33 ~ Raus aus der Höhle

Die Erkenntnis, Herr Winter könne der Verursacher das geschehenen Unfalls sein, traf mich hart. Ohne es zu wollen ballte ich meine Hände zu Fäusten. Ich hatte selten Hass gespürt, selbst meiner Mutter gegenüber nicht. Aber dieser eine Mann, der hier mit dem größten Slebstbewusstsein vor uns stand, er hatte so viel Schlimmes angerichtet. Und er erzählte uns allen hier sogar noch mit großer Begeisterung von seinen Taten! Ich war mir einfach sicher, dass es Herr Winter war, denn alles sprach dafür. Damian und ich hatten von der Polizei zwar bislang keine weiteren Untersuchungsergebnisse mitgeteilt bekommen, aber es passte einfach genau perfekt zusammen. Leider.

Wieder einmal wünschte ich mir Damian herbei, er war einfach meine einzige, hundertprozentige Vertrauensperson. Anstattdessen klammerte ich mich an Josis verschwitzte Hand. Ich hatte bemerkt, wie auch Ian bei der Erwähnung des Motorradunfalls blasser geworden war. Als Damian und ich vorhin bei ihm waren, hatte er doch auch von einem Motorradunfall gesprochen und dass er seitdem nicht mehr selbst fahren würde. Vorhin... wie lange war das bitte schon her?

Ein finsteres Räuspern Herrn Winters ließ mich wieder aus meinen Gedankenstrom aufschrecken. Die Angst musste mir wohl im Gesicht abzulesen sein, denn er lächelte automatisch bei meinem Anblick. Ich biss die Zähne zusammen. Und Herr Winter erzählte weiter: "Ich hatte ein wenig Pech nach dem Unfall. Denn außer dem Motorrad war noch ein weiteres Auto an diesem Abend unterwegs gewesen, zu meinem und später auch zu seinem Unglück genau an der Stelle und Zeit mit dem Unfall. Ein kleines, gelbes Taxi mit einem kleinen, sehr gesetzestreuen Fahrer. Was ein Pech für mich!", lachte er.

Und damit saß nicht nur ich, sondern auch Josi, Mara und Ian stocksteif auf dem Sofa, und wir waren alle unfähig uns zu rühren auf Grund dieser schrecklichen Verbindung. Es ging eindeutig um Ernest. Ernest, der damals also zur falschen Zeit und falschen Ort war und als mein Taxifahrer, kurz nachdem er mich rausgelassen hatte, ermordet wurde. Ich hatte mitgekriegt, dass es einen Zeugen bei Damians und meinem Unfall gegeben haben sollte, aber nie hätte ich damit gerechnet, dass es sich hierbei und Ernest handelte. Ernest, der Zwillingsbruder von Ian Denver, welcher hier neben uns auf dem Sofa saß. Sah Herr Winter die Ähnlichkeiten der beiden nicht? Ich konnte mich zwar so gut wie gar nicht mehr an das Gesicht von Ernest im Taxi erinnern, jedoch sah ich noch die Fotos von Ernest und Ian auf Reisen vor mir, die Damian und ich in Ians Flur gesehen hatten.

Mit großer Besorgnis sah ich, wie Herr Winter Ian unverwandt anstarrte. Dieser schien es in seiner Art Schockstarre gar nicht zu bemerken und blickte an Herrn Winter vorbei ins Leere. Erst als Herr Winter einen Schritt auf ihn zumachte, schien er sich wieder fangen zu können und zurück in die Realität zu kommen. Und dann sah ich in Ians Augen denselben Hass, denn ich zuvor auch schon gespürt hatte. Auf eine stille Weise beruhigte es mich, dass ich nicht die Einzige war, die hier mit so starken Gefühlen zu kämpfen hatte.

"Na Ian, willst du wissen, was ein Herr Winter mit Leuten macht, die ihm in die Quere kommen?", fragte Herr Winter und seine Stimme troff vor Überlegenheit. Ian sprang auf und sein Gesicht brannte vor Wut. "Wage es ja nicht, so über meinen Bruder zu sprechen!" Mara sog scharf Luft ein und sprang auf, um Ian festzuhalten. Mit all ihrer Kraft schmiss sie ihn zurück aufs Sofa, sodass es sich mit einem lauten Knarzen ein wenig nach hinten verschob. Die Situation drohte zu eskalieren und die Luft hier drinnen wurde immer heißer.

Gerade wollte Herr Winter noch einen angriffslustigen Schritt auf Ian zu machen, als ein Handyklingeln die Luft wie plötzlich zum Stehen brachte. Es wurde ruhig hier in der Höhle, nur der Klingelton schallte an den Wänden wieder. Herr Winter tastete seine Taschen ab und zog schließlich ein klobiges, schwarzes Handy aus seiner Hosentasche, Marke unsympathisch. Als er abnahm drehte er uns den Rücken zu und sprach dann leise und hektisch ein paar Anweisungen in sein Handy. Sein Gesicht wirkte fast entspannt, wenn man sich die roten Wutflecken auf seinem Hals wegdachte. "Auf geht's!" sagte er nach dem kurzen Telefonat mit dem Unbekannten mit spöttischem Unterton. "Die Erzählzeit ist beendet."

Wie um sich selbst noch mehr zu bestärken, zog Herr Winter sein Messer aus der Tasche und richtete es auf uns. "Josi, hierher. Wenn ihr wollt, dass Josi lebendig diese Gänge verlässt, dann tut einfach genau das, was ich sage." Ohne eine Chance sich zu wehren, griff er nach Josis Arm, schob sie vor sich und hielt ihr das Messer gefährlich nahe an den Rücken. Damit hatte er eindeutig das schwächste Glied aus unserer Gruppe gewählt. Josi war blass vor Angst und zitterte unübersehbar, was Hernn Winter wahrscheinlich auch noch gefiel. Auch ein besorgtes Zunicken von Ian konnte ihr nicht helfen.

Mara packte vorsichtig ihre Jacke zu einem Bündel, in dem die immer noch halbwegs verletzte Hündin Lexi lag. Ach Lexi, sie war der liebste Hund den ich kannte und doch hatte man ihr heute so viele schreckliche Sachen zugefügt. Aber sie hatte es geschafft, komplett ruhig zu bleiben. Mara stand auf und Ian und ich gingen hinter ihr her Richtung Herrn Winter, der angespannt das Messer umklammert hielt und auf uns wartete. Bis jetzt hatte er Damians Verschwinden nicht bemerkt und langsam war ich mir sicher, dass es ihm auch nicht mehr auffallen würde. Aber was brachte uns das alles, wenn wir jetzt übers Meer sonstwohin geschifft wurden? Zudem war es nichtmals sicher, ob wir dort alle lebendig ankommen würden. Wo auch immer "dort" war.

"Jetzt kommt alles auf Damian an", flüsterte Mara so leise, dass nur Ian und ich es hören konnten. "Ruhe davorne", polterte Herr Winter los. "Ich gehe vor, mit Josi, und ihr kommt hinterher,erst die beiden Mädchen und dann der Mann." Sein Redeton ließ keine Widerrede zu, und so liefen wir in einer Reihe hinter ihm her. Der Gang war dunkel und es tropfte wieder leise von den Wänden. Lexi jaulte ganz leise auf, doch Mara kaschierte das Geräusch sofort mit einem hustenartigen Reflex. "Ruhe dahinten", war der einzige Kommentar, den Herr Winter dazu abgab.

Weiter vorne sah ich einen kleinen Lichtspalt und dann hörte ich auch schon das leise Rauschen der Wellen gegen den Strand. Wir kamen an die Gabelung und bogen ab Richtung Licht, salziger Luft und Meer. Wir alle mussten wohl erst die Augen zusammen gekniffen haben, nach dem wir so lange im Dämmerlicht und im Dunkeln gehockt haben. Ein wolkiger Himmel breitete sich über dem Meer aus, doch die Sonne schien ihr Bestes zu geben und strahlte hell durch die Lücken hindurch. Als ich mich noch immer leicht blinzelnd umschaute, fielen mir Reihen von Fußstapfen über den kurzen Strand hinweg auf. Die Bucht war nicht groß und es ging von hier aus höchstens 10 Meter bis zum Meer. Trotzdem hatte ich das kleine Motorboot bis jetzt nicht bemerkt, da es sich mit seinem hellen grau total an den Sand und die Felsen anpasste.

Neben dem Boot hockte eine Gestalt mit dem Rücken zu uns und schien an dem kleinen Motor am Heck zu werkeln. Als Herr Winter uns näher in Richtung des Boots scheuchte, erkannte ich, dass es sich bei der Gestalt um eine Frau handelte. Kurz bevor wir das Boot erreichten, drehte sie sich langsam um. Mara und ich blieben fassungslos stehen, als wir erkannten, um wen es sich hier handelte.

Es bleibt spannend!^^
Schreibt gerne mal eure Vermutungen in die Kommentare :)

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