Informierendes Intermezzo

Phillis fielen spontan fünf Dinge ein, die sie lieber getan hätte, als in Dumbledores Büro zu gehen. Zehn... nein, doch eher zwanzig.

Eigentlich fielen ihr unendlich viele Dinge ein, die sie lieber getan hätte, darunter auch ihre Hausaufgaben zu machen, aber gleichzeitig blieb ihr nicht viel übrig, als der Einladung des Schulleiters zu folgen.

Er hatte sie per Eule am Vortag am Abend geschickt und als Phillis wie jeden Tag zu Sonnenaufgang aufgewacht war, hätte sie am liebsten so getan, als würde sie noch schlafen, aber doch blieb ihr nicht viel mehr übrig, als aufzustehen und sich anzuziehen.

Auf dem Weg zum Büro des Schulleiters begegnete Phillis kaum anderen Schülern – das war auch kein Wunder, immerhin war Samstag und jeder andere hatte etwas Besseres zu tun, als wach zu sein.

Phillis natürlich nicht, sie wäre so oder so wach gewesen, aber das änderte nichts daran, dass sie ihren Samstag lieber nicht mit Dumbledore verbrachte.

Phillis erinnerte sich noch an den Weg ins Büro und Dumbledore hatte ihr in der Nachricht auch zukommen lassen (die sie nur schwer hatte entziffern können, nachdem Dumbledore wohl entweder keine Ahnung hatte, dass sie Legasthenikerin war oder auch nur nicht wusste, wie man einen Legastheniker dabei unterstützte, damit dieser lesen konnte (eine solch kleine Kursivschrift half bestimmt nicht weiter)), wie das Passwort lautete: Schokoladensufflé.

Vor der Tür ins Büro zögerte Phillis noch einmal einen Moment, bevor sie anklopfte und Dumbledore sie auch sofort hineinbat.

„Guten Morgen, Phillis", begrüßte er sie heiter.

„Morgen", brachte Phillis missmutig heraus, aber Dumbledore ging nicht auf ihre schlechte Laune ein, sondern deutete mit einer Handbewegung nur auf den Stuhl ihm gegenüber an seinem Schreibtisch und schnaubend setzte Phillis sich.

„Ich habe ein interessantes Gespräch mit Chiron gehabt", erzählte Dumbledore.

„Die sind meistens interessant", bemerkte Phillis trotzig, „Wenn er nicht gerade dabei hilft, seinen eigenen Tod vorherzusehen, informiert er alle immer wieder gerne darüber, auf welche Arten wir sterben können."

Dumbledore ging wieder nicht darauf ein. „Es war eine Iris-Nachricht, wie er sie genannt hat", sagte Dumbledore begeistert, „Ich vermute, damit bist du vertraut?"

Nah, hab noch nie davon gehört", murmelte Phillis sarkastisch – natürlich gerade laut genug, damit Dumbledore sie noch verstehen konnte.

Dumbledore lächelte aber nur wohlwollend. „Was kann ich tun, damit du weniger abgeneigt bist, mir zu helfen?"

Phillis fühlte sich seltsam ertappt. So, wie das eine Mal, als Chiron das erste Mal entdeckt hatte, dass Phillis einen geheimen Süßigkeitenvorrat hatte, den sie gegen andere Dinge mit den anderen Campern tauschte. Chiron war natürlich nicht wütend gewesen. Nur enttäuscht, wie es Erwachsene nun einmal von Phillis waren. Natürlich hatte Phillis deswegen nicht mit ihren illegalen Süßigkeitenhandel aufgehört.

Phillis seufzte, verschränkte stur die Arme vor der Brust und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück.

„Ich fürchte, das ist heute nicht drin", gestand sie ehrlich, aber rebellisch, wie alle Teenager in ihrem Alter (wobei die meisten Teenager in ihrem Alter vermutlich zu viel Respekt vor Dumbledore gehabt hätten, um so patzig zu ihm zu sein), „oder sonst irgendwann... ich hasse es, dass ich das hier machen muss, aber ich bin es schon gewohnt, dass ich nicht das bekomme, was ich will, also werde ich wohl trotzdem helfen müssen."

„Danke", sagte Dumbledore ruhig und Phillis hatte darauf keine Antwort, deswegen nickte sie nur steif, atmete einmal tief durch und versuchte ihren inneren Demigott zu wecken – zu irgendetwas mussten ja die ganzen Strategie-Stunden mit den Athene-Kindern nützlich sein, außer für Quidditch.

„Ich vermute, Chiron hat Sie aufgeklärt, dass die Götter noch leben, dass der Olymp in New York ist und auch das Camp auf Long Island?"

„So ist es", bestätigte Dumbledore.

„Gut – ich hasse es, die Grundlagen zu erklären, das hat bei uns in der Hütte immer Ruth übernommen", erinnerte sich Phillis und ihre Gedanken schweiften ab, als sie in die Leere blickte und sie murmelte leiser: „Natürlich bin ich jetzt Hütten-Älteste, also ist das jetzt wohl meine Aufgabe..." Phillis schüttelte den Kopf, um diese Gedanken loszuwerden. „Was wissen Sie über Voldemort und seine Verbindung zu den Göttern?"

„Nicht viel", gestand Dumbledore dieses Mal, „Chiron hat erklärt, dass du wohl derzeit die Expertin bist."

„Kann man wohl so sagen", seufzte Phillis, „Ich habe das erste Mal erfahren, dass Voldemort wohl mit einem Demigott zusammenarbeitet, als ich von meinem Onkel geträumt habe – Sie dürften Ihn kennen... Antonin Dolohow."

Dumbledore nickte. „Ich habe gehört, dass er sich Voldemorts Reihen angeschlossen hat."

„Das ist schon länger her, aber ich habe geträumt, wie er meine Mutter aufgesucht hat und versucht hat, sie zu rekrutieren", erzählte Phillis, „Ich weiß nicht, wie viel Sie darüber wissen, aber Träume von Demigöttern sind zu ungefähr 74% wahr und schlechte Omen für die Zukunft."

„Weiß er von dir?", fragte Dumbledore.

„Er denkt, mein Dad wäre nur ein dahergelaufener Tunichtgut, der meine Mum verführt und sie mit mir zurückgelassen hat", winkte Phillis ab, „er hat keine Ahnung, dass er auch noch ein Gott ist – jedenfalls soweit ich weiß."

„Was hat er gesagt?", fragte Dumbledore weiter.

„Er hat von Voldemort gesprochen und dass er göttliche Hilfe hat", erinnerte sich Phillis, „Das ist... November gewesen, wenn ich mich richtig erinnere. An dem Tag, an dem ich Mulciber zusammengeschlagen habe."

„Ah", machte Dumbledore und lächelte leicht, „Ich erinnere mich."

Phillis nickte. „Zu diesem Zeitpunkt habe ich die Indizien natürlich noch nicht kombiniert, aber dann habe ich noch einen Traum gehabt – Wochen später. Ein Traum über meinen Dad und dessen Dad (den alten Donner-Groller) und wie sie sich gestritten haben."

„Wie funktionieren diese Träume?", fragte Dumbledore neugierig und Phillis runzelte die Stirn.

Das war irgendwie ein Thema, mit dem sich jeder Demigott einmal beschäftigen musste (immerhin hatten sie alle Träume über Geschehnisse, die sie lieber nicht gehabt hätten), aber es war nicht so einfach, eine Antwort zu finden.

„So genau können wir das gar nicht sagen", gestand Phillis, „Laertes hat einmal vermutet, dass wir viel göttliche Magie besitzen und deswegen auf unsere Namen genauso reagieren, wie Götter... Wenn man nicht ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen will, benutzt man keine Namen von Götter oder mächtigen Monstern."

„Deswegen die Code-Namen", vermutete Dumbledore, „Donner-Groller..."

„Jaah, genau", bestätigte Phillis nervös, „Ich will nicht, dass er bemerkt, dass ich über ihn spreche – er ist im Moment nicht so gut auf mich zu sprechen, wie ich gehört habe."

„Ich vermute, das hast du durch diesen Traum erfahren?", vermutete Dumbledore und ob eine Augenbraue, während er Phillis über seine Halbmondbrille hinweg musterte.

„Mein Dad und der Donner-Groller haben sich wegen mir gestritten", bestätigte Phillis, „Der alte Blitzwerfer hat gedacht, ich wäre der Verräter, der die Götter an Voldemort verrät."

„Du bist es aber nicht", erriet Dumbledore.

„Wir wissen noch immer nicht, wer es ist", gestand Phillis, „aber ich bin es schon einmal nicht. Das habe ich auch Mr D erklärt – er ist am Tag danach in Hogsmeade gewesen und hat mit mir gesprochen."

„Madam Rosmerta hat mir von ihrer Sorge erzählt, als sie dich mit einem seltsamen, fremden Mann gesehen hat", sagte Dumbledore ruhig.

„Was erwartet man schon vom Gott des Weines?", fragte Phillis. Dumbledore sah überrascht aus, sagte aber nichts dazu. „Mr D hat mir jedenfalls erzählt, dass der Verräter Demigott-Geheimnisse an Voldemort weitergibt – genau genommen ist die Götter-Welt für Zauberer kein Geheimnis, sie haben es wohl einfach nur vergessen, dass wir existieren, aber es gibt einfach Wissen, dass man niemanden weitergeben sollte – besonders keinem Sterblichen."

„Ich verstehe", sagte Dumbledore, obwohl sein Gesichtsausdruck nicht verriet, ob er wirklich verstand.

„Mr D hat mich angewiesen, ein Auge auf diesen Krieg zu behalten", erzählte Phillis weiter, „Die Götter interessieren sich kaum für Voldemort, immerhin betrifft es nicht den Olymp, aber... dieser Verräter... der ist ihnen wohl ein Dorn im Auge. Götter haben gerne die Kontrolle. Vor ein paar Monaten aber haben sich drei andere Demigötter auf den Weg gemacht, einen Auftrag auszuführen, der wohl irgendwie mit dem allem zusammenhängt – eine Prophezeiung hat sie ins Vereinigte Königreich gebracht und Sie wissen, wie es geendet hat... jemand hat sie verraten und meine Schwester ist gestorben."

„Derselbe Verräter?" Zum Glück sprach Dumbledore nicht sein Beileid aus – Phillis hätte es gehasst.

„Wir vermuten es", gestand Phillis, „Auf jeden Fall ist es so persönlich geworden – es ist für uns Demigötter eine Sache, die Götter zu verraten, aber eine ganz andere, einen von uns zu hintergehen."

„In einer Welt, in der sich alles gegen euch stellt, braucht ihr Verbündete, denen ihr vertrauen könnt", sagte Dumbledore und Phillis hätte es nicht besser zusammenfassen können. „Gibt es Verdächtige?"

„Nun... mich", gestand Phillis, „Nachdem ich die Verbindung zwischen Götter und Zauberer bin, bin ich ein offensichtlicher Kandidat, aber nachdem ich selbst weiß, dass ich es nicht bin, schließe ich mich selbst aus."

„Die beiden Begleiter, die bei deiner Schwester waren, als sie gestorben ist?", schlug Dumbledore vor.

„Birget und Laertes – natürlich hassen sie beide die Götter (verständlicher Weise), aber Ruth hat sie ausgeschlossen und ich tu das auch. Ich kenne Laertes schon seit Jahren und Birget ist Ruths Freundin gewesen – ich vertraue ihnen beiden", bestimmte Phillis, „Außerdem glaube ich nicht, dass der Verräter dabei gewesen ist, als Ruth gestorben ist – das Risiko war hoch."

„Warum?"

„Sie ist von einem Rudel Werwölfe zerfleischt worden", erzählte Phillis, „aber nicht nur irgendwelche Werwölfe – es war Lykaon selbst mit seinen Kindern. Wenn die erst einmal die Jagd aufgenommen haben, machen sie vor nichts mehr Halt. Die anderen haben nur überlebt, weil Ruth sich geopfert hat."

„Ich habe noch nie von einem Lykaon gehört", gestand Dumbledore, „Ich kenne nur Fenrir Greyback."

„Lykaon – der originale, erste Werwolf", meinte Phillis ernst, „Götter, nach ihm ist sogar dieser Zustand benannt! Der Typ, der sich eingebildet hat, den Göttern Menschenfleisch zu servieren?"

„Ah", machte Dumbledore, „Wie kann er noch leben?"

„Monster sterben grundsätzlich nicht", erklärte Phillis, „Wenn man sie umbringt, zerfallen sie zu Staub und werden im Tartarus wiedergeboren, bis sie wieder auf die Erde können und alles noch einmal von vorne beginnt. Es gibt auch Gestalten, die so mächtig sind und deren Namen noch so oft ausgesprochen werden, dass sie ebenfalls wie Monster wieder zurückkommen können. Lykaon ist wohl einer von ihnen."

„Er ist mächtig?", fragte Dumbledore weiter, als würde er schon auskalkulieren, wie er diesen neuen Gegner umbringen würde, während Phillis sich schon viel länger Gedanken darüber machte.

„Ha!", machte Phillis, „Mächtig? Das ist untertrieben? Die Gruppe bestand aus den größten, lebenden Helden und dazu noch zwei Jägerinnen und der Göttin Artemis selbst! Sie sind geflohen und ohne Ruth hätte Lykaon sie besiegt. Zugegeben, sie sind nicht wirklich vorbereitet gewesen – man kann sie nur mit silber umbringen. Normalerweise benutzen wir nur Himmlische Bronze."

Dumbledore nahm diese neue Information nickend auf. „War der Auftrag erfolgreich?"

„Nein...", Phillis fühlte sich unwohl, Dumbledore so eine Information zu geben, „Eine andere Gruppe wird es wohl noch einmal versuchen müssen. Das wird sich entscheiden, sobald... unwichtig. Das hat absolut gar nichts mit Ihnen zu tun und Sie müssen nicht mehr darüber wissen."

Phillis konnte Dumbledores Gemütslage nicht einschätzen, aber sie bezweifelte, dass ihm der Gedanke gefiel, dass Phillis nicht bereit war, ihm darüber zu erzählen.

„Ich erzähle Ihnen so viel, wie ich denke, dass Sie wissen müssen", erklärte Phillis distanziert, „aber Sie sollten verstehen, dass das hier meine Familie ist, die ich in Schwierigkeiten bringe, wenn ich zu viel sage und allein die Tatsache, dass ich überhaupt darüber mit Ihnen spreche, ist in meinen Augen schon zu viel. Ganz zu schweigen davon, dass ich im Moment sowieso kein gern gesehener Gast bei den Göttern bin..."

„Ich verstehe", sagte Dumbledore ruhig.

„Ich habe eine Bitte", verlangte Phillis, „Meine Mutter... mein Onkel hat sie schon einmal aufgesucht, aber sie ist unschuldig. Ich kann sie nicht beschützen – niemand in der Welt der Götter kann das... vielleicht könnten Sie –"

„Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, damit deine Mutter beschützt wird", versprach Dumbledore.

„Auch, wenn ich sterben sollte?"

Diese Frage überraschte Dumbledore wohl und das war auch kein Wunder – Phillis war in seinen Augen erst ein Kind. Sie sollte noch nicht über ihren Tod nachdenken.

„Denkst du, dass diese Möglichkeit besteht?"

„Nur, weil Ihre Mutter alt genug geworden ist, um Kinder zu bekommen, heißt das noch lange nicht, dass das die Norm ist", schnaubte Phillis, „Ich bin schon ziemlich alt für einen Demigott... durchschnittlich werden wir nicht älter als sechzehn... noch seltener werden wir erwachsen... Vermutlich ist der einzige Grund, warum ich noch lebe der, dass ich Irin bin und in Irland nicht so viele Monster sind, wie in Amerika, aber trotzdem bin ich langsam ziemlich alt und mein Geruch wird immer stärker... ganz zu schweigen davon, dass in letzter Zeit viele meiner Geschwister gestorben sind – ich habe das Gefühl, jemand will nicht, dass die Prophezeiung mit dem Goldenen Bogen erfüllt wird und deswegen –", Phillis stockte, „Jedenfalls wäre ich sehr überrascht, wenn ich die Schule abschließen würde..."

„Ich verstehe..."

„Ich würde mich wohler fühlen, wenn ich wissen würde, dass meine Mum nicht nach meinem Tod noch meine Fehler ausbessern muss", sagte Phillis ruhig und rational, „Vielleicht könnten wir so zu einer Einigung kommen, die uns beiden nützt."

„Natürlich", versprach Dumbledore, „Wie kann ich dich in diesem Kampf unterstützen?"

„Sie könnten erst einmal die Monster in der Schule loswerden, die mich früher oder später umbringen werden!", scherzte Phillis, aber irgendetwas, das sie sagte, schien Dumbledore zu verstimmen und er blickte sie ernst über seine Halbmondbrille hinweg an.

„Bestimmt ist es für jemanden wie dich beunruhigend, aber ich versichere dir, dass Remus Lupin –"

„Ich spreche nicht von ihm!", unterbrach Phillis ihn schnell, „Oder... von Hagrid... oder Flitwick... Eigentlich meinte ich... wissen Sie was? Egal! Ich komme damit schon zurecht, aber vermutlich werden Sie nächstes Jahr einen neuen Lehrer für Verteidigung gegen die Dunklen Künste brauchen."

„Bitte?"

„Wie auch immer!", winkte Phillis ab, „Schon gut, ich schaffe das schon – immerhin hat sie mich das ganze Jahr über nicht umgebracht oder auch nur versucht – vielleicht ist das nicht ihr Ziel und sie will mich einfach nur so quälen."

„Professor Ioneb ist doch nicht –"

„Ich sollte jetzt wohl gehen!", schlug Phillis vor und stand auf, „Wir sehen uns beim nächsten Mal, sollte einer von uns neue Informationen haben, oder nicht?"

„Ich verstehe –"

„Auf wiedersehen, Professor! Noch ein schönes Wochenende!", rief sie ihm zu und verschwand schnell aus dem Büro.

Zugegeben, das hätte alles etwas besser laufen können, aber nachdem das ein Satz ist, der ihr gesamtes Leben beschrieb, war Phillis das schon gewohnt und nahm es einfach hin. Irgendwie würde es schon funktionieren – das tat es immer.

Und sollte es irgendwann nicht mehr der Fall sein, würde sie sterben, da war sie sich sicher.

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