16 ~ Ein Retter
Wieder aus Louisas Sicht
Ich starrte Josi geschockt an. Ihre Augen hatten sich während des Erzählens mit Tränen gefüllt und man merkte, dass sie diese Tat noch nicht verarbeitet hatte.
Betroffen nahm ich sie in den Arm und streichelte ihr sanft über den Rücken, während sie an meiner Schulter leise am Schluchzen war.
Es gab eine Frage, die mich brennend interessierte: Wer war der Mann, der an die Tür gekommen war, nachdem Josi geschrien hatte? Er hatte Josi damit ja sozusagen gerettet.
Aber es schien mir jetzt nicht richtig, Josi direkt mit Frage zu löchern. Ich wartete vis sie sich etwas beruhigt hatte, dann fischte ich eine Packung Taschentücher aus meiner Tasche und reichte sie mitfühlend.
Sie wischte sich die verlaufene Schminke aus dem Gesicht und lächelte mich dann zaghaft im Spiegel an. "Danke" sagte sie und drehte sich zu mir um. "Danke, dass du zugehört hast und mir nicht böse bist und dass du mich da rausgeholt hast..." Ihr liefen sofort erneut Tränen in die Augen.
"Bitte, du brauchst die aber wirklich für nichts zu bedanken. Herr Winter hat etwas sehr schlimmes getan, dafür sollte er bestraft werden....!"
Josi nickte unsicher. "Ich habe mich bis jetzt nicht getraut ein Wort mit jemandem darüber zu reden. Geschweige denn mit der Polizei... Es gibt doch absolut keine Beweise!"
Ich nickte frustriert, weil ich wusste das viele Leute mit sowas durchkamen. Aber das durfte nicht passieren! Ich überlegte krampfhaft, wo man vielelicht Beweise herkriegen könnte, als es an der Tür klopfte.
Das zweifache, laute klopfen führte schon dazu, dass alle Farbe aus Josis Gesicht wich und sie stocksteif dastand. Auch ich war für einen Moment sehr erschrocken.
Konnte das vielleicht Herr Winter sein, der, über den wir die ganze Zeit sprachen? Hatte er möglicherweise unser ganzes Gespräch belauscht?
Aber ich konnte direkt wieder aufatmen, als eine weibliche Stimme fragte: "Hallo, ist da noch jemand?" Erleichtert antwortete ich der Stimme: "Ja, Augenblick"
Ich nickte Josi zu und gemeinsam verließen wir das kleine Bad, wo vor der Tür schon eine ungeduldige Putzfrau stand. Wir lächelten sie entschuldigend an und drängten uns dann an ihr vorbei ins Freie.
Ich konnte nicht verhindern, dass Josi sich dabei immer wider nervös umschaute. Als wir vor ihrem Zimmer ankamen, mussten wir uns eigentlich trennen. Aber Josi winkte mich noch kurz mit in unser altes Zimmer rein, wo sie ja jetzt alleine wohnte.
Ich guckte ihr verwirrt zu, während sie in ihrem Koffer herumkramte, weil ich nicht wusste worum es ging. Dann drückte sie mir grinsend einen metallischen Gegenstand in die Hand.
Ein Handy! "Weil ich weiß, dass ich dir vertrauen kann", sagte sie. Ich schaute sie überrascht an. "Ähm, danke!" sagte ich glücklich.
Josi zuckte nur die Schultern. "Hast ja was gut bei mir", sagte sie verlegen. Das stimmte allerdings, und ich hatte immer noch keine wirkliche Erklärung, warum Josi mein Handy zerstört hatte.
Trotzdem nahm ich ihr Angebot dankbar an, so lange ich wollte zu telefonieren. Ich setzte mich auf mein ehemaliges Bett, während Josi mit ihren Klamotten ins Bad verschwand um sich umzuziehen.
Damian! Endlich konnte ich ihn wieder anrufen! Doch mir blieb ein dicker Klos im Hals stecken, als er auch beim dritten Anrufversuch nicht abnahm. Klar, vielleicht war er gerade unterwegs oder am Arbeiten.
Ich gab Josi seufzend ihr Handy wieder. "Keiner da", sagte ich knapp und schluckte. "Hey, Louisa, du kannst es doch einfach morgen nochmal versuchen! Ist kein Problem!"
Ich nickte tapfer und verabschiedete mich dann auf mein Zimmer. Leise klopfte ich an und trat herein als ich ein leises "Hallo" hörte.
Mara saß at ihrem Bett mit einem Buch und einem Stück Schokolade in der Hand und schaute glücklich auf, als ich hereintrat. "Louisa, wo warst du so lange?"
Ich setzte meine Tasche ab und seufzte. "Josi hat mir von einem sehr ernsthaftem Problem erzählt. Es geht um Herrn Winter." Ich klärte Mara kurz auf über das, was Josi mir erzählt hatte. Ich hoffte Josi würde mir nicht böse darüber sein, aber ich vertraute Mara schon nach so kurzer Zeit vollkommen.
Sie war genau wie ich sichtlich geschockt. Bis zum Abendessen unterhielten wir uns noch lange darüber und es gab noch so viele Fragen.
"Ich hoffe, ich kann die Tage nochmal mit Josi darüber sprechen. Aber es wäre gut wenn du, naja, so tust als wüsstest du von nichts...", sagte ich abschliessend und Mara nickte.
Beim Abendessen saßen wir dann zu dritt am Tisch und aßen das leckere
Kartoffelpüree mit Erbsen. An dem Abend selbst machten wir auch nicht mehr viel. Ich schlief ein in Gedanken an Damian, und hoffte ihn morgen so schnell wie möglich erreichen zu können.
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Es war Mara, die mich am nächsten Morgen aufwecken und aus dem Bett zerren musste.
"Hey, meine Kleine, du hast den Wecker verschlafen. Aber du musst trotzdem aufstehen!" Ich sah blinzelnd in ihr lachendes Gesicht.
Sie schüttelte grinsend den Kopf, als ich noch ganz wackelig aufstand und nach meinem Wecker tastete.
Viertel vor sieben! Ich stöhnte, weil es um sieben Uhr schon Frühstück gab. Aber wie durch ein Wunder waren wir sogar noch pünktlich da.
Nach dem Essen liefen Mara, Josi und ich zu dritt zurück zu Trakt 2, damit wir unsere Schultaschen holen konnten. Der Unterricht sollte erst in einer Viertelstunde beginnen. Also setzen wir uns zu dritt auf eine Bank auf dem Rasen.
Ich schaute zu Mara und dann beichtete ich Josi, dass ich Mara ohne Absprache von der Geschichte erzählt hatte. Josi nahm es sehr gut auf, wofür ich ihr nur dankbar sein konnte.
Plötzlich hielt Josi aber inne und fixierte eine herankommnde Person mit starrem Blick.
Es war ein Mann so ungefähr Mitte 40, der mit zügigen Schritten den Weg entlang vom Wald Richtung Eingangsgebäude ging.
Er hatte markante Gesichtszüge, längeres braunes Haar und trug eine dunkle Jeans mit einem T-Shirt darüber.
Er sah wirklich sehr sympathisch aus, aber etwas an ihn liess mich stutzen. Er hatte dunkle Augenringe und seine Augen waren leicht am Glitzern. Hatte dieser Mann gerade geweint?
Bevor ich mir weitere Gedanken machen konnte, spürte ich Josis Finger, die sich in meinen Arm krallten.
"So ungefähr sah der Mann aus, der mich bei Herrn Winters gerettet hat!"
flüsterte sie tonlos.
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