Krone wird erwachsen
Es war ein sehr seltsamer Sommer für James Potter, aber gut-seltsam.
Natürlich war da immer die Gefahr durch diesen Krieg gegen Voldemort und seine Todesser und mittlerweile konnte man es auch einen „Krieg" nennen, denn das Ministerium ging nun offen gegen diesen Dunklen Zauberer und seine Anhänger vor und hatte es illegalisiert, dieser Gruppe anzugehören, aber ihre Vorgehensweisen wirkten noch immer ziemlich halbherzig und schwach im Gegensatz zu der Gefahr, die über allen schwebte wie eine dunkle Wolke.
Muggel und Muggelgeborene – die beliebtesten Ziele von diesen reinheitsfanatischen Wahnsinnigen, die tatsächlich durch die Gegend gingen und Leute umbrachten.
Es schien James unvorstellbar und er hatte sich gefragt, ob das einfach nur ein Zeichen dafür war, dass er selbst erwachsen wurde oder die Welt wurde immer finsterer.
Er hatte die Ernsthaftigkeit verstanden – besonders, als Lily ihm geschrieben hatte.
Zugegeben, James war ein wenig in seiner naiven Blase gefangen gewesen und er hatte gar nicht daran gedacht, dass er Freunde hatte, die eventuell Ziele sein könnten – wie Lily Evans.
Sie war eine Muggelgeborene und man konnte das leicht vergessen, nachdem sie eine der klügsten Hexen ihres Alters war und sie sich sehr wohl mit ihrer Magie zu fühlen schien, aber als Lily Evans ihn angeschrieben hatte mit ihren Befürchtungen, hatte James sich hingesetzt und seine eigene Blase zerplatzt.
Wenn sich so erwachsen werden anfühlte, dann wollte er es nicht, aber nun war es zu spät. Die Blase war geplatzt, er hatte die Wahrheit gesehen (zumindest einen Teil davon) und als er Lily geantwortet hatte, war sein Brief voller ernst gemeinter Lösungsvorschläge gewesen und er hatte sie gefragt, wie ihre Gedanken zu diesem Thema waren.
Und dann hatte Lily wieder zurück geschrieben – offenbar hatte sie nicht nur ihm geschrieben, sondern auch den anderen Rumtreibern und natürlich Marlene und anderen ihrer Freundinnen, aber James' Antwort war wohl die einzige gewesen, die nicht voll mit falschen Ermutigungen und Beruhigungen sowie Verharmlosungen gewesen war (wobei Lily erwähnte, dass Remus ihr noch nicht geantwortet hatte – ob James von ihm gehört hatte und ob es ihm gut ging) und sie hatte sich sehr über James' Brief gefreut.
Zugegeben, James' Magen machte schon einen kleinen Hüpfer und er wurde schon ein bisschen rot und grinste an diesem Tag ungewöhnlich viel von diesem kleinen Kompliment, aber trotzdem blieb er bei der Sache. Lily brauchte keinen verliebten, kindischen Trottel – sie brauchte einen hilfsbereiten und ernsten Mann.
Mit diesem Gedanken fiel es James ungewöhnlich leicht, Lily wie einen Freund zu behandeln, statt wie seinen Schwarm.
So hatten sie dann angefangen, sich regelmäßig zu schreiben und mit regelmäßig meinte James manchmal zweimal an einem Tag.
Sie tauschten Ideen und Gedanken zu dem nahenden Krieg aus, formulierten zusammen (über Distanz) Briefe an Dumbledore mit Fragen und überlegten sich, wie sie das Leben von Muggeln und Muggelgeborenen in Zeiten wie diesen verbessen konnten und als sie beide erfuhren, dass sie das neue Schulsprecher-Pärchen werden würden, schrieben sie sich auch darüber.
Und dann – der glorreiche Tag! Lily fragte James, ob er nicht einmal vorbeikommen wollte.
James hatte ein bisschen gequietscht und war begeistert auf und ab gesprungen, als er das gelesen hatte (Sirius war Zeuge gewesen), aber als er Lily geantwortet hatte, war er natürlich seriös und ernst geblieben – so erwachsen und männlich.
Remus hatte ihn einen Idioten genannt – das hatte ein bisschen wehgetan.
Sie hatten also einen Tag vereinbart und tatsächlich war James (mit Sicherheitsabstand, weil es eine Muggelgegend war) zu der Adresse appariert, die Lily ihm geschrieben hatte – irgendwo in Cokeworth.
Zufällig wusste James, dass irgendwo in dieser Gegend auch Snape leben musste – er kümmerte sich aber nicht um diesen Schleimbeutel.
Er fand das Haus mit dem niedlichen, kleinen Garten und wie es sich gehörte, klopfte er an der Tür.
Nicht Lily öffnete, aber eine Frau, die er schon einmal am Bahnsteig bei Lily gesehen hatte – ihre Mutter.
„Guten Tag, Mrs Evan!", begrüßte James sie mit einem breiten Lächeln, „Ist Lily hier?"
Mrs Evans musterte ihn von oben bis unten – nicht kritisch, sondern interessiert mit einem vielsagenden Blick im Gesicht.
„Du musst James Potter sein", erkannte Mrs Evan, „Freut mich, endlich ein Gesicht zu all den Geschichten zu haben."
James wurde ein wenig rot (würde das aber später vehement leugnen) – er wollte gar nicht wissen, welch schrecklichen Geschichten Lily über ihn erzählt hatte, immerhin hatte er sich teilweise wirklich (er gab es auch wirklich nicht gerne zu) nicht gut benommen – besonders nicht Lily gegenüber. Immer ein wenig... unrespektvoll. (James hatte das vor zwei Wochen ganz alleine erkannt und Remus hatte ihm gesagt, dass das Wort eigentlich „respektlos", hieß und dass er das James schon seit Jahren predigte – James hatte ihn ignoriert).
„Mum!" Lily rannte die Treppen hinunter, angezogen in Muggelkleidung, wie man sie auch häufig während ihrer freien Stunden in Hogwarts sah und die roten Haaren unordentlich hochgebunden (wie man es ebenfalls häufig in Hogwarts sah, aber nicht nur in ihren freien Stunden, sondern immer dann, wenn Lily gestresst, aufgeregt oder sonst irgendetwas in der Art war).
Lily war ebenfalls knallrot im Gesicht und zog ihre Mutter von der Tür weg – aber offenbar nicht schnell genug, denn Mrs Evan wisperte Lily (nicht ganz so leise) zu: „Du hast nie gesagt, dass er so gutaussehend ist!"
James wurde rot. Lily wurde rot. Mrs Evans ging lachend in die Küche.
„Komm... bitte einfach rein", schlug Lily vor, „Ignorier meine Eltern –"
„Die Zimmertür bleibt offen, junge Dame!", rief ein Mann – wohl ihr Vater – lachend aus einem anderen Raum und wenn das überhaupt möglich war, wurden James und Lily noch roter – sie ähnelten nun Lilys Haaren.
„– sie... sind wirklich anstrengend", entschuldigte sich Lily.
„Du solltest einmal meine Eltern sehen", schnaubte James, „Ich sage dir – als meine Mum Remus und Sirius das erste Mal zusammen gesehen hat: Oh, ihr seid zusammen?" James äffte mit einer übertrieben hohen Stimme seine Mutter nach. „Sirius ist einfach... gestorben. Wortwörtlich – ich bin mir ziemlich sicher, er läuft nur noch als Geist herum, um alle zu nerven."
Lily kicherte und James grinste ebenfalls – zugegeben, ziemlich stolz auf sich.
„Gehen wir in mein Zimmer", schlug Lily vor und sie wartete nicht auf eine Antwort von James, sondern zog ihn mit zu den Treppen und nach oben.
James sah sich interessiert und neugierig um – ein Muggelhaushalt war so anders als bei ihm zu Hause.
Er war noch nie bei einer Muggel-Familie zu Besuch gewesen – selbst bei Remus zu Hause fand man magische Gegenstände, obwohl seine Mum (die ein Muggel gewesen war) alles eingerichtet hatte.
Die Bilder bewegten sich natürlich nicht (es waren Familienfotos mit Lily, ihren Eltern und natürlich auch Petunia) und auch Fotos mit Freunden von ihren Eltern und eines mit Petunia mit einem ziemlich dicken Mann.
Es gab natürlich auch keine Hauselfen und es schwebte nichts durch die Gegend oder reinigte sich selbst, wie es bei James zu Hause immer der Fall war. Alles schien so still zu sein.
Lily öffnete eine Tür zu einem Raum und James trat ein und Lilys Zimmer war wirklich sehr Lily, obwohl sie nicht so viel Zeit darin verbrachte.
An den Wänden gingen Fotos (magische und von Muggel) und Bilder, Aufzeichnungen, Notizen und Poster von Dingen, die Lily mochte. In Bücherregalen standen wirklich viele Bücher – nicht nur Sach- und Schulbücher, sondern auch Muggelromane und Geschichten. Ihr Bett war gemacht und ordentlich, im Gegensatz zu ihrem Schreibtisch, auf dem Stifte, Federn, Tintenfässer, Papier und Pergamente verteilt herumlagen. In der Mitte des Raumes – sie nahm wirklich viel Platz ein – stand eine große Pinnwand, auf der Lily verschiedene Zeitungsartikel und Notizen gepinnt hatte, die James zum Teil schon kannte, nachdem sie sich schon einmal darüber unterhalten hatten.
Lily beobachtete ihn schüchtern, als wäre es ihr unangenehm, jemanden in ihrem Zimmer zu haben, aber James war wirklich fasziniert.
„Entschuldige die Unordnung", murmelte Lily und wurde wieder rot.
„Ha!" James lachte nur auf und Lily wurde noch roter, also fügte er schnell hinzu: „Damit wollte ich andeuten, dass das keine Unordnung ist. Du solltest mein Zimmer sehen, wenn die anderen übernachtet haben... oder Sirius' Wohnung – ich sage dir, es ist ein Fehler gewesen, den Jungen allein wohnen zu lassen, er spült nicht einmal seine Kaffeetassen aus!"
Lily lachte wieder – etwas nervös. „Ich... ich lasse das Zeug hier meistens einfach liegen, damit ich nicht durcheinanderkomme."
James nickte bedächtig. „Das kenne ich von Phil."
Lily sah James neugierig oder unsicher oder auch nur höflich interessiert an – James war sich nicht sicher, aber er erläuterte trotzdem genauer: „Hast du Phillis schon jemand dabei zugesehen, wie sie ein Spiel plant?"
Lily schüttelte den Kopf.
„Du würdest sie nicht wiedererkennen – in... einer anderen Welt. Mit ihren Gedanken zu zweihundert Prozent nur auf Quidditch fixiert und ihre Gedanken –" James machte mit den Händen Bewegungen in der Luft, als würde er zeigen wollen, wie Sternschnuppen wirklich schnell über den Himmel flogen. „– so... verwirrend und doch – klar und einfach genial."
Lily sah ihn verstört an.
„Also... ich meine nicht...", stammelte James, als er bemerkte, was er gesagt hatte, aber dann erkannte er, dass er keinen Grund dafür hatte, „Nein... ich habe es genau so gemeint. Phillis ist genial, obwohl sie manchmal wirklich... uff..." James lachte nervös und nun lachte auch Lily ein wenig.
„Jaah... ich habe versucht, das zu schaffen, was Remus schafft", erinnerte Lily ihn, „Als Remus und sie sich gestritten haben – ich habe ihr mit ihren Hausaufgaben geholfen und ich– ich bin fast durchgedreht." Lily blickte einen Moment lang in die Ferne, als würde sie eine schlimme Erinnerung noch einmal erleben. „Ich weiß nicht, wie Remus das schafft."
„Das weiß niemand", gestand James, „aber irgendwie hat es funktioniert – gut genug jedenfalls. Phillis ist noch im Team."
„Was ist eigentlich mit Phillis?", fragte Lily, „Ich habe ihr vor zwei Wochen oder so einen Brief geschrieben – das letzte Mal hat ihre Antwort nicht so lange gedauert."
James schluckte schwer. Phillis – warum hatte er mit diesem Thema angefangen? Vielleicht, weil es einer der Sorgen von James war? Remus machte sich schon selbst ziemlich fertig und bis jetzt gibt es noch keinen Grund zur Sorge, Phillis' Briefe brauchten immer mindestens eine Woche, bis sie ankamen.
James räusperte sich. „Anderes Thema", bat er nur, „Was ist das hier für ein Artikel?"
James deutete auf einen Zeitungsartikel, den er noch nicht kannte – ein Autounfall oder eher doch ein Kleinbusunfall.
„Ein mysteriöser Unfall", erzählte Lily und trat näher, „Der Wagen sieht so aus, als wäre er gegen eine Wand gefahren, aber da ist keine Wand weit und breit. Er ist einfach gegen eine unsichtbare Wand gefahren – zwei Tote."
„Davon habe ich nichts gehört", gestand James.
„Stand nur in den Muggelzeitungen", gestand Lily schulternzuckend – James las wirklich nur Zauberernachrichten, „Ich weiß nicht einmal, ob Magie im Spiel war, aber es kam mir etwas seltsam vor."
„Zwei Tote", wiederholte James nachdenklich, „Hier steht, man hat Blut von einer weiteren Person gefunden?"
„Scheinbar ist jemand verletzt worden – da war jedenfalls ziemlich viel Blut von einer dritten Person, aber das Blut gehört zu keinem der Toten", erklärte Lily, „Vielleicht noch ein Mitfahrer – man hat aber niemanden in der Umgebung gefunden."
„Das klingt wirklich seltsam", gestand James und er war so auf den Zeitungsartikel konzentriert, dass er gar nicht sah, wie Lily etwas rot wurde.
James sah sich noch die anderen Notizen an – manche davon stammten von ihm, die er Lily geschickt hatte. Dann natürlich der Artikel von dem Todesserangriffen in Perth. Sie hatten drei Häuser hintereinander in die Luft gesprengt und damit mehr oder weniger den Auroren gezeigt, wie unfähig sie waren (so hatte es jedenfalls Sirius ausgedrückt). Noch schlimmer war, dass nicht nur zwei Muggelhäuser gesprengt worden waren, sondern auch das Haus von Mrs Crouch – der Mutter von Bartemius Crouch, dem Chef der Abteilung für Magische Strafverfolgung. Es wurde tagelang vom Tagespropheten auseinandergenommen.
Da war aber auch noch ein Artikel vom selben Thema aus einer Muggelzeitung, den James natürlich noch nicht kannte und amüsiert las er, was die Muggel von diesem Vorfall hielten – eine sogenannte „Gasexplosion".
Das Foto war ziemlich dramatisch – die Muggel-Feuerwehrleute beim Einsatz und eine erschrockene, versammelte Menge.
James runzelte die Stirn und rückte seine Brille zurecht. Seine Nase berührte beinahe die Pinnwand, als er das Foto genauer ansah.
„Hey... Lily...", meinte er gedankenverloren und Lily blinzelte, aus ihren Gedanken gerissen und sie hoffte, James hatte nicht bemerkt, dass sie ihn angestarrt hatte, „Hast du das schon gesehen?"
James tippte auf das Foto und Lily sah genauer hin.
Sie hatte sich das Foto noch nicht genau angesehen – die besseren Fotos waren im Tagespropheten gewesen (informativer und weniger dramatisch), aber nun, da James es andeutete, sah sie es auch und sie wich erschrocken einen Schritt zurück.
„Das... ist nicht möglich", stammelte sie, „Das ist doch..."
James nickte und sah sich das Foto noch einmal an. Dort in der Mange war eine kleine Gruppe an Jugendlichen – einer von ihnen hatte wohl die Kamera bemerkt und machte eine unhöfliche Geste in ihre Richtung (bei der Redaktion war das wohl niemanden aufgefallen, sonst hätten sie ein anderes Foto benutzt), aber neben diesem Typen war jemand, den James kannte – eine Jugendliche mit lockigen Haaren und eindeutig einem Bogen auf dem Rücken – Phillis Dolohow.
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