert habe, dass meine Beine so kurz sind", begann Jimin einfach und starrte in die Ferne, denn wenn er Yoongi ansehen würde, wird er wahrscheinlich nichts herausbekommen, "jetzt könnte ich es auch, aber ich mach es nicht."
Jimin begann mit einem Bein zu schlenkern und wartete eigentlich auf eine Antwort von Suga. Dieser wusste beim besten Willen noch nicht, was er sagen sollte. Sein Kopf war leer und dort schwirrte nur eine Sache. Die Sache, die man verboten hat, auszusprechen in Gegenwart von Jimin. Doch irgendwann musste es ihm gesagt werden, denn die Zeit wartete nicht.
"Warum denn auch", lachte Suga und schlang die Decke noch mehr um sich, "du bist der einzige, der es schafft seine Zehenspitzen im Sitzen mit ausgestreckten Beinen zu berühren. Das kann nicht jeder."
Drinnen, warf Namjoon die gerade geholte Post auf den Tisch im Wohnzimmer.
Schon wieder einer.
Er rieb sich nachdenklich über die Stirn und wusste kaum damit umzugehen. Sie können ihn nicht schon wieder unter den anderen Zeitungen und Werbungsprospekten begraben und ganz zufällig ins Altpapier werfen. Lange werden die dies nicht mehr dulden.
"Namjoon?", machte sich jemand hinter ihm bemerkbar und ließ ihn aufzucken, "stimmt was nicht?"
Jungkook stand hinter ihm, einen Fußball unter den Arm geklemmt und sah den Rapper mit leicht verängstigten Augen an. Dieser zog nur den weißen Brief vom Stapel und hielt diesen dem jüngeren unter die Nase. Er schweifte kurz über die Adresse und wusste schon bescheid. Auch er seufzte und ließ seinen Kopf auf Hochtouren laufen.
"Wir müssen es ihm sagen", beschloss er und Namjoon schüttelte nur den Kopf.
Er konnte den Standpunkt von Jungkook nicht teilen, dies war zu viel, auch wenn es die Wahrheit war. Sie konnten es Jimin nicht antun.
"Irgendwann werden sie nicht mehr so einsichtig sein", fuhr sich Kookie energisch durch die Haare und brachte Rap Mon endlich zur Vernunft. Vernunft war nicht das richtige Wort dafür, er sah langsam das ein, was er sich selbst schon mehrere Wochen einreden wollte.
Jungkook zog den Brief aus den Fingern von Namjoon und wanderte durch die Terrassentür ins Freie, wo J-Hope schon auf ihn wartete. Still reichte Jungkook Jimin den Brief und rannte auf den Rasen. Als Suga alleine nur die Briefmarke erkannte, wurde ihm schlagartig kalt. Wie konnte Jungkook nur, an diesem Tag Jimin diesen Brief geben. Doch er scheint recht gelassen zu sein und ritzte mit seinem Daumen die Lasche auf, bevor der zusammengefaltete Zettel ihm in den Schoß fielen.
Er überflog die Zeilen mehrere Male, bis sein Hirn langsam zu arbeiten begann. Das Datum ließ ihn erschaudern, da er sich ein ganzes halbes Jahr von der Außenwelt abgeschnitten hat. Kein Statement war gekommen, nichts.
Doch als erstes, entschloss er nicht, sich auf zu machen. Er forderte, beschloss darauf, endlich wieder ein Gruppenselfie zu schießen, dass alles in Ordnung war, auch wenn seine Welt erneut zusammenbrach. Die Server von Twitter werden wahrscheinlich zusammenstürzen, aber dies war Jimin herzlich egal.
Es war Zeit, wieder unter die Lebenden zu kommen.
bts_twt hat ein Foto gepostet: "We're back ARMY + Captain ChimChim!"
Als würde er einen Punkt auf seiner inneren To-Do Liste abhaken, drückte er sich aus dem Stuhl und schnappte sich die Krücken. Er sprintete schon fast in sein Zimmer und schaltete das Licht an. Er betrachtete sich ihm Spiegel und erstarrte.
Seine Haut war noch heller als ein Geist, unter den Augen zeichneten sich dicke Ringe von Schlafmangel. Seine Haaren waren zerzaust aber kein Drama, um nicht mit einem Fingerkamm wieder gerade rücken zu können. Für Make-Up hatte er jetzt wirklich keine Zeit, außerdem wird es niemanden stören, wenn er einmal mehr im Gesicht glänzte als sonst.
Jimin hing sich eine Maske vor den Mund und zog sich die Kapuze über.
Bevor er aus dem Zimmer kommen konnte, stand auch schon Namjoon vor ihn, als würde er etwas verhindern wollen.
"Was hast du vor?"
"Ich will ins Krankenhaus", kam es leise hervorgemurmelt und Jimin sah zu Boden. Er wusste selbst nicht, was gerade diesen Drang nach Freiheit in ihm losgelöst hat.
Rap Mon lehnte sich mit verschränkten Armen in den Türrahmen, als würde er eine längere Diskussion erwarten. "Jetzt schon?"
Jimin fiel ungewollt die Kinnlade hinunter. Wie konnte Namjoon dies nur von sich geben. Er war dankbar, dass die Jungs so auf ihn Acht gaben, aber Jimin konnte sich nicht sein Leben lang in ein Glasschloss einsperren. Er musste irgendwann wieder ausbrechen.
"W-Was?", stotterte Jimin hervor und schloss kurz seine Augen, "ich bin ein ganzes halbes Jahr nicht dort gewesen. Ich will sie sehen."
"Dann lass' mich wenigstens mitgehen", gab Rap Monster seine einzige Forderung kund, die Jimin nicht ausschlug. Alleine wäre er sowieso nicht gegangen.
Stillschweigend, vermummt wie Pharao Ramses höchstpersönlich, schritten sie den Gehsteig entlang. Namjoon hatte Jimin angeboten, mit dem Bus zu fahren, doch alleine der Gedanke, es vielleicht nicht zu schaffen, in den Bus zu steigen, ließ Jimin dies abschlagen. Er wollte zu Fuß gehen und langsam wieder anfangen, seinen Muskelabbau aufzuhalten.
Im Eingangsbereich des Krankenhauses hielt er und brauchte ein paar Sekunden, um alle Emotionen, die er auf dem Fußboden nur durch bloßes Berühren wieder zurückbekam, verarbeiten konnte.
Rap Mon sah Jimin schon mehrere Minuten lange an, der einen guten Meter hinter ihm stand. Jimin sah zu seinem Freund und bat ihn, kurz zu warten. Er würde nicht lange brauchen.
Während er durch die Gänge schritt, kamen ihm alte Worte in den Kopf.
"Hast du mit ihr geredet?"
Kaum hatte Hoseok seinen Kopf um die Ecke gesteckt, überfiel er Jimin auch schon mit der Frage aller Fragen. Er war nun eine ganze Nacht hier und nicht von ihrer Seite gewichen. Nur jetzt, als er sich einen erweckenden Kaffee gegönnt hat.
J-Hope kam langsam zum Stillstand und sah etwas wortlos zu Jimin. Die Krücken neben ihn auf den Boden gelegt und der Kopf auf seinen Händen, die Ellbogen auf den Knien abgestützt.
"Jimin?"
Der Gemeinte riss seinen Kopf in die Höhe und sah Hobi an, dessen Lächeln schon seit gestern fehlte.
Obwohl es einen Grund zu Strahlen gab. Haben sie doch gestern die Idol Star Athletics Championships gewonnen. Aber es wurde ein dunkler Schatten über diesen freudigen Erfolg gelegt, als die Polizei wenig später vor der Haustür des BTS Reichs gestanden und die Nachricht überbracht hat.
Jimin schaffte es nur, zu schluchzen und den Kopf wieder in seine Hände sinken zu lassen. Wie verzweifelt war er, es nicht einmal zu schaffen, mit seinem Freund zu reden.
"Ich bin schuld", murmelte er in seine Hand und hörte, wie Hobi sich neben ihn niederließ.
"Du bist für nichts schuld", strich er Jimin aufmunternd über den Rücken. Mehr Worte hatte selbst der Hoffnungsnamensträger nicht parat und konnte nur da sitzen. Es war alles so schnell passiert und nur an ihm vorbeigerauscht. Von Realisieren war er noch weit entfernt.
"Sie spricht nicht", erhob Jimin leicht seinen Kopf und sah zu Hoseok, der schier den Schmerz spürte, den die Augen seines Freundes von sich gaben, "sie wird vielleicht nie mehr sprechen."
"Was heißt nie..."
"Sie stirbt langsam verdammt!", sprang Jimin auf und humpelte ein paar Schritte. Er raufte sich energisch die Haare und wurde von Schritt zu Schritt langsamer. Seit Gestern war der Zustand seines Beins immer schlimmer geworden, obwohl die Ärzte nur von einer starken Verstauchung sprechen.
"Das heißt doch nicht, dass du schuld bist."
Obwohl Jimin es nicht nochmal erwähnt hatte, wusste Hobi dies. Jimin hat sich oft genug die Schuld auferlegt, wenn es um Dinge gegangen war, die Big Hit nicht dulden wollte und hat für fast jeden der Member den Kopf einmal hingehalten. Doch jetzt war diese ehrwürdige Geste nicht nötig, denn er trug die Schuld nicht für das Schicksal.
J-Hope sah ihn noch, das Gesicht hinter der Hand versteckend vor Scham, da er das Bogenschießen wirklich vermasselt hatte. Er hat gehaucht, dass sie ihn damit heute Abend ärgern wird und das nicht zu wenig. Jimin hat gewusst, dass sie im Publikum saß und zusah. Doch niemand hat gewusst, dass sie immer hinter ihm gestanden war, bis zwei zarte Hände sich über die Augen von Jimin gelegt haben.
Es war das letzte Mal, dass Jimin diese Geste entgegennehmen durfte.
"Bin ich aber", sah er langsam über die Schulter und fuhr wieder herum. Ein Schauer lief ihm über den Rücken und er vergrub seine Hand in den Ärmeln seines Hoodie. Ihm war schon seit dem gestrigen Unfall unerbittlich kalt und auch keine Decke schaffte ihm dies auszutreiben.
Auch wenn Hoseok das Gegenteil behauptete, war Jimin schuld daran. Sie wollte zu Fuß gehen, er hat abgelehnt. Hätte er zugesagt, das Auto stehen gelassen, wären sie in Tunnel nicht mit einem anderen Wagen kollidiert. Dort, für fast eine ganze Stunde nicht gefunden worden.
Die Schritte wurden für Jimin immer schwerer. Kein Wunder, er hat kaum Schlaf bekommen und schier die Nacht durchgemacht, doch auch wenn er dies als Auslöser glaubte, war es etwas ganz anderes. Beim nächsten Tritt auf dem kalten Boden, brach sein rechten Fuß unter der Last seines Körpers zusammen. Mit einem kurzen Schrei, brach Jimin erschrocken auf seine Knie und stützte sich mit beiden Händen von Boden auf. Er starrte ungläubig auf die quadratischen Fliesen, als würden dort Antworten stehen und versuchte verzweifelt, seine Zehen wieder zur Bewegung zu zwingen.
"Jimin", sprang Hobi auf und fiel neben ihm auf die Knie, "alles gut bei dir?"
Jimin erhob nur seinen Kopf und sah ihn mit Tränen überstömten Gesicht an.
Warum war sein Bauchgefühl so schlecht gelaunt.
"Ich fühle mein rechtes Bein nicht mehr", schniefte er und begann unmittelbar darauf einen Schmerzesschrei an die Decke loszulassen, kauerte sich am Boden krampfhaft zusammen.
Langsam kam Jimin seinem Ziel immer näher. Er hoffte doch inständig, dass sie noch dort stationiert war, wie vor all den Wochen. Doch je näher er kam, desto eigenartiger wurde die Lage.
Vor der Tür standen zwei Personen, als würde sie auf etwas warten. Jimin hingegen kam es wie in einem schlechten Drama vor. Es brauchte nicht viel, um zu wissen, dass es sich hierbei um zwei Polizisten handelte.
Jimin stellte sich selbstsicher vor sie und versuchte bei ruhiger Stimme zu bleiben. Er stellte sich höflichst mit einer kurzen Verneigung vor, sowie es ihm möglich war und dies wurde mit gleicher Höflichkeit zurückgegeben.
"Ist Miss Jeong Ji-Young noch hier?"
Als hätte man einen wunden Punkt getroffen, senkten die beiden Männer ihre Köpfe.
"Miss Jeong Ji-Young ist gestern verstorben. Die Autopsie ist bereits im Gange."
"V-ver-verstorben?", stotterte Jimin das Wort hervor, um es einzeln in seinen Verstand befördern zu können. Doch auch häppchenweise wollte es nicht und wird es auch nie. Entwickelte sich dieser Romantiktag gerade zur Horrorfilmstunden?
Jimin wurde aus seinen Gedanken gerissen, als jemand mit einer Hand vor seinem Gesicht herum wedelte. Ein junger Mann in Anzug und mit einer dicken Heftmappe stand vor ihm.
"Mister Park Jimin?", glaubte er zu erahnen, wer vor ihm stand und sie reichten sich die Hände, "wir haben sie versucht zu erreichen."
"Ich weiß, ich war in einer sehr emotionalen Tiefphase und habe mich stark von meiner Außenwelt abgeschottet", gab Jimin zu Erklärung, als er auch noch mitbekam, dass der Staatsanwalt für diesen Fall vor ihm stand.
"Ah ja", wanderte der Blick des Rechtswissenschaftlers den Körper von Jimin entlang, bis zum Boden, was dem Sänger zu abschätzig war, als es zu beachten, "ich würde sie gerne für ein kleines Verhör mitnehmen, falls sie einverstanden sind."
Jimin starrte kurz an die Tür vor ihm und legte den Gedanken nieder, sie ein letztes Mal zu sehen. Für dies, war er zu spät aus seinem dunklen Loch gekrochen. Doch war es wahrscheinlich besser, sie mit dem Strahlen in Erinnerung zu behalten, als mit blasser Haut und Beatmungsschläuche.
Er ging mit dem Staatsanwalt, was anderes blieb ihm kaum übrig. Unter gab er noch Namjoon bescheid, der sich kaum abschütteln hat lassen, mitzugehen. Doch hätte Jimin vorausgesehen, wie das ganze Gespräch schließlich verlief, hätte er Rap Mon mitgenommen, wäre er am liebsten Zuhause geblieben.
Er hat sowieso entschlossen, nie wieder nach draußen zu gehen.
Der Türknall riss Suga aus seinem Schlaf. Er war mit abgestürztem Kopf am Esstisch eingeschlafen, hat sich bereit erklärt, auf Jimin zu warten, während die anderen zum Training gegangen sind. Leicht müde tapste Yoongi in den Flur und rieb sich die Augen, als Jimin sich gerade Mithilfe der Türkante des Schuhs entledigen wollte, gelang schließlich.
"Wie war's?", fragte Suga knapp und lehnte sich gähnend an die Wand, mit vor der Brust verschränkten Armen.
Jimin seufzte nur und wusste nicht wie anzufangen. Dennoch war er es den Jungs schuldig, werden sie die nächsten Tage auch damit zu kämpfen haben.
"Ich werde beschuldigt am Unfall teilgehabt zu haben. Prozess ist nächste Woche."
"Was?!", entkam es Suga zu schrill als zu ihm zu passen und er wurde langsam wach, "aber du bist nicht schuld. Du warst nicht betrunken, weder auf Drogen, noch bist du auf der falschen Straßenseite gefahren oder hast eine andere Verkehrsregel gebrochen."
"Aber der andere ist an der Unfallstelle gestorben und Ji-Young gestern", sah Jimin von seinem Fuß auf und direkt in das Gesicht von Yoongi, der selbst so wenig wie Jimin verstand, "warum habt ihr mir nichts gesagt."
"Von Ji-Young?", kam es wie aus der Pistole geschossen schnell und war selbst von einem Faustschlag getroffen erschrocken, "uns hat niemand was gesagt."
Jimin machte die wenige Schritte auf Suga zu und ließ zwei Meter Abstand zwischen den beiden.
"Warum musste ich es dann so erfahren."
Dicke Tränen flossen über die Wangen von Jimin und verschleierten seine Sicht. Er war wieder dabei angelangt, zu verzweifeln, ohne Sicht auf ein Ende.
"Was habe ich verbrochen, um so zu sein, das widerfahren zu bekommen", verlangte er von Suga schon zu viele Antworten, auf die er kaum Erklärung finden konnte, "was habe ich falsch gemacht?!"
"Nichts!", kam es in gleicher Lautstärke von Yoongi und trennte sich von der Wand, "du hast nichts falsch gemacht!"
Dem konnte Jimin nicht beipflichten. Irgendetwas musste er verbrochen haben, damit das Leben ihn so bestrafte. Er musste sich nur einmal kurz selbst ansehen, bei den Zehenspitzen beginnend. Dies konnte nicht nur Zufall sein. Schicksal war auch zufällig, aber vorherbestimmt. Binnen Sekunden hatte man ihm sein Leben genommen. Als wäre es einen Lufthauch wert.
"Ich habe Ji-Young ins Grab gebracht, wegen dem Unfall kann ich nicht mehr tanzen und ich..."
"Sag' das nicht", fiel Yoongi ihm ins Wort, da er schon gewartet hat, dies hören, "du kannst tanzen, ob du es glauben magst oder nicht."
Jimin sah seinen Freund nur etwas verdutzt an. Nichts konnte ihn überzeugen vom Gegenteil. Stand er doch wieder knietief in seinem Gewissen, welches nicht rosig war.
"Du weißt doch nicht, was es heißt, ich zu sein!", schrie Jimin aus unerklärlichen Grund Suga an, während immer mehr Tränen ihren Weg über seine Wangen fanden, "ich bin nicht mehr, als ein keines Häufchen Elend, welches nicht mehr wichtig ist."
Mit einem großen Schritt veranlasste Jimin Suga dazu, einen Schritt zurück zu gehen und brachte ihn ungewollt ins Stolpern. So fiel Yoongi rücklinks auf den Fußboden und Jimin warf die Krücken zur Seite, die klirrend aufkamen.
"Ihr versteht das nicht", hauchte Jimin und drehte sich im Stand um. Hüpfte, sich immer wieder an Türrahmen und Kästchen festkrallend ins Badezimmer, um das zu finden, nach dem es ihm schon lange verlangte. Viel zu lange.
Er hat geglaubt, mächtig darüber zu sein.
Er hat geglaubt, darüber zu stehen.
Niemand hat gesagt, wie weh es innerlich noch tat, auch wenn dort schon eine Narbe zierte.
Er war zu naiv gewesen, zu glauben, dem Leben die Stirn bieten zu können.
"Jimin!", rappelte sich Suga auf und hörte nur ohrenbetäubendes Klirren aus dem Badezimmer.
Jimin riss mit all seiner inneren Wut das halbe Inventar aus dem Wandschrank, um das zu finden, was er suchte. Tränen flossen über seine Wangen.
Es fühlte sich an, wie der letzte Akt vor dem fallenden Vorhang, wie das längst gesucht Ende.
Suga hastete auf die offene Tür zu und bekam ein grauenhaftes Bild zu sehen, welches ihm nur den Angstschweiß über Rücken laufen ließ.
"Ihr versteht das alles nicht! Ich will das nicht mehr!", brach langsam die stark wollende Stimme des Sänger und er hielt sich gefährlich die Rasierklinge an die Halsschlagader. Seine Augen schimmerten gefüllt von Tränen und zeigten seine Angst. Er stand vor dem Spiegel und linste dort immer wieder kurz hinein. Als wäre es Impulse dafür, irgendetwas doch noch zu finden, um sein Gewolltes nicht zu tun.
Suga versuchte ruhige und weise Worte aus seinem tiefsten Inneren heraufzubeschwören. Ließ sein tiefstes Inneres einfach reden.
Er hat vor nicht allzu langer Zeit nicht anders gefühlt.
Als das Leben keine Freude, sondern eine Last für ihn gewesen war.
"Ich will dich nicht abhalten davon, zu sterben", war er selbst etwas überwältigt von seiner Wortwahl und hielt nun Jimin sein Smartphonedisplay unter die Nase, "aber ich will, dass du das gesehen hast."
Mit großen Augen musterte Jimin jedes noch so kleine Detail des großen Bildes, auf dem so viele Menschen klein abgebildet waren. Zu klein, um sie noch entziffern zu können. So verschieden farbig bunt.
Und auf dem Zettel, den jeder einzelne dort hielt, stand sein Name.
Jimin.
#comebackstronger
#stillbehindyou
#prayforchimchim
#armyiswaiting
Wie aus dem Nichts, wurde das Smartphone gesenkt und Suga griff nach der Rasierklinge, die ihm immer noch zu nahe an der Halsschlagader seines Freundes war. Seine Hand schlang sich um den scharfen Teil und zog eine kleine Schnittwunde in seine Handfläche, was den Rapper wenig berührte.
Jimin hingegen, scheint sich noch nicht überzeugen lassen zu haben und ließ kaum los. Auch wenn er schon das Blut sah, verkrampften sich seine Finger, endlich loszulassen. Wie oft hat sein Kopf sich ein solches Szenario durchgespielt und war überzeugt von der Richtigkeit gewesen. Viel zu oft.
"Lass' los Jimin", hauchte Suga auffordernd und versuchte den Schmerz zu ignorieren, der sich durch seine Finger pulsierend zog. Er würde so lange seine Hand nicht davon nehmen, bis Jimin losließ und auch wenn die Wunde noch so tief wurde. "Das ist es nicht wert."
"Warum soll ich das glauben", kam es in gleicher Lautstärke hervor und langsam begannen wieder Tränen über die Wangen von Jimin zu strömen. Eine Hand klammerte sich krampfhaft an die Kante des kleinen Kästchens, um nicht umzufallen, während die andere sich kaum davon abhalten ließ, diese verdammte Klinge nicht mehr zu halten.
"Weil das Leben dir offensichtlich eine zweite Chance gegeben hat, also wirf sie nicht weg."
Als würde Gott persönlich vor ihm stehen und dies Nachricht überbringen, starrte Jimin auf Suga und brauchte eine paar Sekunden, um sich zu sammeln. Yoongi nutzte diesen Moment, zog die Klinge aus den Fingern von Jimin und warf sie zur Seite.
Blut quoll aus der Schnittwunden seiner Handfläche, die er vorerst ignorierte. Sein Zug war um einen Tick zu fest gewesen und hat somit Jimin den Boden unter den Füßen weggerissen. Stolpern konnte er kaum mehr, um sich vielleicht noch auf den Füßen halten zu können und fiel mit einem kurzen Schrei zu Boden.
Alles zu schnell, sodass Suga noch handeln und es verhindern hätte können.
Jimin fühlte sich nur für einen kurzen Bruchteil schwerelos.
Wie das Glücksgefühl, welches er zu lange vergebens suchte.
Danach, traf er auf den Boden auf.
Der Boden der Tatsachen.
Auch wenn Suga es schön reden wollte, sah die Realität alles andere als schön aus.
Langsam kauerte Jimin sich zu einem kleinen Häufchen zusammen und begann zu schluchzen. Für ihn war sein Leben bereits beendet und nur mit Glück an diesem Fakt vorbeigeschrammt. Für ihn gab es nichts mehr zu leben, für was es wert war, den ganzen Schmerz zu durchleben, wie Regen an einem Nachmittag, durch den man musste und keine andere Wahl hatte.
So prasselte auch das Leid auf ihn mittels feiner, kalter Nadelstiche auf ihn herein.
Bohrte sich tief unter seine Haut, seiner Seele entlang, die sowieso schon nur mehr ein dunkler Schatten Nichts war. Zersprungen in tausende Stücke, schwimmenden auf der Blutbahn, als er seine Augen damals im Krankenhaus geöffnet und zu seinen Zehenspitzen hinabgesehen hat. So war sein einziger lebenswerter Punkt im ganzen Leben dahingegangen, ohne Abschiedsgruß, ohne ihn vorzuwarnen.
Jimin war in seinen Augen ein kleiner Haufen Elend, auf der Suche nach Hoffnung, einer wärmespendenden Sonne in seinem tiefsten Inneren, die ihm vom Gegenteil überzeugen wollte, seine alte Lichtquelle ersetzen. Wäre es doch alles leichter, wenn diese verbrannten Flügel, von seinem Weg durch die Hölle, fliegen könnten...
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