Jeder verstört Hana (arme Hana...)
Wer auf die Idee gekommen war, „Sommerspaziergänge" als etwas Positives zu verkaufen, der sollte wohl eine halbe Stunde lang durch die pralle Hitze ohne Schatten oder Unterstand laufen, so wie Phillis und ihre Begleiter.
Bepackt mit all ihrem Zeug schwitzten sie ihre Kleider voll und keiner kam auch nur auf die Idee, sich über die Schweißflecken der anderen lustig zu machen, wenn einem selbst der Schweiß in fluten von der Stirn in die Augen rann.
Nur Phillis fühlte sich in der Sonne wohl und Pirro verfluchte sie scherzhalber dafür, dass jemand aus dem Norden der Hitze besser standhalten konnte als er. Dabei waren das keine fairen Verhältnisse – als ein Kind des Sonnengottes wurde Phillis nicht so schnell zu heiß.
Endlich kam der kühle Wald in Sicht und sie gewannen wieder etwas an Zuversicht und kamen schneller voran, sodass sie schon kurz darauf die Grenzen zum Camp übertraten.
Als sie den Gipfel des Hügels erreichten, übersahen sie das Camp und Hana und Pirro konnten ihr Staunen nicht verstecken, während Phillis und Wesley sie amüsiert dabei beobachten konnten, wie sie das erste Mal das Camp sahen.
„Wow", staunte Pirro, „Magnifico..."
„Das ist unglaublich", staunte auch Hana, „Was ist das da hinten?"
Vermutlich meinte sie das Amphitheater, die man in der Ferne schon sehen konnte... vielleicht auch die Kletterwand... Besser nicht auf die Frage eingehen, bis sie endlich über ihren göttlichen Elternteil aufgeklärt wurde.
„Gehen wir am besten zuerst zu Mr D und Chiron", schlug auch Wesley nervös vor, „Sie wollen neue immer gleich kennenlernen... also... Chiron jedenfalls..."
„Warte, wissen sie schon, dass ich komme, ich wollte nicht –", begann Hana sich sofort Sorgen zu machen, aber Phillis unterbrach sie beruhigend.
„Keine Sorge, sie wissen es schon, deine Mutter hat mit Chiron telefoniert, schon vergessen?"
Das beruhigte Hana zum Glück und zu viert mit ihrem Gepäck gingen sie in Richtung Großes Haus. Beim Volleyballplatz erblickte Phillis schon ein paar blonde Kinder – vermutlich ihre Geschwister – und sie konnte es kaum erwarten, sich ihnen anzuschließen. Es war schon zu lange her, seit sie mit ihnen Volleyball oder Basketball gespielt hatte. Vielleicht auch eine Runde Baseball.
Tatsächlich fanden sie Mr D und Chiron beim Großes Haus auf der Veranda (vermutlich machten sie Siesta). Mr D blätterte in einem Wein-Magazin und Chiron – in seinem Rollstuhl – musterte nachdenklich eine Karte.
Als Chiron sie bemerkte, blickte er auf und begrüßte sie mit einem Lächeln.
„Phillis und Wesley! Welch ein Freude, dass ihr es hergeschafft habt!", freute er sich und Phillis bemerkte, wie Hana neben ihr zusammenzuckte.
„Ist das nicht normal, dass man ankommt?", fragte sie leise und ängstlich.
Phillis wusste darauf keine Antwort.
„Phillis Dolohow!", bei diesem Namen blickte Mr D zu ihrer Überraschung ebenfalls auf, klappte das Magazin zusammen und stand sogar auf – ein legendärer Tag. „Phillis Dolohow! Wenn das nicht mein neues Lieblingshalbblut ist!"
Vielleicht hätte das irgendwie ein Kompliment sein können, aber nicht von Mr D, der bekannter Weise alle Halbblute verabscheute, also war Phillis vorsichtig.
„Sir?", fragte sie unsicher, „Habe ich etwas –"
„Setz dich doch zu uns, Phillis Dolohow! Wir müssen reden!", Mr D schob einen dritten Stuhl an den Tisch auf der Veranda und bot ihn Phillis an – es war beunruhigend und hilfesuchend sah sie zu Wesley, der aber ebenfalls ratlos schien. Also blickte sie zu Chiron, der sie entschuldigend, aber wenigstens nicht ängstlich oder verärgert oder sonst irgendwie negativ aussah, also setzte Phillis sich zögerlich.
„So, Phillis Dolohow", Mr D klopfte ihr kräftig auf die Schulter und setzte sich wieder auf seinen Platz, „Trinkst du?"
Nachdem Alkohol im Camp verboten war, war ihre Antwort klar. „Immer doch!"
Aus dem Nichts ließ Mr D zwei Cokes erscheinen und eine davon fiel Phillis direkt in die Hand. Hana quickte überrascht auf und das war auch kein Wunder – sie hatte noch keine Ahnung.
Zum Glück begriff das auch Chiron und er schlug vor: „Wesley, warum zeigst du unseren Neuankömmlingen nicht erst einmal das Einführungsvideo?"
„Wird gemacht, Chef!" Wesley salutierte schlampig und führte Hana und Pirro dann weg – Hana blickte über ihre Schulter noch hilfesuchend zurück zu Phillis, die ihr einen (hoffentlich) zuversichtlichen Blick schenkte.
„Also, Phillis Dolohow", Mr D öffnete seine Coke, „Erzähl mir alles! Wie verärgert man den Alten Blitz-Flitzer da oben so sehr, dass er einen tot sehen will und überlebt?"
Ah... darum ging es also. Jetzt wunderte Phillis nichts mehr. Nachdem sie bei ihrem letzten Quidditchspiel beinahe von Zeus umgebracht worden war, hatte sie kaum noch daran gedacht. Offenbar hatte Zeus beschlossen, dass sie leben durfte und deswegen stand sie noch auf zwei Beinen, aber der Weg dorthin war schmerzvoll und beinahe-tödlich gewesen.
„Nun... wie man ihn verärgert, wissen Sie ja selbst –", grinste Phillis.
„Nicht frech werden, Dollarhide!"
„– und dann hat er versucht, mich umzubringen, hat darin versagt –" Fernes Donnergrollen und ein warnender Blick von Chiron (er sah müde aus).
„– Pardon... er ist so gütig gewesen, mich nur schwer verletzt zurück zu lassen und nachdem ich lange genug überlebt habe, hat er wohl gütiger Weise beschlossen, dass ich leben darf. Keine große Sache."
„Phillis, ich hoffe, ich muss dich nicht daran erinnern, dass es unklug ist, Götter zu verärgern –"
„Erinnere mich lieber noch einmal."
„– und was du getan hast, war unnötig riskant."
„Er war nur unnötig zickig –" Wieder Donnergrollen.
„Phillis!", warnte Chiron scharf.
„Du gefällst mir immer besser", lobte Mr D und klopfte ihr noch einmal auf die Schulter.
„Es ist wahr, Chiron!", jammerte Phillis, „Ich habe ihm nur nicht geopfert und schon beschließt er, dass ich lieber sterben sollte!"
„Mutig, mutig", raunte Mr D und schlug wieder sein Magazin auf, „Dumm, aber auch mutig – wie alle Helden."
„Danke."
„Keine Ursache."
„Wie auch immer – was geschehen ist, ist geschehen", seufzte Chiron müde, „Wir haben noch andere Dinge zu besprechen, oder nicht, Phillis?"
Phillis seufzte und erzählte Chiron alles, was bisher noch passiert war. Sie erzählte von ihren Gesprächen mit Dumbledore und dann erzählte sie, wie ihre Reise mit Hana gewesen war.
„Ein Seeungeheuer und ein Höllenhund innerhalb von wenigen Tagen", meinte Chiron geschockt ehrfürchtig, „Du wirst alt, Phillis. Dein Geruch wird stärker und die Reise wird immer gefährlicher für dich werden. Vielleicht solltest du langsam in Betracht ziehen –"
„Nein!", unterbrach Phillis ihn und räusperte sich peinlich berührt, als sie bemerkten, dass sie Chiron unhöflicher Weise unterbrochen hatte, obwohl sie ihn eigentlich sehr respektierte, „Entschuldigung, aber... Ich denke nicht, dass das der Grund war. Wir sollten daran denken, dass es noch immer sein könnte, dass Monster es explizit auf Kinder des Apollo abgesehen haben – können wir uns sicher sein, dass mit Niobe die Gefahr beseitigt wurde?"
„Schwer zu sagen", meldete sich Mr D gleichgültig, „Es sind nicht mehr sonderlich viele Kinder vom alten Sonnenlenker übrig und Neun-Finger-Bobby ist noch nicht angekommen."
„Neun-Finger-Bobby ist noch nicht angekommen...", wiederholte Phillis erschrocken und einen Moment lang rasten ihre Gedanken, aber dann konzentrierte sie sich wieder – das gelang ihr nur in Krisensituationen, so wie jetzt, „Das bedeutet noch gar nichts, Bobbys Ferien beginnen erst in ein paar Tagen – er hat mir geschrieben. Hana ist meine Schwester – ihre Mutter hat es bestätigt."
„Oh, welche Freude", murmelte Mr D nicht wirklich enthusiastisch.
„Zwei Kinder von Apollo zusammen – vielleicht ist das der Grund für die Angriffe gewesen. Und dann auch noch mit Pirro auf dem Weg ins Camp vom Flughafen – es können einfach nur Zufälle sein."
„Das Gör vom Gott der Weissagungen glaubt an Zufälle!", lachte Mr D auf, „Ha! Guter Witz!"
Phillis wurde rot vor Wut – sie hasste es, wenn man sie auslachte und sie wusste selbst, dass sie naiv klang, aber sie war noch nicht bereit, das ganze Jahr über im Camp zu bleiben.
Zum Glück wurde sie von der Unterhaltung gerettet, als Wesley mit Pirro und Hana zurückkam.
Hana war seltsam bleich und klammerte sich mit zitternden Händen an ihre Kette fest, die ihre Mutter ihr gegeben hatte. Pirro schien es etwas besser aufgenommen zu haben oder er versteckte es besser, aber im Gegensatz zu Hana hatte er schon gewusst, dass er ein Halbblut war und dass Götter existierten.
„Was für ein verstörender Film", kommentierte er, „Zwei von fünf Sternen – mehr kann ich nicht geben!"
„Das war schrecklich!", jammerte Hana und Wesley sah hilfesuchend zu Phillis, die aber selbst nicht genau wusste, wie man mit solchen Halbbluten umgehen sollte, „Das ist schrecklich! Das ist alles ein Missverständnis, mein Vater ist bestimmt kein –"
In diesem Moment erschien direkt über ihrem Kopf ein goldenes, grell leuchtendes Symbol, sodass alle ihre Blicke abwenden mussten, aber Phillis erkannte das Symbol über ihrem Kopf und war nicht verwundert: eine Sonne, das Symbol von Apollo.
„Heil Hana, Tochter des Apollo!", verkündete Chiron und Phillis verbeugte sich mit den anderen (Pirro folgte mit etwas Verzögerung der Gestik).
Hana wurde noch bleicher, wenn das überhaupt möglich war und stammelte vor sich hin und blickte zum Himmel wie zum Gebet, aber bestimmt nicht an Phillis' Götter.
„Dein Gott wird dich nicht erhören", kommentierte aus dem Nichts plötzlich jemand und Phillis zuckte zusammen – sie hatte nicht bemerkt, dass sich noch jemand der Szene genähert hatte, „Gott ist tot."
Es war ein Junge – jünger als Phillis, also vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt und damit auch jünger als Hana, die aber noch bleicher zu werden schien, als sie ihn das sagen hörte.
Mr D seufzte genervt und murmelte: „Nicht der schon wieder" und Chiron lächelte den Neuankömmling mit einem wohlwollenden Lächeln an.
„Das ist kein guter Zeitpunkt, Houdini."
„Houdini" blinzelte überrascht. „Oh", machte er, registrierte die Nachricht, ordnete sie wohl ein und schien zu beschließen, dass es ihn nicht kümmerte, denn im nächsten Moment wandte er sich direkt Phillis zu, „Bitte sag mir, dass du Phillis Dolohow bist."
Phillis sah hilfesuchend zu Chiron, der sie ermutigend anlächelte, aber es sah auch irgendwie mitleidig aus... das war nicht immer leicht zu unterscheiden...
„Ja?", antwortete sie also und „Houdini" atmete erleichtert aus.
„Endlich! Ich warte schon seit einer Woche auf dich!"
Phillis wusste nicht einmal, wer dieser „Houdini" war. Er war ein Junge, aber vom ersten Blick an wusste Phillis schon, dass er ein seltsamer Junge sein musste.
Seine Haare waren dreckig blond und in einer unordentlichen Surfer-Frisur gestylt, wobei der Typ nicht so aussah, als würde er auch nur einen Gedanken an seine Haare verschwenden. Vermutlich war es tatsächlich seine „I-woke-up-like-this"-Frisur. Dazu trug er Kleidung, die man bestimmt nicht von einem Jungen in seinem Alter im Hochsommer erwarten würde – ein ordentlich gebügeltes, schneeweißes Hemd, bis ganz oben hin zugeknöpft und dazu noch eine schwarze Fliege. Seine Hosen waren schwarze Anzughosen – wie für Erwachsene, aber in klein. Nur seine Schuhe passten nicht zu seinem Outfit und Phillis war überrascht zu sehen, dass er tatsächlich Ballettschuhe trug – vielleicht, damit er jederzeit bereit war los zu tanzen. Phillis beschloss über diesen Gedanken erst zu lachen, wenn sie wusste, dass er nicht wahr war.
„Wie auch immer, Phillis Dolohow –"
„Du kannst mich gerne auch nur Phillis nennen."
„– wir haben eine Menge zu besprechen – seit ich hier angekommen bin ist die Antwort auf ungefähr 54,678% meiner Fragen dein Name, also hoffe ich doch, du kannst mir ein paar Antworten geben!"
„Und er stellt eine Menge Fragen", raunte Mr D leise und so genervt, wie er dabei klang glaubte Phillis ihm das auch.
Houdini wartete aber nicht auf eine Antwort ihrerseits, sondern hakte sich einfach bei ihr ein und zog sie mit in Richtung Hütten.
„Ich zeige dir später alles, Hana! Versprochen!", rief sie über ihre Schulter zurück, aber Hana schien gerade zu sehr damit beschäftigt, ihre mittlere Lebenskrise zu überstehen.
Es war Pirro, der sie spöttisch angrinste und Phillis zeigte ihm die Zunge, woraufhin er ihr den Vogel zeigte – sie hatte doch gewusst, sie würden gut miteinander zurechtkommen.
Aber im Moment musste Phillis sich wohl um das Problem Houdini kümmern.
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