Kapitel 7

"Schuldig", sagte der Richter,"Wegen Mordes und Betrugs sind Sie zu lebenslanger Haft verurteilt"
Schon wurde Peter von zwei Polizisten an den Armen gepackt und aus dem Gerichtssaal geführt. Es ging durch endlose Flure, und obwohl sie alle gleich langweilig grau aussahen, sog er ihren Anblick gierig ein. Denn bald würde er für den Rest seines Lebens nichts anderes mehr sehen als das innere einer Gefängniszelle.
Plötzlich bemerkte er, dass irgendetwas komisch war. Er sah an sich herunter und stellte zu seinem Entsetzen fest, dass er vollkommen nackt war! "He, wartet mal!", rief er den Polizisten zu,"Ich kann doch nicht einfach ohne Klamotten..." Doch die beiden beachteten ihn nicht und zerrten ihn durch eine große Flügeltür nach draußen ins Sonnenlicht.
Auf einem großen Platz, inmitten einer riesigen Menschenmenge, stand der Gefangenentransporter, mit dem er gleich die letzte Autofahrt seines Lebens antreten würde. Es herrschte eine Lautstärke wie in einem Fußballstadion: "Peter! Meter! Ist der! Täter!", skandierten die Leute.
Peter hob den Blick und sein feiges Herz blieb ihm fast stehen: Aus der Menge blickte ihm tausend und abertausend mal das selbe Gesicht entgegen...

Peter schlug die Augen auf. Wo war er? Nicht im Gefangenentransporter, so viel war sicher.
Er lag im Bett, durch die Schlitze in der Jalousie fiel ein wenig Licht ins Zimmer. Es war nur ein Traum, dachte Peter, nur ein Traum! Doch sein Herz raste immer noch, und sein Kissen war nass vor Schweiß. Es war schließlich gut möglich, dass sein Albtraum bald Wirklichkeit wurde (außer das nackt-vor-die-Leute-geführt-werden, versteht sich)! "Ich muss verdammt noch mal vorsichtig sein!", sagte Peter laut zu sich selbst.
Ein Blick auf die Uhr ließ ihn schlagartig alles vergessen: Schon halb acht! Verdammt, er hatte den Wecker nicht gehört! Mit einem Satz war Peter aus dem Bett. Schnell ins Bad, schnell anziehen, aufs Frühstück musste er heute verzichten. Zehn Minuten später war er startklar.

Während er sich durch den allmorgendlichen Verkehr kämpfte, drifteten Peters Gedanken ab zu seinem Traum. Zu dem Gesicht, das ihn aus der Menge angestarrt hatte. Chris.
Chris, sein langjähriger Kumpel. Chris, der ihm damals geholfen hatte, den Stuhl des unausstehlichen Physiklehrers mit Nägeln zu spicken. Chris, mit dem zusammen er Leuten Denkzettel verpasst hatte, die es wagten, sie wegen ihrer Namen zu hänseln. Er war schon immer ein gottverdammter Frauenheld gewesen, hatte seine erste Freundin in der sechsten Klasse gehabt, während Peter single blieb. In der Zehnten hatte er ihm Sarah vor der Nase weggeschnappt, war mit ihr tanzen gegangen, obwohl er wusste, dass Peter auf sie stand. Peter hatte ihn dafür im Hinterhof der Diskothek zusammengeschlagen. Diesen Anblick würde er nie vergessen, Chris, wie er mit zerschlagener, blutender Nase auf dem Boden saß und vorwurfsvoll murmelte:"Mensch, Meter, werd doch nicht gleich so aggressiv!"
Ja, und letztens war er wieder aggressiv geworden... Dieses verdammte Messer hatte so schön dagelegen... Und jetzt war Chris tot, seinetwegen!
Der Schmerz in seinem Herzen drohte Peter zu erdrücken, Tränen schossen ihm in die Augen und sein Fuß drückte aufs Gaspedal.
Das war keine gute Idee gewesen!
"Fucking SHIT!", brüllte Peter und drückte hastig auf die Bremse. Doch zu spät: er hatte das Auto des Vordermanns bereits gerammt. Oder eher der Vorderfrau, denn gerade öffnete sich die Fahrertür des weißen Audi A3 und eine Omi mit verkniffenem Gesichtsausdruck kam heraus.
Hastig stieg Peter ebenfalls aus - Gott, hoffentlich war der Schaden nicht zu schlimm - und wurde sofort mit einer Flut von saftigen Ausdrücken übergossen. "Ist doch nichts passiert, beruhigen Sie sich, Frau", rief er, als er sah, dass der Wagen keinen Kratzer abbekommen hatte.
Doch die Tante war nicht mehr zu stoppen: "Sie haben Dreck auf meiner  Stoßstange hinterlassen! Das müssen Sie mir putzen!" "Putzen Sie doch selber! Oder fahren Sie in die Waschanlage! Ich kom zu spät zur Arbeit!", konterte Peter. "Nix da, Freundchen!", sagte die Frau bedrohlich ruhig, "Jetzt wird geputzt oder ich rufe die Polizei! Niemand beschmutzt mein Auto und kommt ungeschoren davon!" "Ähm, ich bin selbst Polizist...", erwiderte Peter, doch sie drückte ihm nur wortlos einen Lappen in die Hand - Wo hatte sie jetzt den auf einmal her? - stellte sich mit verschränkten Armen mitten auf die Straße und sah ihn erwartungsvoll an. Peter gab auf. Es hatte eh keinen Sinn, sich mit dieser Tante anzulegen.
Peter war es saupeinlich, dass sie mit ihrer Putzaktion fast den ganzen Verkehr blockierten, deswegen beeilte er sich mit dem Autoschrubben. Aber immer wenn er dachte er wäre fertig, fand oder erfand sie noch irgendeinen Fleck, den er angeblich dort hinterlassen hatte. Erst eine grausame Stunde später, eine Stunde in der er sich gefühlt hatte wie ein Tier im Zoo - ein kleines Mädchen hatte ihn sogar fotografiert und dabei keckernd gelacht, war seine Sklaventreiberin zufrieden und ließ ihn endlich ENDLICH gehen. Peter stieg in sein Auto und machte sich davon, so schnell er konnte - allerdings immer darauf bedacht, nicht noch irgendjemanden zu rammen!

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