four
Harry
Noch nie hatte ich bei einer Person so unkompliziert von mir erzählen können. Die meisten flippten aus, wenn sie verstanden, wer ich war, oder waren viel zu selbst mit sich selbst beschäftigt, um mich richtig wahrzunehmen. Aber Louis war anders. Er hörte zu und gab mir die Möglichkeit, zu sprechen. Er wirkte ehrlich interessiert, wenn er fragte, was eine willkommene Abwechslung zu den sonst so oberflächlichen Gesprächen war, die ich häufig führen musste.
Meine anfängliche Nervosität verflog mit jeder Minute, die ich hier verbrachte, ein kleines bisschen mehr, bis es sich anfühlte, als wäre sie nie wirklich da gewesen. Ich hatte das Gefühl, ich konnte ihm vertrauen. Und genau dieses Gefühl war es, das ihn zu etwas Besonderem machte, denn ich verspürte es nicht oft.
Bei kaum einem anderen Menschen hatte ich mich je auf Anhieb so wohl gefühlt, obwohl ich ihn gar nicht richtig kannte. In dem Moment, in dem er mir die Tür geöffnet und mich hereingebeten hatte, war da etwas zwischen uns. Eine Art Verbindung, die ich nicht beschreiben konnte. Ich kannte ihn nicht und er mich nicht. Eine schöne Alternative zu den Begegnungen, die ich sonst hatte. Kein aufgeregtes Geplapper oder Gekreische.
Ich liebte meine Fans, keine Frage. Sie waren für mich wie eine zweite Familie, aber irgendwann brauchte selbst ein Harry Styles mal eine Pause.
»Es wäre schade, wenn du nicht zu ihnen könntest«, stimmte Louis mir zu.
Ich nickte und spielte an den Bändern meines Pullovers herum. »Da hast du recht, aber es wäre nicht das erste Mal, dass ich zu den Feiertagen nicht bei ihnen sein kann. Ich telefoniere dann einfach mit ihnen.«
»Dein Job?«
»Er ist zeitaufwendig. Wenn man verdienen will, muss man Abstriche machen und kann nicht jedes Weihnachten Zuhause verbringen.«
»Das tut mir leid«, murmelte er betrübt.
Ich winkte ab. »Das ist der Preis, den ich zahlen muss. Aber ich liebe meinen Job und das ist es wert.«
Eine Zeit lang schwiegen wir. Jeder ging seine Gedanken nach. Im Hintergrund lief Musik und Louis tippte auf seinem Handy herum, bis die Nachrichten kamen:
»Guten Abend und herzlich Willkommen zu BBC Radio 1 mit Nik Grimshaw. Gehört haben Sie gerade 7 Rings von Ariana Grande. Jetzt folgen die Nachrichten um zwanzig Uhr.«
Überrascht schaute ich auf die Wanduhr und seufzte. In fünfzehn Minuten hätte mein Interview mit James starten sollen. Verdammt, Jeff würde im Dreieck springen, wenn ich dort nicht auftauchte. Ich sah aus dem Fenster. Immer noch war alles, was ich sehen konnte, eine weiße Wand. Im Leben würde ich es nicht schaffen, beim Studio aufzukreuzen.
Nik, der Radiosprecher und ein alter Freund von mir, erzählte etwas über die Politik und internationale Neuigkeiten. »Soeben haben wir eine bedauernswerte Nachricht erhalten. Alle, die eine Karte für die Late Late Show von James Corden haben, tun mir leid. Denn wie ich gerade erfahren habe, fällte Harry Styles‘ Auftritt heute Abend ins Wasser. Oder besser gesagt in den Schnee. Sein Management berichtete uns, dass der Musiker wohl eingeschneit sein soll. Er ist momentan nicht zu erreichen, weshalb er wohl auch nicht auftreten wird. Sie bitten um euer aller Verständnis, liebe Fans, denn auch Stars werden vom Wetter nicht verschont.«
Ich fühlte mich schlecht und vergrub das Gesicht in den Händen. Tief atmete ich durch. Ich enttäuschte meine Fans, aber allen voran James, der sich seit Tagen auf das Interview und die darauffolgende Party gefreut hatte. Bedrückt schaute ich aus dem Fenster und verfluchte den Schnee, das Wetter und mich selbst, weil ich unbedingt hatte Joggen gehen müssen.
»Kommen wir jetzt zum Wetter. Die nächsten Tage werden ziemlich stürmisch. Ein gewaltiges Sturmtief kommt aus dem Norden auf uns zu und zieht in den nächsten Stunden direkt über London hinweg. Der Flugverkehr liegt bereits lahm. Uns erwarten Schneestürme, Orkanböen und niedrige Temperaturen wie lange nicht. Bis zu minus zwanzig Grad sollen es heute Nacht werden, also packen Sie sich dick ein. Es wird geraten, sich heute noch mit Lebensmitteln einzudecken, solange Sie noch aus dem Haus kommen. An manchen Stellen der Stadt ist dies allerdings schon fast ein Ding der Unmöglichkeit. Bleiben Sie Zuhause, denn es wird mehr als ungemütlich draußen werden. Passen Sie auf sich auf. Das war das Wetter. Einen schönen Abend wünschen Ihnen Nik Grinshaw und BBC Radio 1.«
Konnte es denn überhaupt noch schlimmer werden? Ein wenig verzweifelt ließ ich den Kopf mit einem leisen Rumsen auf die Tischplatte fallen. Froh darüber, den Teller zur Seite geschoben zu haben.
»Man gut, ich habe alles hier, was man so braucht«, seufzte Louis. »Hey, alles klar bei dir?«
Ich schüttelte mit dem Kopf. »Nein, nicht wirklich. Ich hätte heute noch einen wichtigen Termin und kann niemanden erreichen, um Bescheid zu sagen, dass ich nicht kommen kann.«
»Oh.«
»Ja.«
»Und jetzt?«
»Keine Ahnung.«
Louis zog grüblerisch die Augenbrauen zusammen. Zwischen ihnen entstand eine Furche, die ich nur zu gern mit den Fingern wegstreichen würde. »Was für ein Termin?«
Unschlüssig, was ich ihr erzählen sollte, trommelte ich mit den Fingern auf dem Tisch herum. »Etwas Geschäftliches. Ich sollte meinen neuen Song rausbringen.«
»Meinst du, du könntest das über Facetime machen?«
»Weiß nicht. Singen kann ich dann ja aber schlecht. So ohne Musikbegleitung und professioneller Ausstattung.«
Er nickte. »Da hast du recht, aber du könntest ja trotzdem im Groben erklären, was Sache ist?«
Louis war genial. Ich wäre im Traum nicht auf die Idee gekommen, James einfach über Facetime zu kontaktieren. Zum Glück wusste ich seine Nummer auswendig. Und so könnte ich wenigstens den Interviewteil trotzdem wahrnehmen, selbst wenn ich nicht singen könnte. Das würde ich aber nachholen können, sobald ich wieder Zuhause war.
»Kann ich dafür dein Handy nochmal ausleihen? Es tut mir echt leid, ich weiß gar nicht, wie es passieren konnte, dass ich meins Zuhause vergessen habe. Sonst hab ich es immer dabei.«
»Klar«, sagte Louis freundlich und reichte mir sein Handy, auf dem er schon Facetime geöffnet hatte. Er nannte mir noch den Code, bevor er aufstand. »Nimm es dir einfach, wenn du es brauchst. Ich lasse dich dann mal allein.«
»Danke, Louis. Es ist lange her, dass ich mal einen so netten Menschen getroffen habe«, bedankte ich mich und sah ihm nach, als er lächelnd die Küche verließ.
»Viel Erfolg«, wünschte er mir noch, bevor er aus meinem Sichtfeld verschwand.
Ich holte tief Luft und wählte James Nummer. Es klingelte und ich fuhr mir durch die Haare, um einigermaßen vorzeigbar zu sein. Mit dem Rücken gegen die Wand gelehnt wartete ich darauf, dass er abnahm. Meine Füße stellte ich auf dem Stuhl vor mir ab.
// Auch hier gibt's heute ein neues Kapitel.
Gedanken dazu?
Bis dann,
Lea
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