Between the Lines of Rassismus, Seximus und purer Dummheit - Gastrezension

ACHTUNG: Dies ist eine Gastrezension. 

Ich wiederhole: Eine Gastrezension

Autor: @Qatarcookie


Kritikfähigkeit ist eine Tugend. Also natürlich nicht, wenn es nach der Autorin namens YeonsinNightShade der White-Collar-Fanfiction „Between the Lines" geht.

Aber zuallererst, bevor wir uns der eigentlichen Geschichte widmen, sollten wir uns klarmachen: Diese Geschichte ist eine FF zu der Serie White Collar. Eine Figur aus der Serie ist deutlich auf dem Cover zu sehen und sowohl diese als auch noch eine weitere Person sind im Klappentext erwähnt. In den Tags kommen der Serienname sowie der Name des Schauspielers der Hauptperson der Serie vor.

Aber, werdet ihr jetzt fragen, wieso ist das von besonderer Bedeutung? Ist es nicht normal, dass eine FanFiction auch vorgibt, genau das zu sein? Genau, werde ich euch jetzt antworten, da liegt ihr vollkommen richtig! Also merken wir uns: Diese Geschichte will eindeutig als White Collar FanFiction gelesen werden.

Weiter im Text: Ich habe wertvolle Lebenszeit, aka eine langweilige Vorlesung, mit diesem Schund verbracht und fühlte mich schließlich geradezu genötigt, einen Kommentar zu hinterlassen. Der wurde natürlich – denn wie sollte es auch anders sein – sofort und unmittelbar von einem Fangirl der Autorin beantwortet, in dem sie mich als „Wattpad-Nervensäge" bezeichnet, weil ich Kritik geäußert habe. Außerdem dürfe man ja sowieso schreiben, was man will. Dem stimme ich tatsächlich zu, aber liebes Autorinnen-Fangirl: Wenn man eine Geschichte schreibt und diese dann online auf einer Plattform zur Verfügung stellt, die Kommentare erlaubt, dann sollte man auch damit rechnen, dass nicht jeder Leser alles super geil findet und die Autorin mit Komplimenten überschüttet, sondern tatsächlich auch damit, dass hin und wieder mal Kritik geäußert wird.

Aber widmen wir uns den Kritikpunkten, die ich in dem Schun... ich meine natürlich in der reizenden FanFiction hatte: Vier Figuren wurden aus der Serie übernommen, noch eine Peters fiktive Tochter Emily und irgendein reicher, austauschbarer Playboy-Kerl hinzugefügt.

Unser Protalein kehrt am Anfang der Geschichte von London nach New York zurück, es passieren Dinge, die so spannend waren, dass ich sie entweder überflogen oder vergessen habe, und im Endeffekt schläft sie erst mit Neal (aus der Serie), der seinen kompletten Charakter mit dem eines Kleinkindes getauscht hat, dann mit dem Playboy-Typen und dann entwickelt sich so ein nerviges Dreiecks-ich-weiß-nicht-wen-ich-wählen-soll-und-mein-Leben-ist-ja-so-hart-Ding, das nach dem millionsten Mal niemand mehr lesen will. Es ist auch nicht sonderlich innovativ geschrieben und bringt keinerlei spannende Neuerung, ist also vollkommen ersetzbar mit jeder anderen Geschichte.

Bekommt das erst einmal hin, wenn ihr die einzige FanFiction auf ganz Wattpad zu dieser Serie geschrieben habt! Das ist schon eine besondere Kunst...

Doch bevor unser Protaglein so richtig mit einem zur Sache kommen kann, wird erstmal die Putzfrau des Playboy-Kerls erwähnt, die natürlich Spanierin ist. Hätte die Autorin gewusst, dass Mexiko näher an den USA liegt, hätte sie wahrscheinlich den Stereotyp der putzenden Mexikanerin genommen, aber da Geographie auch wirklich schwer ist, verzeihen wir ihr diesen groben Fehler gerne. Weiterhin wird eine andere reiche Dame aus der Serie namens June mit folgendem Satz „perfekt" beschrieben: „Eine schwarze Frau öffnete die Tür."

Die Dame ist eine gutbetuchte Frau, die ein riesiges Gebäude in einer guten Wohngegend New Yorks besitzt und aufgrund ihrer Güte – und anderem Zeugs, das aber hier ohne Kenntnis der Serie zu tief gehen würde – Neal bei sich wohnen lässt. Ich bin mir sicher, dass „die schwarze Frau" nicht den Portier für besagten Neal spielen würde. Aber sie ist natürlich nur die „schwarze Frau" und die „schwarze Frau" hat gefälligst die Tür zu öffnen, denn sie ist immerhin die „schwarze Frau". Und genau hier haben wir eines der Hauptprobleme, die ich mit der Geschichte hatte: Dieser (unterschwellige) Rassismus, den die Autorin zutage bringt.

Wieso putzt bei dem weißen, reichen Kerl ausgerechnet die arme Spanierin/Mexikanerin? Wieso ist die einzige Charaktereigenschaft der in der Serie überaus coolen, reichen Lady, dass sie schwarz ist und die Tür öffnet? Denn Spoiler: Das sind überhaupt keine echten Charaktereigenschaften.

Das Signal, das mir die Autorin hiermit sendet, ist, dass sie nicht zweimal nachdenkt, wenn sie unterschwelligen Rassismus in ihre Geschichten einbaut. Da muss man mir auch nicht mit Zufall oder sonst irgendeiner Ausrede kommen. Wenn man sich Charaktere ausdenkt, dann hat man damit eine Intention, auch wenn man das vehement zu leugnen versucht. Wenn man alle nicht-weißen Charaktere für die weißen Figuren arbeiten lässt, dann ist das offensichtlicher Rassismus, der undiskutiert in dem eigenen Werk steht.

Das finde ich scheiße und habe dann natürlich ein Recht darauf, meine Meinung diesbezüglich auszudrücken.

Man darf schreiben, was man will, liebes Autorinnen-Fangirl? Nein. Nicht, wenn man damit rassistische Vorstellungen vertritt und verbreitet. Schreiben kann man's dann zwar immer noch, aber dann darf man auch mit Gegenwind rechnen.

Neben den arbeiteten POC haben die restlichen Charaktere aus der Serie nicht nur ihren kompletten Charakter verloren, sondern er wurde einfach mit den miesesten Beispielen von Eigenschaften ausgetauscht.

Neal sagt zu Anfang der Geschichte immer wieder random irgendwelche pseudo-charmant-verführerischen Sätze, die nie zum Gespräch passen oder irgendeinen Sinn machen. Aber das passiert eben, wenn man nicht versteht, was Social Engineering ist und wie es in der Serie eingesetzt wird. Denn Neals Worte ergeben eigentlich immer Sinn, erfüllen sogar einen speziellen Zweck und sind nicht nur random charmant zu irgendeiner Prota-Tusse. Aber auch zu Social Engineering gibt es genügend Lektüre, was der Autorin bestimmt helfen könnte. Ich habe da noch Hoffnung.

Dann ist unser offensichtlich verwirrter Neal, der weiterhin zufällig Sätze raushaut, auf einem Undercover-Einsatz in einer Vampirverkleidung (WTF?) in einem Club. Er macht genau die Dinge, die ich von jedem guten Verbrecher/FBI-Berater erwarten würde: Er streckt Protalein wie ein fünfjähriger die Zunge raus, füllt sie ab, wartet bis sie besoffen genug ist, bringt sie dann nach draußen und schläft mit ihr, ohne dass sie es will.

Serien-Neal: Respektvoll gegenüber Frauen und generell Grenzen von anderen Menschen. Flirtet oft mit Frauen, aber meist auch aus speziellen Gründen und nicht nur weil er mit jeder in die Kiste steigen will.

FF-Neal: Vergewaltigt das nächstbeste Protalein auf einem Undercover-Einsatz, weil er da scheinbar nichts Besseres zu tun hatte.

Doch ja, sehr glaubwürdig, diese FF. Es wird auch nicht diskutiert oder an den Pranger gestellt, dass er sie gefügig macht und dann vergewaltigt, sondern es ist eben einfach so.

Mary-Em-Sue sieht den Fehler daraufhin bei sich, weil sie ja „zu schwach war, nein zu sagen". Außerdem war der Alkohol an der Situation Schuld und sowieso. Nein. Einfach nein. Die Autorin sollte diesen moralisch verwerflichen Mist nicht einfach unkommentiert stehen lassen. Eigentlich sollte sie ihn nicht mal schreiben. Aber natürlich ist es mir nicht erlaubt, das zu kritisieren. Wer wäre ich denn, dies zu tun? Ach ja, die Wattpad-Nervensäge.

Peter und Elizabeth, die auch in der Serie wichtige Rollen spielen, behalten zwar ihre Namen, aber das war's auch dann auch schon. Dafür kommt eine neu erfundene, weibliche Figur dazu, mit der sich das Protaleinchen für zehn Sekunden normal unterhält und dann ganz schockiert meint: „Ich habe noch nie eine normale Konversation mit einer gleichaltrigen weiblichen Person gehalten, deswegen glaube ich, bin ich so geschockt. Es gibt also doch nicht nur Zicken?"

An dieser Stelle würde ich euch alle bitten, diesem perfekt eingebrachten Sexismus einmal gebürtig zu applaudieren. Natürlich sind im Weltbild von Mary-Emily-Sue alle Frauen Zicken. Denn, ich meine... hier... dings... also, ist halt so. Voll normal. Natürlich wissen wir, als FF Experten, dass das nur so ist, damit die Sonderstellung von Em-Sue und ihrer neuen besten Feundin klar wird. Aber alle anderen Frauen haben gefälligst scheiße zu sein! Die zicken eben den ganzen Tag nur rum! Das wird man ja wohl noch schreiben dürfen!

Da wir jetzt schon Rassismus und Sexismus abgedeckt haben, fehlt natürlich nur noch pure Dummheit! Aber keine Sorge, auch hiermit versorgt uns diese FF. Eigentlich habe ich nur die ersten paar Kapitel gelesen, aber weil mich der Dozent wahrscheinlich rausgeschmissen hätte, wenn ich in der Vorlesung mein Handy angeschrien hätte, konnte ich einfach nicht weitermachen.

Trotzdem habe ich noch einen super-duper-überraschenden und gar nicht vorhersehbaren Plottwist mitbekommen: Protalein spürt ein Zwicken an den Brüsten und ein Ziehen im Unterleib, woraus die einzige nicht-zickige weibliche Person auf der Erde natürlich sofort schließt, dass Emmy-Sue schwanger sein muss. Ich bin ja kein Arzt, aber bin mir dann doch relativ sicher, dass das nicht der endgültige Beweis einer Schwangerschaft ist.

Einige Menschen haben dieselben Symptome, wenn sie ihre Periode haben, andere spüren sowas mal für zwei Tage und dann geht es wieder weg, ohne dass irgendetwas schwerwiegendes in ihrem Körper passiert ist. Diese „Symptome" muss überhaupt nichts bedeuten, aber Protalein und ihre neue beste Freundin nehmen das als absoluten Beweis einer Schwangerschaft. Aber jetzt gibt es dadurch noch mehr Liebesdreiecksdrama, denn nun ist nicht klar, wer der Vater ist: Neal oder der Playboy-Kerl.

Hey, Autorin! Du willst mir also wirklich erzählen, dass deine perfekte Prota tatsächlich mit zwei Männern ungeschützten Geschlechtsverkehr hatte? Benutzt die eigentlich ihre Gehirnzellen oder sind die nur zur Zierde?

Ich bin jetzt mal so frei und werde diese Frage selbst beantworten: Natürlich nicht! Denn Plot ist Plot und wenn der Plot will, dass es diese dramatisch spannende Wendung gibt, dann muss halt die Prota und der jeweilige Sexpartner die Verhütung völlig vergessen haben. Sind ja nur alles erwachsene Menschen! Okay, Prota und Playboy sind beide Erfindungen der Autorin und damit womöglich auf dem geistig entsprechendem Niveau, aber Neal war in der Serie bei solchen Dingen, soweit ich das mitbekommen habe, tatsächlich dann doch ganz verantwortungsbewusst. Ich meine, wie alt ist der? Zwischen dreißig und vierzig? Sollte nicht wenigstens der extrem raffinierte, FBI-beratende, Ex-Häftling und Social Engineer, der sechsstellige Zahlen im Kopf addieren kann und zufällig an einer Fußfessel hängt, an ein scheiß Kondom gedacht haben?!

NEIN, WEIL PLOT!

Das war dann auch die Stelle, an der ich aufgegeben habe, weil ich es einfach nicht mehr ausgehalten habe. Ihr wisst ja, Dozent und Handy anschreien sind keine gute Kombi...

Wir erinnern uns: Diese Geschichte will eindeutig als White Collar FanFiction gelesen werden, aber die handelnden Figuren sind alle „between the lines" of rassistisch, sexistisch, übergriffig und einfach nur dumm, doch die Autorin stellt keine der Handlungen in Frage.

Also musste ich einen Kommentar schreiben. Aber weil ich ja ein von Grund auf netter Mensch bin, war das, was ich erwähnt habe, nur, dass ich es schade finde, dass bei einer FF zu einer Serie die Figuren lediglich ihre Namen behalten und ansonsten gegensätzlich zu ihren eigentlichen Eigenschafen handeln. Die Reaktion vom Autorinnen-Fangirl war dazu war daraufhin sehr reflektiert und passend, wie wir alle sehen konnten.

Nachdem Fangirlchen, wie ich sie liebevoll nenne, mich, diese Wattpad-Nervensäge, zurechtgewiesen hat, hat dann tatsächlich noch die Autorin der Geschichte mit einem ellenlagen Kommentar reagiert, in dem sie mir erklärt, dass man ja sowieso alles schreiben darf, was man will. Ja, darf man. Also darf ich auch deine Geschichte kritisieren, Schätzchen. So läuft das nun mal.

(Dann kam ein Spoiler des Endes der Serie. Danke, wirklich! Ich meine das ernst. Genau das habe ich gebraucht, um diesen ellenlangen Text über deinen Schund von Geschichte zu schreiben.)

Aber das war natürlich noch nicht alles: Diese Geschichte wäre ja angeblich gar keine richtige White Collar FF und deswegen dürfe die Autorin ja auch alles schreiben, was sie wolle. Es würde ja auch FFs geben, in denen heterosexuelle Menschen plötzlich lesbisch wären. Äpfel, Birnen und... muss ich dazu eigentlich etwas sagen?

Natürlich ist in einer FF nicht alles, wie in der Serie, aber das hat doch auch niemand erwartet. Aber alle vorkommenden Personen konträr zu ihrer eigentlichen Persönlichkeit und moralisch verwerflich handeln zu lassen, ist auch nicht der Sinn einer FF.

Denn dann hätte die Autorin eine eigene Geschichte schreiben müssen und sich nicht der Beliebtheit einer bekannten Serie bedienen müssen, um Reads zu generieren.

Denn, ganz ehrlich: Ich habe diese Geschichte nur gefunden, weil ich nach White Collar FFs gesucht habe. Wenn es nämlich nicht nur sehr wenige davon auf Wattpad geben würde, würde die 08/15 Handlung wahrscheinlich im Wattpad-Algorithmus untergehen und niemand würde sich für diesen Mist interessieren.

Aber hey, das wäre besser als die aktuelle Situation: Es würden wenigstens keine sexistischen und rassistischen Vorstellungen weiterverbreitet werden.


Herzlichst,

Die Wattpad-Nervensäge



(IFindYourPlotholes bedankt sich für den Beitrag)

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