24 ~ Entführung?
Josi. Ich sah ihr tränenüberströmtes Gesicht. Sie war so verzweifelt, und ich war es auch. Vor allem, als ich die dritte Hand sah, die sich neben ihr ans Fenster presste. Es war noch jemand hinten in dem Auto!
Durch die dunklen Scheiben konnnte ich aber nichts weiteres erkennen. Ich wusste nicht, ob ich beruhigt oder noch verängstigter sein sollte, dass Josi allem Anschein nach nicht alleine in dem Auto saß. Wie zur Hölle war sie dort überhaupt reingekommen? Also freiwillig saß sie ganz bestimmt nicht da hinten drin.
Das Auto war in seinem schnellen Tempo weiter die Küstenstrasse entlang gefahren und schien auch nicht anhalten zu wollen. Natürlich nicht, denn Herr Winter hatte mich ja auch gesehen. Wollte er jetzt ins Unendliche mit seinen "Gefangenen" fliehen? Seinem Fahrstil nach zu urteilen würde er wohl nicht so bald bremsen. Und das war schon sehr optimistisch gedacht.
Damian rührte sich natürlich sofort, und sprang auf das Motorrad. Er blickte mich an mit fragendem Blick. Er überließ es mir, ob ich mitkommen wollte oder nicht. Innerhalb der nächsten Millisekunde hatte ich mich entschieden und sprang hinter ihm auf. Den Helm hielt ich noch in der Hand, aber aus zeitlichen Gründen schmiss ich ihn einfach neben mir ins hohe Gras.
Und schon waren wir mit Damians Motorrad auf Verfolgungsjagd. Was sich erstmal etwas zu krass anhörte. Denn bis wir irgendwen wirklich verfolgen konnten, mussten wir erstmal den Sportwagen einholen, der aus unserer Sicht verschwunden war.
Ich wusste, dass Damian sehr schnell fuhr, schneller als es hier erlaubt war zumindest. Aber ich hatte keine Angst, denn bei ihm fühlte ich mich sicher. Josi und die zweite unbekannte Person in Herrn Winters Auto einzuholen stand jetzt an erster Stelle.
Als wir den Anstieg der Küstenstrasse geschafft hattten, sahen wir dahinter kurz das schwarze Metall des Autos aufblitzen, das nach rechts Richtung landeinwärts abbog. Dass war knapp gewesen, denn hätten wir es nicht gesehen, wären wir wahrscheinlich erstmal der Straße geradeaus gefolgt.
Ich hoffte inständig, dass Herr Winter uns nicht genauso gesehen hatte. Damian gab noch mehr Gas, soweit das möglich war und brauste dann im Höchsttempo nach rechts, wohin gerade Herrn Winters Auto abgebogen war.
Doch dies hier war gar keine richtige Strasse, sondern vielmehr ein von Gruben durchzogener, steiniger Feldweg, der mitten ins nirgendwo zu führen schien. Wir rutschten mit dem Motorrad über den Kies, während Damian nur noch versuchte, Tempo zu verlieren, ohne dass wir beim Bremsen direkt vom Motorrad flogen.
Das Motorrad rumpelte ungehalten und noch immer viel zu schnell über die ganzen Löcher. Die Vollbremsung von Damian schien der einzige Ausweg zu sein. Kies spritze nach allen Seiten weg und ich nahm noch wahr, wie mehrere Steinchen mit einem dumpfen Kling an Damians Helm abprallten. Aber ich hatte meinen Helm nicht mehr auf, und bevor ich mich ducken konnte, schnitt mir ein hochrasender Kiesel über die Wange.
Ich spürte das Blut an meiner Wange herunterlaufen, und der Schnitt brannte leicht. Mit einer Hand wischte ich mir das Rinnsaal so gut es ging aus dem Gesicht. "Louisa, alles gut bei dir?", kam es dunkel unter Damians Helm hervor. "Ja", antwortete ich. Ich wollte nicht wegen dieser kleinen Verletzung stehen bleiben.
Knatternd fuhr Damian mit deutlich langsameren Tempo weiter, während ich meinen Kopf dicht an seinen Rücken hielt, aus Sorge vor weiteren Splittern. Der Weg machte nach kurzem eine Kurve, und führte dann nach links, sodass wir wieder parallel zur Küste fuhren.
Noch immer war der Sportwagen nicht in Sicht, dafür war jetzt neben uns ein Wäldchen, und als ich nochmals zur Seite blickte, war ich mir ganz sicher, dort ein kleines Waldhäuschen ausmachen zu können.
Ich wollte gerade Damian darauf aufmerksam machen, als weiter vor uns der Sportwagen auftauchte. Die Sonne blitzte von dem Metall auf, aber der Wagen stand still. Ich hakte das Haus als unwichtig ab, und verhielt mich ganz still, während Damian mit dem Motorrad ein wenig in den Wald fuhr, um es dort versteckt neben einem Baum abzustellen.
Ich sprang hinter ihm ab, er schmiss seinen Helm neben das Motorrad und kam dann zu mir. Als er meine Hand nahm und zu mir blickte, entdeckte er leicht erschrocken den Schnitt an meiner Wange. Ich winkte nur ab, da es lange nicht so schlimm war, wie die Tatsache einer möglichen Entführung bei Josi.
Als ich losging, merkte ich, dass er kurz zögerte, aber ich zog ihn entschlossen an meiner Hand mit. Wir verhielten uns ruhig und schlichen langsam und versteckt hinter den Bäumen durch zum Wagen. Im Nachhinein wusste ich, dass das unsere grösste Zeitverschwendung war, denn der Wagen war leer.
Die Türen waren nicht abgeschlossen, sodass wir uns hundertprozentig davon überzeugen konnten, dass niemand mehr hier war. Ich war fast froh, Herrn Winter nicht begegnet zu sein. Aber im Endeffekt machte es die Sache nur schlimmer, weil wir jetzt keinen Anhaltspunkt mehr hatten.
Ich meine: Wo sollten wir suchen? Um uns herum nur das kleine, dunkle Fleckchen Wald, und sonst trockene Einöde, die sich steppenartig vor uns ausbreitete. Wenn man weiter schaute, dann konnte man vielleicht noch die Klippen und das Meer erahnen. Ansonsten war hier einfach nichts. Glaubte ich zumindest, bis ich mit einem spitzen Schrei umknickte und fiel.
Ich fing mich halbwegs mit meinen Händen ab und blieb liegen. Das einzige, was mir in dem Moment bewusst war, war das Pochen in meinem Fuss. "Scheisse, verdammt, scheisse, Louisa", hörte ich Damians verzweifelte Stimme.
Ich lag mit dem Kopf zum Boden, bis er mich behutsam umdrehte. Seine Augen blickten mich verzweifelt an. "Louisa, ich versuche dir jetzt nicht wehzutun, aber ich muss deinen Schuh sofort ausziehen, um nachzugucken."
Unfähig, mich zu rühren blieb ich liegen und liess in einfach machen. Nur der Schmerz wurde immer grösser. "Es ist blau", sagte er leise. Ich richtete mich erschrocken auf, mein ganzer Knöchel war blau angelaufen.
"Louisa, wir brauchen einen Arzt!", sagte er verzweifelt.
"Aber, was ist mit Josi?" fragte ich ihn schwach. Er schüttelte nur den Kopf. Dann schlug er sich mit der Hand an die Stirn. "Ich Dummkopf", murmelte er, und begann, an seiner eigenen Schiene zu rütteln.
"Damian, warte. Bei dir ist es der linke Fuss, bei mir rechts!", stoppte ich ihn. Er nickte ratlos. "Wie ist das eigentlich passiert?" fragte er. Dann untersuchte er den Boden neben meinem Fuss. Wir sahen beide den dunklen, bronzenen Metallring, der aus dem Boden ragte und über den ich wohl gestolpert war.
Ich zögerte, dann merkte ich, dass um den Ring herum das Gras nicht angewachsen, sondern lose verteilt war. Wie als hätte jemand absichtlich lose Grasbüschel hier verteilt, um etwas zu verstecken. Aufgeregt fegte ich etwas von dem Gras beiseite. Auch Damian sah es und half mir. Hervor kam eine Steinplatte. Glatter, schwerer Beton.
Der Metallring diente wohl als Hilfe zum Hochstemmen der Platte. Damian und ich sahen uns an, und dachten wohl beide an Herrn Winter.
Ich stand schmerzerfüllt auf und uns gelang es tatsächlich, die Platte beiseite zu schieben, sodass ein schwarzes Loch mit einer Leiter frei wurde. Ich machte einen Schritt vor und schrie fast vor Schmerzen wegen meinem Fuss. Damian zog ich wieder zurück.
"Und jetzt?", fragte ich heiser.
"Wir fahren zurück", sagte er entschlossen. Ich starrte ihn an, aber wusste, dass es keinen Zweck hatte. Ich konnte nichtmals gehen! Tränen stiegen in mir auf. Damian schob die Platte zurück und nahm mich auf den Arm, während ich leise schluchzte.
Er streichelte meine Wange und trug mich weiter wie ein kleines Baby zum Motorrad, wo er mich drauf hob und mir seinen Helm aufsetzte. Dann fuhren wir los, doch als wir in dem Wald ankamen, kniff ich Damian in den Arm, um in zu stoppen.
"Da!", sagte ich, und zeigte auf das kleine Haus, welches mir auf dem Hinweg aufgefallen war. Jetzt stand ein rotes, altes Auto davor, also könnte jemand anwesend sein.
"Damian", sagte ich uns sah ihm tief in die Augen. "Lass mich dort hingehen, dann kannst du wenigstens Herrn Winter folgen."
Mein bisher längstes Kapitel ^^
Freut mich sehr, dass ihr hier seit<3 Einen unglaublichen Dank an alle, die hier einfach nur lesen, an die, die Votes dalassen und die Kommentare schreiben.
Ich freue mich immer sehr darüber!
Danke und bis zum nächsten Kapitel :)💙💎
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