Moony hat einen Todeswunsch

Remus hatte es wohl tatsächlich ernst gemeint.

Am nächsten Tag wachte Phillis wie immer zu Sonnenaufgang auf (geweckt von einem wohl neuen Lied von Queen, „Somebody to love", denn sie kannte es noch nicht) und sie ging die Treppe hinunter, um einen Kaffee zu trinken und danach noch ein bisschen mit Pfeil und Bogen ihre Aggressionen loszuwerden, aber daraus wurde wohl nichts, denn Remus Lupin wartete wohl schon auf sie im Gemeinschaftsraum.

Als sie die Treppe hinunterkam, sah er von seinem Platz beim erloschenen Kamin auf und stand auf und da wusste Phillis, dass es nicht nur für ihre Bekannte eine anstrengende Zeit werden würde, sondern auch für sie.

„Sehr gut, du bist wach!", bemerkte Remus, „Was hast du jetzt vor?"

„Ich wollte frühstücken und dann –"

„Nimm deine Schulsachen mit, wir sehen uns deine Hausaufgaben an", wies Remus sie an und Phillis wollte mit ihm streiten anfangen, immerhin hatte sie besseres zu tun, als diese dämlichen Aufsätze zu schreiben und durchzugehen, aber dann erinnerte sie sich selbst daran, dass er nur helfen wollte und das freiwillig machte. Er würde schon noch erkennen, dass er einen Fehler machte, aber für den Moment sollte Phillis sich wenigstens Mühe geben.

Also ging sie seufzend noch einmal nach oben und holte ihre Tasche, bevor sie sich wieder Remus anschloss und sie gingen zusammen in die Große Halle.

Es waren noch kaum andere Schüler anwesend, also hatten sie Ruhe, aber trotzdem wusste Phillis, dass es für sie schrecklich werden würde, in der Großen Halle irgendetwas für die Schule zu machen. Der Raum war dazu gemacht, ablenkend zu sein mit der großen Himmelsdecke, den vielen Hausfarben, dem Essen, glänzenden Geschirr oder den schwebenden Kerzen, aber Remus schien wohl sehr motiviert zu sein, dort Arbeit zu verrichten, also wollte Phillis sich nicht beschweren. Er wollte nur helfen... er meinte es gut...

Remus schenkte sich Tee ein und Phillis nahm sich eine Tasse Kaffee und wollte diesen gerade zuckern, aber Remus nahm ihr die Dose mit Zucker weg.

„Zucker macht müde", schimpfte er, „Und du wirst hibbelig davon. Kein Zucker."

Phillis blinzelte verwirrt. Sie brauchte Zucker. Sie wollte nicht ohne Zucker leben.

„Hast du einen Todeswunsch, Lupin?", zischte Phillis und riss ihm einfach die Dose mit Zucker aus der Hand, „Gib mir den verdammten Zucker und bilde dir nicht ein, dass du weißt, was gut für mich ist!"

„Mein Dad sagt immer –", begann Lupin, aber Phillis wollte nichts davon hören.

„Lass es, Lupin!", Phillis schöpfte sich fünf Löffel Zucker in den schwarzen Kaffee, „Weißt du, was passiert, wenn man einem Süchtigen von einem Tag auf den anderen das Suchtmittel wegnimmt?"

„Ich... äh...", stammelte Lupin überrascht.

„Nein, natürlich nicht! Ich bin zuckersüchtig und ich werde das noch sehr, sehr lange bleiben und es ist mir egal, ob es ungesund für mich ist, denn wenn du mich kennen würdest, Lupin, wäre dir aufgefallen, das Koffein und Zucker eine beruhigende Wirkung auf mich haben. Wenn du also willst, dass ich grundsätzlich zu einem klaren Gedanken in der Lage bin und nicht nur leer auf eine Wand starre, dann verschaff mir einen Adrenalinschub oder gib mir Kaffee!" Sie nahm demonstrativ einen großen Schluck von ihrem Getränk und Remus sah etwas verunsichert aus, nickte aber geschlagen und ließ das Thema fallen.

„Also... deine Hausaufgaben... hast du sie für morgen schon erledigt?"

„Klar!" Phillis holte aus ihrer Tasche ein paar Aufsätze für Zaubertränke, Wahrsagen und Geschichte der Zauberei.

„Gut, ich habe gestern noch mit Professor McGonagall gesprochen und sie hat gesagt, dass bei deinen Aufsätzen viele Fehler zu finden sind, die sie in dieser Quantität nicht dulden kann, also habe ich mir überlegt –"

Remus hatte sich den Geschichte-Aufsatz genommen und ihn aufgerollt, erstarrte aber vor Schreck, als er die Wörter vor sich sah. Es waren nicht nur Fehler, es waren Fehler.

Am Anfang sind nur einige Buchstaben vertauscht, aber je länger man las, desto mehr Fehler hatten sich in die Wörter geschlichen und zum Ende hin konnte man kaum noch entziffern, was dort stand.

„Ich... ich...", stammelte Remus und Phillis erkannte, dass es eine ganz normale Schock-Reaktion war.

„Einatmen – ausatmen", wies sie ruhig an, „Sehr gut, Remus! Einfach weiteratmen."

Remus hatte einen ähnlichen Aufsatz schon einmal gesehen. Sirius hatte es gehasst, dass sie für Astronomie einen Aufsatz über die Monde des Jupiters hatten schreiben müssen und er hatte sich extra dumm gestellt. Sie hatten alle gelacht, als Sirius versucht hatte, Wörter so zu schreiben, dass sie zwar absolut falsch waren, man sie aber noch immer mit großer Mühe lesen konnte.

Phillis war wohl genau gleich. Remus wusste nicht, ob sie sich genauso in diesem Fach langweilte, wie Sirius es in Astronomie tat, aber jetzt verstand er, warum es McGonagall ein Anliegen war, dass sich diese Fehler minderten.

„Weißt du was", er holte tief Luft, „schreib ihn neu."

Phillis sah ihn ungläubig an und einen Moment lang dachte Remus, sie würde ihn wieder anschreien, aber stattdessen schien sie wieder in sich zusammen zu fallen, wie immer, wenn sie bedrückt war und nickte leicht, bevor sie aus ihrer Tasche eine neue Pergamentrolle sowie Tinte und Feder hervorholte.

Remus rollte den ersten Aufsatz vor ihr auf, damit sie ihn nur abschreiben musste und Phillis begann zu schreiben.

Remus trank noch einen Schluck Tee. Es war anstrengend gewesen, Sirius und James dazu zu bringen, ihr Talent auch in der Schule zu nutzen. In der dritten Klasse hatten sie eine Phase gehabt, in der sie ebenfalls häufig geschwänzt und kaum noch Hausaufgaben abgegeben hatten. Es war nicht einfach gewesen, sie dazu zu motivieren, sich wieder für die Schule zu interessieren, aber nun waren sie eigentlich ziemliche Musterschüler, wenn man von den gelegentlichen (häufigen) Streichen und den restlichen Unsinn wie frechen Kommentaren unterm Unterricht einmal absah.

Remus blickte auf Phillis' Pergament und verschluckte sich prompt an seinem Tee, als er bemerkte, dass es nur noch schlimmer wurde und sie noch mehr Fehler in die Wörter einbaute.

„Nein, nein, nein!", unterbrach er sie schnell, „Was machst du da, du sollst ihn natürlich richtig abschreiben!"

Phillis sah ihn ausdruckslos an, bevor sie ihr Tintenfass zuschraubte, ihre Aufsätze wieder in ihre Tasche stopfte und dann einfach verschwand.

Remus sah ihr erschrocken hinterher und er wusste, er hatte etwas Falsches gesagt, aber er wusste nicht, was es gewesen war.

Remus seufzte. Das würde doch schwieriger werden, als gedacht und er fragte sich, ob er sich nicht doch zu viel vorgenommen hatte...



Remus suchte Phillis als erstes oben im Gemeinschaftsraum, aber dort war sie nicht, also ging er als nächstes zum Quidditchfeld, aber wieder Fehlanzeige.

Als letztes fiel ihm ein, dass er sie einmal bei Hagrid gesehen hatte und er ging zur Hütte des Wildhüters und klopfte an die Tür.

Hagrid öffnete die Tür und als er Remus erblickte, lächelte er sofort freundlich. „Hallo, Remus!", begrüßte er ihn, „Kann ich dir helfen?"

„Jaa, ähm...", Remus kratzte sich nervös am Nacken, „Hast du zufällig Phillis Dolohow gesehen?"

Hagrid musterte Remus mit einem nachdenklichen Blick, bevor er zu Remus' Überraschung nickte. „Kla'. Sie is' hinten im Garten und schießt ein paar Raben vom Himmel."

Remus blinzelte verwirrt. „Sie schießt... Raben... vom Himmel?", wiederholte er stammelnd und überlegte, ob das wirklich das bedeutete, dass er dachte, dass es bedeutete oder ob es eine Metapher für etwas war.

„Sag bloß, du hast Phillis noch nie beim Bogenschießen geseh'n!", rief Hagrid überrascht, „Sie hat mir beigebracht, mit der Armbrust zu schießen...", Hagrid deutete auf die große, einschüchternd wirkende Armbrust neben seiner Tür, die er immer bei sich trug, wenn er in den Verbotenen Wald ging, „Talentiertes Mädchen..."

Remus hatte gewusst, dass Phillis offenbar Bogenschießen konnte, immerhin hatte James davon erzählt, aber er hatte nicht gewusst, dass sie das auch außerhalb von Quidditch-Training machte.

„Und sie... bringt Raben damit um?", fragte Remus weiter.

„Kla'", antwortete Hagrid, als wäre es ganz normal, dass jemand Vögel mit Waffen vom Himmel schoss, „Hat sie dir das nie erzählt? Raben mögen sie nicht besonders... keine Ahnung, warum aber seit ein paar von den Viechern versucht haben, sie als Kleinkind zu verschleppen und aufzuessen, hassen sie sich gegenseitig. Hab sie einmal im Verbotenen Wald erwischt, wie ein Schwarm Raben sie angegriffen hat und sie ein paar von denen erschossen hat und da hab ich ihr angeboten, ein paar Vögel... für... mich zu schießen, weil ich ja die Wesen im Wald füttern muss und..."

Remus musste nicht mehr hören... eigentlich wusste er nicht einmal genau, was er überhaupt gehört hatte. Je mehr er über Phillis Dolohow erfuhr, desto verwirrender wurde sie und besonders in diesem Jahr schien er nur so von Informationen über sie bombardiert zu werden.

„Warum suchst du sie?", fragte Hagrid plötzlich, „Sie hat ziemlich aufgebracht gewirkt, als sie gekommen ist... Is' alles in Ordnung mir ihr?"

„Keine Ahnung", gestand Remus kleinlaut, „ich... ich wollte ihr mit ihren Hausaufgaben helfen, aber ich glaube nicht, dass sie Hilfe haben will!"

Hagrid sah Remus eindeutig überrascht an. „Phillis is' nich' gut darin, um Hilfe und bitten, aber sobald man ihr Hilfe anbietet, nimmt sie die immer an", brummte er nachdenklich, „Wie hast du ihr geholfen?"

„Nun...", Remus dachte zurück an die wenigen Minuten, die er mit Phillis verbracht hatte und überlegte sich, wann und wie er sie beleidigt hatte, aber es fiel ihm einfach nicht ein, „Ich habe mir ihren Geschichte-Aufsatz angesehen und sie hat so viele Fehler darin gehabt, dass ich gesagt habe, sie soll ihn besser noch einmal schreiben, aber sie hat wieder so viele Fehler gemacht und... ich habe ihr das gesagt und dann ist sie weg..."

Hagrid brummte nachdenklich. „Weißt was, Remus", er klopfte ihm auf die Schulter und Remus brach beinahe unter der Last zusammen, konnte sich aber noch aufrecht halten, „Phillis is' nich' wie du. Phillis braucht andere Hilfe und glaub mir, sie macht diese Fehler nicht absichtlich. Is' nich' mein Geheimnis, aber vielleicht erzählt sie es dir, wenn du geduldig genug bist."

Remus runzelte nur verwirrt die Stirn und konnte sich noch immer keinen Reim auf all das machen, aber für Hagrid schien das Thema wohl erledigt.

„Du musst sie kennenlernen, Remus, wenn du ihr helfen willst", schlug er vor, „Warum kommst du nich' heute am Nachmittag zum Tee vorbei – Phillis wird auch da sein. Ich helfe ihr schon seit Jahren mit ihren Hausaufgaben, vielleicht kannst du was von mir lernen. Aber warum siehst du jetzt nich' nach ihr, sie ist im Garten..."

Hagrid ließ Remus durch das Haus in den Garten gehen und tatsächlich war da Phillis mit einem waschechten Bogen und einem Köcher voller Pfeile am Rücken.

Sie hatte einen Pfeil angelegt, aber die Spitze zeigte noch auf den Boden, während Phillis' Blick in den Himmel gerichtet war. Über ihr kreisten tatsächlich Raben, als wäre sie Aas, das sie schon kilometerweit riechen konnten (Remus wusste, dass Phillis niemals nach Aas stank (oder nach Schweiß), nicht einmal, wenn sie stundenlang trainiert hatte... selbst dann roch sie noch immer nach Schokolade und Remus bekam in ihrer Gegenwart immer Hunger, was ein seltsamer Zusammenhang war, aber solange er niemanden etwas davon erzählte, würde ihn auch niemand dafür verspotten), aber Phillis stand wie eine Statue inmitten den Kürbisfeldes und schaute einfach nur nach oben, als würde sie auf etwas warten.

Remus hatte Phillis ein paar Mal beobachtet (weil es einfach nicht anders möglich war), weil sie so herumgezappelt hatte, dass man wahnsinnig wurde. Wenn sie wieder einmal mit ihrem Bein wippte und auf Tischen eine komplexe Melodie trommelte, als wäre es nicht nur eine Holzplatte, sondern wirklich ein Schlagzeug, konnte man nicht anders, als hinzusehen.

Aber nun war Phillis absolut ruhig. So ruhig, wie sie sonst niemals war und sie schien tatsächlich zu Stein erstarrt, als sie einfach nur nach oben starrte, mit ihrem Bogen in der Hand und Remus musste zugeben, dass sie ihn in diesem Moment an eine dieser griechischen Statuen erinnerte, die er sich einmal mit seiner Mutter angesehen hatte. Es war die Göttin Artemis gewesen – Remus hatte vergessen, was für eine Göttin sie gewesen war, aber sie hatte auch einen Bogen in der Hand gehalten.

Plötzlich löste sich ein Rabe von der Gruppe und schoss hinab auf den Boden, wie ein Raubvogel, der Beute erblickt hatte. Er schoss direkt auf Phillis zu und Remus sah die riesigen Krallen und den spitzen Schnabel und er schrie erschrocken auf, aber genauso schnell, wie der Rabe zur Erde flog, zielte Phillis plötzlich mit dem Pfeil direkt auf ihn und Remus hörte ein leises „Zing" als sie die Sehne des Bogen losließ und den Pfeil losschickte. Und er fand auch sein Ziel und Remus sah voller Schrecken dabei zu, wie der Pfeil den Raben durchstieß und dieser nun abstürzte, anstatt nach unten zu fliegen. Er landete mit einem dumpfen Schlag auf dem Boden und Phillis ließ ihren Bogen wieder sinken, als wäre nichts passiert, bevor sie zu seiner Leiche stapfte, den toten Vogel aufhob und zu einem Korb brachte, in dem noch weitere, schwarzgefiederte Vögel waren.

Dann blickte Phillis ihn erst an und Remus zuckte kurz zusammen – er hatte vergessen, dass das nicht nur einer der Aktion-Filme war, die er manchmal mit seiner Mutter im Kino gesehen hatte... das war die Realität und Phillis war auch real.

„Ähm... du hast...", stammelte er, aber er wusste nicht, wie er den Satz beenden sollte. ...den Vogel umgebracht... da klebt noch etwas Blut an deinen Händen... ich kann nicht glauben, dass du einfach so Tiere umbringen kannst... du hast ja tatsächlich spitze Pfeile, mit denen zu jemanden umbringen kannst... bitte sag mir, falls du einmal vorhast, einen Menschen zu erschießen, du bist nämlich wirklich, wirklich, wirklich gruselig... Irgendwie schien im Moment keiner dieser Möglichkeiten richtig zu sein...

„Er hat mich zuerst angegriffen", sagte Phillis ruhig und zuckte mit den Schultern, als wäre es absolut normal, dass sie einen Raben einfach so umbrachte, „Raben mögen mich nicht besonders... als ich ein Kleinkind gewesen bin, haben zwei Raben versucht, mich wegzutragen..."

„Das ist wirklich passiert?", fragte Remus überrascht, „Ich habe gedacht, Hagrid würde nur Witze machen..."

„Nah, ist wirklich passiert... ich habe noch ein paar Narben davon an meinen Armen...", gestand Phillis, „Aber keine Sorge, ich habe die beiden Idioten-Vögel umgebracht, bevor sie mich umbringen haben können... seitdem aber ist da so eine Feindschaft zwischen Raben und mir, die manchmal wirklich nerven kann... erinnerst du dich noch an das Spiel gegen Ravenclaw vor drei Jahren?"

Remus konnte das nicht von sich behaupten. Er wusste nur, dass es ein seltsames Spiel gewesen war, aber Gryffindor hatte gewonnen.

„Mich hat ein Schwarm... oder Mörder... oder wie auch immer man das nennt Raben angegriffen und nach dem Spiel haben sie mich ganz zerkratzt in den Krankenflügel gebracht... Dämliche Viecher..."

„Jaah, ich glaube, da war irgendetwas", nickte Remus und er konnte sich vage daran erinnern, dass James sich danach darüber beschwert hatte, dass bestimmt jemand die Vögel verzaubert hatte, damit sie die Gryffindor-Spieler angriffen. Er hatte nicht gewusst, dass sie ganz spezifisch Phillis angegriffen hatten.

„Du scheinst ziemlich gut zu sein", meinte Remus unsicher, „ich meine... mit dem Bogen..."

Phillis sah auf die Waffe in ihrer Hand, als hätte sie vergessen, dass sie sie noch hatte. „Ja... wahrscheinlich..."

Einen Moment lang herrschte eine unangenehme Stille zwischen den beiden, als sich mit lautem Gekreische sich wieder ein Vogel aus dem Schwarm über ihnen löste und auf Phillis zuschoss und Remus befürchtete schon, dass sie dieses Mal nicht schnell genug sein würde, nachdem sie noch nicht einmal einen Pfeil angelegt hatte, aber in einer beängstigenden Geschwindigkeit hatte sie einen der spitzen Geschosse aus dem Köcher schon angelegt und schoss wieder den Raben mit einem gezielten Schuss vom Himmel.

Wieder fiel er ins Gras und Phillis ließ ihren Bogen sinken, als wäre nichts passiert.

Es wurde wieder still zwischen den beiden, nachdem Phillis die Leiche wieder in den bereitgestellten Korb geworfen hatte.

„Remus, ich...", Phillis holte tief Luft, „'Tschuldigung, dass ich einfach weg bin, aber... ich bin schlecht darin, geholfen zu werden..."

„Das klingt seltsam", bemerkte Remus und Phillis nickte leicht.

„Jaah... ich bin auch seltsam... nicht wirklich auf die gute Art, wie ich fürchte..."

Remus hätte ihr gerne gesagt, dass das nicht stimmte, aber er dachte sich, dass das falsch klingen würde und sie ihm das nicht glauben würde, aber er musste etwas sagen, um sie aufzuheitern, aber bis er sich etwas überlegt hatte, war es schon zu spät und die Stille zwischen ihnen war schon zu lange beständig, als dass er noch etwas hätte sagen können. Er verfluchte sich selbst dafür.

„Ich habe ehrlich gesagt nicht erwartet, dass du das gestern ernst gemeint hast", gestand Phillis und lachte trocken auf, „danke, dass du wenigstens versucht hast, mir zu helfen..."

„Ich habe noch nicht aufgegeben!", rief Remus etwas zu laut und er räusperte sich peinlich berührt, bevor er etwas ruhiger wiederholte: „Ich habe noch nicht aufgegeben, Phil... ich... verstehe dich nur nicht... warum machst du diese Fehler? Ich habe zuerst gedacht, du würdest sie absichtlich machen... Sirius hat das auch einmal gemacht, als ihm zu langweilig gewesen ist, aber du... du hast sie noch einmal gemacht und sogar noch schlimmer!"

Phillis sah ehrlich bedrückt aus und sie schien wieder in sich zusammen zu fallen und Remus bereute seine Worte schon, aber Phillis nahm den Köcher mit ihren Pfeilen vom Rücken und verstaute ihn zusammen mit ihrem Bogen bei Hagrids Hütte.

„Komm mit, ich zeige es dir", schlug sie vor und eilte schon vor zum Schloss und Remus blieb nichts anderes übrig, als ihr zu folgen.

Zu Remus' Überraschung führte Phillis in die Bibliothek. Es waren noch kaum andere Schüler da und zielsicher suchte Phillis die Regale ab, bevor sie ein Buch herauszog, das Remus noch nie gelesen hatte, aber er hatte es schon einmal gesehen.

Schrift ist Magie – eine Einführung in die Magie von Wörtern und Runen stand auf dem Einband, aber dieser war auch noch auf eine ganz besondere Art gestaltet worden. Runen und Buchstaben sprangen auf dem Einband herum und formten immer wieder neue Wörter, aber meistens lösten sie sich schon wieder in einzelne Buchstaben auf, bevor man diese lesen konnte und noch häufiger ergaben die Wörter schlichtweg keinen Sinn. Es war eine magische Spielerei, die wohl dazu führen sollte, dass man das Buch kaufte und im Falle von Hogwarts hatte das wohl funktioniert. Remus verstand nur nicht, was Phillis ihm damit sagen wollte.

„Lies es mir vor", verlangte sie und Remus runzelte verwirrt die Stirn.

Schrift ist Magie – eine Einf–", begann Remus, aber Phillis unterbrach ihn sofort.

„Nein, nicht die Überschrift – diese Wörter da, die man auf dem Einband sieht!"

Remus sah sie an, als wäre sie verrückt. „Das geht nicht", spottete er, „Das ist nicht möglich, meistens steht da Unsinn!"

„Ganz genau", bestätigte Phillis ernst und Remus verstand noch immer nicht, was Phillis damit sagen wollte, „Und jetzt stell dir vor, jedes Buch, das du lesen willst, würde so aussehen, wie dieser Einband... manchmal weniger schlimm, manchmal vielleicht kaum und manchmal so schlimm, dass die Buchstaben von der Seite zu rutschen scheinen und du kein Wort lesen kannst."

Remus konnte sich das nicht vorstellen – das wäre schrecklich.

„So ergeht es mir", erklärte Phillis und endlich verstand Remus, „Jedes Mal, wenn ich etwas lese, sehen die Seiten so ungefähr aus... das bedeutet, wenn ich etwas nicht richtig abschreibe oder lese oder schreibe, dann bedeutet das nicht, dass ich dich oder die Professoren ärgern will, sondern nur, dass ich es einfach... nicht kann..." Sie hatte offenbar Mühe, das zuzugeben und verzog unzufrieden das Gesicht, bevor sie das Buch schnell zurückstellte.

Remus musste diese neue Information erst verarbeiten.

Ohne ein weiteres Wort drehte Phillis sich um und eilte wieder aus der Bibliothek und Remus beeilte sich, um ihr hinterher zu kommen.

„Phil, warte!", rief er ihr hinterher und sie blieb tatsächlich überrascht stehen und sah ihn mit hochgezogener Augenbraue an.

„Du kannst jetzt gerne gehen", sagte sie und machte eine fortscheuchende Handbewegung, „Ich habe meine Mum damit beinahe in den Wahnsinn getrieben – ich weiß wirklich zu schätzen, dass ihr mir gestern so viel Mut gemacht habt, aber ich habe schon akzeptiert, dass ich das nicht schaffen werde..."

Remus sah Phillis beleidigt an. „Bitte schreib mir nicht vor, wann ich aufgebe", meinte er streng, „Es muss doch eine Heilung dafür geben, oder nicht?"

Phillis lachte trocken auf. „Remus, für manche Krankheiten gibt es keine Heilung... ich habe gedacht, du wärst ziemlich intelligent, aber offenbar habe ich mich geirrt. Glaubst du wirklich, dass meine Mum nicht schon alles versucht hätte, aber besonders, wenn es um Krankheiten im Kopf geht –", Phillis tippte gegen ihre Schläfe, „– ist die Magie noch sehr zurückgeblieben... man nennt es „Legasthenie" und ich habe es von meinem Vater vererbt bekommen... noch so etwas, das er gerne hätte behalten können... sag es bloß niemanden weiter, ich mag es nicht, wenn das jeder weiß..."

„Legasthenie...", wiederholte Remus das fremde Wort, „Warum sagst du es nicht den Professoren? Vielleicht hätten sie dann etwas mehr Verständnis..."

Phillis schnaubte. „Alle anderen müssen es auch schaffen und ich fliege lieber von der Schule, als offen zuzugeben, dass ich schlechter und dümmer bin, als alle anderen."

„Das habe ich nicht –", wollte Remus sagen, aber Phillis unterbrach ihn.

„Klar doch... aber du hast es gedacht", zischte sie, obwohl das nicht der Fall gewesen war. Die Professoren wussten auch, dass er ein Werwolf war und zeigten auch Verständnis, wenn er zu Vollmond nicht alle Hausaufgaben fertig gestellt hatte, aber er wusste, was Phillis damit sagen wollte. Remus selbst strengte sich dreimal mehr an, als alle anderen, um zu beweisen, dass er nicht nur ein wildes Monster war. Vielleicht tat er es auch, um sich selbst zu überzeugen...

„Und das ist erst der Anfang von einer ganzen Reihe an Problemen, die ich habe", warnte Phillis missmutig, „ich würde es mir noch einmal überlegen, ob ich das wirklich wert bin..."

Mit diesen Worten drehte sie sich um und ließ Remus einfach stehen.

„Hey, Phil!", rief er ihr hinterher und sie drehte sich noch ein letztes Mal zu ihm um, „Wir treffen uns am Nachmittag bei Hagrid, okay?"

Phillis sah ihn verwirrt an, aber dann nickte sie und ging und dieses Mal ließ Remus sie gehen.

In seinem Kopf formte sich schon ein ungefähres Bild von dem, was vor ihm lag und es würde noch schlimmer werden, als damals bei James und Sirius, aber er hatte die Herausforderung angenommen und würde das jetzt auch durchziehen. 

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