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Als ich das nächste mal bei Kevin war, sah ich mich etwas in seiner Wohnung um, als er grade durch ein Telefonat abgelenkt war - keine Ahnung, was ich vorhatte zu finden, aber irgendwie hatte ich ein ganz komisches Gefühl. Das weiße a4-Kuvert wäre mir eigentlich gar nicht aufgefallen, lediglich das bunte Firmenlogo am oberen Rand ließ mich stutzig werden. Irgendwie hatte ich gleich das Gefühl, dass es sich dabei um etwas wichtiges handeln musste, nicht bloß irgendwelche langweiligen klientenunterlagen. Ich wusste, dass ich meinen Freund hier massiv hinterging, aber meine Neugier war größer. Ich staunte nicht schlecht, als in dem Brief in großen lettern das Wort „Abmahnung" geschrieben stand - Kevin hatte wohl auch einiges an dreck am Stecken. Es dürfte dabei um die Veruntreuung von klientengeldern gegangen sein, die eigentlich als Honorar seiner Firma zugehen hätten sollen - er hatte dem Klienten einen zu hohen Betrag genannt für seine Beratungsleistungen und den rest, der nicht offiziell mit seiner Firma vereinbart worden war in die eigene Tasche gesteckt. Das hätte ich Kevin gar nicht zugetraut, doch ich glaubte, dass dies erst der Anfang einer größeren Geschichte war. Wenn es so einfach gewesen wäre und er eh nur so glimpflich davon gekommen wäre, hätte er mir ja ruhig davon erzählen können. Ich konnte Kevin kaum in die Augen sehen, als er von seinem Schlafzimmer, wo er bei geschlossener Türe telefoniert hatte, zurück kehrte - er war schließlich immer noch mein Freund und ich verdiente sein Vertrauen jetzt wohl nicht mehr. Ich versuchte das Thema irgendwie von hinten herum anzusprechen, wahrscheinlich jedoch immer noch zu auffällig. Er gab zwar zu sich mit dem Kunden auf einem Parkplatz am Land getroffen zu haben, um den angeblich aushaftenden restbetrag möglichst schnell eintreiben zu können, aber dennoch hatte ich ständig das Gefühl, dass er mir einen großen Teil der Geschichte verschwieg. Ich sah seine lauernde Haltung in seinen Augen - er prüfte, ob ich seine Lügen schluckte. Doch ich würde nicht gehen bevor ich immerhin ein klein wenig mehr heraus gefunden hätte. Ich hatte zwar ein recht gutes Poker-Face, aber er kannte mich schon seit Jahren und somit war es kein Wunder, dass er wohl auch meinen kleinen Bluff durchschaute. Ich weiß, dass er mich am liebsten hinaus geschmissen hätte bevor ich ihm hier in seiner eigenen Wohnung noch länger am arsch ging und ihn zum Reden bringen versuchte. Ich versuchte den enttäuschten zu spielen - dabei war ich es doch, der hier massiv in seine Privatsphäre eindrang. Diese Masche zog bei Kevin, er war schließlich schon immer irgendwie ein guter Mensch gewesen und er gestand mir, dass Vanessa ihn damals sehr in Schutz genommen hatte, weil sie die anderen angedachten Maßnahmen seiner Vorgesetzten als sehr überzogen empfand. Doch warum war es ihr bloß so wichtig gewesen, dass Kevin in der Firma blieb?! Angeblich, weil sie immer sehr gut zusammen gearbeitet haben und sie Kevin sehr gefördert hatte. Doch ich spürte, dass dies zwar ein Schritt in die richtige Richtung war - jedoch wahrscheinlich nur die Spitze eines neuerlichen Eisbergs.
Was glaubt ihr ist damals wirklich passiert?
Über votes und Kommentare würde ich mich wie immer sehr freuen
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