Kapitel 9
Peter ließ Julian ans Steuer, obwohl der seinen Führerschein erst seit kurzem hatte und dementsprechend einen ziemlich abenteuerlichen Fahrstil. Aber er selbst hatte gerade einfach keine Nerven fürs Autofahren!
Während sie mit einem Zivilwagen durch die Stadt kurvten, begannen weiße Flöckchen vom Himmel herabzuschweben. Peter starrte durch die Windschutzscheibe ins Schneegestöber, blendete Julians sinnloses Geplapper und die schnarrenden Anweisungen des Navis aus und dachte nach. Die Idee, dass Marie die Täterin werden könnte, war verdammt plötzlich gekommen und er hatte überhaupt keine Zeit gehabt einen Plan zusammenzustellen!
Wenn er die Befragung unbedingt zu seinen Gunsten ausgehen lassen wollte, würde es etwas unvorteilhaft sein, einen überfleißigen Protokollführer dabeizuhaben. Er musste also dringend Julian loswerden. Aber wie? In seiner Verzweiflung fiel Peter nur eins ein.
"He, Julian", sagte er,"halt mal kurz bei dieser Dönerbude da, ich hab Hunger!" "Jetzt, wo du es sagst, ich auch", meinte Julian, fuhr das Auto mit Schwung auf den Bordstein und stellte den Motor aus,"Los gehts!"
Sie stiegen aus und gingen die paar Schritte zu Dönerbude. Hinter der Theke stand ein junger Mann arabischen Aussehens mit dicken Kopfhörern auf seinem fast kahl geschorenen Kopf. In der Hand hielt er einen Besenstiel aus Plastik, aber für ihn war das anscheinend gerade ein Mikrofonständer, denn er rappte in das obere Ende hinein. Irgendwie kam er Peter bekannt vor... War das nicht dieser Adnan von neulich? Julian starrte ihn fasziniert an, wie er mit geschlossenen Augen und wippendem Oberkörper so schnell sprechsang, dass Spucketröpfchen in alle Richtungen flogen. Peter dagegen räusperte sich vernehmlich.
Adnan schlug ertappt die Augen auf. "Alda, wie lange steht ihr schon da?", rief er und versuchte dabei, seinen Schreck zu überspielen. "Noch nicht lange, keine Sorge, wir stalken dich nicht", sagte Peter trocken,"Wir würden nur gern Döner kaufen."
"Normal mit Lamm oder mit Fischsch? Mit Fischsch sind die besten, Alda, vallah", der ertappte Besenstielrapper hatte sich in Sekundenbruchteilen in einen professionellen Dönerverkäufer verwandelt. "Einmal mit Fisch und einmal normal, bitte", bestellte Peter und Adnan machte sich an die Arbeit.
Während Julian ihm fasziniert zusah, wie er das Fleisch zuschnitt, kratzte Peter Taubenschiss von einer Mülltonne. Nicht sehr appetitlich, aber ihm fiel nichts besseres ein, was ordentlich Bauchweh verursachen könnte. Adnan reichte Julians Döner über die Theke, und da Julian zum Glück gerade abgelenkt war, nahm Peter ihn entgegen und 'verfeinerte' ihn noch etwas. "Was für ein Scheißplan", dachte er, während er sich die Hand an der Hose abwischte,"hoffentlich klappts trotzdem!"
Als auch Peters Döner fertig war, bezahlten sie und gingen zurück zum Auto. Peter ließ sich auf den Beifahrersitz plumpsen und sagte zu Julian: "Hau rein!" Und Julian biss in den Döner. "Mmmh...", die Taubenkacke schien er gar nicht zu bemerken.
Uäh! Peter schüttelte sich. Wie eklig war das bitteschön? Obwohl alles nach Plan verlief, war ihm der Appetit vergangen.
Julian hatte aufgegessen und fuhr weiter. Er plapperte genauso viel wie vorher, bisher schien Peters Plan nicht aufzugehen.
Da, sie waren nur noch zwei Straßen von Maries Wohnung entfernt und von Übelkeit bei Julian keine Spur. Peter dagegen wurde immer schlechter vor Angst.
Hastig behauptete er, das da wäre eine Einbahnstraße und ließ Julian einen Umweg fahren. Erstmal Zeit schinden.
Doch es half nichts, eine knappe halbe Stunde später parkte Julian den Wagen in Peters Stamm-Parklücke. Von Übelkeit immer noch keine Spur, zumindest bei ihm.
Sie stiegen aus und stiefelten über den weiß bepuderten Parkplatz zum Haus hinüber. "Schnee!", rief Julian, bückte sich und knetete einen Schneeball, "Ist das nicht schön?"
"Hm", brummte Peter, "Mach hinne, wir haben hier nen Job zu erledigen" "Jaja, gleich", Julian holte mit seinem langen Arm weit aus und warf den Schneeball. Die Hälfte zerbröselte im Flug, aber die andere Hälfte knallte mit voller Wucht gegen eins der Fenster im ersten Stock. Peter erschrak, als er realisierte, welches Fenster das war.
Schon zeigte sich hinter der Scheibe das Gesicht einer Frau mit langen pechschwarzen Haaren. Sie starrte kurz auf die zwei Männer hinunter, dann riss sie das Fenster auf und beugte sich nach draußen.
"Peter!", schallte Maries Stimme über den Hof, "Ich hab gestern den ganzen Tag versucht dich zu erreichen. Anscheinend hat's jetzt endlich geklappt! Wer ist das da eigentlich? Wartet, ich lass euch rein." Sie verschwand vom Fenster und kurz darauf ertönte der Summer an der Haustür und sie konnten rein.
"Na los!", sagte Julian voller Tatendrang und ging vor. Peter stapfte hinterher, plötzlich froh dass er Marie nicht alleine gegenübertreten musste.
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