Kapitel 1
Wie ein Zombie wankte Peter durch die Flure des Kripo-Gebäudes. Unter seinen Augen lagen dunkle Ringe.
Er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich und der Beginn einer neuen Arbeitswoche machte es auch nicht besser. Wie in Trance öffnete er die Tür zu seinem Büro - und merkte, dass er schon erwartet wurde. Ein fülliger Mann in Uniform erhob sich vom Schreibtischstuhl. Sein enormer Schnauzbart wackelte, als er sprach: "Guten Morgen, Kollege. Mir scheint dass Sie haben schlechte Nacht gehabt?" Obwohl Inspektor Lilligmousky schon seit vielen Jahren in Deutschland lebte und arbeitete, konnte man aus seinen Worten einen starken russischen Akzent heraushören.
"Es geht, danke. Und, was verschafft mir die Ehre?" Sein Chef guckte ihn verwundert an:"Welche Ehre, Kollege?"
"Den Grund warum Sie hier sind, Inspektor", erklärte Peter. "Ach so. Nun, es gab gewisses Vorfall. 31-jährige Christoph Baum wurde gestern Nacht tot in seine Wohnung aufgefunden. Wahrscheinlich Mord. Und ich möchte, dass Sie dieses Fall ubernehmen."
Die Worte des Inspektors trafen Peter wie ein Schlag. Eine Flut von Erinnerungen stürzte auf ihn ein.
Er betritt die Wohnung. Stille, bis auf ein leises Geräusch aus dem Wohnzimmer. Das klingt doch wie... Er öffnet die Tür und seine Befürchtung bestätigt sich: Marie und Chris, spärlich bekleidet auf dem Sofa. Sie sind so in ihre Knutscherei vertieft, dass sie ihn nicht einmal bemerken. Einen Moment steht er wie versteinert da, dann schließt er wieder die Tür.
Jaaaa, das war saumäßig feige von ihm gewesen, aber in diesem Moment hatte sein Hirn irgendwie nicht richtig funktioniert. Weiß der Geier was die beiden sonst noch so getrieben hatten, aber am nächsten Morgen war Chris wieder weg gewesen. Peter war mit dem Auto zu ihm gefahren, noch mit Jacke, Schal und Handschuhen in seine Küche gestürmt und hatte ihn zur Rede gestellt.
"Dir liegen die Frauen immer noch reihenweise zu Füßen. Aber nein, du musst dich ausgerechnet an meine Freundin ranmachen. Ist denn kein bisschen Ehre mehr in dir übrig?" "Marie kann sich verlieben, in wen sie will", erwidert Chris kalt.
Und dann... Er hatte sich einfach nicht beherrschen können. Irgendwas in ihm war explodiert.
Weiße, heiße Wut lodert in ihm auf, lässt das Blut in seinen Adern kochen. Hass vergiftet jeden Winkel seines Körpers, er zittert. Ohne nachzudenken packt er ein Messer von der Küchenanrichte und stößt es diesem verräterischen Hurensohn in die Brust. Chris starrt ihn entgeistert an, schwankt - und kippt nach hinten um. "Was zum...", stöhnt er schwach, dann verstummt er und seine Augen werden glasig. Der unbändige Zorn in Peter lässt nach, mit einem dumpfen Gefühl in der Magengegend starrt er auf den Körper seines ehemaligen Freundes hinunter. Und weiß nicht, ob er lachen, weinen oder kotzen soll. Schließlich dreht er sich auf dem Absatz um und rennt aus der Wohnung. Auf dem Parkplatz zieht er seine Handschuhe aus, mustert sie kurz - Klebt da etwa Blut dran? - und schmeißt sie in den nächsten Müllcontainer. Dann steigt er in sein Auto und gibt Vollgas: Bloß weg hier, bloß nicht daran denken. Aber wohin? Ganz bestimmt nicht zu Marie, er will sie nie wiedersehen. Aber es gibt ja noch seine alte Wohnung, für die er seit seinem Umzug zu Marie immer noch keinen Käufer gefunden hat. Erstmal dahin. Schlafen, Fernsehen, ein Bier trinken, Chips essen, alles vergessen, und morgen sehen wir weiter.
Nun, das mit dem alles vergessen hatte jetzt nicht sooo gut geklappt. Die ganze Nacht hatte er wachgelegen, während ihm irgendeine nervige Stimme in seinem Kopf (die sehr nach seiner Mutter klang) die ganze Zeit "Was hast du nur getan?" zugeflüstert hatte. Verdammtes Gewissen.
Und jetzt sollte er auch noch diesen Mord aufklären. Mord... er hatte tatsächlich einen Mord begangen! "Tja, jetzt bin ich wohl ein Schwerverbrecher", dachte Peter,"und ich muss auch noch gegen mich selbst ermitteln."
Andererseits konnte das auch Vorteile haben... Wenn einer seiner Kollegen diesen Fall übernähme, würde alles rauskommen (immerhin hatte er nicht sehr sauber gearbeitet, jeder Berufskiller würde ihn auslachen), er käme ins Gefängnis und sein Ruf wäre zerstört. Aber wenn er selbst übernahm... man könnte ein paar Tatsachen so drehen, dass der Verdacht auf wen anderen fiel und jemand in den Knast kam, der - oder die - es auch wirklich verdient hatte. Der Gedanke gefiel ihm immer besser, je länger er darüber nachdachte.
Äußerlich ließ sich Peter jedoch nichts anmerken. "Gut", sagte er nur,"Ich übernehme den Fall." Inspektor Lilligmousky nickte zufrieden:"Das freut mich. Dann sollten wir jetzt Einzelheiten besprechen."
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