Wie man mit Phillis redet, ohne rot zu werden
Das eine Talent, von dem Remus sich wünschte, dass er es hatte (neben der Fähigkeit, mit Fremden zu sprechen, ohne zu stammeln), war das Tragen von vollen Gläsern und Bechern.
Sirius hatte ihn früher manchmal extra dazu angestiftet, für alle Getränke zu holen, weil jeder wusste, dass Remus nicht in der Lage war, ein Getränk zu tragen, ohne dass er sich selbst anschüttete.
Wenn er Glück hatte waren es nur seine Hände, die dann immer nach Butterbier (oder anderem) rochen. Manchmal musste auch seine Kleidung daran glauben.
Normalerweise vermied Remus es deswegen auch Getränke zu tragen, aber dieses Mal machte er eine Ausnahme. In einer Hand war ein roter Plastikbecher, den Sirius ihm irgendwann in die Hand gedrückt hatte und Remus nippte immer wieder einmal daran, damit er sich nicht so ausgeschlossen in der Menge fühlte, denn die Party nach dem Quidditch-Spiel war voll am Laufen und jeder hatte Spaß, trank und lachte.
In seiner anderen Hand war eine Tasse mit Kaffee, die er bei den Hauselfen bestellt hatte. Er hatte vier Löffel Zucker hinein gegeben und nur aus Neugier (und weil er ein bisschen betrunken war) ein bisschen probiert, aber er konnte nicht verstehen, wie Phillis das trinken konnte. Es war ihm viel zu viel Zucker, auch, wenn Phillis normalerweise noch mehr Zucker hineingab. Das hatte Remus dem Kaffee aber nicht antun können und deswegen der Kompromiss mit "nur" vier Löffeln.
Es war erst Abend und James und Sirius hatten irgendwie für ein Festmahl im Gemeinschaftsraum gesorgt, sodass kaum ein Gryffindor in der Großen Halle war, um dort das Abendessen zu sich zu nehmen. Die meisten Schüler, die schon seit mehreren Stunden den legendären Sieg gegen Ravenclaw feierten, bedienten sich nur allzu gerne an den kleinen Snacks von den Hauselfen.
Die Nacht war also noch jung und bisher sah es nicht so aus, als würde sie in nächster Zeit enden.
Das Team wurde gefeiert – vielleicht sogar noch mehr, als beim Sieg gegen Slytherin, denn dieses Mal hatten sie bewiesen, dass es nicht einfach nur Glück gewesen war. Es war tatsächlich Können, das dazu geführt hatte, dass Gryffindor dem Pokal immer näherkam. Jetzt stand ihnen nur noch das Spiel gegen Hufflepuff bevor.
Dazu hatte die für Hogwarts außergewöhnliche Spielweise dazu geführt, dass die Spieler an sich bewundert wurden, denn Hexen und Zauberer waren eher Akademiker und betrieben kaum Sport. Wenn man Quidditch als Hobby spielte, brauchte man nicht einmal wirklich Ausdauer oder Stärke, sondern höchstens Geschick, aber Phillis hatte bewiesen, dass es auch noch half, sportlich zu sein.
Remus erblickte James bei Marlene und Lily bei einem der Sofas – er erzählte gerade von dem Training, bei dem Phillis ihnen beigebracht hatte, wie man auf dem Besen surfte und Marlene lachte, während Lily James schon beinahe bewundernd ansah. Remus hatte nie gedacht, dass James es wirklich schaffen würde, dass Lily sich tatsächlich für ihn interessierte und Remus fand es ironisch, dass das erst der Fall war, als James sich scheinbar kaum noch für Lily interessierte. Eigentlich bestand sein Leben beinahe nur noch aus Quidditch und Phillis' und seinem eigenen Training. Lily war im Schlafsaal der Rumtreiber ein eher seltenes Thema geworden im Gegensatz zu früher.
Sirius stapelte gerade eine Pyramide aus roten Plastikbechern auf Peters Bauch und eine kleine Menge jubelte ihn begeistert an. Remus war überrascht, wie leicht manche doch zu beeindrucken waren.
Remus' Weg führte ihn an seinen Freunden vorbei zum Kamin und in einem der Sessel saß Phillis.
Sie hatte die Beine angezogen und stützte ihren Kopf auf ihrer Hand ab. Sie schlief wohl, obwohl es ein sehr unruhiger Schlaf zu sein schien, denn ihre Stirn war gerunzelt, unter ihren Augenlidern bewegten sich ihre Augen hektisch und sie murmelte immer wieder etwas Unverständliches vor sich hin.
Sie schlief schon ziemlich lange, wie Remus aufgefallen war, aber dabei verpasste sie auch ihre eigene Party und Remus hatte lange mit sich selbst diskutiert, ob er sie wecken sollte, aber nach ein paar Stunden Schlaf hatte er beschlossen, dass sie nicht länger schlafen sollte oder sie würde ihren Schlafrhythmus endgültig zerstören.
Außerdem sah ihre Haltung nicht gerade bequem aus.
Remus stellte seinen roten Plastikbecher und die Tasse mit Kaffee auf dem Boden neben Phillis' Stuhl ab, bevor er die Hand hob, um sie zu wecken, aber er stockte.
Er wollte sie nicht erschrecken und er wollte auch kein Creep sein – beides war nicht einfach. Wo sollte er sie berühren? Sollte er vielleicht nur ihren Namen sagen, bis sie aufwachte? Sollte er ihre Schulter berühren? Er wollte irgendwie ihre Haare aus ihrem Gesicht streichen, aber das wäre vermutlich seltsam. Wahrscheinlich war es besser, wenn er sie gar nicht berührte.
„Hey, Phil", sagte er leise, „Aufwachen."
Phillis murmelte etwas vor sich hin, aber Remus verstand es nicht.
„Phillis", sang er wieder, „Aufwachen!"
Phillis öffnete langsam die Augen und sah Remus verwirrt an, bevor sie sich ebenso verwirrt umsah, als würde sie nicht wissen, wo sie war.
„Bin ich eingeschlafen?", fragte sie verwirrt.
„Schon vor einiger Zeit", gestand Remus ruhig, „Ich habe Kaffee." Remus hielt ihr die Tasse hin und Phillis nahm sie noch etwas verschlafen an, roch an dem Getränk, nahm einen Schluck und summte dann zufrieden.
„Mhh, ich liebe dich Remus, der ist wirklich gut!"
Remus stockte und spürte, wie er knallrot wurde, aber Phillis schien gar nicht zu bemerken, was sie gesagt hatte oder welche Wirkung das auf Remus gehabt hatte, sondern sie sah sich wieder um und versuchte sich zu orientieren.
„Läuft die Party noch immer?", fragte sie und runzelte die Stirn.
„Es ist erst sechs", erzählte Remus, „Ich glaube nicht, dass man so einen Sieg in ein paar Stunden feiern kann."
„Noch haben wir den Pokal ja nicht", zeigte Phillis auf, „Sie sollten sich die Lorbeeren lieber für das Ende aufsparen."
„Hufflepuff hat doch keine Chance gegen euch", schnaubte Remus.
„Unterschätze nicht deinen Feind – es könnte das letzte sein, das du tust", zitierte Phillis Ruth und Remus sah sie erschrocken an, aber Phillis bemerkte das nicht oder ignorierte es.
Stattdessen rutschte sie auf dem großen Stuhl etwas zur Seite und machte Remus so Platz. Erwartungsvoll klopfte sie auf den eher schmalen Platz neben sich (der Sessel war zwar groß, aber nicht wirklich für zwei Personen gedacht) und Remus wurde wieder rot, bei dem Gedanken, dass er Phillis dann ganz nah wäre.
„Willst du mich noch länger anstarren oder willst du dich setzen?", fragte Phillis ihn ahnungslos und Remus wurde noch roter, bevor er etwas murmelte, das ungefähr wie „Idiotin" klang und sich neben Phillis quetschte.
Selbst, wenn Remus versucht hätte, Phillis nicht zu berühren, hätte es nicht funktioniert – dafür war der Sessel dann doch nicht breit genug, aber sie hatten eigentlich ziemlich bequem nebeneinander Platz. Remus dachte einen Moment daran, dass der Sessel gerade breit genug war, dass sie bequem nebeneinandersitzen konnten, als wäre er für sie gemacht, aber er verdrängte den Gedanken schnell wieder, bevor er noch roter wurde, als er sowieso schon war.
Phillis hatte ihre Knie angezogen und wippte mit ihren Beinen hin und her, wie ein Metronom, während sie eine Melodie summte und mit ihren Fingern auf der Armlehne eine Melodie tippte, die Remus nicht erkannte.
Sie schien wieder weit weg zu sein, denn ihr Blick ging in die Leere und sie schien sich auf nichts im Raum zu fixieren.
Sie nahm einen Schluck vom Kaffee und Remus fiel ein, dass er sich vielleicht etwas weniger unwohl fühlen würde, wenn er selbst etwas zu trinken in der Hand hätte, also nahm er seinen eigenen roten Becher wieder in die Hand und wünschte sich, es wäre Tee. Es war aber ganz sicher kein Tee. Sirius würde ihm niemals auf einer Party Tee in die Hand drücken.
Vermutlich würde er, sollte Remus auf einer Party mit Tee in der Hand auftauchen, ihm seinen Becher aus der Hand schlagen, als wäre es Gift und ihn dazu bringen, erst einmal ein paar Feuerwhiskey zu trinken.
Remus nahm einen Schluck. Es war kein Tee. Enttäuschung.
Remus suchte nach einem Thema, über das er sich mit Phillis unterhalten konnte. Er war sich nicht ganz sicher, ob diese Stille zwischen ihnen schon unangenehm war oder noch normal oder angenehm, aber nachdem um sie herum alle laut waren und offensichtlich Spaß hatten und sie einfach nur (sehr nahe) nebeneinandersaßen und still waren, hatte Remus das Gefühl, als müsste er eine Unterhaltung beginnen.
„Ihr... habt heute gut gespielt", meinte er, ohne Phillis anzusehen und er riss sie wohl aus ihren Gedanken.
„Hm? Ja... vermutlich...", bemerkte sie weniger begeistert, „Es hätte sicher besser laufen können."
„Noch besser?", fragte Remus amüsiert, „Ihr habt gewonnen, oder nicht? Ich meine... ja, wenn ihr den Schnatz gefangen hättet, wäre es sicher auch ganz nett gewesen, aber... letztendlich ist sogar noch besser, dass ihr so viele Tore geschossen habt, dass ihr trotzdem gewonnen habt, oder nicht?"
„Oh, davon rede ich gar nicht", gestand Phillis, „Kingsley hat sich verletzt – ich hätte das vermeiden sollen."
„Oh", machte Remus und verstand, „Äh... beim Quidditch verletzt man sich doch, oder nicht? Und er hat nur ein paar leichte Prellungen, wie ich gehört habe... Madam Pomfrey hat ihn untersucht."
„Das ändert nichts daran, dass ich es beim nächsten Mal besser machen sollte", bemerkte Phillis entschlossen, „Einen Fehler sollte man nur einmal machen!"
„Du solltest nicht die Verantwortung für alle übernehmen", riet Remus ihr, „Du brennst dich selbst aus und hast keine Energie mehr, um dich um dich selbst Sorgen zu machen."
„Irgendwie kommen mir die Probleme anderer immer viel einfacher vor", sagte Phillis schulternzuckend, „Und ich bin ihr Kapitän – wenn ich mir keine Sorgen um sie mache, wer macht es sonst?"
„Vermutlich McGonagall", scherzte Remus lachend, „Du hättest sie beim Spiel sehen sollen – ich glaube, sie hat beinahe einen Anfall bekommen, weil ich alle so riskant durch die Gegend gesprungen seid!"
Phillis lachte tatsächlich. Remus war irgendwie stolz darauf.
„Kein Wunder, dass du so viel vergisst, wenn du andere nicht vergessen kannst", tadelte Remus sie und tippte ihr leicht gegen die Schläfe (er bemerkte kaum, wie nahe sie sich dabei kamen), „Du musst andere loslassen können, um dein eigenes Leben zu regeln."
„Vergessen ist nicht das Problem, man braucht nur jemanden, der einen immer wieder an alles erinnert", zitierte Phillis lächelnd.
„Irgendetwas sagt mir, dass das nicht von dir stammt", neckte Remus sie.
Phillis grinste vielsagend. Natürlich war es von Ruth.
„Du kannst nicht alleine die Probleme aller lösen", sagte Remus ruhiger und lächelte leicht, „Nicht einmal deine scheinbar unendliche Energie reicht dafür aus."
„Ich kann es versuchen", schlug Phillis stur vor.
„Klar", stimmte Remus ihr zu, „Niemand könnte dich davon abhalten, aber du wirst bemerken, dass du selbst zu müde sein wirst, um dich um dich selbst zu kümmern."
Phillis blickte auf den Kaffee in ihrer Hand, den Remus ihr gegeben hatte und wünschte sie, sie könnte auf ihn hören.
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