Herzer und Hirnis
Noch bevor er umzingelt war, hatte Pascal ein Gefühl, das etwas im Gange war. Er war gerade dabei seine Blase zu leeren, als ein Sack über seinen Kopf gezogen wurde. Er versuchte sich zu befreien, trat um sich und schlug, was er treffen konnte, aber spätestens als die Handschellen dran waren, war an Flucht nicht mehr zu denken. Etwas Spitzes stach ihm in die Armbeuge und Kälte durchfuhr seinen Arm als sich der Inhalt der Spritze sich in seinen Körper entleerte. Innerhalb von Sekunden war er schlaff geworden und verlor die Kontrolle über den Körper.
Das Extraktionsteam handelte so schnell wie immer, jeder Handgriff saß perfekt und nahm so wenig Zeit wie möglich in Anspruch. Zuerst wurde das Subjekt festgenagelt und mit Beruhigungsmitteln ruhig gestellt. Danach kamen die Ärzte zum Einsatz und stellten sicher, dass die Vitalwerte im akzeptablen Bereich blieben. Schließlich sollte dem Wirt nichts passieren. Sobald das Subjekt stabilisiert war, begann die Extraktion. Der ganze Vorgang dauert ungefähr zwei Minuten. Was jedoch genau passiert ist natürlich klassifiziert. Nach der Extraktion wird der extrahierte Parasit in einen sicheren Behälter untergebracht und der Wirtskörper sichergestellt. Beide werden zu einer sicheren Basis verfrachtet, wo sie weiteren Zwecken zugeführt werden.
Aus Extrahieren wie die Profis – Wie wird ein Wirt Parasit frei?
geschrieben von Professor Ottman Heinrich
Pascal war sich sicher, dass er träumte. Bevor er hier aufgewacht war, hatte er noch seine Blase auf dem Klo entleert. Er hatte gerade versucht die letzten Tropfen loszuwerden, als sie zugeschlagen hatten. Vor ein paar Stunden war er aufgewacht und hatte sich in völliger Dunkelheit befunden. Seine Brust fühlte sich komisch an und schmerzte höllisch. Er brauchte gefühlt eine halbe Stunde um sich seinen Körper schmerzfrei zu bewegen und nicht jedesmal hinzufallen, wenn er versuchte zu gehen. Er tastete er sich durch den dunklen Raum und versuchte herauszufinden wie groß er war. Aber egal wie lange er lief, er stieß gegen keine Wand. Die Panik stieg ihm langsam von der Brust zum Hals und als er sie nicht mehr halten konnte erbrach er sich auf leeren Magen. Es fühlte sich an, als wollte sein Körper ihn abstoßen und all seine Innereien rebellierten gegen ihn. Er würgte ein paar mal trocken und brach dann keuchend auf dem Boden zusammen. Was war hier bloß los?
Der Wirt versucht ihn abzustoßen. Das ist ganz normal in den ersten paar Tagen nach einer Übernahme." Der Professor zeigte mit seinem Stock auf den Bildschirm, auf dem man beobachten konnte, wie Pascal sich wand und stöhnte. Vitalzeichen wurden auf einem zweiten Bildschirm aufgezeichnet und auf einem dritten war ein Abbild, welches abwechselnd Organe, Blutbahnen und andere wichtige Bestandteile und Abläufe des Wirtes anzeigte.
Er ist noch ganz frisch verschmolzen. In den nächsten Stunden wird sich entscheiden wer, von den beiden gewinnt. Wenn der Parasit stirbt, dann überlebt der Körper nicht lange. Gleiches gilt für den Parasiten. Jedoch können beide überleben, wenn sie einander wieder zugeführt werden, wobei nicht jeder Parasit mit jedem Körper kompatibel ist."
Erwartungsvoll drehte der Professor sich zu seinen Schülern um.
Wie Hirnis sind den Herzern doch eigentlich ganz ähnlich. Zumindest behaupten sie das. Was ist nochmal der Unterschied zwischen uns?
Wieso sollten wir alleine über den Wirtskörper herrschen? Wieso beanspruchen wir den Titel Mensch für uns allein? Ja, Tobias."
Tobias stand auf und glättete seine Uniform.
Das Gehirn ist um ein vielfaches komplexer als das Herz und für viele wichtige Errungenschaften der Menschheit verantwortlich. Das Herz hat nur einen wirklichen Zweck und diese Aufgabe kann leicht von einer Apparatur übernommen werden. Welches das Gehirn natürlich entwickelt."
Er grinste überheblich und fuhr fort.
Zudem gibt das Herz viel zu früh seine monotone Arbeit auf und gefährdet so das Gehirn, welches nicht mehr bei voller Stärke arbeiten kann. Das Herz ist bloß ein Schmarotzer, ein Parasit, während das Gehirn mit dem menschlichen Körper eine Symbiose eingeht und ihm mit neuer Innovation ein längeres Leben beschert, wovon beide Profitieren. Es gibt noch viel mehr Beispiele, aber das sind die stärksten Argumente."
Der Professor nickte zufrieden und Tobias setzte sich hin, um wieder den Ausführungen zu lauschen.
Ganz richtig, genau so ist es. Wir sind dem Herz in jeder Hinsicht überlegen und deshalb ist es unsere Pflicht das Herz aus jedem menschlichen Wirt zu entfernen und es mit einer Blutpumpe zu ersetzen, welche dafür sorgt, dass der Körper viel länger leben kann."
Er drehte sich zu Pascal um.
Die Herzer müssen vernichtet werden. Das sind wir unseren Wirten schuldig. Die Abstimmung beginnt jetzt."
Alle anwesenden StudentenStudenten standen nacheinander von ihrem Pult auf und kamen nach vorne. Zwei Knöpfe waren auf dem Pult aufgetaucht, einer Rot, einer Blau. Der rote tötete, der blaue verschonte. Jeder musste einen Knopf drücken und sich wieder hinsetzen. Als die Prozedur vollzogen war, verkündete der Professor das Ergebnis. Einstimmig wurde auf töten gestimmt.
Der Professor nickte bestätigend, sein weißer Schnurrbart zuckte, als er leicht lächelte. Mit gewichtigen Schritten trat er nach vorne, schaute seinen Studenten in die Augen, jedem einzeln, nickte wieder und drückte auf den blauen Knopf. Ein entsetzter Schrei ging durch die Reihen. Dann brach Panik aus.
Pascal blieb der Mund offen stehen, als alles hell erleuchtet wurde und er sich in einem weißen Raum wiederfand. Keine Türen, nur eine rot leuchtende Schrift. Du bist frei.
3 Monate später
Professor Ottman Heinrich saß in einem grauen Raum, gerade ein paar Schritte groß und nur mit einem kleinen Bett, sowie einer winzigen Toilette und einem Waschbecken ausgestattet. Sein neuer Körper war keineswegs neu, sondern ein verschlissener Wirt, der zudem äußerst redselig war. Er spürte Schmerzen, von denen er fast vergessen hatte das sie existierten. Das war immer die erste Strafe. Sie nahmen einem den jungen, fitten Körper weg und erzwangen eine Verschmelzung mit einem alten, verschlissenen Wirt. Aber er hatte trotzdem nicht nachgegeben. Er hatte nicht geredet und nichts über seine Regierung verraten. Es war nötig gewesen. Er hatte Pascal sofort erkannt, trotz des neuen Körpers und beschlossen einzugreifen. Pascal war zu wichtig, als dass er zulassen konnte, das sie ihn töteten.
Es musste ein unglücklicher Zufall sein das sie ihn erwischt hatten, denn sonst hätten sie ihn befragt und alles erfahren. Nach den Regeln seiner Regierung durften angehende Studenten selbst bestimmen, ob ein Beschuldigter sterben sollte. Für gewöhnlich entschieden sie sich dafür das er sterben sollte. Propaganda und Gruppenzwang sorgten normalerweise für ein einstimmiges Ja. Falls das gewünschte Ergebnis nicht erreicht wurde, konnte der Lehrer immer noch ein Veto einlegen. Nur hatten sie nicht bedacht das ein Lehrer ein einstimmiges Ja überschreiben würde. Das war Ihr Problem. Sie dachten viel zu engstirnig und hielten seine Leute für dumm. Laut den Gesetzen der Hirnis, wurde ein freigesprochener tatsächlich freigelassen und bekam für drei Monate Immunität, solange er sich unauffällig benahm. Ottman verstand diese Regelung nicht, vielleicht wollten sie milde vortäuschen, aber es war ein willkommenes Schlupfloch für ihn und eines das er für genau diesen Moment aufgespart hatte. Er spielte mit seinen kurzen, grauen Haaren und hoffte dass Pascal seine Nachricht erhalten hatte. Er hatte alles sofort in die Wege geleitet, als er seinen Wirt entdeckt hatte. Hatte den gut versteckten Gedächtnis-Chip dem Wirtskörper entwendet. Ein andere Schläfer hatte sie ihm abgenommen und würde sie Pascal überbringen.
Wenn die wüssten, wer er ist. Und was er weiß.
Ottman lachte leise und legte sich hin. Der Tod war unausweichlich, aber er hatte seine Pflicht getan. Er schloss die Augen und träumte von einer besseren Welt.
Pascal war verwirrt gewesen, als er den kleinen Chip erhalten hatte. Der Unbekannte nannte es einen Gedächtnis-Chip, der auf biologische Basis arbeitet und Unmengen von Daten speichern konnte. Er sollte ihn schlucken und würde in drei Tagen die enthaltenen Daten bekommen. Dann war er verschwunden. Kurz darauf wurde Pascal ohne Erklärung vor die Tür gesetzt und mit ein wenig Proviant auf den Weg geschickt. Natürlich war er erstaunt, aber er würde sich sicher nicht beschweren.
Er hatte in einem verlassenen Haus Unterschlupf gefunde, denn er traute sich noch nicht unter fremde Mensche, aufgrund der viele Erinnerungen welche ihm fehlten und hatte beschlossen auf die Entschlüsselung zu warten.
Als es endlich so weit war, wies ihn eine Stimme an die Augen zu schließen. Er tat wie geheißen und sofort flimmerte ein Bild vor seinem Augenlid. Wenn Du das hier siehst, bist Du ihnen in die Hände gefallen, aber konntest mit der Hilfe von einem Schläfer wieder fliehen. Ich bin du. Mein Name ist Pascal Lambertz. Es bleibt keine Zeit sich zu erklären. Erfülle die Mission. Daten werden jetzt hochgeladen.
Pascal schlug die Augen auf und erinnerte sich wieder. Er war auf geheimer Mission gewesen und sollte den letzten echten Menschen vor den Gehirnen in Sicherheit bringen, weil die irgendetwas mit ihm vorhatten. Er hatte ihn gefunden, aber zurücklassen müssen, weil er verfolgt wurde. Dann war er in die Hände seiner Häscher gefallen, die aber keine Ahnung von seiner Information hatten. Verwirrt stand er auf und hielt sich den Kopf. Es war komisch sich an diese Dinge zu erinnern. Leider waren noch viele Lücken in seinem Gedächtnis, er würde seine Gedanken also ordnen müssen. Aber die Dringlichkeit in seiner Stimme war zu hören gewesen, also entschied er sich zuerst sich mit der Zentrale in Verbindung zu setzen. Sich der Wichtigkeit seiner Mission bewusst trat Pascal nach draußen und entdeckte ein kleines Dorf in der Nähe. Vielleicht hatten die eine Kommunikationsmöglichkeit für ihn? Aber was, wenn es Hirnis waren? Er zögerte, aber seine Mission war wichtiger. Also fasste er sich ein Herz und lief los.
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