Phillis verstört wieder einmal andere Leute (und genießt es auch noch)

Eigentlich hatte Phillis den ganzen Montag über frei und diese Zeit hätte sie am liebsten genutzt, um dauerhaft zu trainieren, aber leider hatten ihre Teamkameraden noch immer mehr Stunden als sie, also war das nicht möglich.

Hausaufgaben hatte sie auch nicht wirklich viele – eigentlich gar keine. Für Astronomie hatten sie eine Karte mit der Bewegung der Monde außerhalb ihres Sonnensystems zeichnen müssen, aber das hatte Phillis schon in einer schlaflosen Nacht erledigt.

Ihre Hausaufgaben für Wahrsagerei waren einfach gewesen und sie hatte sie innerhalb von wenigen Minuten erledigen können.

Chiron gab selten wirklich Schreibaufgaben auf und wollte meist nur Notizen, um zu sehen, dass man sich über seine Aufgaben Gedanken gemacht hatte und nachdem Phillis schon seit sechs Jahren lernte (und besonders in den letzten beiden Jahren einen Schwerpunkt auf Strategie und Methode gelegt hatte), tat sie sich nicht schwer. Eigentlich war es für sie sogar ziemlich einfach.

Sie hatte also am Montag schon alle ihre Hausaufgaben für die kommende Woche erledigt (was für Phillis mehr als nur außergewöhnlich war, nachdem sie Hausaufgaben meist bis zur letzten Sekunde aufgeschoben hatte) und es gab eigentlich keinen Grund für sie zu Hagrid zu gehen, aber bewaffnet mit ihrem Bogen und einem Köcher mit Pfeilen ging sie trotzdem.

Sie hatte sowieso nichts Besseres zu tun und die Langeweile war schon so schlimm, dass es sie beinahe physisch schmerzte.

Es war einer dieser erdrückenden, schweren Herbsttage. Nebel zog über die umliegenden Berge und schwebte nur knapp über dem Gras, sodass Phillis ein wenig das Gefühl hatte, durch eine Wolkenmeer zu gehen. Die Luft war schon ziemlich kühl und sie zog ihren Mantel enger um sich.

Hagrid öffnete die Tür und wirkte einen Moment lang überrascht sie zu sehen, aber dann lächelte er sie wie immer einladend an. Phillis empfand Hagrid irgendwie ein Chiron, aber weniger seriös und ernst. Er hatte einfach diese freundliche Aura, die einen dazu brachte, sich irgendwie geborgen zu fühlen, wenn das irgendwie für andere Sinn ergab, die nicht gerade solche Vater-Komplexe hatten wie Phillis (was sie niemals zugegeben hätte).

„Phillis! Brauchst du Hilfe bei deinen Hausaufgaben?", fragte Hagrid sie sofort.

Phillis schüttelte den Kopf. „Nah... die habe ich schon alle."

„Wirklich?", Hagrid wirkte ebenso überrascht, aber Phillis nahm das nicht als Beleidigung auf, immerhin war das tatsächlich ein kleines Wunder.

„Jaah... ich habe sie schon letzte Nacht erledigt – ich habe nicht schlafen können... ich wollte aber trotzdem vorbeischauen, wenn du nichts dagegen hast!"

„Du bist bei mir immer willkommen, Phillis!", rief Hagrid begeistert, „Komm rein! Komm rein!"

In Hagrids Hütte war es wärmer als draußen und im Kamin brannte ein wärmendes Feuer, das Phillis wie immer an die Lagerfeuer im Camp erinnerte und – das war neu – auch die Lagerfeuer, die sie mit Houdini und Pirro entzündet hatte, wenn sie übernachtet hatten und die Nacht kalt geworden war.

Phillis konnte sogar ihren Mantel ausziehen und sie legte ihn neben sich auf die Bank, auf die sie sich setzte, während Hagrid aus einem Teekessel ihr einen Tee in einen seiner großen Becher einschenkte, die für Hagrid aber eher klein waren.

„Wie geht's dir?", fragte Hagrid sie, „Wir haben noch gar nich die Chance gehabt zu reden! Ich habe gehört, du bist verletzt gewesen?"

Phillis verzog das Gesicht. „Jaah... war ziemlich schlimm, aber jetzt bin ich wieder so gut wie neu!"

„Und wieder Kapitänin!", verkündete Hagrid laut mit einer Stimme, die Phillis an Birget erinnerte, die auch immer etwas zu laut für Innenräume sprach, aber wirklich gut über ganze Kriegsfelder zu hören war, „Professor McGonagall hat das ganz stolz im Lehrerzimmer erzählt."

Phillis lächelte leicht – McGonagall wirkte immer so ernst und distanziert, aber sie hatte ihre Momente. „Jaah... wir sind schon wieder mitten im Training, heute am Abend trainiere ich mit Hestia, unserer neuen Jägerin."

„Bestimmt holt ihr euch dieses Jahr wieder den Pokal!", versicherte Hagrid ihr zuversichtlich und lächelte breit, bevor er sich ihr gegenüber auf seinen großen Stuhl niederließ, selbst eine Tasse Tee in der Hand, „Kenn niemanden, der so überzeugt von einer Sache ist, wie du in Quidditch."

„Hey, Hagrid", Phillis räusperte sich, „Können wir nicht... über Quidditch sprechen?"

Das überraschte Hagrid nun nicht mehr nur, sondern er wirkte ganz offen besorgt oder sogar verängstigt.

„Bist du wirklich Phillis?", fragte er sie misstrauisch, „Die Phillis, die ich kenne, hätte niemals abgelehnt über Quidditch zu reden! Und diese Phillis hätte ihre Hausaufgaben auch noch nicht so früh erledigt, sondern sie bis zum letzten Augenblick aufgeschoben!"

„Ich weiß nicht, Hagrid", murmelte Phillis leise und verschränkte die Arme vor der Brust, als würde sie sich selbst zusammenhalten müssen, „Ich fühle mich zurzeit nicht so wohl..."

„Deine Verletzung? Soll Madam Pomfrey sie sich noch einmal ansehen?", schlug Hagrid besorgt vor.

„Nein... also... das würde nichts bringen", winkte Phillis ab, „Ich... es ist im Sommer nur so viel passiert, dass es sich immer noch seltsam anfühlt, hier zu sein. Ganz zu schweigen davon, dass plötzlich alle ihr Vertrauen in mich legen und ich... ich weiß einfach, dass ich sie alle enttäuschen werde... Ich... ich wünschte mir einfach, es wäre alles noch wie früher – vor diesem Sommer."

Hagrid sah sie nachdenklich an und schien sich wohl genau zu überlegen, was er darauf sagen sollte. Phillis spürte seinen Blick auf sich, wich seinem Blick aber bewusst aus und nahm stattdessen einen Schluck von dem noch immer brennend heißem Tee.

„Es war ein aufregendes Jahr für dich", sagte Hagrid schließlich, „Du solltest dir nicht so viele Gedanken machen, wen du aller enttäuschen kannst und denke lieber daran, wem du aller eine Freude bereiten kannst."

„Ich habe nur das Gefühl, dass jetzt alle ein ganz falsches Bild von mir haben", gestand Phillis leise, „Ich meine... ich habe nur drei ZAGs – das ist erbärmlich, selbst für jemanden wie mich. Ich kann vielleicht nicht lesen, aber wenigstens mit den praktischen Prüfungen hätte ich doch ein wenig meine Noten aufbessern können, oder nicht? Stattdessen war ich offenbar in Zauberkunst so schlecht, dass mir selbst die Zusatzpunkte nichts Besseres als ein Annehmbar eingebracht haben! Aber alle in meiner Umgebung tun so, als wäre ich ja so intelligent!"

„Ich habe überhaupt keine ZAGs", erinnerte Hagrid sie ernst, „Bin ich dumm?"

„Natürlich nicht", schnaubte Phillis, als wäre das selbstverständlich, „Das ist was anderes – sie haben dir nicht einmal die Chance gegeben, dich zu beweisen!"

„Aber du hast dich bewiesen – mehrmals", erinnerte Hagrid sie, „Du hast das Quidditch-Team zu einem legendären Sieg nach dem anderen geführt. Du hast dieses Team trainiert und den Pokal gewonnen! Das klingt für mich danach, als hättest du dich mehr als nur bewiesen."

„Quidditch hat nicht viel mit Intelligenz zu tun", winkte Phillis ab.

„Soweit ich verstanden habe, hat es genauso mit Intelligenz zu tun, wie Schulnoten – nur anders", erwiderte Hagrid darauf.

„Aber das wird nicht reichen!" Phillis zog an ihren Haarsträhnen – fest genug, dass es wehtat aber nicht fest genug, um sie auszureißen. „Die ganze Sache mit dem Krieg gegen Voldemort, meine Mum, meine Geschwister und mein Vater! Das ist alles... ich habe das Gefühl, sie alle erwarten, dass ich eine Antwort für alles habe, aber ich habe keine Antworten! Ich bin dumm, ich bin unkonzentriert und jetzt schaffe ich es nicht einmal mehr, mir eine ordentliche Strategie für Quidditch einfallen zu lassen, wie soll ich da jemals den Anforderungen von meiner Familie gerecht werden?"

„Als erstes solltest du dich wohl etwas entspannen", riet Hagrid ihr streng, „Du siehst müde aus."

„Ich schlafe auch nicht sonderlich gut."

„Willst vielleicht mit Madam Pomfrey darüber sprechen?", schlug Hagrid vor, „Diese Frau kann alles heilen."

„Ich weiß nicht", seufzte Phillis müde und lehnte sich zurück, „Das ist nicht so einfach – sie könnte mir sicherlich einen Schlaftrunk geben oder vielleicht auch einen Trank für traumlose Nächte, aber... ich glaube, das würde mich nur noch mehr stressen."

Hagrid sah sie einfach nur an und vermutlich wusste er einfach nicht, was er sagen sollte. Phillis war auch nicht wirklich zu ihm gekommen, um alle ihre Sorgen bei ihm abzuladen, aber andererseits wusste sie niemanden, bei dem sie es sonst hätte machen können.

„Du wirst doch nicht bedroht, oder?", fragte Hagrid schließlich und Phillis sah erschrocken auf.

„Nein!", versicherte sich ihm schnell – vielleicht etwas zu schnell, denn Hagrid ließ das Thema noch nicht fallen.

„Weißt du, Phil – wenn deine Familie dich irgendwie... zu etwas bringt oder es Dinge gibt, über die du nicht reden kannst, obwohl du das willst... wenn du in Gefahr bist – dann solltest du wissen, dass du beschützt werden kannst. Ich bin da, wenn das irgendetwas zählt oder auch Dumbledore – großer Mann – und nicht einmal dein Onkel würd sich mit ihm anlegen!"

„Danke, Hagrid, aber nein", versicherte Phillis ihm, „Also... nicht wirklich... es ist... komplizierter als das."

„Unsinn!", rief Hagrid aus, „Solche Sachen scheinen immer furchtbar kompliziert, aber das müssen sie nicht sein! Vielleicht willst du ja keine Hilfe, aber dann kannst du mit mir auch nur darüber reden und ich helfe dir dabei, da selbst raus zu kommen. Und wenn du mit mir nicht reden willst, dann vielleicht mit Remus? Er ist ein guter Junge und intelligent, ich wette, er hat immer eine Lösung parat."

Phillis sah Hagrid einen Moment lang an. Er war eigentlich ein Freund, obwohl sie sich nicht ganz sicher war, ob das wirklich der richtige Begriff war.

Aber Hagrid hatte ihr schon immer geholfen – mit den Hausaufgaben, mit Problemen in der Schule, mit ihrer Hyperaktivität und allem anderen, das sie beinahe nicht lebensfähig machte, wie es ihr schien. Und wahrscheinlich sprach mehr ihre impulsive Demigott-Seite in ihr als ihre rationale-Strategen-Seite, als sie Hagrid alles erzählte.

„Ich bin eine Demigöttin – deswegen habe ich diese ganzen Probleme."

Hagrid blinzelte und zögerte, als würde er über ihre Worte nachdenken.

„Ist das... eine Gruppe? Wie Todesser?", fragte Hagrid unsicher.

„Es bedeutet, dass meine Mum eine Sterbliche ist – aber mein Dad ist ein Gott", gestand Phillis und beinahe schon erwartete sie, dass draußen Donnergrollen sie warnen würden, dass sie nichts weiter erzählen sollte, aber eigentlich hatte sie die Erlaubnis bekommen darüber zu sprechen und sie vertraute Hagrid – vielleicht sogar mehr, als sich selbst. „Diese Muggel-Geschichten von allmächtigen Wesen in Griechenland? Die sind alle wahr – und einer dieser Götter ist mein Dad."

Hagrid lachte – er klang verunsichert. „Phillis? Du brauchst mehr Schlaf."

„Ich sage die Wahrheit", widersprach Phillis ihm ruhig – er reagierte genau so, wie sie erwartet hatte, „Deswegen bin ich so hyperaktiv: Demigötter sind geboren, um auf Schlachtfeldern zu kämpfen und das hilft wohl irgendwie dabei; deswegen bin ich Legasthenikerin: mein Gehirn ist wohl auf Altgriechisch ausgelegt und deswegen habe ich Schwierigkeiten mit Englisch; deswegen rieche ich für dich auch nach deiner Lieblingsmahlzeit, frag Flitwick oder Remus, ihnen geht es gleich. Deswegen bin ich auch dieses Schuljahr später gekommen: Ich habe für meinen Vater einen Auftrag erledigen müssen. Deswegen bin ich auch verletzt worden. Deswegen kann ich so gut Bogenschießen: Mein Vater ist Apollo, der Gott der Sonne, aber auch der Bogenschützen, deswegen bin ich so gut – ich bin sozusagen mit dem Talent geboren worden."

„Phillis, geht es dir gut?", fragte Hagrid besorgt, „Was du da sagst ist –"

„Frag Chiron – er trainiert Halbblute wie mich", schlug Phillis vor, „oder noch besser, Dumbledore! Du vertraust Dumbledore, oder? Nun... er weiß alles davon."

„Ich verstehe nicht", brummte Hagrid eindeutig verwirrt, aber das war auch kein Wunder – Phillis hatte ihn mit diesen Informationen mehr oder weniger überrannt.

Aber nun hatte sie schon die Grundlagen erzählt, da konnte sie nicht einfach aufhören und deswegen erzählte Phillis Hagrid, wie die Götter nun in Amerika waren, wie sie noch immer Demigott-Kinder mit Sterblichen haben, wie diese Kinder von Monstern verfolgt wurden, wie es ein Camp gab, in dem Chiron sie eigentlich trainierte. Dann erzählte Phillis von ihren Geschwistern und Freunden und dann auch von Voldemort und seinem Bündnis mit Pirro und wie sie dafür mit Dumbledore ein Bündnis geschlossen hatte, um sich gegenseitig im Kampf gegen die gemeinsamen Gegner zu unterstützen.

Hagrid war wie immer ein ausgezeichneter Zuhörer und unterbrach Phillis nicht – man sah nur an seinen Gesichtsausdrücken ganz genau, was er sich dabei dachte. Verwirrung, Schuld, Schock oder sogar Wut.

„Das erklärt wohl so ein paar Dinge", meinte Hagrid nachdenklich, als Phillis ihre Erzählung beendete, „Nicht nur dich – du bist manchmal ziemlich seltsam, Phillis, aber ich habe das nie so wirklich hinterfragt, immerhin bin ich auch ziemlich seltsam."

Phillis kicherte leise.

„Dumbledore hat beim letzten Ordenstreffen auch Dinge erzählt, die mit deiner Geschichte zusammenpassen", erinnerte sich Hagrid, „Er hat von einem Jungen erzählt – wohl ein Zauberer auf der Seite von Du-weißt-schon-wem. Wir sollten wohl nach ihm Ausschau halten."

„Das ist Pirro", bestätigte Phillis verbittert, „Er hat versucht, mich umzubringen."

Hagrid schlug plötzlich auf den Tisch und das Geschirr darauf klirrte. Phillis zuckte erschrocken zusammen, aber Hagrids plötzliche Wut war nicht gegen sie gerichtet.

„Das gibt es doch nicht! Du bist noch ein Kind!", brüllte Hagrid ungläubig, „Warum sollte er das tun?"

„Weil ich ihm im Weg war?", schlug Phillis ruhiger vor, aber auch in ihrer Stimme hörte man ihre Wut heraus, „Weil er mich davor vermutlich schon umbringen wollte, und ich habe ihm die perfekte Gelegenheit geliefert? Weil ich eine Idiotin bin?"

„Ihr seid alle noch so jung", regte Hagrid sich weiter auf, „Dumbledore hat angedeutet, dass er ein paar junge Leute nach diesem Schuljahr in den Orden rekrutieren will – den Potter-Jungen und seine Freunde."

„Würde mich nicht wundern", gestand Phillis, „James und Lily beschäftigen sich jetzt schon ziemlich mit Voldemort."

„Sie sind trotzdem jung", erinnerte Hagrid sie, „Und du bist auch noch zu jung."

„Aber der Krieg wartet nicht direkt darauf, dass wir erwachsen werden", bemerkte Phillis.

„Ihr solltet überhaupt nicht involviert werden", bestimmte Hagrid aufgebracht, „Besonders du nicht – du bist noch nicht einmal erwachsen!"

„Ich habe mir das nicht direkt ausgesucht, Hagrid", erinnerte Phillis ihn.

„Du sagst, dein... dein Dad ist ein Gott?", fragte Hagrid mit Verzweiflung in der Stimme, „Klingt für mich so, als hätte der die Möglichkeit, dich zu schützen, oder nich'?"

„So funktioniert das nicht", seufzte Phillis müde.

„Wie dann? Du willst mir weismachen, dass da draußen Wesen sind, die... die vielleicht sogar allmächtig sind und trotzdem lassen sie ihre eigenen Kinder sterben? Kämpfen?"

„Ja." Phillis wusste nicht, was sie sonst darauf antworten sollte.

Hagrid schien trotz allem überrascht von dieser Antwort und sah Phillis einen Moment lang einfach nur ungläubig an, bevor er langsam nickte.

„Du musst nicht mehr kämpfen", schlug Hagrid vor, „Ich kann dich beschützen – Dumbledore kann dich beschützen. Werd' du erst einmal erwachsen!"

„Liebend gerne, Hagrid, aber dafür bin ich wohl schon zu tief involviert und sie brauchen mich", Phillis lachte trocken, „Ohne mich bekommen sie ja nichts hin."

„Wie kann ich dir sonst helfen?", fragte Hagrid weiter.

„Keine Ahnung..." Phillis sprach ruhig und ernst. „Du kannst einfach für mich da sein. Es tut gut, mit jemanden darüber zu sprechen... Ich trage dieses Geheimnis schon ziemlich lange mit mir herum und erst langsam wissen auch andere davon – wäre schon, wenn ein Freund wie du davon weiß, mit dem ich darüber sprechen kann. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich mit Chiron oder Dumbledore oder sogar den anderen eingeweihten Demigöttern darüber sprechen kann, wie mit dir..." Höchstens mit Houdini, aber der war nicht da und über Briefe konnte man sich trotz allem nicht so unterhalten, wie von Angesicht zu Angesicht.

Hagrid schluckte schwer und nickte. „Das kann ich machen", versprach er beinahe schon feierlich, „Dann... dann trink deinen Tee und ich höre zu, wenn du willst. Ich werde es auch niemanden weitersagen."

„Nicht einmal Dumbledore", verlangte Phillis.

„Du kannst Dumbledore vertrauen", versicherte Hagrid ihr vehement, „Ich selbst vertraue ihm mit meinem Leben und er ist ein weiser, intelligenter Mann. Vielleicht kann er dir besser helfen als ich."

„Das ist es nicht..." Phillis lache nervös. „Es ist nur... Wir arbeiten zusammen und ich helfe ihm dabei, diesen Krieg und unsere Art damit umzugehen zu verstehen. In dieser Zeit fühlt es sich nicht so an, als wäre er der Professor und ich der Schüler, sondern... umgekehrt. Und wenn das wirklich so ist und Dumbledore mit vertraut, dass ich ihn und die Zauberergemeinschaft sicher durch diesen Krieg führen kann, dann sollte dieses Vertrauen nicht beschmutzt werden, indem er mitbekommt, wie wenig Ahnung ich eigentlich selbst habe..."

Hagrid sah Phillis mit einer Mischung aus Perplexität und müder Trauer an. Mitleid.

Phillis schaute weg, um ihn nicht anzusehen.

„Hagrid, meine Schwester ist letztes Jahr gestorben und jetzt bin ich Hüttenälteste und ich habe immer das Gefühl gehabt, dass ich meinen jüngeren Geschwistern nicht zeigen darf, wie hilflos ich mich wirklich gefühlt habe und obwohl Dumbledore ungefähr ein Jahrtausend älter ist als ich... habe ich trotzdem dasselbe Gefühl. Vielleicht übertreibe ich, aber ich habe das Gefühl, als würde Dumbledore jegliche Hoffnung in mich und unsere Siegeschancen verlieren, wenn er bemerkt, wie ich mich wirklich fühle und... und selbst, wenn die Situation aussichtslos aussieht, würde ich das niemals sagen, damit sie wenigstens nicht mit Angst sterben müssen, sondern voller Zuversicht und Hoffnung."

„Du bist viel zu schnell erwachsen geworden, Phil", sagte Hagrid leise.

Phillis nickte nur leicht und nippte an ihrem Tee.



Hestia Jones sah sehr nervös aus, als Phillis mit ihrem Besen und in Quidditch-Uniform das Spielfeld betrat.

Phillis war pünktlich, also war Hestia zu früh gewesen, aber das war auch kein Wunder. Sie hatte nur von anderen im Team gehört, dass Phillis in diesen Einzeltrainings die individuellen Schwächen der Spieler auszugleichen versucht, aber trotzdem wusste Hestia nicht wirklich, was sie erwartete.

Sie hatte nur von Pfeilen, gebrochenen Nasen und zerbrochenen Teetassen gehört (und zerbrochenen Träumen) und Hestia war eher verstört als beruhigt worden, als ihre Kameraden ihr die Nervosität mit Anekdoten nehmen wollten.

„Hey, Hestia!", begrüßte Phillis sie heiter.

Hestia brachte irgendwie ein leises „Hey" heraus und sie spürte, wie sie schon knallrot wurde. Warum konnte sie nicht einmal jemanden begrüßen, ohne gleich rot zu werden und nervös?

„Wie waren die Stunden?", fragte Phillis ganz entspannt und lächelte Hestia an, als hätte sie gar nicht bemerkt, wie nervös Hestia war, obwohl es offensichtlich sein musste.

„Gut." Mehr brachte Hestia nicht heraus.

„Du bist gut in der Schule, oder?", fragte Phillis weiter.

Hestia zuckte nur mit den Schultern.

„Du musst keine Angst vor mir haben", beschwichtigte Phillis sie schmunzelnd, „Sei nicht so angespannt!"

Hestia lächelte leicht, aber es sah gezwungen und gequält aus.

„Hast du schon einmal geschrien?", grinste Phillis, „So richtig laut? Einfach so? Aus Frust oder Wut?"

Hestia sah Phillis nun verstört an. „Nein?"

„Dann probieren wir das jetzt einmal!", schlug Phillis aufgeregt vor, „Wenn man herumschreit, fühlt man sich immer gleich selbstsicherer und mutiger – komm schon! Schrei!"

Hestia sah sich nervös um, um zu sehen, ob jemand in der Nähe war und sie verstand nicht genau, was Phillis von ihr erwartete, aber sie befolgte ihre Anweisungen und schrie. Etwas halbherzig und ziemlich leise, aber man konnte es schon als „Schrei" einstufen.

Phillis wirkte trotzdem nicht zufrieden. „Nein, nein, nein", sie schüttelte den Kopf, „Das kannst du besser – stell dir einfach vor, du bist auf einem Schlachtfeld– nein... warte... inmitten von einem Quidditchspiel und mit einem Schrei könntest du deine Gegner so einschüchtern, dass sie verlieren. Du musst ihnen mit dem Schrei Angst machen! Sie aus dem Konzept bringen! Sie müssen sich vor dir fürchten! Schau – so!"

Phillis brüllte auf einmal los – so laut, dass Hestia erschrocken zusammenzuckte, aber dann musste sie kichern und Phillis grinste ebenfalls.

„Genau so – stell dich breiter hin – ein fester Stand ist wichtig! Und jetzt hol tief Luft – bis deine Lungen zu platzen scheinen! Und dann – SCHREI!"

Hestia schrie wieder und dieses Mal etwas lauter, aber sie verstummte schnell, als sie bemerkte, wie laut es war und sie wurde knallrot.

Phillis lachte aber und klatschte in die Hände. „Das war ausgezeichnet! Noch einmal – dieses Mal länger!"

„Warum?", fragte Hestia verwirrt, „Ich habe gedacht, wir trainieren."

„Das tun wir doch." Phillis hob eine Augenbraue und sah Hestia auffordernd an. „Also – schreien wir zusammen?"

Phillis stellte sich wieder breiter und stabiler hin und begann zu schreien und mit kurzer Verzögerung folgte Hestia ihrem Beispiel und sie wusste nicht genau, was es war, aber es war befreiend und sie entspannte sich sichtlich.

Als sie keine Luft mehr hatte, hörte sie auf, aber Phillis hielt noch etwas länger durch, verstummte aber ebenfalls irgendwann und holte Luft, bevor sie lachte. „Das nenne ich einmal einen Schrei! Da fühlte ich mich immer so aufgeladen und voller Energie und einfach so–", als könnte sie ihre Gefühle nicht in Worte fassen, zeigte sie Hestia ihre Gefühle, indem sie hibbelig in die Luft sprang, ihre Hände ausschüttelte und so aussah, als könnte sie einen Marathon laufen, „Wie geht es dir?"

Hestia hatte noch nicht daran gedacht, auf ihre Gefühle nach dem Schrei zu achten und das auffälligste war, dass sie ganz vergessen hatte, sich peinlich berührt zu fühlen, weil sie einfach so herumschrie. „Ich weiß nicht", gestand sie leise.

„Das ist keine Antwort auf meine Frage – nicht schüchtern sein!", verlangte Phillis bestimmt.

Hestia räusperte sich. „Ich fühle mich... erleichtert?"

Phillis grinste zufrieden. „Stell dich selbstsicher hin!"

„Wie steht man selbstsicher?", fragte Hestia unsicher.

„Auf jeden Fall nicht so", bemerkte Phillis mit einem kritischen Blick auf Hestias Haltung, „Lass die Arme locker – nicht vor der Brust verschränken! Stemme die Hände in die Hüften! Kopf hoch, Brust raus – stell dich einmal auf die Zehenspitzen und breite die Arme aus!"

Hestia gehorchte, aber sie fühlte sich sichtlich unwohl.

„Das machst du schon einmal sehr gut – fühlst du dich schon selbstsicherer?" Phillis sah Hestia wie ein begeistertes Kind an.

„Sollte ich das?", fragte Hestia und sackte wieder in ihre unsichere Haltung zurück.

„Klar – wie fühlst du dich selbstsicher?", fragte Phillis, „Wenn man selbstsicher aussieht, fühlt man sich irgendwann auch so!"

„Ich bin nicht wirklich selbstsicher", gestand Hestia leise, „Ich... spiele nur gerne Quidditch... deswegen habe ich mir gedacht, ich könnte es einmal versuchen, aber ich habe nie gedacht, dass ich wirklich –"

„Darf ich dich hier gleich unterbrechen?", unterbrach Phillis sie streng, „Um das hier klarzustellen, Quidditch bedeutet mir sehr viel und es ist mir noch immer ein sehr großes Anliegen, euch so zu trainieren, dass wir den Pokal wieder gewinnen, und ich bin mir sicher, dass wir das schaffen. Aber ein Team ist nur so gut, wie jeder einzelne Spieler für sich."

„Ich... weiß nicht, was du mir damit sagen willst", gestand Hestia nervös.

Phillis war erbarmungslos. „Wenn ich das Gefühl hätte, dass du nicht gut genug für das Team wärst, wärst du nicht mehr im Team."

Hestia schluckte schwer und nickte nervös.

„Also... jetzt, da wir geklärt haben, dass du eindeutig keine schlechte Spielerin sein kannst, weil du in meinemTeam spielst", Phillis klatschte einmal laut in die Hände, „Was denkst du, warum bringe ich dir gerade in einem Privattraining bei, wie man selbstsicher ist oder wenigstens so aussieht?"

Hestia sah sich nervös um, als würde sie nur darauf warten, dass Leute mit versteckten Kameras irgendwo heraussprangen und sie zum Gelächter des ganzen Landes wurde. „Äh... weiß nicht?"

„Weil Selbstsicherheit der Schlüssel zum Einschüchtern seiner Feinde ist und wenn die Feinde eingeschüchtert sind, sind sie schon einmal im Nachteil", belehrte Phillis sie, „Für ein Team ist es wichtig, immer zu denken, auch gewinnen zu können, ansonsten stehen die Chancen schlecht, dass sie es wirklich tun. Man muss sich sicher sein, dass man gewinnen kann und auf diesem Gefühl baut man dann auf. Wenn deine Gegner aber denken, dass du selbstsicher bist, dass du besser bist, als sie – was denkst, was ist dann?"

„Sie werden... unsicher?", riet Hestia unsicher.

Phillis klatschte noch einmal laut in die Hände und grinste breit. „Ganz genau! Hundert Punkte für Hestia!"

Hestia musste kichern.

„Ich habe letztes Jahr mit dem Team viel trainiert und ihnen gezeigt, wie man selbstsicher aussieht – synchrones Auftreten, erhobene Köpfe, selbstsicherer Schritt. Das alles ist Teil von einer großen Inszenierung, die schon beginnt, bevor das Spiel beginnt. Schon auf dem Weg in die Umkleidekabinen, schon vor dem Spiel, während dem Training und auch während der Stunden muss man sicher sein, gewinnen zu können. Und ich verspreche dir, die anderen Team sind selten freundlich mit einem, wenn ein wichtiges Spiel ansteht. Sie werden versuchen, dich zu verunsichern und deine Fähigkeiten hinterfragen, aber für das Team musst du trotzdem selbstsicher auftreten, auch dann, wenn du dich nicht so fühlst."

Phillis schnappte nach Luft – sie hatte das alles gesagt, ohne einmal nach Luft zu holen und so, wie Hestia aussah, war es wohl auch etwas zu schnell gewesen. Phillis verfluchte sich innerlich selbst – sie hatte wohl zu viel Zeit mit Houdini verbracht.

„Okay... tun wir einen Moment so, als wäre ich ein Spieler von... sagen wir Hufflepuff, die sind immer etwas höflicher", schlug Phillis vor, „Also..." Sie räusperte sich und sah dann Hestia so plötzlich finster an, dass diese einen winzigen Schritt zurückwich. „Gryffindor hat nicht einmal die Chance zu gewinnen, wenn man ihnen den Schnatz direkt vor die Nase hält!"

Hestia öffnete den Mund und stammelte ein paar zusammenhangslose Sätze, aber sie war zu überrascht und zu perplex, um etwas darauf zu kontern.

Phillis sah sie erwartungsvoll an. „Komm schon – du schaffst das! Reagiere!"

„Äh...", stammelte Hestia und wurde rot, „Ich... ich weiß nicht..."

„Okay...", Phillis' Schultern sackten etwas zusammen, aber eigentlich versuchte sie, ihre Körperhaltung halbwegs unter Kontrolle zu behalten, damit Hestia ihre Enttäuschung nicht sehen konnte und das letzte bisschen ihres Selbstvertrauens ebenfalls noch verschwand. „Drehen wir die Sache um – sei einmal gemein zu mir!"

Hestia sah sie verstört an.

Phillis nickte ihr ermutigend zu.

Hestia räusperte sich. „Äh... Ihr werdet... das Spiel... nicht gewinnen?"

Phillis blinzelte einen Moment lang perplex. Noch nie hatte sie eine so schlechte Beleidigung gehört. Dann riss sie sich zusammen und versuchte sie ernst zu nehmen. „Halt die Klappe, Jones, ihr werdet schon noch sehen, wer hier nicht gewinnen kann, wenn wir eure Hintern in das nächste Universum katapultieren und ein Tor nach dem anderen schießen, während ihr jämmerlich nach euren Müttern weinen werdet, aber selbst diese werden euch nicht mehr zur Hilfe eilen, weil sie sich so sehr schämen, euch geboren zu haben, dass sie nie wieder mit euch in Verbindung gebracht werden wollen!"

Hestia war mit erschrocken weit aufgerissenen Augen immer weiter zurück gewichen, während Phillis richtig in Fahrt kam.

Hestia wimmerte leise.

Phillis holte wieder Luft und lächelte zufrieden. Sie fühlte sich irgendwie besser. „Also... siehst du, was ich meine?"

„Kann ich aus dem Team noch aussteigen?"

„Nein – und jetzt bringe ich dir ein paar Beleidigungen bei, die mir mein bester Freund beigebracht hat – bereit?"

„Nein."

„Ausgezeichnet!"

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