Geheimnisse
„Und falls irgendetwas sein sollte, ruft mich an! Meine Nummer habe ich euch aufgeschrieben. Er liegt in der Küche auf der Theke." Vinc und ich schauen uns an und nicken ihr nur zu. In den letzten drei Tagen haben wir beide gemerkt, dass Josie sehr besorgt um uns ist. Das sie länger als eine Nacht blieb, kam zudem auch etwas unerwartet...
Sie ist zwar sehr nett, aber ich freue mich, jetzt endlich Zeit mit Vinc allein verbringen zu können. Natürlich hat meine Mutter Josie von meinem gesundheitlichen Zustand erzählt. Ich schätze das ist der Grund, warum sie mich keine Sekunde aus den Augen gelassen hat. Immerhin ist die Sorge, dass ich ganz plötzlich tot umkippen könnte, nicht ganz unbegründet. Josie zieht uns beide noch einmal in eine letzte Umarmung, bevor sie in ihrem Wagen steigt und davon düst. Nachdem wir noch einen kurzen Moment gewinkt haben, merke ich, wie Vinc' mich von der Seite gerade zu mit seinem Blick durchbohrt.
Ich drehe mich zu ihm und frage verwirrt, was denn los ist. „Ach gar nichts. Fandest du die nicht auch irgendwie komisch? Die hat uns wie Babys behandelt, vor allem dich." Ich zucke mit den Achseln und mache mich schon wieder auf den Weg zu unserem Häuschen. „Ein bisschen speziell war die schon." Ich lege meinen Arm um meinen besten Freund. „Aber solange wir nicht anrufen, sehen wir die auch nie wieder." füge ich mit einem Zwinkern hinzu. Er nickt zustimmend und lächelt jetzt wieder.
Nachdem wir die Couch im Wohnzimmer, die Josie als Bett diente, wieder in ihrem Ursprungszustand zurück versetzt haben, lasse ich mich direkt auf selbige fallen. Früher hätte mir das absolut nichts ausgemacht, aber jetzt muss ich echt aufpassen, mir meine Kräfte gut einzuteilen. Vinc geht in die kleine Küche und ruft mir von hinter der Theke zu: „Willst du auch ein Glas Limo?"
Er beugt seinen Kopf ein wenig runter, damit ich ihn trotz der riesen Lampe, die über dem Esstisch hängt, sehen kann. Ich winke ab und nehme die Karte, die auf dem Couchtisch liegt und die Umgebung, umliegende Städte und vor allem Buslinien aufzeigt. Dank Herzenswünsche stehen uns alle Möglichkeiten offen und ich will noch viel sehen. In meinen Gedanken versunken höre ich erst beim zweiten Mal Vinc' Frage.
„Kommst du jetzt mit raus?" Er steht vor mir mit seinem Glas in der Hand auf dem Weg nach draußen. „Hm? Achso klar." Ich hieve mich hoch und folge ihm auf unsere Terrasse. Für zwei Leute ist dieses Haus wirklich lächerlich groß. Die Terrasse ist mit einer Bank und drei Stühlen, dem passenden Tisch und einer großen Feuerschale ausgestattet. Wir können direkt aufs Meer gucken und die Sonne glitzert, vor allem bei Sonnenuntergang auf der Wasseroberfläche.
Zur rechten Seite ist es felsig und es schafft uns ein wenig Privatsphäre, auch wenn an der ganzen Küste vielleicht zehn oder zwölf Häuser verteilt sind.Ein kleiner Trampelpfad führ von unserer Terrasse direkt runter zum Sandstrand, wo wir am ersten Tag direkt schwimmen gegangen sind. Vincent hat zwar keine Bemerkung gemacht, aber ich habe seine Blicke gesehen. Man sieht eben schon stark, dass ich abgenommen habe. Die zum Teil rausstehenden Knochen lassen sich eben schwer verbergen, gerade beim Schwimmen.
Vinc lässt sich auf der Bank nieder und setze mich auf den Stuhl daneben. "Wir haben immer noch kein Geld für das zweiter Flugticket." sagt er in die Stille hinein und klingt dabei besorgt. Ich versuche mir die aufsteigende Nervosität nicht anmerken zu lassen. "Ich hab doch gesagt, meine Mutter schickt mir das Geld bald." Während ich antworte, versuche ich meinen Atem runter zu regulieren.
"Ich finde das irgendwie unfair. Ich meine wir haben hier doch genug Zeit und ich habe eine Broschüre gesehen, dass Leute, die einen längeren Aufenthalt in Kalifornien planen, sich über kurze Arbeiten auf Feldern oder so Geld dazu verdienen können." Ich höre ihm zu während ich angestrengt versuche, mir eine Ausrede einfallen zu lassen. Seine Idee ist völlig logisch, wenn ich ihm nur dieses eine Detail nicht verschweigen würde. Aber ich kann es ihm noch nicht sagen. Nicht jetzt. Als ich Vinc meinen Namen sagen höre, wende ich meinen Blick vom Horizont und schenke ihm meine volle Aufmerksamkeit.
"Alles okay? Du bist in letzter Zeit öfter abwesend. Du weißt, dass du mit mir über alles reden kannst oder? Seine Worte sind wie eine Klinge. Ich komme mir plötzlich so unglaublich verlogen vor. Welches Recht habe ich, ihm nicht den wahren Grund zu erzählen, warum wir hier sind? Ich merke, wie meine Augen feucht werden und atme einmal tief ein, um meiner Emotionen Herr zu werden. Ich weiß, dass ich es ihm erzählen muss. Alles in mir schreit, dass das der richtige Moment für mein Geständnis ist.
Doch als ich in seine Augen blicke, seine warmen, haselnussbraunen Augen, die mich alles Schlechte, was mir in den letzten Wochen widerfahren ist vergessen lassen, kann ich es nicht. Ich ringe mit mir selbst, doch am Ende lächle ich nur schwach und antworte
"Ich bin nur etwas müde." und setze mich zu ihm auf die Bank. Wir beobachten die untergehende Sonne, ich lege meinen Kopf auf seiner Schulter ab und füge noch hinzu "wir können übrigens gerne arbeiten gehen, das ist eine echt gute Idee, um an Geld zu kommen" bevor mir die Augen zu fallen.
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