G707es (2)

Liebe*r Autor*in (und liebe Leser*innen),

diese Geschichte handelt von Ulrike, die ihre Tochter verloren und sich daraufhin zurückgezogen hat. Auf dem Weg nach Hause verfolgt sie auf ihrem Handy, was ihre Freunde und Verwandten ihr in der Zeit ihrer Abwesenheit geschrieben haben.

Zuerst einmal möchte ich sagen, dass du dich von der Punktzahl und auch von der Kritik nicht verunsichern lassen solltest. Ich mochte die Idee und die Kreativität dieser Geschichte gern und alles andere, was eher kunsthandwerklich ist, kann man erlernen.

Im Folgenden möchte ich dir erläutern, was mir in dieser Geschichte aufgefallen ist, damit du verstehst, wie die Punktzahl zustande gekommen ist und möglichst viel aus diesem Feedback für dich mitnehmen kannst.

Mir sind einige Rechtschreibfehler aufgefallen. Diejenigen in den Textnachrichten habe ich nicht gewertet, weil ich denke, dass sie gezielt gesetzt sind, um den Anschein von wirklichen Nachrichten zu geben. Die Dinge, von denen ich glaube, dass sie vielleicht nicht nur Flüchtigkeitsfehler sind, sind:

„Sie" als formale Anrede schreibst du manchmal klein, aber eigentlich wird es großgeschrieben, und bei „tut mir Leid" wird „Leid" kleingeschrieben.

In den Chatnachrichten am Anfang hat Maike sich einmal korrigiert, dass sie „nutzt" geschrieben hat, aber „nutzt" ist nicht falsch.

Außerdem hast du die Nachrichten von Thomas mit Zahlen nummeriert. In literarischen Texten gilt die Richtlinie, dass Zahlen bis mindestens zwölf als Zahlwort geschrieben werden. Bei der vierten Nachricht hast du es dann auch gemacht und dadurch war es dann nicht mehr einheitlich.

Bei der Zeichensetzung habe ich wieder die Fehler in den Textnachrichten nicht gewertet, aber auch sonst hast du hier und da Kommafehler und teilweise fehlende Punkte (da gehe ich aber davon aus, dass das nur Flüchtigkeitsfehler sind).

Bei den Nachrichten in dem Gruppenchat fehlen zu mehr als der Hälfte die Leerzeichen zwischen dem Namen und der Nachricht. Und auch, wenn scheinbar ein Leerzeichen vorhanden ist, ist es eigentlich ein Tab (für Letzteres habe ich nichts abgezogen, ich fand die Entscheidung aber seltsam, da ein einfaches Leerzeichen genügt hätte).

Vor die drei Punkte als Auslassungszeichen gehört ein Leerzeichen, wenn nicht mitten im Wort abgebrochen wird. Teilweise hast du das Leerzeichen auch gesetzt, aber oft nicht.

Außerdem setzt du Doppelpunkte an Stellen, an denen ein einfacher Punkt reichen würde, z.B. „Erst nach sehr langer Zeit öffnet sie ihre Tastatur und tippt die einzige Nummer ein, von der keine Nachricht kam:"

An dieser Stelle erwähne ich auch, dass die Absätze am Anfang mit dem Schaffner teilweise falschgesetzt sind (Absätze gehören nicht direkt zur Zeichensetzung, aber ich nehme den Punkt mal hier auf). Wenn der Sprecher mit dem Handelnden übereinstimmt, dann wird nach dem Dialog in der Regel kein Absatz gemacht.

Ich habe lang überlegt, ob ich 5 oder 10 Punkte dafür gebe, aber die Fehler haben mir die Lesbarkeit zu sehr eingeschränkt, sodass ich mich für 5 Punkte entschieden habe.

In deiner Wortwahl bist du sehr schlicht und relativ gleichförmig. Auch in modern geschriebenen Texten, in denen diese Schlichtheit gewollt ist, gibt es Wege, diese abwechslungsreich zu gestalten. Durch den Stil ist die Geschichte gut lesbar, aber die Formatierung und auch das Nachrichtenformat, das teilweise rückwärst läuft, machen es schwer, der Handlung und den Dialogen zu folgen.

An dieser Stelle möchte ich außerdem erwähnen, dass „lächeln" kein Dialog-Verb ist. Der Satz „„Da haben Sie aber Glück gehabt, dass wir Sie noch erwischt haben", lächelt der Mann" müsste also umformuliert werden, evtl. zu „„Da haben Sie aber Glück gehabt, dass wir Sie noch erwischt haben", sagte der Mann und lächelt." oder „„Da haben Sie aber Glück gehabt, dass wir Sie noch erwischt haben." Der Mann lächelt."

Und ich möchte auch erwähnen, dass lange Passagen in Capslock geschrieben, sehr anstrengend zu lesen sind.

Leider waren mir auch viele Wortwiederholungen aufgefallen. In den Dialogen konnte ich meist noch ein Auge zudrücken, aber auch im Fließtext gibt es viele. Auch sind die Sätze außerhalb der Dialoge sehr ähnlich aufgebaut. Es sind häufig kurze Sätze (und kurze Sätze sind keine Schande; in den meisten Fällen kritisiere ich tatsächlich eher zu lange Sätze), aber vor allem gleichförmig aufgebaute Sätze. Die ersten drei Sätze z.B. beginnen alle mit dem Subjekt.

Sprachliche Mittel sind mir in der Geschichte auch nicht aufgefallen. Meiner Meinung nach ist es auch kein absolutes Muss, aber in diesem Fall hätte es bei der Bildlichkeit sehr geholfen und die Geschichte lebendiger gemacht.

Ähnlich sieht es mit den Beschreibungen oder Details aus. Die Protagonistin wird beispielsweise gar nicht beschrieben. Dabei muss es kein detailliertes äußeres Bild sein, aber einige Randinformationen und vor allem eine Ausstrahlung der Figur hätten die Protagonistin nahbarer gemacht. Da die Beschreibungen eher auf ein Minimum reduziert waren (z.B. hast du teilweise sogar nur etwas wie „*Geräusche im Hintergrund*" geschrieben und da wäre eine detailliertere Beschreibung besser gewesen), hat auch die Atmosphäre darunter gelitten.

In einer solchen Situation - dem Verlust eines Familienmitglieds - ist es durchaus glaubhaft, dass Figuren so handeln, wie sie in der Geschichte handeln. Jeder geht anders mit Trauer um und daher halte ich es auch für nachvollziehbar, dass sich Ulrike aus der Situation zurückzieht. Jedoch sind sehr viele Figuren vorhanden (vor allem in Hinsicht darauf, dass die Geschichte nur etwa 1.500 Wörter lang ist). Die Einzigen, die dabei einen Beitrag für die Geschichte leisten, sind Niklas, Thomas und Sabine, aber auch diese bleiben an der Oberfläche. Zu Maike, Michael und Anna hingegen fehlt mir jedes Bild.

Auch Ulrike als Protagonistin bleibt eher blass. Besonders war es mir aufgefallen, als geschrieben stand: „Einen Moment lässt sie diese Information zu sich vordringen, bevor sie das Gerät wieder anschaltet." Ich habe mich gefragt, was denn diese Information nun mit ihr macht und welche Gefühle sie dabei empfindet, aber dahingehend blieb die Geschichte offen.

Deshalb konnte bei mir auch keine Emotionalität für Ulrike geweckt werden, während ich aber durchaus denke, dass du die anderen Figuren (heißt: Thomas, Niklas und Sabine) besser dargestellt hast.

Hinsichtlich der Figurenkonstellationen hatte ich wirklich Probleme, zu folgen. Beim ersten und zweiten Lesen habe ich nur wenig dahingehend verstanden und erst, als ich es ein drittes Mal nach genau diesem Gesichtspunkt der Figurenbeziehungen gelesen habe, habe ich eine ungefähre Ahnung bekommen, dass Thomas wohl Ulrikes Mann ist, Anna Niklas' Tochter und Ulrikes Tochter wohl die Frau von Niklas. Ich bin mir aber nicht sicher. Und ich habe auch nicht herausfinden können, wer Maike und Michael sind.

Ulrike macht in der Geschichte kaum Entwicklung durch. Im Grunde sitzt sie nur in dem Zug und liest sich die vergangenen Nachrichten durch. Ich habe überlegt, ob man es als Entwicklung werten könnte, dass sie Niklas am Ende anruft, aber aus Thomas' Nachrichten weiß man, dass das Verschwinden (und damit sicherlich auch das Wiederkommen) Reaktionen sind, die man von Ulrike erwarten kann.

Bei der Erzählperspektive habe ich gehadert und dir letztlich mehr Punkte gegeben, als ich im ersten Moment wollte. Du schreibst im auktorialen Erzähler und diesen schreibst du auch sehr distanziert - Ulrike wird im Erzähltext nur „die Frau" genannt und man bekommt kaum Gefühle von ihr. Das Thema - eine verstorbene Tochter und der Umgang mit dem Verlust - ist aber emotional. Daher wäre ein personaler Erzähler oder ein Ich-Erzähler vielleicht besser gewesen. Ich habe dir aber einige Punkte dazu gegeben, weil ich denke, dass man den auktorialen Erzähler entweder als Kontrast zu dem emotionalen Thema werten könnte oder die gewählte Erzählperspektive zu Ulrikes Distanziertheit passt.

Die Dialoge sind in der Geschichte die treibende Kraft, um die Handlung zu transportieren und daher denke ich nicht, dass es zu viele Dialoge sind. Die Ausnahme davon ist das Gespräch mit dem Schaffner am Anfang. Der Dialog war für die Geschichte nicht erheblich und da die Geschichte außerdem relativ kurz ist, wäre es ein besserer Weg gewesen, schnell mit der Handlung, also dem Lesen der Nachrichten anzufangen.

Außerdem wechseln die Sprecher sehr oft, sodass man sich mit keiner Figur tiefgründig beschäftigen kann. Auch fiel es mir beim ersten Lesen schwer, den Dialogen zu folgen, da Ulrike die Nachrichten teilweise von hinten liest. Von einem Leser erwartest du dann also, dass er überfliegt, bis die Chatnachrichten vorbei sind, und dann die Nachrichten nochmal anders herum liest. Das mag zwar realistisch sein, aber zum Lesen ist es schwer.

Darüber hinaus tappt der Leser lang im Dunkeln, was in der Geschichte überhaupt geschehen ist. Ich habe mich zwar schon gefragt, weshalb Ulrike fortgegangen ist, aber ich war zu sehr damit beschäftigt, die Geschichte auf sprachlicher Ebene zu entschlüsseln, als dass Spannung bei mir hätte auftreten können.

Am Ende gab es mir auch zu viele offene Fragen oder Plot-/Stillücken. Wie gesagt, bin ich mir bei den Beziehungen der Figuren immer noch unsicher. In dem Nachrichtenverlauf mit Thomas taucht an einer Stelle auf: „Sie haben Thomas und Anna heute nach Hause gebracht", aber die Nachrichten sind doch von Thomas. Hast du dabei Niklas gemeint?

Auch steht in der Mitte einer geschriebenen Nachricht „Seine Stimme versagt. Einen Moment lang hört sie ihn nur atmen", was keinen Sinn ergibt, da vorher nicht steht, dass es eine Sprachnachricht sei.

In den Sprachnachrichten hingegen steht dann manchmal ein „Klick", aber auch das ergibt keinen Sinn innerhalb der Dialoge, da der Sprechende ja nicht „Klick" sagt.

Einer der größten Fragen für mich am Ende war aber, wie Ulrike denn als sie vor sechs Tagen losgefahren war, ihre Tochter hatte mitnehmen können. Und wenn Ulrike sie mitgenommen hat, wie haben denn die anderen von dem Tod erfahren, da Ulrike doch mit niemandem Kontakt hatte? In einer Kurzgeschichte ist es nicht schlimm, wenn einige Fragen nicht beantwortet werden, doch die großen Fragen sollten am Ende geklärt sein.

Aber wie ich bereits am Anfang der Bewertung geschrieben habe, mochte ich die Idee und ich denke, dass eine Geschichte in einem Nachrichtenformat durchaus funktioniert und originell ist. Ich hoffe, du kannst mit der Bewertung etwas anfangen.

Liebe Grüße.

Gesamtpunktzahl: 227 (von 382 möglichen Punkten)


Rechtschreibung (60)

Werden die Regeln der Deutschen Rechtschreibung eingehalten? 45 von 60 Punkten (0, 15, 30, 45 oder 60)

Schlüssel:

60 = Weitgehend korrekte Einhaltung der RR

45 = Wenige Fehler, punktuelle Schwächen

30 = Viele Fehler, latent unsichere RS

15 = Sehr viele Fehler, die die Lesbarkeit/den Lesefluss einschränken

0 = Enorm viele Fehler, die die Lesbarkeit deutlich negativ beeinflussen

Grammatik

Wie werden die Regelungen zur Grammatik umgesetzt? 20 von 20 Punkten (0, 5, 10, 15 oder 20)

Schlüssel:

0 = Textverständnis ist durch zahlreiche Grammatikfehler stark eingeschränkt

5 = Grobe Verstöße gegen die Grammatik häufen sich

10 = Verstöße in vielen Bereichen

15 = Einige Verstöße in wenigen Bereichen

20 = Weitgehend korrekte Verwendung der Grammatik

Zeichensetzung

Wie sinnvoll und regelkonform erfolgt die Nutzung von Satzzeichen? 5 von 15 Punkten (0, 5, 10 oder 15)

Schlüssel:

0 = die Nutzung von Satzzeichen folgt kaum einer Regel

5 = Satzzeichen werden seltener richtig verwendet

10 = Satzzeichen werden überdurchschnittlich oft richtig genutzt

15 = Satzzeichen werden meistens/immer richtig eingesetzt

Wortwahl/Vokabular 10 von 26 Punkten

Wie sehr unterstützt das gezeigte Vokabular die Wirkung bzw. die Einzigartigkeit der Geschichte? 3 (0-6)

Tragen Ausdruck und Wortwahl dazu bei, dass die Geschichte gut lesbar ist? 3 (0-6)

Ist die Wortwahl abwechslungsreich? Wenn sie das nicht ist: wie sehr dient das der Geschichte? 2 (0-6)

Ist die Geschichte frei von störenden Wort- oder Satzwiederholungen? 2 (0-8)

Sprachliche, stilistische und rhetorische Mittel 4 von 14 Punkten

Wie sehr gelingt es der Geschichte, Bilder im Kopf des Lesers entstehen zu lassen? 2 (0-6)

Wie effektiv unterstützen sprachliche Stilmittel (z.B. Metaphern, rhetorische Fragen, Symbole, Alliterationen) die Atmosphäre/die Figurenentwicklung/die Handlung? 2 (0-8)

Idee/Mut 14 von 14 Punkten

Wie originell, kreativ oder einfallsreich ist die Geschichte? 8 (0-8)

Wie mutig ist die Geschichte? 6 (0-6)

Hintergrundwissen/logischer Aufbau 18 von 24 Punkten

Harmonieren die Geschichte und die Welt, in der sie spielt, mit der Art, wie sie erzählt wird? 8 (0-8)

Passt das, was passiert, in die Welt/in die Zeit, in der die Handlung spielt? 8 (0-8)

Wie ausgearbeitet und detailreich ist die Geschichte? 2 (0-8)

Figurenentwicklung 42 von 72 Punkten

Allgemein 25 von 45 Punkten

Sind die Figuren glaubhaft gestaltet? 9 (0-9)

Wie groß ist ihr Wiedererkennungswert? 3 (0-9)

Passen ihre Handlungen zu ihrem Charakter? 9 (0-9)

Sorgt die Figurenkonstellation für Spannung? 2 (0-9)

Wie gut werden alle Hauptfiguren charakterisiert? 2 (0-9)

Protagonist*in/Erzählperspektive 17 von 27 Punkten

Findet eine charakterliche Entwicklung statt? 4 (0-9)

Ist diese nachvollziehbar und lebensnah? 9 (0-9)

Eignet sich die gewählte Erzählform/Erzählperspektive für die Geschichte? 4 (0-9)

Dialoge 24 von 36 Punkten

Dialoge:

Verleihen die Dialoge den Figuren Tiefe? 5 (0-10)

Wie fesselnd und interessant sind sie? 5 (0-10)

Passt die Menge der Dialoge in die Geschichte? 8 (0-8)

Wie sehr treiben sie die Handlung voran? 6 (0-8)

Emotionalität 4 von 14 Punkten

Wie sehr weckt die Geschichte Empathie im Leser? Wie sehr kann dieser mitfühlen? 2 (0-7)

Inwiefern werden Gefühle auch gezeigt, statt nur vorgeschrieben/beschrieben? (werden "show" und "tell" abwechslungsreich, vielfältig bzw. sinnvoll in Bezug auf Gefühle eingesetzt)? 2 (0-7)

Beschreibungen 10 von 28 Punkten

Fügen sich die Beschreibungen sinnvoll in die Geschichte ein? 2 (0-7)

Wie stark fördern sie die Figuren- und Handlungsentwicklung? 3 (0-7)

Wie vielfältig werden Sinneseindrücke eingesetzt? 3 (0-7)

Passt die Menge der Beschreibungen oder sind es zu viele/zu wenige? 2 (0-7)

Spannungsbogen 11 von 20 Punkten

Gibt es einen Spannungsbogen? 5 (0-10)

Wird die Spannung bewusst aufgebaut? 6 (0-10)

Plot/Aufbau/innere Logik der Geschichte 12 von 18 Punkten

Ereignen sich die Geschehnisse in einer schlüssigen Reihenfolge? Gibt es unötige oder überflüssige Passagen? 6 (0-8)

Ist die Handlung glaubwürdig? 6 (0-10)

Atmosphäre 8 von 21 Punkten

Wird durch den Stil, die Figuren, die Handlungen, die Welt eine Atmosphäre geschaffen? 3 (0-7)

Wirkt die Atmosphäre passend? 3 (0-7)

Regt die Atmosphäre dazu an, sich in der Geschichte zu verlieren? 2 (0-7)

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