Operation: Idioten
Lily verließ den fremden Schlafsaal und ging wieder in den Gemeinschaftsraum, in dem sich James, Peter und Marlene versammelt hatten.
„Und?", fragte James sofort, „Was ist passiert?"
„Wenn es einen Preis für die kryptischsten Antworten gäbe, müssten Remus und Phillis sich darum streiten", schnaubte Lily, „Sie hat nicht gesagt, was genau passiert ist, aber sie ist genauso niedergeschlagen, wie Remus. Sie hat gesagt, dass sie wohl irgendetwas gesagt hat, das Remus beleidigt hat und deswegen sind sie so drauf."
„Remus ist niemals beleidigt", bemerkte James verwirrt und runzelte die Stirn, „Nicht einmal, wenn man ihn beleidigt oder sich über ihn lustig macht."
„Vielleicht hat Phillis... etwas über uns gesagt... uns beleidigt", schlug Peter schüchtern vor.
„Phillis hat dich fast zusammen geschlagen, weil du ihr gesagt hast, dass sie dir nicht vertrauen kann, James", erinnerte Marlene ihn, „Ich glaube nicht, dass sie über jemanden schlecht hinter ihren Rücken redet."
Im nächsten Moment kam Sirius die Treppe vom Schlafsaal der Rumtreiber hinunter und alle Blicke richteten sich sofort auf ihn.
„Und?", fragte James wieder.
Sirius legte dramatisch eine Hand auf die Stirn und verdrehte die Augen, als würde er bald ihn Ohnmacht fallen. „Remus ist schrecklich! Remus ist furchtbar! Man kann ihm nicht verzeihen – er hat es nicht verdient!"
„Ich verbessere meine Aussage von vorhin", bemerkte Lily, „Sirius gewinnt den Preis für die kryptischsten Antworten."
„Was soll er schon gesagt haben", Sirius zuckte mit den Schultern und schloss sich seinen Freunden an, „Zuerst hat er eine halbe Ewigkeit davon geschwärmt, wie schön es gewesen ist und dass alles gut war und dann hat er wohl irgendetwas gesagt, das Phillis beleidigt hat und sie ist beleidigt gewesen und jetzt bereut Remus, dass er jemals geboren wurde und er würde gerne die Zeit zurückdrehen, damit Phillis nicht mehr wütend auf ihn ist."
Keiner wusste genau, warum sie es taten, aber James und Lily sahen sich an und wussten sofort, was der jeweils andere dachte.
Sirius bemerkte den Blick und biss sich auf die Zunge, um keinen dämlichen Witz darüber zu machen, dass sie eigentlich Phils und Remus' Beziehung retten wollten und sie sich um diese Liebschaft später kümmern konnten und fragte stattdessen das, was wichtig war: „Was hat Phil gesagt?"
„Phillis hat etwas ganz ähnliches erzählt", gestand Lily, „aber sie hat gesagt, dass sie wohl Remus beleidigt hat."
Sirius blinzelte, seufzte und musste sich erst einmal setzen.
Er vergrub sein Gesicht in seinen Händen und stöhnte genervt auf. „Sie sind solche Idioten!", jammerte er verzweifelt, holte tief Luft und als er wieder aufblickte, lächelte er falsch. „Okay... Zusammenfassung: Phillis denkt, sie hätte Remus beleidigt; Remus denkt, er hätte Phillis beleidigt. Beide sind traurig und haben keine Ahnung, dass eigentlich gar nichts ist?"
„Das ganze Drama für nichts?", fragte Marlene ungläubig, „Sie haben einfach beide keine Sozialkompetenz und viel zu viele Selbstzweifel?"
„Danke, Marlene – das führt uns jetzt auch schon zu unserer ersten Frage: Wollen wir wirklich, dass die beiden ein Paar werden?", fragte James in die Runde.
„Das ist eine wirklich seltsame Frage", bemerkte Lily verwirrt.
„Und vollkommen unnötig", bestätigte Sirius, „Klar wollen wir das!"
„Ausgezeichnet!", James grinste triumphierend und Lily sah mit rotem Kopf weg und tat so, als würde sie kontrollieren, ob ihre Schuhe noch gebunden waren, „Dann beginnen wir mit Operation: Idioten!"
„Operation: Idioten?", fragte Peter nach.
„Weil sie beiden Idioten sind", antwortete James ihm, ohne mit dem Grinsen aufzuhören, „Unser Ziel: Wie zeigen Remus und Phillis, was sie füreinander empfinden und bringen sie dazu, zusammen zu kommen. Irgendwelche Ideen?"
„Vermutlich sollten wir sie zunächst einmal dazu bringen, wieder miteinander zu reden", überlegte Lily, „Im Moment haben nämlich beide noch zu viel Selbstmitleid, um sich das einzugestehen."
„Guter Einwand, Lily", lobte James sie und Lily wurde wieder etwas rot, „Ich mag deine Energie!"
„Wartet, wartet, wartet", unterbrach Marlene sie, „Woher wollen wir wissen, dass sie wirklich an den jeweils anderen interessiert sind?"
„Noch ein guter Einwand", lobte James, „aber wenigstens bei Remus können wir uns sicher sein."
„Wirklich?", fragte Peter.
„Wirklich", bestätigte Sirius, „Er ist hin und weg. Im siebten Himmel. Über allen Wolken."
„Süß", gurrte Marlene, „Und Phil?"
James und Sirius sahen sich hilfesuchend an. „Jaah...", meinte James unsicher, „Und Phil?"
„Phil ist eben Phil", gestand Sirius, „Können wir uns da wirklich sicher sein?"
„Ich weiß nur, dass Phillis nie auf meine Flirt-Versuche reagiert hat", überlegte Marlene, „Also... entweder sie ist nicht interessiert oder übersieht gerne das Offensichtliche."
„Wir müssen es ihr also mehr oder weniger ins Gesicht schreien, dass Remus sie mag", erkannte Sirius.
„Das klingt nicht sehr romantisch", murmelte Peter unsicher.
„Nicht wortwörtlich."
„Vielleicht doch...", murmelte James nachdenklich und alle anderen Versammelten sahen ihn verstört an, aber James war mit seinen Gedanken ganz woanders und in seinem Kopf formten sich schon erste Strategien, „Leute... ich habe einen Plan!"
Es war seltsame Wochen für Remus und auch für Phillis.
Beide bemerkten getrennt voneinander, dass sich die anderen seltsam verhielten.
Remus wurde von James, Sirius und Peter auf einmal ausgefragt und sie stellten die seltsamsten Fragen: Magst du Blondinen? (Peter) Stehst du genauso auf Sportler, wie ich? (Sirius) Mal angenommen die Frau deines Lebens würde dich fragen, ob du mit ihr zusammen sein willst – was wäre deine Antwort? (James) Fühlst du dich manchmal einsam? („Warum sollte ich, Sirius? Fühlst du dich einsam?" „Ja.")
Meistens beantwortete Remus die Fragen mit verstörten Blicken und manchmal verschluckte er sich auch an dem, was er in diesem Moment trank (oder auch einfach an seiner eigenen Spucke), sodass er mit hochrotem Kopf und hustend mehr als einmal vor seinen Freunden saß und versuchte, wieder zu Atem zu kommen, während diese ihn beobachteten, als wäre er ein Versuchskaninchen und sie würden Experimente an ihm durchführen... was auch irgendwie so war...
Phillis hatte mit ihren eigenen Problemen zu kämpfen, als Marlene und Lily plötzlich viel Zeit mit ihr verbrachten. Phillis war etwas misstrauisch und sie fragte sich, ob das Mitleid von Lily war, das sie dazu brachte, so zu tun, als wären sie Freunde. Phillis versuchte dagegen zu steuern und ging ihnen einfach aus dem Weg und versicherte ihnen immer wieder, dass sie gerne alleine war und sie sich nicht aus Mitleid zu ihr setzen mussten, aber Lily und Marlene hörten nicht und blieben stur.
Phillis war sich nicht sicher, was in die beiden gefahren war, aber auf einmal hatten sie ein seltsames Interesse an ihrem Liebesleben und Phillis konnte sich das überhaupt nicht erklären.
„Und, Phil?", fragte Marlene sie einmal völlig aus dem Nichts, „In welche Richtung schwingst du?"
„Hm?", hatte Phillis verwirrt gemacht.
„Du weißt schon – Männer, Frauen? Beides?"
„Oh", hatte Phillis verstanden, „Ähm... bis jetzt nur... Männer?"
„Bis jetzt?"
„Nun... ich verliebe mich ja nicht jeden Tag... und ich habe auch nicht jeden Tag... Interesse?", Phillis wusste nicht, wie sie es erklären sollte, „Ich habe das Gefühl, es wäre seltsam, mich in jemanden zu verlieben, ohne dass ich sie kenne, oder? Ich habe ein einziges Mal in meinem Leben auch nur ein bisschen Interesse an einer Beziehung gehabt und ich habe ihn davor schon zwei Jahre gekannt..."
„Also wählerisch?"
„Ich habe nur Standards... verliebst du dich einfach, Marlene?"
„Auf jeden Fall sehe ich mir viele Frauen gerne an", gestand sie ganz offen, „Und manchmal verliebe ich mich jeden Tag."
„Das ist seltsam", bemerkte Phillis, „Was ist mit dir, Lily?"
„Hm? Oh, nur Männer", sagte sie ebenso offen, wie Marlene.
„Wie fühlt sich das an?", fragte Phillis neugierig weiter.
„Nun...", Lily zögerte nur einen Moment lang, wurde etwas rot und lehnte sich dann geheimnistuerisch vor, „Du weißt schon... wenn jemand wirklich gut aussieht, denkt man sich schon, dass es jetzt ganz nett wäre, wenn er dich zu einem Butterbier einladen würde – natürlich passiert das nie, aber... das Interesse ist vorhanden."
„Hm...", machte Phillis überrascht, „Interessant. So ist es bei mir nicht..."
„Also hast du auch keinen Geschmack?", fragte Marlene nun ehrlich interessiert weiter nach – es ging ihr gar nicht mehr um Operation: Idioten, sondern die Unterhaltung hatte in eine Richtung geführt, die sie tatsächlich persönlich interessant fand.
„Vielfältig, würde ich sagen", schlug Phillis vor, „Manchmal denke ich mir schon, dass diese Haare hübsch sind oder das Kleid oder auch die Augen... aber nicht wirklich... übertrieben? Ich finde nicht jeden Typen mit grünen Augen attraktiv!"
„Ich habe eindeutig einen Geschmack", bestimmte Lily, „Dunkle Haare, groß, sportlich."
„Potter", hustete Marlene und während Lily ganz rot wurde, lachte Phillis so laut, dass einige in der großen Halle in ihre Richtung blickten.
Als Remus das Lachen hörte, blickte er sofort in die Richtung, um zu sehen, wer es geschafft hatte, Phillis so zum Lachen zu bringen. Es war nur Marlene. Andererseits hatte Marlene schon in der Vergangenheit Interesse daran gezeigt, mit Phillis auszugehen. Was sagte ihm, dass Phillis und Marlene nicht schon lange ein Paar waren? Panik stieg in Remus hoch und er hinterfragte sein ganzes Leben – wann hatte er den Fehler gemacht, der dazu geführt hatte, dass Marlene und Phillis nun zusammen waren? Lange musste er nicht darüber nachdenken – er hatte es geschafft, Phillis zu beleidigen, ohne zu wissen, wie. Auf jeden Fall hatte er es verdient, immerhin war er ein Werwolf. Vermutlich hatte ihm das Schicksal noch einmal unter die Nase reiben wollen, dass jemand wie er jemanden wie Phillis nicht verdient hatte.
Leute wie Phillis waren für Leute wie Marlene gedacht.
„Darling, Neid steht dir nicht", bemerkte Sirius ihm gegenüber plötzlich und riss Remus aus seinem Selbstmitleid, „Gelb ist wirklich nicht deine Farbe."
„Ich finde, dir steht rot", meldete sich Peter hilfsbereit, „Vielleicht solltest du lieber rot werden."
„Vor Wut oder vor Scham?", fragte Remus trocken.
„Vermutlich vor Scham, wenn ich dich frage, ob du Phillis magst", grinste James und Remus spürte, wie er tatsächlich rot wurde und seine Freunde lachten laut.
Remus hasste sie.
Beim Quidditch-Training war es besonders schlimm – nicht nur für Phillis.
James und Sirius hatten Remus (und auch Peter, aber hauptsächlich Remus) dazu überredet, bei den Trainings zuzusehen und nun saßen sie jedes Mal bei den Zuschauertribünen und froren, während das Team spielte und die neuen Taktiken von Phillis übte.
James und Sirius hatten ihre eigene Strategie.
Sie hatten es sich zur Aufgabe gemacht, Phillis so oft wie möglich in die Nähe von Remus zu locken und dort verschiedene Sachen vorzuzeigen. Die beiden tarnten es für Phillis wie Challenges („Hey, Phil! Ich wette, du kannst keinen doppelten Rückwärtssalto in der Luft machen!" (Sie konnte es)) und als Remus einmal danach fragte, taten sie so, als wäre ihnen das noch gar nicht aufgefallen.
Zugegeben, Remus wollte sich gar nicht beschweren und jedes Mal, wenn Phillis wieder einmal direkt vor ihm (natürlich rein zufällig) einen gefährlich aussehenden, aber atemberaubenden Stunt ausübte, wurde ihm ganz heiß und er konnte sich gar nicht mehr auf das Buch konzentrieren, das er meistens neben dem Training versuchte zu lesen.
Früher hatte Remus nie verstanden, warum so viele Mädchen so begeistert davon gewesen waren, dass Sirius und James Quidditch spielten, immerhin waren sie auch gutaussehend, wenn sie nicht gerade auf einem Besen saßen, aber wenn Remus Phillis auf dem Besen sah, erkannte er, dass es sehr schön ihren Hintern betonte. Natürlich hatte Remus ihr nicht auf den Hintern gesehen! Er war ein Gentleman und es gehörte sich nicht, einer Frau auf den Hintern zu schauen. Es war ihm nur einmal passiert und seitdem riss er sich zusammen, immerhin hatte Phillis Besseres verdient, als ein Creep, der ihr auf den Hintern starrte (und es gelang ihm tatsächlich, denn Remus war ein Mann, der Frauen respektierte). Als einmal (natürlich rein zufällig) auch Lily bei einem der Trainings zugesehen hatte, hatte er aber bemerkt, dass sie ebenfalls den Blick auf James' Hintern nicht zu meiden schien und Remus hatte in der Nacht nicht geschlafen, während er sich gefragt hatte, ob es sexistisch war, einer Frau auf den Hintern zu sehen, wenn Frauen auch Männern auf den Hintern sahen.
In seinem Kopf formulierte er einen ganzen Aufsatz, den er niemals niederschreiben würde und er schlief erst weit nach Mitternacht ein.
Nur ein einziges Mal war Remus etwas zu auffällig gewesen – aber nicht, während er Phillis' Hintern ausgecheckt hatte.
Eigentlich war er gerade erst vom Unterricht gekommen und durch das Portraitloch in den Gemeinschaftsraum, als er es gehört hatte.
Phillis hatte Gitarre gespielt – Marlene und Lily hatten sie wohl irgendwie dazu überreden können.
Remus hatte nicht gedacht, dass Phillis wirklich spielen konnte. Die Gitarre hatte wohl Ruth, ihrer Schwester gehört und sie nach ihrem Tod an Phillis weitergegeben, also war Remus irgendwie davon ausgegangen, dass Phillis schon einmal eine Gitarre in der Hand gehalten hatte, aber noch nie darauf gespielt hatte, aber oh– Wie sehr er sich da geirrt hatte.
Phillis spielte ein Lied, das er sofort erkannte: „Killer Queen" von Queen und sie spielte nicht nur wirklich gut die Akkorde, sondern sang dazu auch noch mit. Aber nicht nur sie, sondern jeder, der das Lied kannte, stimmte irgendwie mit ein – besonders Lily und Marlene.
Und als Remus sie da so sitzen sah – die Gitarre auf ihrem Schoß, diese wundervolle Melodie spielend und singend mit einem amüsierten, vielleicht leicht gequälten Lächeln im Gesicht (Marlene konnte nicht so gut singen, wie sie dachte) –
„Moony, du sabberst", lachte Sirius.
Remus tat das wirklich und schnell riss er sich aus seiner Trance und wischte sich über den Mund.
Es dauerte drei Tage, bis seine Freunde nicht mehr über ihn lachten, sobald sie ihn einfach nur ansahen.
Remus hatte eigentlich gedacht (in einem Anflug von Frustration gegen Phillis), dass er nun so viel mehr Zeit haben würde, nachdem er Phillis nicht mehr bei ihren Hausaufgaben helfen musste, aber irgendwie war das nicht so.
Natürlich hatte er jetzt mehr Zeit, aber was sollte er schon damit anfangen?
Phillis hatte ihn gefragt, was er gerne tat, außer zu lesen – er hatte noch immer keine Antwort darauf.
Der Alltag mit Phillis hatte ihm die Chance gegeben, auch einmal außerhalb seiner bisherigen Freundesgruppe Leute zu treffen und häufiger erwischte er sich dabei, wie er sich danach sehnte, einfach auf dem Gelände spazieren zu gehen – mit Phillis. Alleine fühlte er sich dämlich, als wäre er ein alter Mann, der vor sich hin brummend und immer schlecht gelaunt alleine seine Tage verbrachte.
Mit jemanden an seiner Seite war man einfach nur ein Paar, das sich unterhielt (nicht unbedingt ein verliebtes Paar, aber zu zweit und... wen wollte Remus verarschen, insgeheim wurde er bei dem Gedanken rot, dass jemand glauben könnte, Phillis und er wären ein Paar.
Einmal fand er Phillis im Gemeinschaftsraum, die Beine über die Rückenlehne eines Sofas geschwungen, den Kopf kopfüber hinunter hängend, wieder ihre Gitarre in der Hand und sie zupfte darauf irgendeine Melodie, die Remus nicht kannte.
Einen Moment lang verspürte Remus das Bedürfnis, zu sich zu ihr zu setzen, ließ es dann aber doch lieber sein. Es wäre egoistisch von ihm, immerhin war er doch ein Monster.
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