five

Louis

Ein neuer Song also. Ich hatte nicht erwartet, dass Harry doch so erfolgreich war. Naja, immerhin wohnte er im Princess Park. Da hätte ich schon stutzig werden sollen. Eher unbekannte Musiker wohnten nicht in solch einer teuren Wohngegend, sondern eher wie normale Menschen.

Ich ließ mich ermattet auf das Sofa fallen, unschlüssig, was ich jetzt tun sollte. Innerlich verspürte ich den Drang, Stan anzurufen, doch mir fiel ein, dass ich Harry mein Handy überlassen hatte. Das fiel also aus. Seufzend schaltete ich den Fernseher ein und saß eine Weile einfach auf dem Sofa.

Auf allen Kanälen liefen Weihnachtsfilme, die ich mochte, doch ich konnte mich nicht entscheiden. Ein erneutes Seufzen unterdrückend schaltete ich den Fernseher also wieder aus und blickte aus dem Fenster. Ich konnte nicht viel erkennen, doch die Lampen an meiner Hauswand, die zum Garten zeigte, erleuchteten die vielen Schneeflocken, die durch die Luft wirbelten. Von der winterlichen Ruhe, die ich so gern mochte, war nichts zu spüren.

Harry telefonierte jetzt schon seit fast einer Stunde. Gefühlt alle fünf Minuten sah ich auf die Uhr. Halb zehn, halb elf. Zwischendurch hatte ich ein bisschen auf meiner Gitarre gespielt, doch irgendwann stand ich auf und stellte noch eine Zahnbürste in das Bad, das ans Gästezimmer anschloss.

Dann ging ich die Treppe wieder runter. Durch die geöffnete Küchentür fiel ein Lichtkegel in den dunklen Flur. Ich blieb stehen, als ich Harry lachen hörte. Unbewusst schlich sich ein Lächeln auf meine Lippen. Ich mochte sein Lachen. Es war warm und herzlich. Zusammen mit den Grübchen die perfekte Kombination, um meine Knie weich werden zu lassen.

Die Stimme der Person, mit der er telefonierte, konnte ich nicht verstehen, sondern hörte nur Harrys Stimme. Ruhig schien er auf Fragen zu antworten, die ihm gestellt wurden, denn es schien mir nicht nach einem Gespräch.

Als mir bewusst wurde, dass ich lauschte, steckte ich meinen Kopf in die Küche. »Nacht«, flüsterte ich.

Harry drehte seinen Kopf zu mir und lächelte mich an. »Schlaf gut.«

»Du auch. Das Gästezimmer ist beleuchtet. Solltest du finden.«

Er nickte und schenkte mir noch ein Lächeln, bevor er sich mit einem Lachen wieder zum Handy wandte. Ich ging durch den Flur die Treppe nach oben in mein Schlafzimmer, zog mich aus und fiel nach einem kurzen Besuch im Bad ermattet ins Bett. Das war ein verdammt anstrengender Tag gewesen. Lang und anstrengend.

Mein Blick richtete sich auf das Fenster, durch das ich Schneeflocken vom Himmel fallen sah, beleuchtet von den mittlerweile eingeschalteten Straßenlaternen. Hoffentlich würde der Schneefall bald aufhören, damit Harry nach Hause gehen könnte. Zumal meine Familie bei so einem Schneesturm auch nicht kommen konnte, was zwangsweise heißen würde, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben Weihnachten allein verbringen müsste.

Ich dachte über alles Mögliche nach, während mein Blick dem Schneetreiben draußen folgte. Irgendwann kam mir der Gedanke, was meine Mom wohl sagen würde, wenn sie wüsste, dass ich einen wildfremden Mann einfach in mein Haus gelassen hatte. Sicherlich würde sie ausflippen und mir einen Vortrag über Verantwortlichkeit halten, während Dad die ganze Zeit nur missbilligend mit dem Kopf schüttelte.

Natürlich war mir klar, welches Risiko ich in dem Moment eingegangen war, in dem ich die Tür geöffnet hatte. Immerhin wäre es nicht unmöglich, dass ich mir einen Axtmörder oder sowas in der Art ins Haus geholt hatte.

Aber andererseits hätte ich Harry da draußen in der Kälte erfrieren lassen sollen? Das wäre definitiv unterlassene Hilfeleistung. Also war ich quasi gezwungen, ihm Unterschlupf zu gewähren, bis er wieder sicher nach Hause konnte.

Da konnten meine Eltern noch so sehr im Dreieck springen und mir vorwerfen, dass ich ihnen früher bei ihren Predigten nie zugehört hätte.

Ich seufzte, als ich daran dachte, wie sehr sie das Ungewisse hassten. Nicht umsonst war mein Leben seit der Highschool durchgeplant. Ich wollte nie englische Literatur im Hauptfach am College belegen, habe es aber getan, um sie nicht zu enttäuschen. Nicht umsonst habe ich die Zähne zusammengebissen, um es mit Bestnoten abzuschließen.

Während meines Studiums musste ich ein Praktikum absolvieren. Concours-Publishing war für meine Mutter der einzige Weg, weil ich dort die besten Aufstiegschancen hatte. Ich wurde nach dem Studium übernommen und hatte nun gute Aussichten auf eine Zukunft als Geschäftsführer.

Fehlte nur noch die Frau im Haus. Oder der Mann, wenn es nach mir ging. Meine Eltern wussten von meiner Bisexualität. Noch während der Schulzeit hatte ich es ihnen erzählt. Ich konnte mich noch gut an die Angst vor ihrer Reaktion erinnern, doch zu meiner Überraschung hatten sie einfach nur genickt und es hingenommen, als hätte ich ihnen erzählt, dass ich gerne Pommes mag.

Trotzdem wusste ich, dass sie an meiner Seite trotzdem eine Frau sahen. Aber nicht nur irgendeine. Seit ich in dem Verlag arbeitete und meine Mutter meine Chefin Eleanor Calder sah, wusste ich, dass sie sie an meiner Seite sehen wollte. Sie erfüllte alle Punkte, die Mom wichtig waren, doch das Beste war, dass meine Eltern sie kannten. Eleanor hatte nach dem Studium, das sie ein Jahr vor mit beendet hatte, sofort im Verlag ihres Vaters angefangen und schon wenige Zeit später die Geschäftsführung übernommen.

Ich mochte Eleanor, keine Frage, aber schon damals auf dem College, als meine Mom uns verkuppeln wollte, war sie mir zu wenig. Sie war immer nett und freundlich, aber ihre feine englische Art würde mich auf Dauer langweilen, da war ich mir sicher. Sie war nicht mehr als eine gute Bekannte für mich.

Kopfschüttelnd drehte ich mich um und vertrieb diese Gedanken aus meinem Kopf. Müde gähnte ich, hörte unten im Haus eine Tür knarzen und schlief irgendwann ein, träumend von Katzen in Tannenbäumen und Elfen, die die Geschenke vertauschten.

// Da hier so lieb nach noch einem Kapitel gefragt wurde, habe ich mir gedacht: warum nicht :)
Deshalb gibt es außer der Reihe heute noch ein Kapitel.
Donnerstag geht's dann weiter.
Viel Spaß :)

PS: Wenn ihr euch ein Kapitel bei einer meiner Storys wünscht, dann sagt gerne bescheid und ich werde sehen, was ich machen kann :)

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