Inhaltsloses Intermezzo

Manchmal fragte Phillis sich, ob nicht doch Melpomene ihre Mutter war (die Muse der Tragödie, für jene, die nicht zufällig die Namen der neun Musen kennen (ein Muss für alle Kinder des Apollo)), nachdem ihr ganzes Leben eine Tragödie war.

Vielleicht war Phillis auch nur dramatisch, aber es fühlte sich so an, als würde sie langsam zum Richtblock geführt werden, an dem man ihr den Kopf abhacken würde (wie Perseus es einst bei Medusa getan hatte).

Es war das letzte Hogsmeade-Wochenende des Jahres.

Das letzte Hogsmeade-Wochenende vor den Osterferien.

Das letzte Hogsmeade-Wochenende vor den ZAGs und somit auch vor dem Ende des Jahres und Phillis fühlte sich absolut noch nicht bereit.

Nicht, dass sie schon sonderlich viel für die ZAGs lernen würde und ohne Remus (der mittlerweile moderat verzweifelt war) hätte sie nicht einmal die Mitschriften der letzten Jahre in die Hand genommen (sie empfand diesen Mitschriften gegenüber ein ähnliches Gefühl, wie sie es wohl auch überfahrenen, halb-verwesten Aga-Kröten (auch Riesenkröte genannt) gegenüber gezeigt hätte (Phillis konnte das mit Sicherheit sagen, weil sie zufällig einmal eine solche Kröte überfahren hatte, dann ein schlechtes Gewissen bekommen hatte und drei Tage später wieder zu der Stelle gegangen war, nur um zu sehen, dass die Kröte schon lange keiner Kröte mehr ähnelte (es war ein heißer Sommer gewesen und Phillis hatte noch immer Albträume von diesem Gestank)).

Leider war Remus wohl noch immer sehr motiviert, Phillis durch die ZAGs zu bringen und deswegen stand er ihr mutig wie ein Krieger beiseite, während Phillis von den Professoren mit Hausaufgaben überschüttet wurde.

Genau genommen interessierte Phillis sich noch kaum für ihre ZAGs, bis auf die Tatsache, dass sie jetzt schon Panik hatte, weil sie wusste, dass sie niemals genug Zeit haben würde, um all den Stoff in ihr Hirn zu prügeln (Birget hätte ihr dabei sicher helfen können, aber Birget war in Amerika), was aber nicht bedeutete, dass Phillis irgendwie anfangen würde zu lernen. Sie war zu beschäftigt, Panik zu haben, um auch nur ans Lernen zu denken.

Wobei sie ihre Panik den ZAGs gegenüber noch in Grenzen hielt, im Gegensatz zu der Panik dem letzten Spiel gegen Hufflepuff gegenüber, das kurz vor den ZAGs stattfinden würde.

Im Gegensatz zu den ZAGs bereitete sie sich auch schon für dieses Spiel vor – schon seit Wochen und das Team war so gut wie noch nie zuvor und das sagten die anderen in Hogwarts bei jedem Spiel von Gryffindor, also machte Phillis wohl irgendetwas richtig.

Es war das letzte Hogsmeade-Wochenende vor den ZAGs, dem letzten Quidditch-Spiel, dem Schuljahresende und vermutlich (was Phillis überhaupt nicht mehr wundern würde) ihrem sicheren Tod, aber Remus hatte sie darum gebeten, an diesem Tag nicht über all das nachzudenken.

Er wollte ein „Date" mit Phillis – so richtig, bei dem sie sich auch ganz einig geworden waren, dass es ein „Date" war (wobei keiner von beiden das Wort „Date" ausgesprochen hatte, ohne mit den Fingern Anführungsstriche in die Luft zu setzen, also waren sie sich letztendlich doch nicht sicher), aber Phillis nahm das Angebot nur allzu gerne an, den Tag in Hogsmeade mit Remus zu verbringen.

Hand in Hand gingen sie am späten Vormittag erst ins Dorf (sie hatten im Schloss gefrühstückt) – es war warm. Der Frühling nahm Einzug und Phillis spürte nur allzu gerne wieder die Sonne auf ihrer Haut, obwohl es noch zu kühl war, um ohne Jacke die Tage draußen zu verbringen, aber wenigstens hatte sie sich von dicken Pullovern und Wintermänteln verabschieden können.

„Zugegeben, du bist einer der seltsamsten Personen, die ich kenne", gestand Remus lachend, als Phillis ihm gerade erzählte, dass sie das Alphabet rülpsen konnte (mit nur einer Dose Coke).

„Hast du keine seltsamen Talente?", fragte Phillis amüsiert, „Bestimmt hat Remus Lupin auch ein Talent, das jeder seltsam findet aber auf Partys ist es der Hit!"

„Bis ich dich kennengelernt habe, bin ich stolz darauf gewesen, einen Handstand zu können", gestand Remus.

„Zeig!", verlangte Phillis sofort und blieb einfach mitten im Weg stehen. Remus wurde an der Hand zurück gezogen und ihm blieb nichts anderes übrig, als ebenfalls stehen zu bleiben.

„Nah!", maulte Remus unsicher, „Das ist dämlich – du bist eine Akrobatin und ich soll dir einen einfachen Handstand zeigen? Du willst nur wieder angeben!"

„Vielleicht", grinste Phillis und Remus sah sie vorwurfsvoll an. „Okay, okay! Ich verspreche dir, ich werde nicht angeben!"

Remus sah sie noch immer misstrauisch an, ließ aber Phillis' Hand los, nahm etwas Anlauf und machte dann einen Handstand. Sein T-Shirt rutschte etwas hinunter und Remus wippte wie ein Pendel wieder zurück und stand wieder auf – ein wenig benommen und mit hochrotem Kopf.

„Sehr gut!", lobte Phillis und klatschte beeindruckt, „Nicht schlecht, nicht schlecht!"

„Was ist dein seltsamstes Talent?", fragte Remus sie und nahm wieder ihre Hand, nachdem er seine Frisur ein wenig gerettet hatte (Sirius hätte ihm versichert, dass seine Haare noch immer chaotisch und nicht mehr rettbar waren, aber zum Glück war Sirius nicht da und Phillis störten Remus' chaotische Haare nicht).

„Nun... ich spiele das Didgeridoo", gestand Phillis schmunzelnd.

Remus brauchte einen Moment, um das Wort mit einem Gegenstand zu verbinden – genauer gesagt einem Instrument. Wohl eines von vielen, das Phillis spielte.

„Nein!", keuchte Remus, „Wirklich? Das kann man spielen?"

„Nicht wirklich, aber Ruth hat mir beigebracht, wie man damit Geräusche erzeugen kann, die man wohl irgendwie als „Musik" beschimpfen kann. Du kannst mir glauben, die Bewohner des Waldes waren nicht froh, als wir einen ganzen Tag lang geübt haben."

„Drehen wir das um – was kannst du eigentlich nicht?", fragte Remus amüsiert.

„Du meinst außerhalb des ganzen schulischen Zeugs?", fragte Phillis amüsiert, „Ich kann nicht sonderlich gut mit einer Streitaxt umgehen."

Remus lachte, als hätte Phillis einen Witz gemacht und Phillis grinste ebenfalls, aber aus dem Grund, dass sie ganz genau wusste, dass sie die Wahrheit gesagt hatte und die Tatsache, dass Remus es für einen Witz hielt fand sie selbst amüsant, aber sie würde ihn auch nicht korrigieren.

Sie waren im Dorf angekommen und Leute blickten in ihre Richtung. Es war nicht unbedingt ungewöhnlich, sie zusammen zu sehen, aber doch war ihre Beziehung ein viel diskutiertes Thema, immerhin war Remus einer der berühmten Rumtreiber und Phillis der Kapitän der Quidditchmannschaft. Wenn zwei halbwegs bekannte Persönlichkeiten in Hogswarts zusammen kamen, war es nur logisch, dass sie als Paar berühmt wurden.

„Nein, jetzt ernsthaft", verlangte Remus, „Was kannst du nicht, was andere vielleicht ganz alltäglich finden."

„Ich hasse tanzen", schlug Phillis vor, „Phoebe wollte es mir beibringen – ich kann es nicht. Phoebe meint, ich hätte kein Taktgefühl, was absolut absurd ist, immerhin bin ich eine gute Musikerin."

„Tanzen? Wirklich?", hinterfragte Remus, „Meinst du klassische Tänze...?"

„Alles", Phillis zuckte mit den Schultern, „Mehr als hin und her zu wippen übersteigt meinen motorischen Fähigkeiten."

„Um ehrlich zu sein... das habe ich nicht erwartet", gestand Remus, „Zeig es mir!"

„Jetzt? Einfach so, mitten in der Öffentlichkeit?", fragte Phillis und hob eine Augenbraue. Sie waren schon in Hogsmeade und nachdem die meisten Hogwarts-Schüler das warme Wetter nutzten, um noch einmal ins Zaubererdorf zu gehen, waren die Straßen ziemlich belebt.

„Klar", Remus war nur in Phillis' Gegenwart so impulsiv, aber ihm gefiel dieses Gefühl der Freiheit. In Phillis' Nähe hatte er nicht das Bedürfnis, sich vor der Welt zu verstecken. „Meine Mum hat es mir beigebracht – ich führe."

„Ich sollte dich warnen – wenn ich dir deine Zehen plattgetreten habe, will ich keine Beschwerden hören!"

Wenn die Leute zuvor nicht schon gestarrt hatten, taten sie es, als Remus und Phillis mitten in der Straße zu tanzen begannen, wobei man es nicht wirklich „tanzen" nennen konnte. Es war eher der jämmerliche Versuch von Remus, Phillis zu zeigen, wie man sich bewegen musste, um einen Walzer zu tanzen, aber Phillis hatte nicht untertrieben. Für wenige Schritte ging es gut, aber dann verlor sie wieder den Anschluss und kam nicht mehr mit.

Phillis konnte auch nicht aufsehen, sondern klammerte sich beinahe schon wie eine Ertrinkende an Remus, während sie auf ihre Füße starrte und ihren Blick keinen Moment heben konnte, ohne sofort aus dem Rhythmus zu kommen.

Es war ein erbärmlicher Anblick und Remus lachte Phillis eindeutig aus.

„Halt die Klappe, Idiot!", schimpfte Phillis, aber sie selbst konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, „Ich habe doch gesagt, ich bin grottenschlecht!"

„Es ist nicht so schwer! Schau zu!"

„Ich schaue zu! Ich versuche es ja!"

„Wie kann jemand so gut Gitarre spielen und nicht tanzen können?"

„Ich hasse dich, Remus."

„Du weißt gar nicht, wie stolz ich gerade auf mich bin, dass ich etwas kann, das du nicht kannst", bemerkte Remus stolz.

„Du kannst eine Menge, das ich nicht kann..." Phillis runzelte nachdenklich die Stirn, „Lesen, konzentrieren, in der Stunde aufpassen, dir wichtige Sachen merken, stillsitzen, –"

„Das zählt alles nicht, das können all–", Remus stockte und räusperte sich, „–viele."

„So oder so, ich finde es faszinierend", meinte Phillis ernst, „Ich würde gerne ein paar meiner Talente hergeben, um wie ein normaler Mensch sein zu können."

„Normal ist langweilig."

„Normal ist einfach", korrigierte Phillis, „So oder so – ich bin mir sicher, du hast auch noch andere Fähigkeiten, die dich auszeichnen."

„Nun... unter meinen Freunden kann ich am längsten geradeaus gehen", sagte Remus und Phillis sah ihn verwirrt an, „Also... du weißt schon... wenn man ein bisschen mehr getrunken hat und dann alles wankt und man nicht mehr gerade gehen kann..."

„Nein, ich weiß nicht", erinnerte Phillis ihn amüsiert, „Ich trinke keinen Alkohol."

„Aja... nun...", nun fühlte Remus sich ein wenig doof, „Du kennst den Effekt? Ich glaube, man kann es am besten damit vergleichen– wenn man sich zum Beispiel oft um sich selbst dreht und dann versucht gerade zu gehen!"

„Ich habe einmal eine Gehirnerschütterung gehabt und alles hat sich gedreht", schlug Phillis vor.

„Ich habe noch nie eine Gehirnerschütterung gehabt, aber... vermutlich hat es einen ähnlichen Effekt", stimmte Remus ihr zu, „Jedenfalls kann ich gerade gehen, auch wenn sich alles um mich herum dreht."

„Das will ich ausprobieren", verlangte Phillis verspielt, „Wir drehen uns... sagen wir einmal zwanzig Mal um uns selbst und versuchen dann geradeaus zu gehen."

„Ich nehme die Herausforderung an", grinste Remus und sie stellten sich nebeneinander und nun blickten die Leute in ihre Richtung, nicht, weil sie ein bekanntes Paar waren oder weil sie mitten in der Straße zu tanzen begannen, sondern weil sie sich wie Wahnsinnige um ihre eigene Achse drehten – so schnell sie konnten.

Remus hörte Phillis kichern und er selbst lachte auf, als er sich zwanzig Mal gedreht hatte und versuchte, gerade zu gehen, aber die wankte von einer Seite zur anderen und er wusste nicht einmal mehr, was oben und was unten war. Trotzdem ging er mutig geradeaus und tatsächlich schaffte es das ziemlich gut.

Ganz im Gegensatz zu Phillis, die von den Effekten der Drehungen lachen musste und versuchte, gerade zu gehen, darin aber komplett versagte und in Remus hineinlief, der versuchte sie aufzufangen, aber dafür reichte sein Gleichgewicht dann doch nicht mehr aus und sie fielen zusammen zu Boden.

Lachend lagen sie einfach da, bis sich ihre Welten nicht mehr drehten und dann noch einen Moment länger, bevor Phillis wieder (noch etwas wackelig) auf die Beine kam und Remus ebenfalls aufhalf.

„Okay, dann hätten wir jetzt auch noch geklärt, wer von uns beiden das besser kann", grinste sie amüsiert.

„Ich bin ja so stolz auf mich", meinte Remus ironisch und Phillis stieß ihn leicht zur Seite.

„Jetzt hast du schon ganze zwei Talente, die ich nicht habe", bemerkte Phillis, „Wenn wir weitersuchen, finden wir bestimmt auch noch andere."

„Vielleicht bin ich meiner Freundin ja dann irgendwann überlegen." Es war Remus herausgerutsch „Freundin"... Beinahe erwartete er schon, dass Phillis ihn korrigieren würde und sagen würde, dass sie gar nicht seine Freundin war, aber das passierte natürlich nicht.

„Ich glaube, du wirst mir immer unterliegen", vermutete Phillis neckisch, „Immerhin kann ich Didgeridoo spielen."

„Aja", Remus legte einen Arm um ihre Taille, „Wie konnte ich das nur vergessen? Natürlich!"

„Idiot", maulte Phillis lächelnd.

„Selber."

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