23 ~ Versöhnung M&M

Ich stand mit dem Kopf an die Toilettentüre gelehnt und in meinem Gehirn arbeitete es stark. Wenn dieser Mann dort tatsächlich als eine Art Zeuge gelten könnte in dem Fall Herr Winter. Andererseits, er hatte ja nicht wirklich etwas gesehen, sondern nur auf Josis schreien reagiert und ihr damit hinaus geholfen.

Egal. Es könnte trotzdem sein, dass er uns noch helfen konnte. Zumindest half er uns schon mal ein großes Stück mit Lexi. Dass sagte ich auch zu Josi, und wir beschlossen, vorerst zu warten, bis ein passender Moment kam, mit Ian zu reden.

Als wir wieder aus der Türe traten, kamen gerade Mara und Mark herein. Würde sich jetzt alles entscheiden? Ich konnte in Maras Gesicht nicht lesen, was sie gerade fühlte. Zumindest war es hoffnungsvoll, dass sie jetzt auf Ian Denver zuging. Sie schüttelten sich die Hand und Ian stellte sich ihr nochmal vor.

"Wir schauen mal, ob Lexi sich mit dir versteht. Dann könnte das vielleicht klappen", machte Mara als Voschlag. Ich sah, dass für einen kurzen Augenblick ein Lächeln über Marks Gesicht huschte, dass aber gleich wieder hinter einem angespannten Gesichtsausdruck verschwand.

Zu sechst liefen wir los zum Baumhaus. Allen voran lief Mara und neben ihr Ian, dahinter Damian, der Mark freundschaftlich auf die Schulter klopfte, und hintendran Josi und ich. Wir beide drückten beide einfach nur die Daumen, dass es jetzt glattlief.

Lexis Bellen war schon zu hören, als Mara die Treppe hochkletterte. Wir anderen warteten unten, Ian kletterte hinter Mara her. Kurz war es still, dann hörte ich die kleinen, lustigen Beller von Lexi.

Als ich Mara und Ian lachen hörte, fiel mir ein Stein vom Herzen. "Das wird!", dachte ich, und Josi neben mir drückte grinsend meine Hand. Als Mara und Ian mit Lexi wieder herunterkamen, fühlte ich eine Art Erleichterung.

Mara, Ian und Mark gingen mit Lexi ein Stück in den Wald spazieren und besprachen einige wichtige Sachen über Lexi. Vor allem war ja auch wichtig, dass Lexi taub war. Selbst wenn man es nicht merkte, musste man doch ein wenig darauf achten.

Dann kam Ian mit Lexi an der Leine zurück. Wir streichelten sie noch und sie wedelte glücklich mit dem Schwanz. "Wo sind Mara und Mark", fragte Damian plötzlich.

"Die beiden sind noch was spazieren", antwortete Ian lächelnd. "So einem jungen Päärchen wünscht man doch echt, dass alles glatt läuft", sagte er und ein Fünkchen Traurigkeit huschte über sein Gesicht. "Wie alt sind die beiden eigentlich?"

"Mara ist siebzehn und Mark achtzehn", antwortete Josi schneller als ich. Ian nickte leicht, aber schien nicht so ganz anwesend.
"Wie alt bist du eigentlich?", platzte es aus mir heraus. Ich hätte mir die Hand auf den Mund schlagen können.

Okay, diese Frage war jetzt irgendwie unhöflich gewesen. Aber ein Teil von mir dachte immer noch, dass ich diesen Mann kannte. Und ich konnte Personen immer besser nach ihrem Alter zuordnen. Ian antwortete gelassen: "35". Ich versuchte weniger überrascht zu gucken, als ich war, und sagte nur: "Okay".

Eigenlich hätte ich ihn etwas älter geschätzt. Wahrscheinlich lag das an seinem kleinen Bart an den Schläfen und den deutlichen Augenringen. Auch seine dunklen Augen wirkten müde und irgendwie traurig.

Lexi lenkte mich plötzlich mit ihrem Bellen ab, und ich schaute mich nach jemanden um. Und als ich Mara und Mark Hand in Hand und in voller Glückseligkeit auf uns zu laufen sehen kam, fiel mir ein Stein vom Herzen. M&M waren wieder vereint!

Es war, als würden die beiden zusammen von innen Strahlen, als sie bei uns ankamen. "Torte für alle!" rief Josi übermütig und sprang eilig davon, um den Korb von der Köchin zu holen. Wir liessen uns jeder mit einem vollen Teller der leckeren Torte auf dem Boden nieder, tranken Kaffee und quatschten einfach zusammen. Auch wenn Ian um einiges älter war als wir, wirkte er nicht fehl am Platz, sondern brachte sich in alle Gespräche mit ein.

Die Torte war echt ein Traum. Auch wenn es erst um die Mittagszeit war, konnte ich so etwas Süßes sehr gut vertragen. Lexi versuchte dauernd, von irgendeinem Teller etwas wegzunaschen, aber dann zog Ian aus seiner Tasche ein paar Hundeleckerlis und die begeisterten Lexi dann sogar noch mehr.

"Was arbeitest du hier nochmal genau?" fragte Josi Ian.
"Ich arbeite hier als Hausmeister. Ich habe in den Sommerferien manchmal hier ausgeholfen, aber dann seit ein paar Tagen hier erst richtig den Job angefangen." Irgendwas schien er in seiner Antwort zu verschweigen.
"Warum erst jetzt?" fragte ich, und kam mir schon wieder fast zu neugierig vor. Aber es war dich wirklich merkwürdig, dass er erst jetzt kam, denn das Schuljahr hatte ja schon angefangen.

"Familiäre Gründe", war seine schlichte Antwort, bevor er sich wieder seinem Kuchen zuwandte. Mir war die Antwort zu flach und allgemein, aber nochmal nachzufragen wäre wirklich unhöflich.

Nachdem wir echt die ganze Torte aufgegessen hatten, packten wir unsere Teller ein und machten uns wieder auf den Rückweg.
"Louisa, wollen wir vielleicht eine kleine Spritztour machen?", fragte Damian mich und ich nickte begeistert.

"Motorrad?" fragte Ian und als Damian nickte, erhellte sich sein Blick. "Sehr cool! Ich bin früher auch viel gefahren, aber später nicht mehr. Unfall." Ich guckte bestürzt zu ihm, aber sein Blick war schon wieder geradeaus gerichtet.

Er hatte also einen Unfall gehabt, und danach war er nicht mehr gefahren. Es musste wohl etwas schlimmeres als bei Damian und mir gewesen sein, denn auch wenn Ian sich wegdrehte, sah man noch seine glitzernden Augen.

Damian und ich verabschiedeten uns vorerst von den anderen und gingen zu seinem Motorrad, welches er ein ganzes Stück vom Eingang unauffällig neben ein Gebüsch geparkt hatte. Während wir über Ian redeten, holte er hinter unter dem Sitz seinen zweiten Helm, beziehungsweise schon fast "meinen" Helm heraus.

Ich nahm ihn und als ich ihn mir über den Kopf streifte, überkam mich wieder dieses vertraute Gefühl. "Kann's losgehen?" fragte Damain und stieg auf. Ich kletterte hinter ihn auf den Sitz, schlang meine Arme um ihn, und rief: "Fahr!"

Und ich war froh, dass es sich anfühlte wie immer, und der Wind in meinem Gesicht mir für einige Zeit die Sorgen aus meinem Kopf frei hielt.

Schon als wir zurückkamen, machte sich ein komisches Gefühl in mir breit. Aber erst als wir abstiegen, fiel mir der schwarze Sportwagen auf, der mit brummigem, laufenden Motor ein Stück abseits stand. Sofort machte ich Damian darauf aufmerksam, und er verstand direkt, blieb aber dicht bei mir stehen und rührte sich nicht.

Wir beobachteten beide angespannt, wie das Auto an uns vorbei losfuhr auf die Küstenstrasse. Ich sah Herrn Winters Gesicht und dass er mich direkt anstarrte. Und auch wenn er plötzlich viel zu viel Gas gab, sah ich immer noch das Gesicht, was sich auf der Rückbank verzweifelt an die verdunkelte Scheibe drückte.

Hallo!
Ein recht spätes Kapitel, da ich bei dem guten Wetter hier im Urlaub einfach wenig am Handy bin. Ich hoffe, ihr habt auch schöne Ferien! <3
LG Viola

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