12 ~ Flirts mit der Polizei
Ich glaube, Mara hatte gar nicht so wirklich realisiert, was sie da gerade in ihrer Hand hielt, bis sie plötzlich einen kurzen Schrei ausstiess und die Waffe erschrocken fallen liess. Sie sprang auf und wischte sich ihre erdigen Hände an der Hose ab. Mit grossen, aufgerissenen Augen starrte sie mich an.
Mir war immer noch schlecht und ich lehnte mich zitternd an einen Baum an, bevor ich womöglich noch umkippte. Durch meinen Kopf hallten die zwei Schüsse von gestern abend. Konnte es sein, dass... Ich wagte mir gar nicht auszumalen, dass hier gestern jemand mit einer Pistole geschossen hatte! Und ich wusste ganz genau: Jäger schießen nicht mit Pistolen, sondern mit Gewehren.
Mörder schiessen mit Pistolen.
Es war Mara, die als erstes wieder ein Wort rausbrachte. Und das war: "Fingerabdrücke. Da sind jetzt meine Fingerabdrücke drauf!" Ich nickte besorgt. Ja, das war scheisse. Ich richtete mich auf und ging zu der völlig mitgenommenen Mara und nahm sie in den Arm. "Wird schon" sagte ich tröstend und wusste selbst überhaupt nicht, was wir jetzt tun sollten.
Lexi saß mit grossem Sicherheitsabstand zu der Pistole neben uns und starrte uns mit ihren großen, dunklen Hundeaugen an. Sie wusste wirklich nicht, was hier gerade abging und schien jetzt nicht mehr so angetan von ihrem Fund wie vorhin.
Ich fragte mich, warum sie so begeistert und zielstrebig nach der Pistole gegraben hatte. Irgendeinen Geruch musste sie ja erkannt haben, und dieser Gedanke erschrak mich. War es der Geruch einer Person, die ich auch kannte?
Ich ließ Mara aus der Umarmung los und sie brachte ein kleines Lächeln zustande. "Wie müssen zum Unterricht!" merkte sie an und ich war froh das sie wieder einen klaren Kopf hatte. "Ich weiß" sagte ich. "Nur, was machen wir mit..." Mit einem Kopfnicken deutete ich zu der Pistole, die immer noch wie ein böses, gefährliches etwas vor uns auf der Erde lag.
"Ich fass das nicht an" sagte Mara und man merkte ihr wieder die Panik an. Ich zog meine Jacke aus und nahm damit die Pistole hoch und betrachtete sie. Ich kannte mich überhaupt nicht aus mit diesen Teilen, sodass mir die Aufschrift JX670 nicht sonderlich weithalf. Ein Kenner würde mir wahrscheinlich sofort mehr über das Modell sagen können, aber für mich war es einfach nur eine schreckliche Pistole.
"Polizei" sagte Mara, und ich stimmte ihr zu. Bis mir einfiel, das weder sie noch ich momentan ein Handy besaßen. Das bemerkte auch Mara und dann entschieden wir, einfach zum Sekretariat zu laufen.
Ich war von der Idee nicht sonderlich begeistert, wie man sich wohl denken kann, da ich nun unvermeidlich der biestigen Sekretärin wieder in die Arme laufen würde. Aber was sollten wir sonst tun? Dort gab es zumindest ein Telefon. So brachten wir Lexi schnell zurück ins Baumhaus , gaben ihr noch etwas Wasser und machten uns auf den Weg zum Eigangsgebäude, wo das Sekretäriat lag.
Ich hatte die Pistole komplett in meine Jacke eingewickelt, damit niemandem sofort auffiel, womit wir hier herumliefen. Zwei Schüler die mit einer Waffe mitten am helllichten Tag über den Schulhof laufen? Vorgestern hätte ich noch gedacht, sowas gäbe es gar nicht. Und jetzt war ich es, die verkrampft ihre Finger um die Jacke hielt, in der diese Waffe lag.
Mein Gott, wo war ich hier gelandet?
Vor dem Eingang hielt Mara mich plötzlich erschrocken fest. "Louisa, sie werden uns fragen, wo wir die Waffe herhaben und wie wir sie gefunden haben! Aber, dann müssen wir ja erzählen, dass Lexi sie gefunden hat! Und dann, dann... Werden sie mir meine kleine Lexi wegnehmen!"
Schon zum zweiten mal an diesem Tag war Mara panisch geworden. Ich musste ehrlich sein: Ich hatte mir bis zu diesem Zeitpunkt gar keine Gedanken gemacht, was wir der Polizei eigentlich erzählen wollten. Aber ich war mir sicher, dass es die richtige war, bei so einer Sache die ganze Wahrheit zu erzählen.
Ich beruhigte und tröstete Mara, dass wir eine Lösung für Lexi finden würden, sollte es Probleme geben. Dann hob ich die Hand und klopfte zwei mal laut an. Man hörte ein dumpfes Seufzen und dann schwere Schritte, die sich zur Tür bewegten.
Dann öffnete uns die Sekretärin. Ihr Blick war ganz müde und sie hatte starke Augenringe. Auch sonst wirkte sie nicht so ganz wach und bei der Sache. Ich bat um das Telefon und sie rückte es ohne nachfragen heraus. Dann ging sie aus dem Raum und murmelte irgendetwas, was ich nicht verstand.
Mara auch nicht, denn sie guckte mich nur schulterzuckend an. "Ruf du an, ich kann das gerade nicht" sagte sie und ich nickte verständnisvoll.
Ich war merkwürdigerweise ganz ruhig, als ich die 110 wählte, obwohl ich dort noch nie angerufen hatte. Mara stand neben mir und biss sich auf die Unterlippe. Dann wurde der Hörer abgenommen und eine kratzige Stimme meldete sich am anderen Ende.
Nachdem ich ausführlich berichtet hatte, befahl der Polizist mir, die Waffe aus Sicherheitsgründen sofort abzulegen, was ich auch direkt tat, und er sagte, wir sollten auf die beiden Polizisten zu warten, die er schon losgeschickt hätte.
Ich legte das Telefon auf den Schreibtisch der Sekretärin zurück, die immer noch weg war, und ging dann mit Mara ans Fenster, um nach den Polizisten Ausschau zu halten.
"Wir haben schon lange den Unterricht verpasst" bemerkte Mara und ich nickte gedankenverloren. Stimmt, heute wäre hier mein erster Schultag des Abschlussjahres. Da hatte ich wohl Pech gehabt, ausgerechnet an so einem Tag zu spät zu kommen.
Bevor ich mir weitere Gedanken darüber machen konnte, riss ein ankommendes Auto meine Aufmerksamkeit auf sich und ich sah zwei Polizisten aussteigen.
Ein älterer Herr mit Mütze und ein jung aussehender, sportlicher Typ, die jetzt beide zügig auf den Eingang zukamen. Als wären wir die Hausherren, öffneten Mara und ich die Tür und führten sie ins Sekretäriat. Was sollten wir sonst tun, ausser uns war ja schliesslich keiner hier!
Ich merkte sofort, dass Mara einen Blick auf den jungen, blonden Polizeibeamten geworfen hatte, denn sie lächelte ihn ununterbrochen an und erklärte dabei ausführlich und klar, wie wir zu der Pistole gekommen waren.
Okay, hatte sie nicht erwähnt, dass sie mit diesem Mark zusammen ist, mit dem sie sich um Lexi kümmert? Und jetzt flirtete sie gekonnt mit diesem Blondie von Polizisten und ich konnte nur innerlich die Augen verdrehen.
Mitten im Gespräch kam die Sekretärin herein, immer noch blass wie eh und je und sie riss verwundert die Augen auf bei dem wohl äusserst überraschenden Anblick der Pistole auf ihrem Schreibtisch.
Der Blondie erklärte ihr die Angelegenheit, worauf sie kurz die Augen zusammenkniff. Dann sagte sie "Ich werde euch eine Entschuldigung für den verpassten Unterricht schreiben" und gab uns beiden einen Zettel mit ihrer krakeligen Unterschrift.
Die Polizisten verabschiedeten sich daraufhin auch schon wieder und baten uns um eisernes Stillschweigen zu unserem Fund.
Dann reisten sie mitsamt der Pistole wieder ab. Natürlich nicht, ohne dass Mara ihrem Blondie noch einen tiefen Blick zum Abschied zugeworfen hatte, woraufhin dieser zwinkernd ein "Bis bald!" zurück rief.
Naaa, was haltet ihr von Blondie?
Also ich finde den Namen jetzt nicht so besonders kreativ, aber irgendwie lustig und passend ;D
Mal sehen, wie es so weitergeht...
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