*Seytan?*
Er starrt mich jetzt schon seit einer gefühlten Ewigkeit an, ohne ein Wort zu sagen. Die Spannung zwischen uns ist fast greifbar. Ich fange an, nervös zu werden, zupfe an meinen Handschuhen herum und schaue auf den Boden. Dieser Blick macht mich wahnsinnig. Plötzlich lächelt er teufelhaft: „Wie bitte?" Er hat mich genau gehört; so still wie es hier ist, kann er es doch nicht überhört haben.
Er klatscht in die Hände: „Gut, wenn du es nicht wiederholen willst, können wir ja weitermachen." Ich schlucke bei seinen Worten. Will er mir wieder die Luft abschnüren? „Was steht auf dem anderen Schild?"
Ich kneife die Augen zusammen und erkenne einzelne Buchstaben: T.ä.ke. „Was steht da sonst? Machen wir wieder etwas, das mir persönlich nicht gefallen würde." Ihm würde es nicht gefallen, frag mich mal. Ich sage einfach das, was ich lesen kann: „Täke." Sein Blick verdüstert sich: „Schau richtig hin." Seine Stimme ist so hart wie Stein.
Er wollte das nicht machen. Täke? Was kann das bedeuten? Komm schon, reiß die Mauer ein, reiß sie ein. Meine Kopfschmerzen sind extrem. Ich kneife die Augen zusammen, sacke mit dem Kopf auf den Tisch und stöhne: „Alles in Ordnung?", fragt Melcon panisch.
Er legt seine Hand auf meine und Wärme fließt durch meinen Körper. Es fühlt sich so schön an. Der Schmerz lindert sich, sodass ich meinen Kopf langsam anheben kann. Ich schaue ihn an. Er hat die Augen geschlossen, und Schweißtropfen rinnen seine Stirn herunter. Er atmet angestrengt. Wieso hilft er mir, wenn er da vorne so kalt zu mir war? Was hat sich geändert?
Langsam öffnet er seine Augen, die glühen. Als er sieht, dass ich ihn ansehe und es mir besser geht, tritt kurz Erleichterung in sein Gesicht. Doch kurz darauf wird es von einer kalten Maske überschattet. Ich weiß nicht so richtig, was ich sagen soll. „Danke für die Hilfe."
„Kein Problem, aber wenn du mir einen Gefallen tun kannst, wäre ich dir dankbar." Er hat mir gerade geholfen, aber mich davor fast ersticken lassen. Wieso bin ich überhaupt noch hier? Er wollte mich ersticken lassen, warum haue ich nicht einfach ab?!
„Was denn?"
„Niemandem zu erzählen, was passiert ist." Was war das denn? War ihm das etwa peinlich? „Okay, wieso eigentlich?"
„Die meisten an dieser Schule wären damit hausieren gegangen." Verkneif es dir, ich kann nicht: „Nun, wenn man nur mit Mädchen wie Luna zu tun hat, kein Wunder."
Er lächelt ein richtiges, weder gruseliges noch beängstigendes Lächeln. „Da hast du wohl recht. Doch unsere Freundschaft ist politisch ganz gut." Wie er das Wort „Freundschaft" betont, merkt man ihm an, dass er dabei nur spielt und eigentlich keine Freundschaft will. „Wieso politisch?"
Er bekommt sich nicht mehr ein. Was soll das denn jetzt? „Jetzt sind wir wohl leider wieder beim Thema Schule. Schade. Also bezüglich deiner Frage: Es ist so, dass meine Familie einen sehr hohen Rang im Consejos hat."
„Was ist das Consejos?"
Er schlägt den Kopf auf den Tisch. „Du hast von nichts eine Ahnung, oder? Warte, antworte nicht. Ich hole ein Buch über Politik." Na ja, Politik ist eben nicht mein Fach. Er kommt schnell mit einem Buch zurück und blättert darin. Er knallt es mir auf den Tisch. „Lese das."
Hat der Typ eine Persönlichkeitsstörung? Die einzige Erklärung für das alles. Er ist so freundlich und witzig, dann auf einen Schlag so ernst und abweisend. Was will er? Jetzt schaut er mich an: „Lesen, nicht Löcher in die Luft starren." Seufz, ich gucke mir das Kapitel an: „Kapitel 2 der Consejos." Hört sich spannend an.
Der Consejos ist allgemein formuliert der obere Rat. Im 19. Jahrhundert noch zum Beraten des Rexs gedacht, ist er nun der Herrscher über uns. Denn sie haben den Rexs gestürzt, dazu kam es, weil ...
Bla, bla, bla – er hat sich wirklich das langweiligste Buch ausgesucht, das zu finden war. „Du sollst lesen oder hast du Fragen?" Denk dir eine Ausrede aus, damit du nicht weiter lesen musst.
„Was ist der Rexs?"
„Kein Latein gehabt? Rex ist der König."
„Was ist passiert?"
„Er wurde in einer Verschwörung wie alle seiner Art getötet."
„Was war er für eine Art?"
„Die ausgestorbene Art der Seytane." Sie gibt es also wirklich.
Der Traum kann nicht wahr sein, bitte nicht. Denn wenn dieser Teil wahr ist, wird der Rest auch wahr, und das muss nicht sein. Das muss wirklich nicht sein. Am besten halte ich mich von jetzt an von Wäldern fern. „Sie können etwa nicht durch Schatten springen, oder?"
Er schaut mich verwundert an: „Doch. Woher weißt du das? Wag es nicht, mich anzulügen."
Bei seinem Blick würde das niemand wagen. Ich schlucke und fasse mich so kurz wie möglich, sodass ich nicht wieder stottern anfange. „Aus einem Traum."
Sein Blick wird nicht besser, wenn nicht sogar finsterer. „Lass mich den Traum ansehen." Das ist keine Bitte, eher eine Aufforderung. Ich nicke zögerlich. Er nimmt meine Hand. Der Traum blitzt durch meine Erinnerung.
Er murmelt irgendwas: „Gut." Er schaut mich an, lässt seine Hand aber in meiner. „Könnte es sein, dass du schon öfter solche Träume hattest?"
„Nein."
„Sicher?"
„Ja."
„Okay, danke."
Der kann das Wort „Danke" unglaublich aussprechen. Seine Hand liegt immer noch in meiner, das scheint ihm aufzufallen, aber er schaut nur auf seine Uhr. Er beugt sich zu mir und flüstert: „Dann sehen wir uns wohl nächste Woche. Schreib mir doch heute, meine Nummer hast du ja." So lässt er meine Hand los und geht einfach.
Was war das denn? Lisa kommt schnell auf mich zu: „Hey, wie war dein Wahlpflichtfach?"
„Ganz gut." Sie schaut mich mitleidig an. „Die ganze Theorie ist sicher langweilig."
Der Theorieteil ist ja nicht das Schlimmste. „Da sagst du was."
„Ach komm, lass uns herausgehen."
„Finn, da will uns wohl jemand unsere Lisa ausspannen."
„Ich sagte doch, schwieriger Fall mit schlechtem Einfluss."
Die beiden bringen einen immer zum Lachen. „Da seid ihr wohl selbst schuld, wenn ihr mich so lange vernachlässigt."
Man merkt an ihrer Art, wie lange sie sich schon kennen. Es ist schön, mitanzusehen. Dieser Moment wird durch das Klingeln meines Handys gestört. Ich schaue drauf. Der Name, der da steht, kann nicht einfach er sein. Er lag doch im Koma, wieso ruft er jetzt an?!
„Ich gehe mal kurz telefonieren." Ben ruft mir noch etwas hinterher, doch ich gehe aus der Bibliothek raus und drücke auf Annehmen. „Du bist dran gegangen", höre ich seine Stimme. Ich kann es nicht fassen. Ich weine vor Freude, dass er aufgewacht ist.
„Thomas, was wieso rufst du an?" Mich, die ihn ins Krankenhaus gebracht hat. Die, von seinen Eltern wegen versuchten Mordes angeklagt wurde. Ohne es zu merken, habe ich angefangen zu weinen. Was will er? Will er mich beschimpfen oder mich fragen, warum ich es ihm angetan habe? Warum habe ich das auch getan? Warte doch einfach ab, was er sagen will.
Seine Stimme ist spöttisch: „Wieso soll ich meine beste Freundin anrufen, die aus heiterem Himmel verschwunden ist? Ach, und die mich anscheinend töten wollte?"
„Ich woll...," meine Stimme bricht ab. Ich kann das nicht. Was soll ich ihm sagen?! Ihm, den ich fast ermordet hätte – meinen besten Freund. Ich lege auf, sacke an der Wand zusammen und weine.
Er ruft immer wieder an, aber ich kann das nicht. Was soll ich sagen oder tun? Er würde mir nicht glauben. Denn wer macht so etwas aus Versehen?!
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