30 ~ Damians Flucht
Schritte. Die Gedankengänge über Herrn Winter als Mörder brachen ab, Angst fuhr durch mich. Hatte er uns etwa reden hören und rastete jetzt völlig aus? Was, wenn er sah, dass Louisa und Mara wach waren?
Die beiden reagierten sofort und legten sich blitzschnell wieder an ihre alten Positionen auf den Boden zurück. Kaum eine Sekunde später erschien Herr Winter. Sein Blick lag sehr lange auf jedem von uns, bis er sich schliesslich wieder abwandte. Ich wollte gerade beruhigt aufatmen, als ich ein Bellen hörte. "Nein!", schoss es mir durch den Kopf. Wir zuckten alle zusammen, eingeschlossen Herr Winter.
Er kam mit langsamen Schritten zu uns zurück und blickte uns böse an. "Woher kommt dieser Köter?" Ich schluckte und wagte nichts zu erwidern. Da Louisa schlecht plötzlich aufspringen konnte um zu antworten, erhob Damian sich. "Das ist meiner! Sie muss mir gefolgt sein!", sagte er und versuchte sich an Herrn Winter vorbei zu schieben. Aber der hielt ihn fest und schon ihn wütend zurück zu uns in die Enge.
"Lass das! Ich habe hier das Kommando! Louisa, komm und hol den kläffenden Köter zu euch. Ihr anderen, rührt euch nicht. Ich stand langsam und zitternd auf, während Herr Winter jede meiner geringsten Bewegungen mit seinen Eis-Augen verfolgte. Damian wollte mich am Bein packen und aufhalten, aber ich nickte ihm nur beruhigend zu.
Es konnte ja nicht so schlimm sein, Lexi hierher zu holen. Oder doch?
Herr Winter liess mich an sich vorbei und lief dann dicht hinter mir her. Wir kamen wieder in das Wohnzimmer, dass noch genau so aussah wie gerade, mit den Matratzen und dem auf dem Boden liegenden Scheinwerfer. Nur in der Sofaecke lagen etliche Pläne, Karten und weitere Papiere herum. Als ich näher daran vorbei gehen wollte, um einen genaueren Blick zu erhaschen, packte er mich energisch am Arm und zog mich weiter.
Ich ließ mir meine Enttäuschung nicht anmerken. Dann schaute ich mich im Wohnzimmer nach Lexi um. Die schien nicht hier zu sein. Herr Winter war sehr konzentriert und bückte sich gerade hinter das Sofa, als Damians Gesicht aus der Ecke auftauchte, in der wir gesessen hatten. Ich erschrak, aber er legte leise den Finger an die Lippen und machte mit der Hand Bewegungen in Richtung der langen Gänge, durch die wir hierher gekommen waren.
Ich zitterte vor Aufregung. Damian wollte ganz klar, das ich ein Ablenkungsmanöver startete. Ich hatte Angst. Wenn das ganze schiefging, dann wüsste ich nicht wie doll Herr Winter ausrasten würde. Vermutlich sehr doll. Aber wie viele Möglichkeiten blieben uns auch sonst? Ganz leicht reckte ich meinen Daumen in die Höhe. Dann hob Herr Winter seinen Kopf und Damian zuckte wieder zurück. Herr Winter schien glücklicherweise nichts bemerkt zu haben, er schnaufte nur wütend.
"Na los!" fuhr er mich an. "Weiter, in den Gang, such den Hund! Und halt ihn mir bloß fern vom Leib."
Ich lief langsam weiter und dann ertönte abermals Lexis Bellen. Genau aus der Richtung, in die wir unterwegs waren. Ich traute mich nicht, erleichtert zu sein, dass es gerade so gut lief. Weiterhin blieb ich angespannt und blickte immer wieder rückwärts zu Herrn Winter. Wir kamen an der Gabelung vorbei. Ich war mir sicher, dass Damian hier den linken Weg in Richtung Strand für seine Flucht wählen wollte.
Zum Glück lag Lexis Bellen in die andere Richtung, sodas ich Herrn Winter noch weiter wegführen konnte. Das Bellen wurde lauter, dann schoss mir eine bellende Lexi entgegen. Ohne irgendwelche Chancen, sie aufzuhalten, sprang sie über meinen Fuß an mir vorbei und stürzte sich auf Herrn Winter. Dieser schrie vor Überraschung laut auf. Lexi biss ihre kleinen, äusserst scharfen Zähne in sein Bein und brachte ihn damit zum Fallen. Mit seiner flachen Hand versuchte Herr Winter mehrmals erfolglos sie wegzuschlagen. Es war ein erbitterter Kampf, der da stattfand.
Plötzlich stand Damian an der Biegung und warf einen kurzen Blick zu uns rüber. Herr Winter war vollkommen mit Lexi beschäftigt, sodass er überhaupt gar nicht mitbekam, wie ich rüber zu Damian huschte. Ich drückte mich kurz an ihn, um seine Wärme und Nähe zu spüren.
"Louisa, ich hol dich da raus", flüsterte er mir in mein Ohr.
Ich schluckte. Ja, das Versprechen würde er halten. Wir lösten uns voneinander, dann gab er mir einen sanften Kuss auf den Mund und verschwand augenblicklich und ganz leise durch den linken Gang, der zum Meer führte.
Ich berührte mit dem Finger meine Lippen, um etwas anzufassen, was er gerade berührt hatte. Dann lenkte sich meine Aufmerksamkeit wieder auf Lexi und Herrn Winter. Sie hatte sich gerade erneut auf ihn, der immer noch am Boden lag, geschmissen und hielt seinen Hemdsaum zwischen den Zähnen. Verwirrt beobachtete ich, wie Herr Winter sich mit der linken Hand mühsam einen Schuh auszog.
Als ich merkte, was er vorhatte, war es schon zu spät. Er hob seinen Arm und warf den Schuh wuchtig gegen Lexis Kopf. Sofort lies sie sein Hemd los und er richtete sich auf. Dann tapste sie jaulend ein paar gequälte Schritte nach hinten gegen die Wand, bevor sie sich herabsinken ließ und den Kopf auf ihre Pfoten legte.
Ich war geschockt und wartete darauf, dass sich in ihrem hellen Fell Blut ausbreitete. Aber das geschah nicht, sie lag einfach nur da und hatte die Augen geschlossen. Was ich fast noch schlimmer fand. Ich stürzte zu ihr vor, ohne mir Gedanken um Herrn Winter zu machen. Als ich meine Hand langsam zu ihrer Brust hervorstreckte, zitterte jeder einzelne meiner Finger.
Vorsichtig berührte ich das weiche, glatte Fell und wartete atemlos auf irgendein Lebenszeichen. Bevor ich irgendwas spüren konnte, zog mich Herrn Winters kräftige Hand mit einem Zug zurück. Ich drehte mich wütend darunter durch und zeigte plötzlich eine erstaunliche Kraft.
Dann nahm ich schnell aber behutsam Lexi auf meinen Arm, bevor ich mich wieder Herrn Winter zuwandte. Dieser blickte mich spöttisch an. "Der Köter sagt und macht nichts mehr", sagte er trocken und wandte sich dann zum gehen um. Wie in Trance folgte ich ihm zurück durch den Gang. Ich schluckte und spürte das Brennen in meinen Augen.
Und dann fühlte ich ein ganz leichtes Pochen direkt unter meinem Daumen an ihrem Hals. Reiss dich zusammen, dachte ich. Das kann doch nicht... Oder doch? Ich legte meine Hand an die Stelle, an der ich eben das Pochen gespürt hatte. Und tatsächlich! Da war es wieder. Aus purer Erleichterung ließ ich meinen angestauten Tränen freien Lauf.
Herr Winter drehte sich zu mir um. Als er die Tränen über mein Gesicht fließen sah, entfuhr ihm ein dreckiges lächeln und er blickte mich für mehrere Sekunden wie einen hoffnungslosen Fall an.
Im Wohnzimmer angkommen, ließ er sich auf das bequeme Sofa zurücksinken und scheuchte mich mit einer Hand Bewegung zurück zu den anderen. Puh, das war sehr viel Glück, weil er sonst möglicherweise Damians Fehlen bemerkt hätte. Die letzten Tränen lösten sich aus meinem Gesicht und ich schniefte leise, während ich mit Lexi im Arm behutsam weiterging. Da hob sie plötzlich ihren Kopf und leckte mit ihrer rauen Zunge über mein Gesicht und meine Tränen. Ich quietschte leicht auf.
Sie war wieder wach!
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