19 ~ Auf dem Weg zum Arzt

Yes, yes, yes! Ich hatte Damian wirklich überreden können! Aber er bestand darauf, dass ich vorher alles ganz genau mit Mara abklärte und ihr Einverständnis bekam. Und genau das wollte ich jetzt tun.

Mara las immer noch in ihrem Buch. Ich setzte mich vorsichtig zu ihr. Dann berichtete ich ihr von Damian, und dass er am Wochenende vorhatte zu kommen. Ich sah, dass Mara sich ehrlich für mich freute. Das schätzte ich sehr an ihr.

Und so kam es dazu, dass sie selber ganz aufgeregt angesicht der Idee mir dem Baumhaus wurde. Sie beschloss sofort, eine Liste mit Dingen zu schreiben, die wir im Baumhaus brauchen würden. Von der traurigen, stillen Mara von eben war nichts mehr da.

Ich denke, diese Ablenkung tat ihr ganz gut. Wir setzten uns gemeinsam an den Schreibtisch und schrieben einen Plan mit all den Dingen, die wir besorgen wollten. Darunter waren Kissen, Decken, Kerzen, Trinken und Essen und weiteres.

Als wir mit der Liste fertig waren, sah Mara mich stolz an. "Das wird was!" sagte sie fröhlich. Ich nickte. Dann stockte ich.
"Ehm, Mara... Wo sollen wir das denn bitteschön alles herbekommen?"

"Das wird kein Problem sein!", antwortete sie. "Am Freitag haben alle nur kurz Schule und danach dürfen wir Schüler ins Dorf fahren. Das Dorf ist nicht groß, aber dort gibt es einen Supermarkt, der alles mögliche verkauft.
Und noch was: Wegen dem Essen fragen wir einfach Susanne, die Köchin! Sie ist so nett! Bestimmt könnt ihr euch da auch mal was warmes zu essen abholen."

"Ja, super! Das mit Susanne ist auch eine wirklich gute Idee!" Langsam nahm das Vorhaben "Baumhaus" eine Form an. Und ich war auch schon so aufgeregt, dass Mara mich irgendwann lachend anschaute und fragte, ob ich wirklich schon 17 Jahr alt wäre.

"Ich werde dieses Jahr sogar noch 18!" sagte ich und tat so, als wäre ich äußerst beleidigt.
"Voll cool!" sagte Mara und grinste. "Was bekommst du denn von deinen Eltern zum 18.? Hast du dir schon irgendwas gewünscht?"

Ich fühlte einen Stich in meinem inneren. Meine Eltern? Ich hatte nur eine Mutter, und mit der verstand ich mich nicht gerade gut. Aber Mara konnte es ja nicht wissen, ich hatte es ihr schliesslich noch nicht erzählt.

"Heey, Louisa. Habe ich irgendwas falsches gesagt?" fragte Mara betroffen, da ich ihr nicht antwortete. Ich schüttelte nur den Kopf, da ich gerade nicht darüber reden wollte. Udn ich war froh, dass Mara nicht weiter nachfragte.

An diesem Abemd  dachte ich dafür immer häufiger über meinen Vater nach. Er hatte ja meine Mutter verlassen, als sie schwanger wurde.
Also das war zumindest dass, was meine Mutter mir erzählt hatte. Irgendwie hatte ich auch nie daran gezweifelt.

Aber meine Mutter hatte nichts mehr behalten von irgendwelchen Sachen, die meinen Vater gehört hatten. Was eigentlich Schade ist.

Die Schultage gingen um, und dann war es auch schon Freitag, die letzte Stunde war gerade zu Ende und Mara drängte aus dem Klassenraum. In der Cafeteria holten wir uns noch ein paar belegte Brötchen und liefen dann los. Es war warm draussen, fast schwül und der Himmel war wolkenlos.

Wir wollten möglichst früh an der Bushaltestelle sein, da es dort sehr schnell sehr voll würde. Und Mara hatte Recht. Während wir dort standen, unsere Brötchen aßen und nochmal  über unsere Liste schauten, kamen immer mehr Schüler, die auch ins Dorf wollten.

Es herrschte Gedränge, als der Bus in Sicht kam. Langsam fuhr er über die kurvige Küstenstrasse. Wir setzten uns nebeneinander in einen Vierer und zwei jüngere Mädchen setzten sich zu uns. Mindestens die Hälfte aller Schüler mussten stehen, also hatten wir echt Glück gehabt.

Kurz bevor der Bus losfuhr, kam Josi mit winkenden Armen über die Wiese angerannt. Sie hatte ein sportliches Tempo drauf und konnte nur ganz knapp vor dem Bus abbremsen. Ich hörte einige Schüler murren und stöhnen über diese Verzögerung.

Ich selbst war eher verwundert, was Josi jetzt doch dazu gebracht hatte mitzukommen. Als wir sie gestern gefragt hatten, wollte sie den heutigen Nachmittag lieber mit schwimmen verbringen. Das schöne Wetter hätte es ja auch zugelassen. Josi stieg ein und drängelte sich durch die Leute nach hinten.

"Josi, hier!", rief ich sie. Sie sah mich und Mara und kam grinsend zu uns. Wir rückten uns saßen nun zu dritt auf den zwei Plätzen. Die beiden Mädchen gegenüber guckten uns genervt an.

Ich ignorierte sie gekonnt. "Und, doch kein Schwimmen heute?", fragte ich Josi. Sie schüttelte den Kopf. Dann hielt sie sich ihre Haare hoch und zeigte Mara und mir ihren Nacken. Dort waren zwei heftige, blutige Wunden. Ich konnte mich noch genau an diese zwei Striemen erinnern.

Das war vor zwei Tagen gewesen, als sie sich beim Handtuch abnehmen vornüber gebeugt hatte. Und auf meine Nachfrage hin hatte sie ja mein Handy geschrottet. Ich merkte Josis leicht verunsicherten Blick auf mir. Sie wusste woran ich gerade gedacht hatte.

Das einzige Problem, welches man auch deutlich sehen konnnte: die Striemen waren fast gar nicht verheilt. Mara schlug sich erschrocken die Hand vor den Mund. Okay, es sah wirklich nicht schön aus. Ich glaube da muss ich jetzt auch gar nichts näher beschreiben.

"Josi! Was ist da passiert?" fragte Mara immer noch fassungslos. Josi ließ ihre braune Lockenpracht wieder fallen, sodass die Haare ihre Wunde verdeckten und sie keine Aufmerksamkeit erregte. Aber sie antwortete nicht direkt auf die Frage sondern sagte nur: "Ich kann damit auf keinen Fall schwimmen gehen, weil das Salzwasser ja ungeheuer brennen würde. Und, naja, es tut halt auch so ziemlich weh. Also werde ich damit jetzt zum Arzt gehen."

Mara nickte. "Ja, das ist vernünftig. Wer weiß, sonst entzündet sich das noch mega." Ich zuckte zusammen als der Bus plötzlich anhielt. Meine Tasche rutschte mir vom Schoß und fiel auf den Boden. Das konnte ich gebrauchen.

Ich fluchte als ich mich bückte um meine Sachen aufzuheben. Mara und Josi halfen mir schnell. Dann öffneten sich die Türen des Busses und wir stiegen mit der Masse aus. Die Haltestelle war an einem kleinen Dorf mit süßen weißen Häusern mit grossen Gärten die alle sehr gepflegt und voller Blumen waren.

An uns fuhr mit lautem Gebrumme ein dicker Sportwagen vorbei in eine Seitengasse. Ein Mann stieg aus, drehte sich um und blickte in unsere Richtung. Ich erkannte die eisblauen Augen. Herr Winter. Josi und Mara hatten ihn nicht gesehen.

Und ich wollte ihn Josi gegenüber auch nicht erwähnen, sonst kriegte sie noch Panik. Ich wandte meinen Blick ab, denn schließlich durften ja auch Lehrer hier einkaufen gehen.

Wir gingen durch die Strassen und kamen irgendwann auf einem Platz mit einem Brunnen an. Hier liefen direkt eine ganze Menge an Schülern zu einem Eisstand. "Wir können uns ja gleich auch ein Eis holen! Vielleicht, wenn ich beim Artzt war und ihr alles eingekauft habt!", schlug Josi vor.

Das war eine sehr gute Ideen ganz nach meinem Geschmack. Wir machten ab, uns gleich wieder hier zu treffen und dann ging Josi in ein Gebäude mit dem Schild einer Arztpraxis und ich lief rein in den Supermarkt.

Ich schaute mich noch einmal um, weil Mara nicht mitkam. Dann entdeckte ich weiter hinter ihr auf dem Platz Herrn Winter, der sich erst suchend umblickte und dann entschlossen und zügig auf die Arztpraxis zuging.

Mara drehte sich zu mir um. Sie hatte ihn auch gesehen. Und wir dachten beide das gleiche. Wollte er wieder was von Josi?

"Los komm" rief Mara angespannt und wir liefen los und betraten hinter Herrn Winter die Arztpraxis.









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