~eleven~

Jocelyns Sicht:

22. Dezember 2019

Ausdruckslos sah Harry mich an, wobei er mich auch wieder nicht ansah. Seine Augen starrten in die Ferne, das Grün matt. Eben war noch alles gut gewesen und jetzt saß ich neben ihm und er weinte, still. Das machte mir Angst.

   ,,Was ist los?“, wollte ich wissen.

Ich legte meine Hand an seine Wange, doch er regte sich nicht. Es war, als wäre er in einer anderen Welt.

   ,,Harry, rede mit mir!“, stieß ich leicht verzweifelt zwischen meinen zusammengepressten Zähnen hervor. ,,Bitte Harry. Ich mache mir Sorgen!“

Harry Flashback:

23. Dezember 2015

   ,,Hey, Harry!“, ,,Schau hier rüber, Harry!“, ,,Ich liebe dich, Harry!“ Die Schreie der Fans und Paparazzi ließen mich beinahe taub werden. Die Security bahnte mir einen Weg durch die Dichte Menge ins Hotel.

Niall, Liam und Louis waren durch den Hintereingang unbemerkt ins Hotel geschlichen, während ich hier vorn am Haupteingang den Lockvogel spielte. Wir hatten, bevor wir uns trennten, ,,Schere, Stein, Papier“ gespielt und ich hatte verloren.

Ich liebte unsere Fans, keine Frage, aber jetzt gerade gingen sie mir gehörig auf die Nerven. Schließlich hatte ich gerade einen elfstündigen Flug von New York hierher, nach Hamburg, hinter mir. Jetlag pur. Ich war vollkommen am Ende und wollte nur noch schlafen, da daran beim Fliegen kaum zu denken war.

Ohne Autogramme zu geben, Fotos zu machen oder den Leuten auch nur ein gekünsteltes Lächeln zu geben, drängten mich Paul und seine Kollegen zur Drehtür. Von überall versuchten kreischende Mädchen sich zu mir durchzuschlagen, schafften es aber nicht. Zum Glück. In den nächsten Tagen würde ich noch genug Fotos machen, auf allen möglichen Dingen unterschreiben und Lächeln müssen.

   ,,Na komm, Harry“, sprach Paul mir Mut zu und legte eine Hand auf meinen Rücken.

Ich war so müde, dass ich beinahe im Laufen eingeschlafen wäre. Paul stützte mich und rüttelte ab und zu an mir, wenn ich wieder im Begriff war, wegzunicken. Ich zitterte vor Kälte am ganzen Körper.

Schon beim letzten Besuch hier in Hamburg, war mir aufgefallen, wie kühl es war. Und da war es Juli gewesen. Jetzt im Winter hatten wir gefühlte minus zwanzig Grad und dicke Schneeflocken fielen aus den grauen Wolken auf uns herunter.

In England war es wahrscheinlich nicht wärmer, aber im Moment kam auch noch die Müdigkeit dazu. Ich wollte einfach nur ins Bett.

Als wir endlich im Hotel waren, fielen mir erneut die Augen zu und ich sackte gegen Paul. Überrascht fing er mich auf, legte sich meinen einen Arm um die Schultern, sein Kollege den anderen, und gemeinsam trugen sie mich hoch zum Zimmer.

Nur so eben bekam ich mit, wie ich aufs Bett gelegt und aus den dicken Winterklamotten geschält wurde. Seufzend kuschelte ich mich an meinen Bettnachbarn und schlief endlich seelenruhig weiter.

Harry Flashback Ende

Jocelyns Sicht:

22. Dezember 2019

Harry schluchzte leise. Ich nahm ihn einfach in den Arm, sagte nichts aus Angst, es könnte etwas falsches sein. Er schlang seine Arme fest um meinen Körper, als würde er mich nie wieder loslassen wollen. Und dieser Gedanke gefiel mir.

   ,,Vor vier Jahren“, setzte er leise an und räusperte sich. Seine Stimme war heiser und rau.

   ,,Vor vier Jahren hatten wir unsere letzte Tour.“

   ,,Oh. Weinst du deswegen?“, fragte ich vorsichtig.

Er schüttelte den Kopf. ,,Ja… nein… auch… keine Ahnung.“

   ,,Willst du mir davon erzählen?“, bat ich ihm an.

Harry vergrub sein Gesicht in meinen Haaren und schwieg. Ich sah es als klare Antwort. Er wollte nicht darüber reden. Nicht mit mir.

   ,,Nicht jetzt. Irgendwann, aber nicht heute“, sagte er schließlich und sah mir in die Augen.

Seine Tränen waren versiegt und ein müdes Lächeln lag auf seinen Lippen.

   ,,Womit habe ich bloß verdient, dich zu treffen?“

   ,,Schicksal“, behauptete ich schulterzuckend.

Harry zog ungläubig seine rechte Augenbraue hoch. ,,Schicksal? Ernsthaft?“

   ,,Warum denn nicht? Ich denke schon, dass alles einen tieferen Sinn hat, als wir dumme Menschen denken“, teilte ich ihm meine Gedanken mit.

   ,,Na wenn du meinst. Dann war es eben Schicksal“, gab er nach.

   ,,Ich meine, sieh dir doch deine Karriere an. Das ist doch das perfekte Beispiel. Seit ihr euch getrennt habt und du als Solo-Artist unterwegs bist, ist deine Karriere doch steil nach oben gegangen. Nach dem, was Livy immer erzählt, bist du der erfolgreichste Musiker mehrerer Generationen, oder? Es war also Schicksal, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist“, fügte ich felsenfest überzeugt hinzu.

   ,,Ja, ja. Ich hab’s schon verstanden. Alles hat einen tieferen Sinn“, lachte Harry.

   ,,Du machst dich doch gerade nicht etwa über mich lustig, oder?“ Prüfend sah ich ihn an.

   ,,Auf gar keinen Fall. Wie könnte ich es wagen?“, kicherte er.

   ,,Tust du wohl!“

   ,,Ach, hör doch auf! Tu ich nicht!“

   ,,Doch!“

   ,,Du bist wie ein trotziges Kind!“

   ,,Du doch auch!“ Ich schlug ihm mit der flachen Hand auf die Brust.

   ,,Hey!“, stieß er überrascht aus. ,,Jetzt werden wir doch nicht etwa handgreiflich?“

   ,,Und wenn schon!“

   ,,Dann rufe ich meinen Anwalt an“, meinte er völlig unbeeindruckt.

Kichernd schlug ich noch einmal auf seine Brust, woraufhin Harry nach meinen Armen griff und sie um seinen Hals legte.

   ,,Und mit welchem Handy?“, säuselte ich an seinem Ohr und leckte ihm einmal über die Ohrmuschel.

Knurrend warf er uns herum, dass ich auf dem Rücken unter ihm lag.

   ,,Dann werde ich dir eben in jedem Raum dieses Hauses, auf jeder Oberfläche die Seele aus dem Leib vögeln!“

Ein Schauer durchzog meinen Körper und allein bei der Vorstellung daran, musste ich stöhnen. Ich drängte mich weiter an seine Hüfte und spürte, wie sich seine bereits wieder harte Männlichkeit gegen mich drückte.

   ,,Du hinterlistiges Luder. Die Vorstellung gefällt dir, was?“, lachte Harry mit rauchiger Stimme.

Ich biss mir auf die Unterlippe. ,,Vielleicht.“

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top