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Harry, 22. Dezember 2019

Das gestrige Telefonat mit James ging noch bis in den späten Abend hinein. Nachdem ich aufgelegt hatte, war ich erschöpft ins Bad gegangen, um mich für die Nacht fertig zu machen. Auf der kleinen Anrichte über dem Waschbecken hatte ich eine neue Zahnbürste sowie Handtücher, Zahnpasta und eine Notiz gefunden.

Hey,

hier sind ein Paar Dinge, die du vielleicht gebrauchen könntest. Die Dusche ist oben im Bad. Einfach die Treppe hoch und hinterste Tür links. Ich habe dir auch ein paar saubere Klamotten hingelegt, die dir vielleicht passen könnten.

Schlaf gut,

Louis

Grinsend war ich duschen gegangen. Das Bad im ersten Stock befand sich direkt neben Louis‘ Schlafzimmer. Die Tür stand etwas offen, die Nachttischlampe war noch eingeschaltet, weshalb ich mir einen kurzen Blick ins Zimmer nicht verkneifen konnte. Wenn mich jemand sah, würde man mich sicher für einen Stalker halten, aber ich konnte einfach nicht anders. Er lag bäuchlings auf dem Bett, alle Viere von sich gestreckt. Ein Fuß hing aus der dicken Decke und das Einzige, das ich sonst sah, war ein Büschel brauner Haare.

Ein Anblick, der mir ein Kribbeln in den Bauch zauberte. Er war bezaubernd, das war mir bereits in dem Moment aufgefallen, als er mir die Tür geöffnet hatte.

Nachdem ich fertig geduscht hatte, band ich mir meine Haare mit einem der herumliegenden Zopfgummis zu einem unordentlichen Dutt zusammen. Es wunderte mich ein wenig, dass Louis so etwas hier liegen hatte, immerhin waren seine Haare nicht so lang, dass er ein Zopfgummi bräuchte.

Das Bett im Gästezimmer war frisch bezogen und ich ließ mich wohlig seufzend hineinfallen. Louis‘ Klamotten waren zwar ein wenig eng und kurz, gerade die Jogginghose, aber definitiv besser, als in meinen verschwitzten Sportklamotten zu schlafen.

~

Am nächsten Morgen wurde ich von einem lauten Scheppern geweckt. Irritiert blinzelte ich und musste mich kurz orientieren. Ich war eindeutig nicht Zuhause. Und auch nicht bei Liam. Es dauerte einen Moment, bis ich mich an die gestrigen Geschehnisse erinnerte. Ich befand mich in Louis‘ Gästezimmer. Mit einem kleinen Grinsen auf den Lippen streckte ich die Arme hoch und seufzte. In der letzten Nacht hatte ich so gut geschlafen wie lange nicht mehr.

Ich schlug die Decke zur Seite und stand auf, um dem Geräusch, das mich so unsanft aus dem Schlaf gerissen hatte, auf den Grund zu gehen. Aus dem Flur sah ich Louis in der Küche stehen und Rührei machen. Genau sehen konnte ich es nicht, doch der verräterische Duft stieg mir in die Nase, sobald ich mich der Küche näherte. Im Hintergrund lief leise Musik und Louis schien so geistesabwesend, dass er mich nicht bemerkte. Den Blick auf die Pfanne vor sich gerichtet, wippte er mit der Hüfte hin und her.

»Guten Morgen«, sagte ich mit verschlafener Stimme, woraufhin er so stark zusammenzuckte, dass ihm beinahe der Pfannenwender aus der Hand flog. Gerade noch so bekam er ihn zu fassen, bevor er auf den Boden gefallen wäre.

»Oh mein Gott! Harry!«, stieß er atemlos aus, fasste sich dramatisch ans Herz und warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu.

Abwehrend hob ich die Hände und trat grinsend in die Küche. »Ich wollte dich nicht erschrecken. Tut mir leid, ehrlich.«

»Wenn du das sagst«, murrte er und schaute beleidigt aus dem Fenster.

Ich trat hinter ihn. »Ehrlich«, beteuerte ich und legte mein Kinn auf seiner Schulter ab. Ich war mir nicht sicher, warum, aber bei ihm fiel mir Körperkontakt spielend leicht. Mein ganzes Leben war ich schon ein sehr kontaktfreudiger Mensch gewesen, hatte aber zu Fremden stehts die sichere Distanz gewahrt. Doch bei Louis hatte ich nicht das Gefühl, dass es ihn stören würde.

»Ja, ja. Ist schon gut«, meinte er dann und es kam mir fast so vor, als würde ihm die Umarmung gefallen. Klar tat sie das. Wem würde meine Umarmung denn nicht gefallen? Sein Duft stieg mir in die Nase und vernebelte meine Gedanken. Er roch nach… Erdbeeren und irgendwie nach Sommer. Und nach etwas, das ich einfach als Louis identifizierte. Unauffällig versuchte ich, tief einzuatmen.

»Uhm, kannst du den Tisch decken? Frühstück ist gleich fertig.«

Mühsam riss ich mich von ihm los, weil seine Nähe so angenehm war. Als würde ich aufladen, sobald ich ihn berührte. Aus dem Küchenschrank holte ich Brettchen und Tassen, aus einer Schublade das Besteck und aus dem Kühlschrank den Rest. Natürlich unter Anweisung von Louis, weil ich keine Ahnung hatte, wo sich was befand. In den Schubladen herumwühlen wollte ich auch nicht.

Louis stellte die Pfanne auf einen Untersetzer, den er vorher auf den Tisch warf, und holte die Brötchen aus dem Ofen, die in genau dem Moment fertig waren. Dann setzte er sich zu mir.

»Was machst du eigentlich so in deiner Freizeit?«, fragte er, nachdem wir eine Weile schweigend gegessen hatten.

»Ich habe nicht besonders viel Freizeit. Meistens bin ich beruflich unterwegs oder so«, antwortete ich wahrheitsgemäß.

Ich wusste nicht, ob ich ihm erzählen sollte, wer ich wirklich war. Wie würde er reagieren? Würde er ausflippen, wie so viele andere, oder es ganz gelassen aufnehmen? Das waren Fragen, die ich mir jedes Mal stellte, wenn ich jemanden kennenlernte. In der Hoffnung, dass es die zweite Option war, doch leider war sie es nicht oft.

Und wie zum Teufel sollte ich es ihm denn bitte sagen? »Oh, übrigens, Louis. Ich bin Harry Styles. Ja, genau der.« Das hörte sich doch total bescheuert an. Das konnte ich nicht bringen.

Aber vielleicht wusste er es bereits und wollte nur nichts sagen, weil er mich nicht belästigen wollte?

»Oh, das tut mir leid.« Er biss von seinem Brötchen ab.

Ich zuckte mit den Schultern. »Und du? Hobbys, Freunde, ein Partner vielleicht?«

»Ich klimpere hin und wieder auf meiner Gitarre rum. Ansonsten gibt es da meinen besten Freund. Stan. Der kommt ab und an mal vorbei und wir gehen aus oder so. Und nein, einen Freund habe ich nicht«, lachte er. »Obwohl meine Mom seit Jahren versucht, mich mit meiner Chefin zu verkuppeln.«

»Bitte was macht sie?« Verblüfft sah ich ihn an und hustete, weil ich mich fast an meinem Tee verschluckt hatte.

Louis ließ seine Gabel fallen. »Ohne Scheiß, meine Mom arrangiert andauernd Essen mit ihr. Also klar, ich mag sie, wir sind ein gutes Team und Freunde, aber sie ist überhaupt nicht mein Beuteschema«, erklärte er.

»Und was zählt zu deinem Beuteschema?«

Er zuckte mit der Schulter und stocherte in seinem Rührei herum. »Kommt ganz drauf an. Das Äußere ist mir nicht so wichtig. Für mich zählen die inneren Werte. Wenn ich mit der Person auf mentaler und emotionaler Ebene nicht klarkomme, kann er noch so heiß sein.«

»Er?«, stieß ich aus, die Augen groß. »Entschuldige, ich bin zu neugierig…«

»Nein, schon gut. Ja, er. Oder sie. Weiß nicht.«

»Du bist bi?«

Louis nickte und bemerkte den leisen Anflug von Hoffnung nicht, der in mir aufstieg. Himmel, ich kannte ihn seit nicht einmal einem Tag. War ich noch ganz bei Sinnen?

»Und du? Wartet eine Freundin auf dich?« Der neugierige Blick blieb nicht unentdeckt, was mich grinsen ließ.

»Nope«, sagte ich und lehnte mich zurück. »Ich habe noch nicht den Richtigen gefunden.«

Jetzt war er es, der sich an seinem Tee verschluckte. Hustend hielt er sich den Arm vor den Mund, Tränen traten ihm in die Augen. »Du bist schwul?«

Perplex blinzelte ich ihn an.

// Hallöchen :)
Es tut mir leid, dass ich es nicht geschafft habe, den Kapitelwunsch zu erfüllen. Dafür ist für Sonntag ein kleines Adventsspecial bei den Oneshots und ein weiteres Kapitel hier geplant.
Meine Woche war total durcheinander, wie war eure?
Und freut ihr euch schon auf die Weihnachtszeit? Ich mich schon :)

Bis dann!

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