Das mit dem schreiend aus dem Auto rennen war im nachhinein betrachtet dann doch nicht die beste Idee des Tages. Vielleicht hätte es bei einem Stuntman ja ohne Probleme geklappt, allerdings war ich nicht mal ansatzweise in diesem Business tätig und dementsprechend blamabel war meine ganze misslungene Flucht.
Zuerst hatte ich nicht mal die Autotür auf bekommen, und Nein es war nicht die Kindersicherung. Ich war einfach nur zu dumm um die Tür auf zu drücken. Jedenfalls kam ich dann auf die glorreiche Idee, aus dem Fenster zu klettern.

Ja, richtig.

Ich wollte aus dem Autofenster klettern.

Die Betonung lag auf ich, klettern und Autofenster.

Meiner inneren Stimme hatte es zu diesem Zeitpunkt die Sprache verschlagen, irgendwas hatte ich also doch richtig gemacht.
Ich lugte also kurz zu meinem einstigen Retter der gerade damit beschäftigt war zu Helene Fischer und Andrea Berg so richtig abzugehen und meinen Fluchtversuch somit gar nicht erst bemerkte. Im nachhinein fragte ich mich warum zum Teufel ich ihn nicht einfach gebeten hatte anzuhalten oder andere Musik zu hören aber ich wollte anscheinend mal wissen wie es ist, Stuntwoman zu sein.
Lange Rede kurzer Sinn: Ich kurbelte, ja kurbelte das sollte dann wohl alles über den Typ und seine Schrottschüssel erklären, die Fensterscheibe hinunter, sagte:,,Danke fürs mitnehmen aber den Rest schaff ich schon alleine!", und zog mich dann in das Fenster. Allerdings hatte ich zwei linke Hände, überhaupt keine Kraft in den Armen und die Koordination eines schwangeren Walrosses an Land und blieb deshalb mitten drin stecken. Ich wollte nicht wissen was die vorbeifahrenden Autos und Menschen dachten, vermutlich, dass ich sonst was für Störungen hatte und besser mal die Klapse von innen sehen sollte. Mein Kopf und ein Teil meines Besuches ragten aus dem Fenster heraus und ich steckte wie ein gestrandeter Wal mitten im Fenster fest, unfähig mich auch nur einen Millimeter zu bewegenden. Wie eine Bekloppte strampelte ich mit den Beinen und versuchte irgendwie aus dem Fenster zu kommen. Ich verstand nicht warum ich nicht weiter mit dem Bauch in Richtung Amatur kam, bis Gisela aufstöhnte. ,,Du hast dich nicht abgeschnallt du Depp!"

Fuck, Anfängerfehler!

,,Und was jetzt?", fragte ich stöhnend. Ich musste mal wieder aufs Klo und diese Position war nicht gerade von Vorteil. ,,Wie wäre es mit: Abschnallen?", fragte Gisela genervt. ,,Wie soll ich mich bitte abschnallen?!", fragte ich, mindestens genauso genervt, zurück. ,,Falls du es noch nicht bemerkt hast, ich komm mit meinen Händen nicht an das Abschnallteil!" Meine innere Stimme stöhnte in Frustration auf. ,,Kathi du bist die welltdümmste Person die es jemals gegeben hat und die es jemals geben wird!"

Was sie nicht sagte...

,,Vielen dank!", gab ich bissig zurück und gerade als ich noch zu einem etwas unfreundlicheren Gegenkonter ansetzen wollte, passierte es: Irgendwie war es meinem Fuß gelungen auf den roten Knopf des An- und Anschnallers zu drücken und der Gurt schoss zurück. Natürlich hatte ich gleichzeitig mit aller Kraft versucht aus dem Gurt zu kommen und da der mich jetzt nicht mehr daran hindern konnte flog ich wie ein nasser Sack Kartoffeln aus dem Autofenster. Mein einer Arm flog dabei vorraus und da ich auch noch rot angezogen war, könnte man meinen, dass ich ziemlich miserabel Superman imitieren wollte.
Was danach passiert ist konnte ich nicht sagen, ich musste wohl mit dem Kopf vorraus auf der Straße gelandet und deshalb ohnmächtig geworden sein, jedenfalls wurde ich erst wieder wach, als mir jemand ziemlich fest auf die Wange schlug. Dann realisierte ich auch das ich im Krankenwagen lag.

Fail des Jahres!

,,So Frau Gronberg, jetzt mal ganz langsam und für das Protokoll: Was genau ist passiert?"
Man soll ja nicht meinen das ich ein hoffnungsloser Versager war, aber das hier sprengte sogar meine Vorstellungskraft. Nie hätte ich gedacht, dass mir das passieren würde.
,,Ich bin wohl auf dem Kopf gelandet.", antwortete ich langsam, betend, dass ich nicht weiter ausholen musste. Dem Sanitäter schien das zu reichen, er notiere sich etwas und nickte dann einem gut gebauten Mann zu. ,,Gut, wir können. Melde uns Bitte mit Verdacht auf SHT im Theresienkrankenhaus an."

Wow

Wow

Wow

Langsam

,,Warum soll ich bitte mitkommen?!", fragte ich sofort. ,,Weil wir Sie mit Verdacht auf ein SHT und mehreren Kontusionen in die Notfaufnahme für ein ganzkörper CT bringen müssen." Das traurige war ja, dass ich nicht mal nachfragen musste, was SHT und Kontusionen bedeutet. Ich hatte schon einzige Schädel-Hirn-Traumen und inzwischen unzählige Prellungen. Deshalb konnte ich mit Sicherheit auch sagen, dass ich KEIN SHT hatte und sie mich einfach nach Hause gehen lassen sollten. Das teilte ich dem lieben Herrn Sanitäter auch mit, der erst gar nicht begeistert war, dann aber stutzte. ,,Wie war Ihr Name noch gleich?" Er sah mich musternd an und ich schluckte. ,,Katharina Gronberg.", antwortete ich mit leicht roten Wangen. Der Sanitäter grinste. ,,Na dann ist ja alles klar. Ich hole schnell das Formular auf dem Sie bitte unterschreiben, dass Sie sich freiwillig der Behandlung im Krankenhaus unterziehen. Sie werden ja wohl am besten Wissen wie sich ein SHT anfühlt." Zwinkernd öffnete er eine Schublade und gab mir das Klemmbrett. ,,Unten links bitte." Ich wollte gerade unterschreiben als die Tür des Krankenwagens aufgerissen wurde und ein Junge mit hochrotem Kopf hereingestürmt kam. Vor schreck viel mir das Klemmbrett aus der Hand.
,,Kathi, was ist hier los?!" Christian hielt sich schweratmend an der Trage fest, hechelte wie ein Hund und sah abwechselnd fragend von dem Sanitäter zu mir und von mir zum Sanitäter. Augenblicklich wurde ich krebsrot und schloss die Augen, betend, dass der Sanitäter nichts von meiner kopflosen Aktion mitzubekommen hatte.
,,Wir wollten Ihre Freundin gerade ins Krankenhaus eingeliefern, aber sie hat sich freiwillig gegen die Behandlung entschieden, da sie sich ja bestens mit Verletzungen auskennt.“ DAS letzte sagte er mit einem zwinkern und dann fiel es mir wie Schuppen vor die Augen. ,,Patrick?!“, fragte ich Fassungslos und er nickte vergnügt. ,,Ganz genau. Schön dich mal wieder zu sehen!“
Meine Gesichtsfarbe musste wohl einer überreifen Tomaten gleichen, jedenfalls fühlte ich wie meine Wangen glühten. Christian sah mich kurz mit gerunzelter Stirn an, dann fragte er ungläubigen: ,,Sie können sie doch nicht einfach so gehen lassen. Was, wenn nicht doch irgendwas gebrochen ist?!“ Pat hob das Klemmbrett auf und reichte es mir, dabei antwortete er: ,,Wir haben einmal ihren Körper notfallmäßig abgetastet, alles unauffällig. Auch da sie weder Kopfschmerzen noch Schwindel oder sonstige Beschwerden angegeben hat. Wenn später doch irgendwelche Probleme auftreten sollten, rufen Sie bitte sofort den Notarzt oder begeben Sie sich umgehend in die Notaufnahme.“ Wir nickten beide. Chris sah immer noch nicht überzeugt aus, nahm es aber hin. ,,Es wäre gut wenn du zum Hausarzt gehst und dir eine Überweisung fürs MRT oder CT holst, einfach zur Kontrolle nicht das doch etwas kaputt ist.“ Augenblicklich begann Chris zu grinsen, böse streckte ich ihm die Zunge raus. ,,Depp!“, fluchte ich ihn an. Er lächelte lieb. ,,Dann fahren wir gleich zum Arzt.“ Pat stimmte zu, gab mir ein High-Five, wünschte uns alles gute und sagte verschmitzt: ,,Bis bald mal wieder!“
Ich hatte mich schon gefreut das Chris nicht gefragt hatte woher wir uns kannten und was eigentlich passiert war, aber ich hatte mich zu früh gefreut. Wir saßen noch nicht richtig im Auto als er los donnerte: ,,Katharina Gronberg, was zum Teufel war das?! Ich hab mir ja gedacht, dass du nicht nach Hause findest ABER wie hast du es bitte geschafft im RTW zu landen?! Das Jahr ist noch keine zwei Tage alt und du schaffst es schon wieder ins MRT zu müssen!“
Scheu lächelte ich ihn an, das würde eine lange Standpauke mit sich führen...