*Reden ist Silber, Schweigen ist Gold*



Wir kommen in einem vermeintlich normalen Klassenzimmer an, aber sicherheitshalber sehe ich mich noch einmal gründlich um. Eine Tür mit mehreren eingeschnitzten Symbolen zieht meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Zeichen erinnern mich an die alten Schriftzeichen der Germanen, die wir letztes Jahr im Unterricht behandelt haben. Endlich mal etwas Nützliches gelernt!

Als ich wieder nach vorne blicke, bemerke ich, dass es doch einige Abweichungen zu einem gewöhnlichen Klassenzimmer gibt. Statt einer normalen Kreidetafel schreibt die Kreide von selbst, und das Licht kommt von schwebenden Kugeln, die sanft im Raum schweben.

Alle im Klassenzimmer starren Luna und mich an. Ich fühle das dringende Bedürfnis, einfach wieder herauszurennen, obwohl das wahrscheinlich noch peinlicher wäre. Können die nicht einfach woanders hingucken? Was, wenn ich mich vorstellen muss... oder noch schlimmer?

Bevor ich in Panik gerate, sagt der Lehrer: „Ah, da sind Sie ja endlich. Luna dachte schon, Sie kommen heute gar nicht mehr. Und das neben Ihnen muss die neue Schülerin Mariam sein. Setzen Sie sich, Luna. Mariam, stell dich bitte kurz der Klasse vor, und dann finden wir einen Platz für dich."

Der Lehrer stellt sich als Johann Meailns vor, der Wohnheimleiter der Vampire und gleichzeitig Musik- und Fokuslehrer. „Ich bin ein Vampir," fügt er beiläufig hinzu, als wäre das die normalste Sache der Welt. „Nennen Sie mich einfach Johann. Und wenn Sie sich vorstellen, erzählen Sie doch bitte etwas mehr als nur Ihren Namen und Ihre Hobbys. Keine Sorge, jeder war mal neu, und wir wissen, wie schwer das ist. Aber bevor wir noch mehr Unterrichtszeit verlieren, fangen Sie doch bitte an."

Er beginnt, eine Geschichte zu erzählen, die offenbar aus einem vergangenen Jahrhundert stammt, vielleicht sogar aus dem vorletzten. „Mein Zeitgefühl ist nach fast 300 Jahren nicht mehr das Beste..." Bla, bla, bla. Kann dieser Lehrer mal aufhören zu reden? Ich stehe hier vorne und alle starren mich immer noch an!

Schließlich sieht er mich erwartungsvoll an, mit einem Ausdruck, als würde er sich auf eine neue Süßigkeit freuen.

Mist, jetzt muss ich wirklich reden. Also, los geht's. „Ähm, ich bin Mariam Kastro, aber ihr könnt mich Mari nennen. Ich komme aus einem Internat in Kopenhagen und... ja." Meine Gedanken stocken, und ich weiß nicht, was ich noch sagen soll.

Also entscheide ich mich für den einfachsten Ausweg: „Falls ihr noch Fragen habt, dann fragt einfach." Vier Leute heben sofort die Hand. Luna, der Lehrer, ein Junge und ein Mädchen.

Ich wähle den Jungen aus, der am wenigsten redselig aussieht. „Anton von Lindenstein, ein Drache. Was bist du?" Er wirkt beleidigt, dass ich seinen Namen nicht kenne.

„Ich bin eine Begabte," antworte ich zögerlich. Er verdreht nur die Augen und flüstert seinem Sitznachbarn etwas zu, was beide überheblich grinsen lässt.

Ignorierend wähle ich das Mädchen mit den weißen Haaren aus. „Wieso kommst du mitten im Schuljahr?" fragt sie neugierig.

„Nun, ich habe erst vor zwei Wochen gemerkt, dass ich eine Begabte bin," antworte ich zögerlich. Die Klasse starrt mich verdutzt an. War das die falsche Antwort? Einige schmunzeln, und ich höre jemanden in der hinteren Ecke etwas wie „Wie dämlich kann man sein" murmeln. Großartig, jetzt machen sich alle über mich lustig.

Ich wähle Luna als Nächste aus. „Was kannst du so, oder anders gesagt, was hat dich hierhergebracht?" fragt sie neugierig. Ich beschließe, mit der halben Wahrheit zu antworten. „Nun, ich habe Dinge wegfliegen lassen." Das ist technisch gesehen wahr, obwohl das „Ding", das ich meine, lebte, und ich es fast umgebracht hätte. Aber das lassen wir mal lieber.

Luna erwidert nichts, also nehme ich die letzte Frage an. „Haben Sie einen Verwandten namens Leon Kastro?" fragt das Mädchen mit einem Hauch von Nostalgie.

Endlich eine normale Frage! „Ja, er war der Onkel meines Vaters, aber wir hatten keinen Kontakt."

„Interessant, er war ein alter Bekannter. Ich habe lange nichts mehr von ihm gehört, obwohl wir eine Zeitlang gute Freunde waren." Sie lächelt leicht, doch es schwingt eine Traurigkeit mit. Was gibt es hier noch alles? Geister vielleicht?

„Setzen Sie sich doch neben Maliska, hier vorne in der ersten Reihe," sagt der Lehrer. „Sie ist eine sehr gute Schülerin und wird Ihnen sicher helfen, wenn Sie nicht weiterkommen. Außerdem kann sie ihre Triebe gut unter Kontrolle halten." Er betont das, als wäre es hier von größter Bedeutung. „Das werden Sie selbst noch lernen," fügt er hinzu.

Nachdem ich mich hingesetzt habe, fährt der Lehrer mit seinem Unterricht fort: „Nun, wir analysieren gerade Beethovens 5. Symphonie. Ein sehr interessantes Werk, meiner Meinung nach..." Während er spricht, merke ich, dass das Desinteresse an Musiklehrern universell zu sein scheint. Manche Dinge ändern sich eben nie.

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