9 ~ Schüsse

Die Person in meinem Zimmer drehte sich ruckartig um und strahlte mir mit einer Taschenlampe mitten ins Gesicht. Überrascht und völlig ohne etwas zu sehen stolperte ich rückwärts gegen die Wand. "Hey" rief ich laut, aber ich zitterte leicht.

Vor mir senkte die Person jetzt ihre Taschenlampe. Und es war Jonas, mein Gott, ich hatte es gewusst! Dieser Typ war echt gruselig. "Was machst du hier?!" fragte ich wütend. Angst hatte ich vor ihm sicher nicht.

Amstatt auf eine Antwort zu warten platzte ich an ihm vorbei in mein Zimmer. Das Bett von Josi war leer. Natürlich. Dann drehte ich mich wieder um zu Jonas. "Na los, sag mir, was machst du hier?"

Jonas seufzte. "Meine Mum hat vergessen dein Handy einzusammeln,  also sollte ich es holen gehen. Du warst aber nicht da und dann kam auch noch dieser scheiss Stromausfall. Aber ich habe dein Handy immer noch nicht finden können."

"Ich habe kein Handy" sagte ich, aber Jonas merkte mir direkt an, dass ich log. Okay, natürlich hatte ich ein Handy. Aber wie zur Hölle sollte ich denn Damian erreichen, wenn mir auch noch das Handy abgenommen wurde?

"Tja, also wenn du kein Handy hast, dann kann ich wohl auch nichts machen" erwiderte Jonas zwinkernd. Ich war überrascht, dass er mich damit so einfach durchkommen ließ.

"Lass dich nicht erwischen, ich habe auch mein Handy behalten. Muss ja keiner wissen. Allerdings solltest du das mit dem flunkerm noch ein wenig üben."

Ich wurde rot, was man aber hier im dunkeln nicht sehen konnte. Jedenfalls hoffte ich das. Dann ging Jonas vor und leuchtete mit der Taschenlampe den Weg durch den Flur nach draussen, und ich ging hinterher. Wir redeten zwar nicht miteinander, aber ich war ziemlich froh, dass er Licht hatte. "Danke" sagte ich als wir am Essenssaal ankamen.

"Wofür?" fragte Jonas und ich zuckte nur mit den Schultern. Dann flackerten die Lichter in dem Essenssaal plötzlich und das Licht war wieder da. Gut, dann wurde das hier wenigstens kein Abendessen im Kerzenschein oder sowas.

Vor uns wurde der Eingang zum Essenssaal geöffnet, und als ich von den vielen Schülern mit durch den Eingang geschoben wurde, verlor ich Jonas aus den Augen. Na schön, konnte mir ja egal sein. Als ich mich, drinnen angekommen, nach einem Platz umschaute, winkte mir plötzlich ein rothaariges Mädchen wie wild zu. Mara!

Ich lief zu ihr herüber und war sehr froh sie zu sehen. "Hey, danke für die zwei Plätze, die du frei gehalten hast!"
Ich setzte mich neben sie. "Josi war aber gar nicht mehr in ihrem Bett, als ich da war."

Mara und ich guckten uns um, aber wir konnten sie auf die Stelle beide nicht ntdecken. "Naja, sie wird's wohl schon gefunden haben" meinte Mara.

Während wir uns an der an der langen Schlange zur Essensausgabe anstellten erzählte ich Mara von Jonas. "Ehhm, Louisa" unterbrach mich Mara. "Du weisst schon, dass Jonas der Sohn der Sekretärin ist? Die kräftige Frau, die dich vorhin hierher gebracht hat?"

Nein, das hatte ich nicht gewusst. Ich guckte Mara mit großen Augen an. "Echt jetzt?" Sie nickte und nahm sich dann ein Tablett mit Essen. Ich nahm mir ebenfalls eines und folgte ihr dann zu unseren Plätzen.

Jonas sah doch überhaupt nicht aus wie dieses Biest! Okay, diese Bezeichnung war jetzt nicht besonders nett, aber sie hatte mir wegen dem Mordfall gedroht! Das war auch nicht nett gewesen! Ich dachte an meine kurze Unterhaltung mit Jonas zurück und ja, er hatte irgendwo kurz seine Mutter erwähnt.

Wusste Jonas womöglich auch von dem Mord?

"Hast du keinen Hunger?" fragte Mara plötzlich, weil ich noch nichts auf meinem Teller angerührt hatte. "Doch" sagte ich und beschloss, sie später mehr über Jonas und seine Mutter zu fragen. Aber jetzt merkte ich doch, dass ich wieder ziemlich Hunger hatte und essen wollte.

Es gab Reibekuchen mit Apfelmus und eigentlich schmeckte es ganz gut. Während des Essens versuchte ich immer wieder, Aussicht nach Josi zu halten. Erfolgslos. Mara hatte recht, sie würde es schon hierher gefunden haben.

Nach dem Essen trat eine Frau auf das Podest in dem Essenssaal und nach kurzer Zeit erstarb das allgemeine Gerede und es wurde ruhig. Ich erkannte die Frau als Lady Marianna und fragte mich, aus welchem Anlass sie wohl hier sprechen würde.

Vielleicht wegen ... dem Mordfall? Ich schaute mich um und stellte mir vor, dass ich vermutlich die einzige in diesem Raum war, die überhaupt eine Ahnung davon hatte, was hier an diesem friedlichen Internat passiert war.

Lady Marianna räusperte sich kurz, was alles noch hinauszögerte und es darum so spannend machte. Also für mich zumindest. Als sie wirklich alle Aufmerksamkeit auf sich hatte, begann sie zu sprechen.

Kurz zusammengefasst ging es am Anfang um einige Sportwettkämpfe für das neue Schuljahr, dann um neue Lehrer und Angestellte und schließlich begrüßte sie auch noch alle neuen Schüler.

Sie redete auf eine ruhige, klare Art und Weise, sodass jeder ihr aufmerksam zuhörte. Dann sprach sie noch über das allgemeine Handyverbot, welches für alle Anwesenden geltend ist. Mara zwinkerte mir zu. Jaja, man kann sich ja nicht an alle Regeln halten.

Letzendlich wurde ich enttäuscht: Lady Marianna verlor kein Wort über einen Mordfall oder nur irgendetwas in diese Richtung. Aber warum?

Sie wünschte uns noch einen schönen ersten Abend und viel Glück für das neue Schuljahr, dann durften alle gehen. Mara und ich standen auf und gingen wieder zu unserem Trakt. Ich wollte jetzt nur noch eines: endlich Damian anrufen!

Dann bemerkte ich, dass Mara stehen geblieben war. Sie schien irgendetwas in ihren Taschen zu suchen. Ungeduldig wartete ich neben ihr. "Was suchst du?" fragte ich. Sie begann hektischer zu werden.

"Mein Handy! Scheisse, es ist weg! Dabei trage ich es doch immer in meiner Jackentasche und ich bin mir so sicher, das es auch da war. Ich wollte doch noch mit Mark telefonieren, was wir jetzt mit Lexi machen!" Ihrer Stimme nach war sie ziemlich verzweifelt.

"Ist es vielleicht noch am Baumhaus?" fragte ich, weil mir das als erstes in den Sinn kam. Aber Mara schüttelte den Kopf. "Nein, ich weiß, dass ich es eingepackt habe nachdem ich oben die Tür abgeschlossen habe. Aber sonst kann es nirgendwo sein! Schei...benkleister" Sie ging langsam weiter.

Ich dachte zurück an das Baumhaus und dann hatte ich es plötzlich genau vor Augen. "Warte, Mara, komm mal her!" rief ich sie zurück. "Dein Handy muss dir rausgefallen sein als du die Leiter runtergesprungen bist!"

Sie guckte mich mit großen Augen an.
"Du hast Recht! Das muss es sein!" Ihre Begeisterung verschwand schnell wieder. "Tja, also, dann werde ich es wohl mal suchen gehen." Wir warfen beide gleichzeitig einen Blick in den tiefschwarzen Wald. Unheimlich!

Mara stapfte schon los, als ich sie am Arm festhielt. "Ich komme mit" sagte ich mit fester Stimme, auch wenn der Wald nachts sicher nicht mein Lieblingsort war. "Danke, Louisa, du bist..."

"Die beste?" fragte ich zwinkernd. Mara streckte die Zunge raus. "Ja" sagte sie dann und wir lachten. Als wir denn Wald betraten wurden wir wieder still. Ich dachte gerade daran, wie dumm es war keine Taschenlampe zu haben, als es das erste mal knallte. Und dann noch einmal.

Ich grub meine Hände tief in Maras Arm. "Was war das?" hauchte ich zitternd.

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