Tagtraum und Kuss
,,Frau Gronberg. Ich verhafte Sie hiermit wegen Einbruch und Sachbeschädigung!"
Handschellen klirrten. Meine Schulter wurde heruntergedrückt. Ein Polizist packte meine Schulter und führte mich ab. Er brachte mich in ein blau weißes Auto. Ein Polizeiauto. Ich wurde auf die Rückbank gedrückt. Links und rechts neben mir saßen zwei maskierte Männer. Beide rochen stark nach Alkohol. Lallend begrüßte der eine den Polizisten: ,,Wen haben Sie denn mitgebracht?" Er grabschte nach meinem Arm. ,,Hey süße, Lust auf 'ne schnelle Runde auf dem Rücksitz?"
Angeekelt rutschte ich weiter nach rechts. ,,Du willst mit mir? He Lukas die Kleine hat Geschmack!" Seine Alkoholfahne wehte mir ins Gesicht. Ich musste mich zusammenreißen um mich nicht auf seinem Schoß zu übergeben. ,,Nicht reden!", donnerte jemand von vorne. Ein Polizist. Er hatte ziemliche Ähnlichkeit mit dem dicken Polizisten der mit vier anderen vor einigen Tagen bei mir geklingelt hatte. Wegen der Mordsache an dieser Heilbronner Studentin. ,,Wir bringen Sie jetzt auf die Polizeiwache und morgen werden Sie dem Haftrichter vorgeführt!"
Er startete den Motor und fuhr los. Sein Kollege schrieb unterdessen Protokoll. ,,Soso mit zwanzig schon im Knast wegen Einbruch. Na Sie haben sich Ihre Zukunft zerstört, dass kann ich Ihnen sagen!"
Ich wollte das doch alles nicht. Ich wollte doch nur die Aufnahme der Überwachungskamera meines Nachbars löschen. Keine Sachbeschädigung oder sonstiges! Aber diesen Satz sagte wohl jeder. Keiner wollte, dass es so endete. Jeder wollte nur eben schnell irgendwas, aber doch nicht so wie es letztendlich ausging.
,,Aussteigen!", rief dann der andere, ebenfalls dicke Polizist.
Nacheinander wurden wir aus dem Auto gezerrt. Ein Polizist drückte meine Schulter so fest, dass ich dachte sie würde brechen. ,,Ich hatte letztes Jahr einen Armbruch. Würden Sie bitte etwas weniger drücken?" Er verstärkt den Druck. ,,Die Tricks kennen wir doch schon alle. Ruhig sein!"
Er führte mich in einen langen Gang. Irgendwann blieb er stehen, schloss die Tür auf und schubste mich herein. Ich fiel hart auf den Boden. Der Polizist zog mich wieder nach oben, befreite meine Hände von den Handschellen und brüllte: ,,Morgen früh Punkt fünf Uhr Weckzeit!", dann haute er die Tür zu und ging.
Ich dachte die Wände würden näher kommen. Mein Herz klopfte panisch. ,,Holen Sie mich hier raus!", brüllte ich. Aber keiner antwortete. Ich sackte zusammen und schlief ein.
Geweckt wurde ich durch einen tritt in den Rücken. ,,Aufstehen!" Sofort als ich stand bekam ich Handschellen. Dann wurde ich in einen Saal geführt wo ein Mann saß der aussah wie mein Mathelehrer. Er las sich etwas durch dann sagte er : ,,Sie sind schuldig. Zehn Jahre Gefängnis!" ,,Nein!", rief ich panisch. ,,Ich will nicht ins Gefängnissen. Bitte nicht!"
,,He Blondie alles ok?!"
Eine Hand wedelte vor meinem Gesicht herum. Sofort fuhr ich nach oben. Mein Atem ging zittern. Meine Augen scannen den Raum ab. Alles sah so aus wie ein Wohnzimmer und nicht wie ein Richtersaal. Ich hatte einen Tagtraum, oder wie man das nennen wollte, gehabt. Braune Augen die mich besorgt und belustigt musterten stachen mir ins Auge. ,,Wie kommst du denn auf Gefängnis?"
Dieser Satz setzte mich endgültig wieder in das hier und jetzt zurück. Nur mit Mühe rutschte mir ein: ,,Ich bin bei dir eingebrochen und du wirst die Polizei rufen.", gerade so nicht heraus.
Oder?
,,Warum sollte ich die Polizei rufen? Du hattest Sehnsucht nach mir. Kann ich ja auch verstehen. Ich würde mich auch vermissen." Eingebildet fuhr sich mein Gegenüber durch seine Haare und verwuschelte sie leicht. Gott sah das gut aus!
Plötzlich boxte mir von innen jemand an den Kopf. ,,Kathi man. Reiß dich zusammen!"
Wie konnte sie verlangen, dass ich mich zusammenreißen sollte?!
,,Gisela er sieht so heiß aus. Diese Augen!"
,,Dankeschön. Ich weiß, dass ich gut aussehe!"
Verdammt! Warum musste ich meine Gedanken eigentlich immer laut aussprechen?
,,Ehm ja." Ich konnte spüren wie meine Wangen anfingen zu glühen. Meine Mutter würde mich jetzt sofort in die eiskalte Badewanne verfrachten und Wadenwickel gegen das Fieber geben.
,,Warum hast du nicht geklingelt?" Seine Augen blickten mich neugierig an.
Weil ein Einbrecher nicht klingelt, aber das konnte ich ihm ja schlecht so sagen.
,,Ehm..."
Ein weiterer Schlag traf mich an meiner Schläfe. ,,Sag jetzt bloß nichts falsches!"
,,Die Klingel ging nicht."
Und damit hatte ich einen weiteren Schlag bekommen. ,,Was Blöderes hättest du echt nicht mehr sagen können!"
Nachdem sich Christian erneut durch die Haare fuhr sagte er: ,,Und deshalb steigst du durch Fenster?" Die Belustigung in seiner Stimme war nicht zu überhören.
,,Ja also ehem..."
Ich wusste nicht was ich sagen sollte. Die Situation war mehr als nur unangenehm fuhr mich. Ein etwas was sich Gisela nannte, meldete sich: ,,Sag am besten nichts mehr!"
Jetzt fing sie auch noch an sich mit mir zu unterhalten. Ich konnte doch schon meine eigenen Gedanken nicht mehr mit dem Gespräch von Christian unterscheiden und jetzt kam auch noch sie dazu. Auch wenn es hieß: Frauen sind Multitaskingfähig, war diese Fähigkeit bei mir so was von nicht zu finden.
,,Sch. Sei still!" Auf keinen Fall durfte ich anfangen mich mit ihr zu unterhalten! Das würde in einer Katastrophe enden!
,,Ach du führst sogar Selbstgespräche?"
Ich hatte es vorhergesagt. Dazu brauchte man nicht mal hellseherische Fähigkeiten. Jeder der mich kannte wusste schon, dass ich nicht viel konnte, und das alles auch auf keinen Fall gleichzeitig.
,,Nein. Mach ich nicht."
Vielleicht würde er es mir ja glauben. Ich führte ja wirklich keine Selbstgespräche. Diese Stimme konnte ich mir nicht eingebildet haben, wie gesagt Kreativität und Fantasie waren bei mir nicht zu finden.
Gisela lachte mich aber nur aus. ,,Sag ihm 'nen Gruß!"
Oh sie sollte doch einfach still sein! Es reichte doch schon, dass die halbe Welt mich für verrückt hielt, dann sollte wenigstens Christian sehen, dass ich einiger Maßen normal war. Auch wenn ich wusste, dass ich es definitiv nicht war....
,,Doch du sprichst mit dir selbst!" Er beharrte darauf. Konnte ich ihm nicht mal übel nehmen. Ich wollte nicht wissen, was ich denken würde, wenn ich mich auf offener Straße sehen würde.
,,Du würdest im Irrenhaus anrufen und sagen, dass sie einen Patienten verloren haben!" Ich würde Gisela eigenhändig umbringen. Aber erst musste ich das mit Christian klären.
,,Nein! Ich führe wirklich keine Selbstgespräche. Ich führe eine sehr interessante Konversation mit Gisela, meiner inneren Stimme. Ich soll dich schön grüßen!"
Das konnte ich jetzt nicht ernsthaft laut gesagt haben! Selbst Gisela stimmte mir nach langer Zeit mal wieder zu: ,,Jetzt denkt er endgültig das man dich eigentlich einweisen müsste!"
Ich gab ihr recht. Wer so etwas laut sagte, der sollte wirklich mal die Psychiatrie von innen sehen.
,,Ach wirklich? Na dann grüß sie mal zurück!"
Christian lachte. Ob er es ernst meinte, konnte ich nicht sagen. Wohl eher dachte er, dass ich wirklich aus der Psychiatrie ausgebrochen war.
,,Gruß zurück." Musste sie jetzt wirklich auch noch antworten? Ich seufzte. ,,Gisela sagt Gruß zurück."
Er blickte mich aufmerksam an. ,,Du weißt, dass du verrückt bist oder?"
Ja. Das wusste ich. Sehr gut sogar. Ich war nicht nur verrückt ich war mehr als das. Gestört, verrückt, verplant, tollpatschig und was für Adjektive meinen nicht gerade normalen Charakter beschrieben.
,,Aber ich mag verrückte Mädchen."
Mein Herz klopfte aufgeregt. Es fühlte sich, als würde es gleich abheben. Wie ein Hubschrauber der kurz vor dem starten war und seine Propeller warm laufen ließ. War das ein Kompliment? Ich wollte es nicht wissen.
,,Ja das war es!"
Er beugte sich zu mir herunter. Sein warmer Atem mischte sich mit meinem. Ich spürte wie ich zitterte. Meine Hand zitterte als hätte ich Schüttelfrost. Christian nahm sie Hand. Mit meiner ganzen Selbstbeherrschung schaffte ich es, ein quicken zu unterdrücken.
Er nimmt meine Hand!
,,Was hast du gemacht?" Aufmerksam blickte er mich an. Ich musste meine Gedanken erst sortieren. ,,Mich mit Gisela und dir unterhalten." Und dann versucht nicht anfangen wie ein kleines Kind anfangen zu quietschen. Das hatte ich Gott sei Dank ausnahmsweise mal nicht laut ausgesprochen.
,,Ich meine was hast du mit deiner Hand gemacht?"
Nun ja. Eure Blumen von der Fensterbank gefegt.
,,Ich ehem bin... „ Man war das unangenehm. Ich konnte ja nicht sagen das ich eingebrochen bin, auch wenn wir beide wussten das es so war. ,,Ja also ehem..."
Hatte Jemand eine Ausrede für mich?
,,Blumentöpfe haben scharfe Kanten.", gab ich dann nicht sehr geistreich von mir. Ich konnte auch nur so einen Mist von mir geben. Gisela seufzte frustriert: ,,Geh dich vergraben Kathi!"
,,Wie meinst du das?"
Es war ihm noch nicht aufgefallen?!
,,Was soll mir aufgefallen sein?"
Vielleicht das euer ganzes Wohnzimmern voll mit Erde ist. So was würde ja selbst mir auffallen.
Plötzlich donnerte irgendwo etwas los: ,,Was ist hier los?"
Eine wütende Stimme unterbrach uns. Wir fuhren herum und blickten direkt Herrn Schneider an. Ich erstarrte. Mir blieb vor Schreck die Zunge im Hals stecken.
,,Christian was ist hier los?", fragte er schneidend.
Jetzt war ich wirklich tot. Er hatte mich an meiner Haustür nicht ermordet, dass würde er jetzt nachholen.
,,Papa hier gab es einen Unfall.", versuchte Christian es zu erklären.
Ich werde meine Beerdigung planen müssen...
,,Was für einen Unfall? Und was machen Sie hier um kurz vor Mitternacht?"
Nun ja, ehem einbrechen...
,,Opa wir waren im Kino.", antwortete Christian schnell, wahrscheinlich hatte er Angst ich würde wieder irgendeinen Mist von mir geben. Diese Angst war auch mehr als berechtigt.
,,Im Kino? Um diese Uhrzeit? Und warum ist Frau Gronbergs Hand voller Blut und", er wurde blass, ,,meine Geranien auf dem Boden und die Töpfe kaputt?"
Geranien?!
Es war offiziell.
Ich würde sterben.
Geranien waren neben den Rosen sein Heiligtum.
Gisela verabschiedete sich auch schon von mir: ,,Tschüss Kathi, war nett dich kennengelernt zu haben!"
Christian versuchte noch zu retten was zu retten war aber ich stellte mich metallisch schon auf meine baldige Hinrichtung ein. ,,Ehm ja. Das Fenster war offen und es musste wohl einen Windstoß gegeben haben."
Aber irgendwie fragte ich mich auch warum Christian mich eigentlich in Schutz nahm. Ich war schließlich bei ihnen eingebrochen und er nahm mich in Schutz. Vielleicht machte er das ja auch nur damit er mich mit irgendwas erpressen konnte. Wer weiß, vielleicht müsste ich ihm ab morgen jede Woche tausend Euro geben oder ich würde seine Sklavin sein. Naja ich sollte nicht übertreiben, er könnte schließlich auch einfach nur nett sein aber so jemanden gab es ja eigentlich nicht.
,,Vielleicht steht er auch einfach auf dich!" Ich verdrehte die Augen. Gisela sagte doch noch etwas. Also würde das ermorden erst später passieren auch wenn Gisela nur Schwachsinn redete. Warum sollte so ein Junge wie Christian ausgerechnet auf einen Trottel wie mich stehen?! ,,Das hast du im Krankenhaus und in der Schule auch schon gesagt.", sagte ich zum Glück in Gedanken zu ihr. War ja aber auch so! Erst wollte sie mich mit dem Chefarzt Harry Potter aus dem Krankenhaus verkuppeln und danach mit Herrn Alfons, meinem Geschichtslehrer.
,,Ihr macht das hier sauber!", sagte Herr Schneider und mit diesen Worten verschwand er und Christian und ich waren alleine. Mir wäre es ja lieber gewesen er wäre dabei geblieben. ,,Ein dreier!", lachte Gisela und wenn ich nicht so nervös gewesen wäre hätte sie eine nicht sehr freundliche Antwort von mir erhalten, so beschränkte ich mich tödliche Blitze in meinen Kopf zu feuern und zu hoffen, dabei keine meiner wenigen Gehirnzellen zu treffen.
Irgendwann, mir kam es vor wie Stunden dabei waren es nur wenige Sekunden in denen Christian mich einfach nur angeschaut hatte, zog er mich nach oben. ,,Komm mit. Du brauchst ein Pflaster sonst verblutest du mir noch."
Mein Herz setzte für eine Sekunde aus.
Hatte er wirklich mir gesagt?
Sonst verblutest du mir noch...
Mein Herz begann rasend schnell zu klopfen.
Er nahm meine unverletzte Hand und führte mich in die Küche. Dort drückte er mich auf die Eckbank. ,,Warte hier." Ich blickte ihm hinterher wie er aus der Küche ging. Verhindern konnte ich es nicht aber ich starrte auf seine breiten Schultern. Man ich mutierte echt zum Stalker!
Keine zwei Minuten später kam er mit einem Verbandskasten zurück. ,,Das muss desinfektiert werden. Sonst entzündet sich das noch." Er sprühte eine stinkende Flüssigkeit auf meine Hand was sofort wie Feuer brannte. ,,Zähne zusammenbeißen!", fuhr ich mich in Gedanken an und zwang meine ganze Selbstbeherrschung jetzt nicht zu versagen. Er nahm sich eine Pinzette und ging in meine Wunde. Ich biss mir auf die Lippe um nicht zu schreien. Es tat furchtbar weh und vor allem brannte es wie die Hölle.
Nach einer Ewigkeit erlöste er mich: ,,So du hast es geschafft." Erleichtert atmete ich aus und sah wie eine blutrote Scherbe auf dem Tisch lag. ,,War die in meiner Hand?", fragte ich und als ich das blaue Tischtuch sah, drehte sich mir beinahe mein Magen um. Ein schöner, kreisrunder Fleck war nun gut sichtbar auf dem feinen Stoff. Ich hoffte, dass den die alte Frau Schneider wieder heraus bekam. Nicht, dass ich auch noch ein Tischtuch aus Seide zahlen musste. Mein wahrscheinlicher Retter nickte. ,,Ja die war in deiner Hand. Sei froh, dass sie nicht größer war. Viel hätte nicht gefehlt und ich hätte dich ins Krankenhaus zum Nähen gebracht."
Bei dem Wort „Krankenhaus" zuckte ich zusammen. Davon hatte ich jetzt wirklich genug.
Christian stand auf und ich tat es ihm gleich. ,,Was machst du morgen?" Das war eine gute Frage. ,,Eigentlich noch nichts. Und du?" Er grinste frech. ,,Mich mit der treffen."
Ich wurde rot und sagte nichts. Aber mein Herz klopfte wie noch nie.
Er brachte mich noch zu der Tür zog er mich dort in einen Umarmung. ,,Gute Nacht.", hauchte er und gab mir noch ein Küsschen auf die Wange. Nun hatte mein Herz eine Explosion verursacht und tausende kleine Schmetterlinge tanzten nun in meinem Bauch herum. Das hatte er ja wirklich toll hinbekommen. Jetzt hatte ich mich also wirklich in weniger als einer Stunde in jemanden verliebt. Und da sollte noch jemals jemand sagen: ,,Es gibt keine Liebe auf den ersten Blick!" Es gibt sie, wie ich eben festgestellt hatte, nämlich doch!
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top