Sara Dolohow adoptiert jeden, der ihr Haus betritt und niemand hat etwas dagegen

Es war seltsam, nach Irland zurück zu kehren nur wenige Tage nachdem Pirro erfolglos versucht hatte, sie umzubringen und obwohl Phillis befürchtete, ihre Heimat für ewig mit diesem schrecklichen Auftrag in Verbindung zu bringen (obwohl es große Unterschiede zwischen Irland und Schottland gab), so spürte sie nichts als Erleichterung, als sie mit Marty und Laertes aus dem Flugzeug stieg und das erste Mal seit Monaten wieder irischen Boden betrat.

Ihre Mutter wartete schon im Flughafen auf sie und ihr traten Tränen der Erleichterung in die Augen, als sie ihre Tochter erblickte. Phillis wäre am liebsten sofort in die Arme ihrer Mutter gerannt, aber sie musste sich nach der langen, anstrengenden Reise an Marty stützen und Laertes trug ihr Gepäck hinterher, ohne sich zu beschweren.

„Phillis!", rief Sara Dolohow überglücklich und brachte die letzten Meter zwischen ihnen selbst hinter sich und wollte ihre Tochter stürmisch umarmen, erinnerte sich aber im letzten Moment noch daran, dass sie noch immer ziemlich schwer verletzt war und sie lieber vorsichtig sein sollte.

„Immer vorsichtig, Miss Dolohow", riet Marty ihr grinsend.

„Federumarmungen", stimmte Phillis ihm lächelnd zu und breitete ihre Arme aus, damit ihre Mum sie sanft und ohne sie wirklich zu berühren umarmen konnte. Es war nicht wie eine wirkliche Umarmung, die Phillis im Moment wirklich gebraucht hatte, aber die Schmerzen wären das einfach nicht wert gewesen, also beließen sie es bei dieser Umarmung und Sara übernahm die Rolle von Marty und half ihrer Tochter, auf den Beinen zu bleiben.

„Mein Baby, was machst du denn für Sachen", schimpfte sie sie streng, „Einfach so verschwinden – nur einen nichtssagenden Brief hinterlassend! Ich habe mir die größten Sorgen gemacht, junge Dame!"

Phillis verdrehte belustigt genervt die Augen, lächelte aber sanft. Sie hatte ihre Mum auch vermisst.

„Du musst mir zu Hause dann alles erzählen!", verlangte Sara bestimmt, „Ich will wissen, wen ich umbringen muss und wer dafür verantwortlich ist, dass mein Baby fast –"

Sara stockte und wieder traten ihr Tränen in die Augen vom bloßen Gedanken, ihre Tochter zu verlieren.

„Keine Sorge, Sara", beruhigte Laertes sie finster grinsend, „Wir kümmern uns schon um diesen Verräter. Übermorgen kommen Birget und Wesley nach und dann jagen wir dieses Arschloch und geben ihm das, was er verdient."

„Laertes!", schimpfte Marty ihn streng, „Nicht doch!"

Sara schien aber nichts dagegen zu haben, dass Laertes offensichtlich von Mord und Todschlag sprach, sondern lächelte sogar dankbar. „Ich kann mich auf euch verlassen. Er hat die Felder der Bestrafung verdient nach allem, das er Phillis und Ruth angetan hat!"

„Pirro wird sich noch wünschen, niemals geboren zu sein", bestimmte Laertes selbstsicher, „Für ihn ist ein Platz in der düstersten Unterwelt schon reserviert!"

Marty und Laertes hatten sich dazu bereit erklärt, Phillis nach Hause zu begleiten. Sie hatten von Chiron und Mr D die Erlaubnis bekommen, zusammen mit Birget und Wesley nach Pirro zu suchen und ihn zur Rede zu stellen – vielleicht sogar vor die Götter zu zerren, damit diese über ihn richten würden oder – was Phillis lieber nicht hörte – ihn im Kampf zu töten.

Keiner hatte es für weise empfunden, Phillis alleine reisen zu lassen. Sie konnte nun zwar schon feste Nahrung zu sich nehmen (nur nach einem speziellen Diät-Plan, den Marty für sie zusammengestellt hatte, nachdem ihre Verdauungsorgane noch immer ziemlich beleidigt waren und sie fettiges oder süßes Essen noch nicht ganz vertrug (aber das würde sich innerhalb der nächsten ein oder zwei Wochen auch bessern, wie Marty versprochen hatte)), aber sie war noch immer schwach.

Wenn man Phillis vor und nach dem Vorfall verglich, waren die Unterschiede enorm.

Nicht nur hatte sie während ihres Auftrags häufiger fasten müssen und hatte deswegen etwas abgenommen, sondern nachdem sie auch noch viel Energie und Kraft für ihre Heilung benötigt hatte, wirkte sie nun immer ausgelaugt mit dunklen Ringen unter den müden Augen und der schön gebräunten Haut seltsam bleich, als hätte man ihr jegliche Lebensenergie entzogen.

Sie war schnell ausgelaugt – allein vom wach sein – und konnte nie allzu lange stehen, aber trotzdem wollte sie unbedingt nach Hause.

Sie hatte ihre Mutter schon seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen oder von ihr gehört und sie wiederzusehen hatte nach allem Priorität für sie gehabt, nachdem sie im Camp das Gefühl gehabt hatte, nicht mehr gebraucht zu werden.

Marty hatte sie dazu gebracht, erst einmal alles ruhig anzugehen und meistens lag sie in ihrem Bett und das würde ihr wohl auch zu Hause bevorstehen (nachdem Marty als ihr Arzt ein Auge auf sie haben würde) und sie hatte mithelfen dürfen, den Auftrag Pirro zu finden, vorzubereiten.

Sie hatte Houdini, Birget, Laertes, Marty und Wesley erklärt, was es bedeutete, eine Hexe zu sein, dass sie eine war und weitere hoffentlich hilfreiche Informationen über die Zaubererwelt, damit sie auch gegen die Verbündeten von Pirro ankämpfen konnten und es hatte sich gut angefühlt, mit jemanden über all das Reden zu können.

Die Reaktionen waren seltsam gewesen, aber letztendlich hatten sie es alle nicht lange hinterfragt. Nachdem man erst einmal lange genug mit Göttern zu tun hatte, hinterfragte man alles nicht mehr lange, sondern akzeptierte es einfach.

Sara Dolohow hatte trotzdem ein Auto gemietet, in dem sie sich alle hineinquetschten.

Phillis durfte vorne sitzen, damit sie Wahrscheinlichkeit, dass sie sich übergab noch etwas geringer wurde (obwohl sie eigentlich nicht wirklich die Reisekrankheit bekam) und Marty und Laertes setzten sich nach hinten.

All ihr Gepäck (Gitarre, Reisetasche, Bogen und Köcher) wurden im Kofferraum verstaut. Laertes und Marty reisten mit leichtem Gepäck wie bei einem Auftrag, nachdem sie vermutlich viel unterwegs sein würden, um Pirros Spuren zu verfolgen.

Phillis schlief auf dem Weg irgendwann auch kurz ein, aber sie konnte nicht genau sagen, wie lange, aber als sie wieder aufwachte, befanden sie sich in bekannte Gegenden.

Als sie die bekannten Straßen wiedersah, fühlte Phillis sich wohl und in Sicherheit – noch mehr, als sie es im Camp getan hatte. Hier war sie vielleicht nicht wirklich von Monstern geschützt, aber zu Hause konnte sie allen vertrauen.

Sara half ihrer Tochter ins Haus und dann direkt ins Wohnzimmer, damit sie sich auf der Couch etwas hinlegen konnte, während Laertes und Marty sich um das Gepäck kümmerten.

„Leg dich etwas hin, soll ich dir etwas bringen?", fragte Sara besorgt und strich ihrer Tochter eine Strähne aus dem Gesicht. Sie hatte sich hingelegt und schien kaum noch wach zu sein, ihre Augen fielen ihr schon zu und als sie ihrer Mum antwortete, kam nur unverständliches Gebrabbel heraus.

Sara lächelte traurig, als Phillis einschlief und legte eine Decke über sie.

Marty und Laertes brachten die Rucksäcke ins Haus und fühlten sich wohl wohler, sobald die Tür hinter ihnen geschlossen war.

Sara kam, um ihnen mit dem Gepäck zu helfen, aber sie redete nur leise mit ihnen, um Phillis auf gar keinen Fall aufzuwecken.

„Es ist schlimmer, als sie in ihrem Brief geschrieben hat, oder?", fragte Sara nervös und sie war sich nicht sicher, ob sie überhaupt eine Antwort auf ihre Frage hören wollte.

Eigentlich musste sie gar keine Antwort hören – der Blick, den Marty und Laertes tauschten, verriet schon genug.

Sara nickte leicht und seufzte. „Aber... sie wird doch wieder gesund, oder?"

„Auf jeden Fall", versprach Marty sicher – wenigstens das konnte er sagen, „Ich befürchte, es wird noch ein paar Wochen dauern und dann gibt es noch ein paar Unklarheiten zu klären... Aber diese Niere hat sie sowieso nicht gebraucht."

Sara wurde etwas bleich, schluckte aber mutig ihre Sorgen hinunter und nickte. „Das ist... gut... ich kenne sie nur nicht so... energielos. Das war das letzte Mal so, als Ruth –"

„Sie wird schon wieder", versicherte Laertes ihr zuversichtlich, „Du kennst Phillis doch, Sara. Phillis frisst alles in sich hinein und spricht mit niemanden über ihre Probleme und irgendwann bricht dann alles aus ihr heraus – es ist nur eine Frage der Zeit."

„Sie müssen nur verstehen, dass ein Freund sie verletzt hat, Miss Dolohow – nicht nur körperlich. Er hat sie verraten und das kann seelisch ebenso schmerzen", sagte Marty ernst.

„Oh, bitte – nenn mich Sara", bat Sara ihn, „Tut mir leid, Jungs. Ich bin eine schreckliche Gastgeberin, aber ich mache mir nur so um Phillis Sorgen!"

„Vollkommen verständlich", winkte Marty lächelnd ab, „Wir sind froh, dass du dein Haus für uns geöffnet hast."

„Das ist doch selbstverständlich – alle Freunde von Phillis sind hier willkommen", rief Sara bestimmt, „Ihr könnt solange bleiben, wie ihr wollt! Oben haben wir freie Gästezimmer, die nur danach schreien, endlich bewohnt zu werden – wir haben so selten Gäste. Braucht ihr zwei Zimmer oder nur eines?"

Laertes wurde sofort knallrot. „Äh... natürlich zwei, wir –"

„Laertes, Schatz", unterbrach Sara ihn streng, „Das hier ist euer Haus – ihr seid hier jetzt zu Hause, solange ihr hier bleiben wollt und – das verspreche ich bei allem, das mir und euch heilig ist – solange ihr hier wohnt, müsst ihr beide überhaupt nichts verstecken. Also... ein oder zwei Zimmer?"

Marty grinste und nahm Laertes' Hand in die seine. „Ich glaube, eines wird schon reichen."

Falls das noch möglich war, wurde Laertes noch roter im Gesicht und Marty lachte hell und Sara konnte nicht anders, als es ihm gleich zu tun.

„Dann hoch mit euch – fühlt euch wie zu Hause. Soll ich einen Snack vorbereiten oder wollt ihr euch zuerst ausruhen? Wie wäre es mit einem Kaffee?"

„Danke, Sara", bedankte Laertes sich und stand einen Moment lang wie ein schüchterner Schuljunge vor ihr, aber Sara durchschaute ihn sofort.

Sie breitete sanft lächelnd ihre Arme aus und Laertes umarmte sie so, wie er seine eigene Mutter schon seit Jahrzehnten nicht mehr umarmt hatte.

Marty stand einen Moment lächeln daneben, bis Sara ihn ebenfalls in die Umarmung zog und Marty hatte überhaupt nichts dagegen – Saras Umarmungen waren schön.

„Solange ihr das wollt, seid ihr Familie, Jungs", versprach Sara ihnen leise, „und egal, was es auch ist – ich werde mich bemühen, euch vor allen Gefahren zu schützen, vor denen ich meine eigene Tochter nicht schützen konnte..."

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