Houdini geht allen auf die Nerven

Phillis fühlte sich großartig.

Sie hatte irgendwie das Gefühl, als würde alles in ihrem Leben funktionieren.

Nachdem sie für ihre Hütte die Flagge erobert hatte, war sie irgendwie sozial aufgestiegen, wie es schon in Hogwarts gewesen war, als sie den Quidditchpokal gewonnen hatten.

Im Gegensatz zu Hogwarts aber war Phillis schon ziemlich bekannt im Camp gewesen, nachdem sie Hüttenälteste war, die beste Bogenschützin und schon ziemlich alt für einen Demigott. Sie zählte mittlerweile zu einem der ältesten unter ihnen und dabei würde sie erst im August sechzehn werden.

In der nächsten Woche war Phillis Terminplan immer noch ziemlich voll, aber trotzdem fühlte Phillis sich überhaupt nicht gestresst.

In Hogwarts war ihr Stundenplan sehr voll gewesen und sie hatte besonders letztes Jahr jede Stunde gehasst und gehofft, dass sie schnell vorbei war. Sie hatte viel Zeit mit Hausaufgaben verschwendet und nur, wenn sie Zeit gehabt hatte Quidditch oder Bogenschießen zu üben, hatte sie sich wirklich wohl gefühlt.

Im Camp aber bestand ihr Tag nur aus Übungen, die sie sowieso liebte.

Sie hatte zwar nicht sonderlich viel Zeit, für sich selbst Bogenschießen zu üben, aber sie brachte es anderen Campern bei und das machte sie beinahe noch lieber, immerhin hatte sie manchmal das Gefühl, sie könnte sich im Bogenschießen nicht mehr verbessern und hatte ein Level erreicht, bei dem es nicht mehr besser ging.

Nebenbei bereitete sie auch noch das Erobere-die-Flagge-Spiel für nächsten Freitag vor – dieses Mal würde die Apollo-Hütte und ihre Verbündeten das Rote Team darstellen mit der Athene-Hütte als Gegner und sowohl Ruben als auch Houdini (wenn auch indirekt) hatten anmerken lassen, dass sie das schade fanden.

Phillis war schon dabei, sich Verbündete zu suchen und als erstes hatte sie sich die Hermes-Hütte ins Team geholt – für ihren nächsten Plan brauchte sie Quantität statt Qualität.

In dieser Woche bekam sie auch das erste Mal Post von zu Hause und bisher hatte immer nur ihre Mutter ins Camp geschrieben, aber dieses Jahr war das nicht der Fall.

Chiron überreichte ihr einen großen, dicken Umschlag, der zwar mit ihrer Mutter als Absender adressiert war, aber als sie ihn öffnete, befanden sich darin mehrere Briefe, die Sara alle zusammen geschickt hatte, damit keiner verloren ging.

Briefe nicht nur von Sara, sondern auch von Remus und dem Quidditch-Team, aber auch Lily hatte ihr geschrieben.

Zugegeben, es war sehr ungewohnt für sie, so viele Briefe zu bekommen, aber irgendwie war das eine schöne Veränderung. Phillis verschwand erst einmal in der Hütte und legte sich auf ihr Bett, um die Briefe zu lesen und nacheinander öffnete sie die Briefe.

Ihre Mum schrieb, dass bei ihr zu Hause alles in Ordnung war, aber Dumbledore war einmal vorbei gekommen und hatte angeboten, Sicherheitsvorkehrungen um das Haus aufzubauen, aber Sara hatte abgelehnt. Ihre Muggel-Hausfrauen-Freunde hätten dann nicht mehr zum Tee vorbeikommen können und sie hätte sich nach all den Jahren doch noch eine Katze zulegen müssen, damit sie wenigstens nicht mit sich selbst sprach. Phillis wusste nicht, was sie davon halten sollte – es wäre ihr lieber gewesen, wenn ihre Mutter das zugelassen hätte, aber gleichzeitig brachte Sara ein paar gute Gegenargumente und seit dem Streit mit Antonin, den Phillis im Traum beobachtet hatte, hatte sie nichts mehr von ihm oder den Todessern gehört.

James und Sirius hatten ihr geschrieben, wie sie noch in Hogwarts gewesen waren und hatten erzählt, dass McGonagall sie dabei erwischt hatte, wie sie noch bis spät in die Nacht Quidditch gespielt hatten.

Lily schrieb, dass Emmeline noch einige Sachen im Turm gefunden hatten und Remus würde sie irgendwann zu Phillis nach Hause bringen – sie hoffte, Phillis wäre da noch in Irland, aber offensichtlich war das nicht der Fall.

Natürlich hatte auch Remus geschrieben und er schrieb davon, dass James und Sirius schon wieder in Schwierigkeiten gekommen waren, weil sie Quidditch gespielt hatten und dass Emmeline noch Sachen von ihr gefunden hatte und dass er nicht glauben konnte, dass sie tatsächlich ihren Zauberstab vergessen hatte. Phillis schaute nach, ob sie ihn tatsächlich in Hogwarts liegengelassen hatte und tatsächlich – da war er nicht.

Andererseits – was sollte Phillis schon mit ihrem Zauberstab außerhalb von Hogwarts? Sie war noch zu jung, um zaubern zu dürfen und wenn sie sich im Notfall verteidigen musste, hatte sie immer noch tödliche Waffen, die ihrer Meinung nach viel effizienter waren.

Außerdem – aus der Zaubererwelt hatte ihn noch nie wirklich Gefahr gedroht. Die meisten Gefahren erfuhr sie, weil sie ein Demigott war.

Sie schrieb allen zurück und sagte Remus, dass er den Zauberstab einfach mit den anderen Sachen, die sie vergessen hatte zu ihrer Mutter bringen sollte – wahrscheinlich hatte er das schon lange getan.



Später am Tag hatte Phillis sich mit Houdini zum Schwertkampf verabredet und sie hatte ihm gesagt, dass sie schrecklich darin war und sie lieber Bogenschießen würde, aber Houdini hatte wie immer ein Nein nicht akzeptiert und darauf bestanden, dass es in Ordnung war, wenn sie schlechter war als er, immerhin wollte ja er trainieren.

Phillis hatte geseufzt und dafür eine Gegenleistung verlangt und grummelnd und unzufrieden hatte Houdini ihr versprochen, dass sie später bei der Kletterwand trainieren würden (etwas, das er nicht so gerne machte).

Houdini hatte sich eindeutig komplett auf Phillis fixiert und im ganzen Camp mit rund fünfzig Leuten sah man ihn entweder bei einem seiner Geschwister (meistens aber Ruben) oder bei Phillis.

Phillis fand das nur manchmal nervig, wenn sie gerade mit jemand anderen trainierte und Houdini absolut ignorant beinahe schon verlangte, dass sie mit ihm trainieren sollte. Phillis achtete dann immer darauf, dass sie unterstrich, dass es noch immer ihre Entscheidung war und ließ Houdini immer ein bisschen zabbeln.

Manchmal textete Houdini sie dann mit seinen neuesten Ideen zu und verlangte, dass sie mithielt, während sie eine Bogenschieß-Gruppe hatte, mit ihren Geschwistern musizierte oder mit jemand anderen trainierte.

Phillis tat in manchen Situationen dann nicht einmal so, als würde sie zuhören und ließ Houdini mehr oder weniger mit Luft reden, während sie auf der Lava-Wand kletterte oder mit einem anderen Camper kämpfte (sie war irgendwie ziemlich gefragt und gute Bekannte (Phillis würde sie noch nicht ganz als Freunde bezeichnen) wie Saskia oder Eden kamen immer wieder vorbei und fragten, ob Phillis Zeit für ein kleines Übungsduell hatte).

Phillis fand aber die Gespräche mit Houdini interessant, wenn auch fordernd – aber in Maßen war es erträglich – und deswegen achtete sie immer darauf, dass sie sich am Tag Zeit für ihn nahm, immerhin hatten sie wohl beide Vorteile davon.

Houdini wartete schon ungeduldig vor ihrer Hütte und tappte mit einem Fuß auf den Boden – ein eindeutiges und universelles Zeichen dafür, dass man genervt vom Warten war oder ein hyperaktiver Halbgott.

„Endlich!" Houdini sah sie ganz vorwurfsvoll an. „Ich warte schon seit Ewigkeiten!"

Phillis sah auf ihre Uhr. „Seit fünfzehn Sekunden?"

„Fünfzehn Sekunden verschwendet in meinem Leben!", jammerte Houdini, „Ich werde sie nie wieder zurückbekommen! Fünfzehn Sekunden klingen vielleicht nicht so viel, aber wenn man jeden Tag und das über Jahre hinweg fünfzehn Sekunden wartet, werden daraus nach vier Tagen eine Minute – und nach nicht einmal einem Jahr ist es schon eine Stunde und dann habe ich, wenn ich vierundzwanzig bin schon einen ganzen Tag gewartet und an diesem einen Tag hätte ich das Leben der Menschheit um Meilen verbessern können."

„Hm...", machte Phillis, „Ich erinnere dich daran, wenn du mich das nächste Mal eine Stunde warten lässt!" Phillis ging schon in Richtung Arena und Houdini folgte ihr schnell.

„Das ist etwas anderes", widersprach Houdini ihr in einem abfälligen Ton, „Ich verschwende meine Zeit niemals für unnütze Nichtigkeiten und jedes Mal, wenn ich dich warten lasse, dann aus gutem Grund!"

„Aha...", Phillis schmunzelte amüsiert, „Ruben hat erzählt, du hast verschlafen."

„Ich habe nachgedacht!"

Phillis antwortete nichts mehr darauf, summte aber belustigt Tell Me Why von den Beatles.

„Phillis, ich weiß, dass du und deine Geschwister diese Geheimsprache habt, in der ihr auf verschiedene musikalische Werke verweist und so kommuniziert – ich kann nicht glauben, dass tatsächlich schon über jedes Thema ein Lied gesungen wurde – aber ich kümmere mich nicht um Musik und verstehe daher nicht, was du mir mit diesem stumpfsinnigen Gesumme sagen willst."

„Das ist der Sinn der Sache."

Houdini sah sie unbeeindruckt an. Phillis grinste nur.

Auf dem Weg zur Arena kam ihnen Pirro entgegen – er war ziemlich verschwitzt, vermutlich hatte er gerade eine Trainingseinheit hinter sich, aber er grinste so und zappelte noch immer ziemlich mit seinen Händen herum, also war er noch nicht müde genug.

„Hey Phillis!", begrüßte er sie begeistert, „Hey Houdini", begrüßte er auch Houdini – weniger begeistert, „wisst ihr, dass man euch beide immer zusammen sieht? Bestimmt denken die Leser, ihr wollt was voneinander."

Houdini sah zu Phillis und obwohl er noch immer ziemlich neutral und genervt aussah, war da auch etwas Verwirrtes in seinen Augen.

„Er redet von unserer Unterhaltung im Auto damals", erklärte Phillis ihm also, „Dass wir alle nur in einem Buch sind."

„Oh", machte Houdini, „Noch immer?"

„Ich habe doch gesagt, dass ich danach nun mein Leben ausrichte", scherzte Pirro, „Und die Leser meiner Geschichte haben bestimmt schon lange bemerkt, dass ihr beide immer aufeinander klebt – seid ihr sicher, dass da nichts zwischen euch läuft."

„Ja", sagte Houdini nur und sein Ton ließ keinen Platz für Widerworte, also sah Phillis sich nicht gezwungen, das ebenfalls noch einmal zu bestätigten. Sie war ganz zufrieden mit Remus.

„Tja, wenn das so ist... Phillis, hast du zufällig Lust mit mir diesen neuen Parcours von Chiron auszuprobieren? Er sagt, er hat ihn eigentlich für Anfänger aufgebaut, aber für mich sieht er immer noch ziemlich gefährlich aus – eine Trainingspartnerin wäre nett."

„Houdini und ich wollten gerade eine Runde Schwertkämpfen", entschuldigte Phillis sich, „aber vielleicht danach? Ich wollte ihn mir auch schon ansehen."

„Der ist zu einfach für dich, Phillis", schnaubte Houdini abfällig, „Wir beide sollten lieber an der Kletterwand trainieren, wie du gesagt hast."

Phillis wusste nicht, warum genau, aber plötzlich überkam sie Wut. Houdini schleppte sie die ganze Zeit über mit sich mit und erwartete, dass sie brav wie ein Hündchen mitlief wie so ein jämmerliches Fangirl. Er beleidigte sie durchgehend, hinterfragte ihre Intelligenz und erwartete trotz allem noch immer, dass sie einfach so alles akzeptierte, nur weil der große, allmächtige Houdini beschlossen hatte, dass er ihr Freund sein wollte. Sie hatte schon viel bei ihm durchgehen lassen, weil das einfach Houdinis Art war, aber dieses Mal war er zu weit gegangen – jetzt wollte er ihr auch noch vorschreiben, welche Übungen sie machte und welche nicht.

„Hör mal, Houdini", zischte sie ihn an und Houdini runzelte die Stirn und wich tatsächlich einen Schritt zurück, aber noch immer verzog er keine Miene – immer nur diese dämliche, gelangweilte oder genervte Miene, als hätte er keine Gefühle! Aber wenn er keine Gefühle hatte, sollte er auch nicht so etwas wie Neid spüren nur, weil Phillis ausnahmsweise einmal mit jemand anderen trainieren wollte. „Mir reicht's! Ständig erwartest du von mir, dass ich alles tu, was du machen willst und ich mag dich wirklich und wir sind Freunde, aber ich habe auch ein Leben außerhalb von dir und ich existiere nicht nur für dich! Ich habe auch noch anderes zu tun, als ständig nur mit dir zu trainieren und du schreibst mir ganz bestimmt nicht vor, welche Übung zu einfach für mich ist, verstanden?"

Houdini sagte nichts, sondern musterte sie nur verwirrt.

Wenn er wenigstens eine Miene verzogen hätte und ausnahmsweise einmal irgendwelche Gefühle gezeigt hätte!

Phillis schnaubte verärgert, drehte sich um und ging zu Pirro, der die einseitige Unterhaltung mit gerunzelter Stirn beobachtet hatte.

„Gehen wir, Pirro – ich glaube, Houdini sollte sich daran erinnern, dass ich nicht sein Schoßhund bin", bemerkte Phillis und zog Pirro mit sich mit und ließ Houdini einfach stehen.



Chiron hatte an der Waldgrenze einen neuen Parcours aufgebaut, damit die Demigötter ihn probieren konnten und keiner wusste so genau, was Chiron genau damit vorhatte, aber diese Übung war um Welten einfacher, als alle anderen im Camp und selbst Neuankömmlinge taten sich verhältnismäßig leicht damit. Vielleicht war genau das auch Chirons Ziel und er wollte den Neuen die Möglichkeit geben, auch einmal Erfolge vorzuweisen.

Phillis hatte bis jetzt noch nicht die Chance gehabt, ihn auszuprobieren, aber Amadeus und Daphne hatten darüber gespottet und sogar Hana hatte ihn nach dem zweiten Versuch ziemlich gut hinbekommen.

Vielleicht wollte Chiron also auch nur, dass alle einmal ordentlich lachten.

Man musste über einen Bock springen und dann über Kisten klettern, ohne den Boden zu berühren, bis man zu einer Kletterwand, die mit einer Leiter mit einer anderen verbunden war, über die man sich hangeln musste oder auch balancieren, wenn man das nicht konnte. Dann musste man sich mit einem Seil zu einer weiteren Kiste schwingen und dort noch nur unter eine Art Stacheldraht ohne Stacheln durchkriechen – also einfach nur ein paar gespannte Seile, an denen man sich höchsten verheddern konnte.

„Also – willst du es zuerst versuchen?", schlug Phillis vor.

Pirro blickte zum Parcours und dann wieder zu ihr. „Es tut mir leid, dass du dich wegen mir mit Houdini gestritten hast."

Phillis seufzte. Sobald sie etwas Abstand zu Houdini bekommen hatte, hatten ihr ihre Worte schon wieder leidgetan und sie konnte nicht fassen, dass sie so reagiert hatte, aber was sie gesagt hatte war schon gesagt. Eigentlich wusste sie schon gar nicht mehr, warum sie so wütend gewesen war – ja, Houdinis Art nervte manchmal, aber andere Leute nervten Phillis noch viel mehr und sie hatte sie nicht so angeschnauzt.

„War ja nicht deine Schuld – nur meine Impulsivität", winkte Phillis ab, „Ich hätte nachdenken sollen, bevor ich rede – darin bin ich nicht so gut. Ich werde mich später bei ihm entschuldigen."

„Ich bin mir sicher, er wird dir verzeihen", ermutigte Pirro sie aufmunternd lächelnd, „Ich glaube, der Junge mag dich wirklich."

„Also", Phillis konnte es kaum erwarten, das Thema wieder zu wechseln, „wollen wir jetzt trainieren oder nicht?"

„Klar – stoppst du meine Zeit?" Pirro ging zu einem auf einem Pfahl aufgestellten Häuschen wie ein Vogelhaus, aber statt Vogelfutter war darin eine kleine Stoppuhr und ein Klemmbrett mit einer Liste.

Phillis nahm sie Pirro aus der Hand und las sie durch: Darauf hatten die Demigötter neben ihren Namen geschrieben, wie lange sie für den Parcours gebraucht hatten – meistens in Altgriechischen Buchstaben.

So, wie es aussah waren Amadeus und Daphne mit etwas mehr als zwanzig Sekunden in der oberen Hälfte – am längsten hatte bisher Hana mit fast einer Minute gebraucht, aber das war in Ordnung, immerhin war sie ziemlich neu und nach ein paar Wochen war man nicht sofort super-sportlich – nicht einmal Demigötter. Außerdem waren noch einige andere neue ebenfalls ungefähr in ihrem Zeitfenster und wenigstens hatte sie es geschafft.

Birget hielt im Moment den Rekord und es sah so aus, als hätten Laertes und sie sich einen Wettkampf geleistet und sich immer wieder gegenseitig überboten, denn untereinander standen mehrere Male abwechselnd ihre beiden Namen und sie waren immer besser geworden, aber offenbar hatte Laertes Birgets Bestzeit von nur 12,76 Sekunden nicht überbieten können (sein Name stand mehrmals untereinander – immer ein bisschen besser, aber nie schnell genug) wobei er immer nur um Zehntelsekunden langsamer war) und bei Birgets letzten und besten Ergebnis hatte er daneben einen griechischen Fluch geschrieben und Birget hatte mit einem krakelig geschrieben „HAHA" geantwortet.

Phillis musste lächeln, als sie diese kleine Auseinandersetzung auf dem Papier nachverfolgen konnte und sie wünschte sich, Laertes wäre wieder der Alte – auch in ihrer Gegenwart.

Als er da gewesen war, hatten sich kaum miteinander agiert, obwohl sie früher gute Freunde gewesen waren. Eigentlich hatte Laertes sie mehr oder weniger im Camp aufgezogen und ihr alles beigebracht, das illegal war (Autoknacken und kurzschließen, Taschendiebstahl, ...), aber das alles war verschwunden, als Ruth gestorben war. Vielleicht waren sie wirklich nur durch Ruth Freunde gewesen.

Phillis nahm sich aber vor, beide von ihnen zu schlagen und eine bessere Zeit hinzulegen.

„Zwölf Sekunden? Das schlage ich!", nahm sich Phillis grinsend vor.

„Ich versuche jetzt erst einmal besser als Hana zu sein", bemerkte Pirro und tippte auf Hanas Ergebnis, „Also... bereit?"

„Absolut."

Pirro machte sich bereit und Phillis wartete, bis er auf Position war, bevor sie ein Zeichen gab und er rannte los. Zuerst über die Kisten und die Kletterwand hinauf – dann über die Leiter–

Er fiel hinunter und mit einem Ächzen schlug er am Boden auf.

„Pirro?", fragte Phillis besorgt und kam zu ihm, aber Pirro kam schon wieder auf die Beine.

„Nicht passiert", keuchte er in einem Ton, der sagte, dass schon etwas passiert war, er das aber nicht zeigen wollte.

„Willst du eine Pause machen?", schlug Phillis vor.

No, no, geht schon wieder", winkte er ab und kam wieder auf die Beine, streckte sich erst einmal und schien dann wirklich wieder halbwegs auf den Beinen zu sein – er wirkte auf jeden Fall nicht so, als wäre etwas gebrochen und er hatte vermutlich auch keine inneren Organschäden. Der Fall von der Leiter war auch nicht so hoch und man fiel ja auch nicht in glühend heiße Lava, sondern nur auf weiches Gras.

„Dann – neuer Versuch", schlug Phillis vor, „Geht schon, Pirro!"

Pirro ging wieder in Startposition und wieder gab Phillis ihm ein Zeichen. Pirro rannte wieder los, wieder über die Kisten und die Kletterwand hinauf und wieder auf die Leiter. Dieses Mal schaffte er es und er kletterte auf der anderen Seite hinunter, sprang zum Seil und schwang sich zu der Kiste, kam darauf wackelig zum Stehen und beinahe kippte er nach hinten, konnte aber sein Gleichgewicht noch halten und er rannte weiter, unter die Seile hindurch (er blieb nur einmal kurz mit seinem Bein hängen, konnte sich aber schnell wieder befreien) und über die Ziellinie.

Phillis stoppte die Zeit: 57,84 Sekunden.

„Nicht schlecht!", lobte sie ihn, „Ein wenig schneller als Hana! Gut gemacht!"

„Jetzt du!", grinste Pirro und nahm die Stoppuhr an sich, „Mal sehen, ob du das knacken kannst."

Phillis sah ihn feixend an, bevor sie auf Position ging.

Pirro gab ihr das Zeichen und sie rannte los. Problemlos sprang sie über die Kisten zur Kletterwand und kletterte diese in zwei Sprüngen hoch, dann über die Leitern – in möglichst wenig Schwüngen – die Kletterwand auf der anderen Seite wieder hinunter (sie sprang einfach hinunter), mit dem Seil weiter und unter die Seile hindurch.

Außer Atem kam sie bei der Ziellinie an und Pirro stoppte die Zeit.

„14,54 Sekunden!", verkündete er und Phillis fluchte – das war noch lange nicht schnell genug.

„Noch einmal!", verlangte sie.

„Hey, ich bin wieder an der Reihe!", beschwerte Pirro sich.

„Ich hab dich auch zweimal hintereinander gelassen", erinnerte Phillis ihn und dagegen konnte Pirro nicht argumentieren, aber wirklich besser wurde Phillis auch beim zweiten Durchgang nicht – wieder mehr als 14 Sekunden.

Sie trainierte, bis Daphne vorbeikam und Phillis daran erinnerte, dass sie Bogenschießen mit der Demeter-Hütte hatte und so musste Phillis sich von der Herausforderung vorerst verabschieden, aber sie würde den Rekord schon noch knacken.



Beim Mittagessen sah Phillis dann auch Houdini wieder, aber er vermied offensichtlich sie anzusehen und Phillis verstand das auch. Sie wusste nicht einmal mehr, warum sie wütend auf ihn gewesen war.

Nach dem Mittagessen fing Phillis ihn doch noch irgendwie ab, bevor er in seiner Hütte verschwinden konnte.

„Hey, Houdini!", hielt sie ihn auf, „Ähm... ich wollte mich entschuldigen."

Houdini blieb stehen und sah sie mit seinem ewig neutralen Blick an und Phillis fühlte sich unwohl - wenn er wenigstens zeigen würde, ob er wütend oder traurig oder enttäuscht war, könnte sie dementsprechend reagieren, aber Houdini gab ihr nichts dergleichen.

„Schon okay – du hast nur die Wahrheit gesagt", sagte er kühl.

„Nein!", seufzte Phillis und zog an ihren Haaren, erinnerte sich dann aber daran, dass Remus es hasste, wenn sie das tat und ließ es lieber, „Ich meine... es stimmt vielleicht, aber es war nicht die Wahrheit."

„Das ergibt keinen Sinn, du widersprichst dir selbst – in nur einem Satz", bemerkte Houdini unbeeindruckt.

„Es ist als Stilmittel gemeint – vielleicht eine Metapher?"

„Ich habe keine Ahnung von Stilmitteln... oder Metaphern."

„Jaah... klar", Phillis kratzte sich am Nacken, „Ähm... also... es stimmt schon, dass du mich den ganzen Tag mitziehst und so, aber du kennst mich – wenn ich etwas nicht tun will, dann mache ich es nicht."

„Genau das habe ich mir auch gedacht – hast du deine Tage?", fragte Houdini und Phillis wich erschrocken einen Schritt zurück und wurde knallrot.

„W-Was?", stammelte sie und ihr wurde ganz heiß, obwohl das nicht einmal stimmte.

„Nun, meine Stiefmutter hat mir erklärt –"

„Nein, das meinte ich nicht, ich– Warum denkst du das?", fragte Phillis und ihre Stimme war etwas höher als normalerweise.

„Du bist davor ziemlich aus deiner Rolle gefallen – du bist eigentlich nicht du selbst gewesen. Ich habe das bemerkt, habe meine Schlussfolgerungen gezogen, meinen Zorn – weil du mich ohne Grund angefahren hast – hinuntergeschluckt und gebe dir etwas Abstand. Das ist allerdings eine Strategie, die von meiner Stiefmutter kommt und sie ist eher auf emotionaler Ebene intelligent, als tatsächlich intellektuell, wenn du verstehst was ich meine, also könnte es sein, dass ihre Taktiken Schrott sind und sie mir falsche Informationen übermittelt hat, aber sie versucht andauernd mich auf menschliche Kontakte und Interaktionen vorzubereiten und scheitert darin hin und wieder, wobei das wohl meinerseits zu verschulden ist."

„Was? Nein, ich habe nicht– können wir bitte nicht mehr darüber sprechen?", jammerte Phillis und blickte zum Himmel, als würde sie Hilfe von oben erwarten (aber wenn sich nun die Götter einschalten würden, würde Phillis im Erdboden versinken, „Geh nicht einfach davon aus, dass ich meine Tage habe nur, weil ich schlecht gelaunt war!"

„Du warst nicht nur schlecht gelaunt", bemerkte Houdini, „Ich weiß, wie du bist, wenn du schlechte Laune hast – ich bin meistens die Ursache."

„Das ist wahr."

„Phillis, du bist überhaupt nicht du selbst gewesen – ist alles in Ordnung?", fragte Houdini und obwohl er noch immer neutral und eher genervt von ihren Gefühlen aussah, klang er doch ziemlich besorgt.

„Klar", versicherte Phillis ihm, „Ich weiß gar nicht mehr, warum ich wütend gewesen bin – ziemlich dämlich, oder?"

„Ja."

Phillis sah Houdini unbeeindruckt an, der seinen Fehler wohl nicht bemerkte, also seufzte Phillis nur und sprach es nicht an. „Ich habe heute Post von zu Hause bekommen und meine Mum hat ein paar Schwierigkeiten mit ihrem Bruder... vielleicht war es das und ich habe es nur an dir ausgelassen."

„Möglich...", überlegte Houdini und klang einen Moment so, als würde er noch etwas hinzufügen wollen, beließ es aber dann doch dabei. „Gehen wir jetzt Schwertkämpfen? Ich muss trainieren."

Phillis lächelte gutmütig. „Klar – gehen wir. Und später müssen wir diesen Parcours probieren – ich will wissen, ob du meinen Rekord schlagen kannst."

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