Himmlisches Familiendrama (Percy, der Held der Stunde)
Es war anstrengend, Phillis dabei zuzusehen, wie sie Hausaufgaben machte.
Remus vermied es, sie die ganze Zeit anzustarren, nachdem er bemerkt hatte, dass das Phillis ziemlich ablenkte, aber hin und wieder sah er trotzdem in ihre Richtung und von Minute zu Minute wurde es schlimmer.
Zuerst hatte sie sich auf ihren Aufsatz für Zauberkunst konzentriert (für ungefähr drei Minuten), aber dann hatte Hagrid sie das erste Mal ermahnen müssen, sich zu konzentrieren, damit Phillis aufhörte, vor sich hin zu träumen.
Das wiederholte sich ein paar Mal, bis Phillis nur noch abwesend in die Leere starrte und Hagrid sie für eine Pause nach draußen schickte und da war Phillis wieder voller Energie aufgesprungen und wie ein kleines Kind nach draußen gerannt.
„Wie geht es dir, Remus?", fragte Hagrid ihn. Remus antwortete ihm nicht, sondern nahm nur einen großen Schluck von seinem Tee, als wäre es Feuerwhiskey und Hagrid verstand.
„Nich' so einfach mit Phillis", stimmte Hagrid ihm zu und klopfte ihm auf die Schulter, „Denkst du, du bist dem gewachsen?"
„Ich habe ihre Mutter einmal beim Bahnsteig gesehen", erzählte Remus, „Ich habe den größten Respekt vor ihr."
„Professor McGonagall will auch nich', dass sie Quidditch aufgeben muss", versprach Hagrid, „Sie wird nich' so streng sein, wie sie gesagt hat, aber Phillis braucht Hilfe. Ich glaube, wenn man sich die Mühe macht, sie kennen zu lernen, findet man in ihr eine sehr intelligente Person."
Remus wusste nicht, ob er ihm zustimmen konnte. Bisher hatte er Phillis zwar so kennengelernt, dass sie wirklich gut im Quidditch war, aber sie deswegen gleich als „intelligent" bezeichnen, wenn sie nicht einmal genug Hirn zu besitzen schien, um alle ihre Hausaufgaben im Auge zu behalten. Ihre Legasthenie machte es ihr in der Schule bestimmt nicht leicht, aber sie war immer noch vergesslich, chaotisch und faul. Man musste sie beinahe zwingen, irgendetwas zu machen und selbst dann war sie schwerfällig und langsam.
Es war schon dunkel, als sie zurück zum Schloss spazierten, nachdem es langsam Winter und es immer früher dunkel wurde.
Phillis starrte schon wieder in den Himmel hinauf, als würde sie nach angreifenden Raben Ausschau halten und Remus fand das nach diesem anstrengenden Tag ziemlich nervig, immerhin musste er so auch doch darauf achten, dass Phillis nicht hinfiel.
„Du solltest dich auf den Weg konzentrieren, sonst fällst du noch hin", warnte er sie und versuchte, nicht so genervt zu klingen, wie er sich fühlte, „Was siehst du da oben, das wichtiger ist, als der Weg?"
„Die Sterne", antwortete Phillis, ohne den Blick vom nächtlichen Sternenhimmel abzuwenden, „Ich liebe es, mir die Sterne anzusehen. Ich finde es ziemlich amüsant, die Namen zu lernen."
„Amüsant?", wiederholte Remus amüsiert, „So hat das noch nie jemand genannt."
„Man muss nur die Geschichten hinter den Namen kennen und sofort wird das da oben zum Familiendrama", lachte Phillis. Remus verstand den Witz nicht ganz. Phillis' Lachen klang ein bisschen panisch.
„Muss ich... das verstehen?", fragte Remus unsicher nach und Phillis sah ihn ungläubig an.
„Klar! Nimm doch einmal Jupiter und seine dreizehn bisher benannten Monde!"
„Ich habe die einmal für eine Prüfung gelernt und gleich danach wieder vergessen", gestand Remus, „Nur Sirius kann sich so ein Zeug merken!"
„Sirius ist ja auch nach einem Stern benannt", erinnerte Phillis ihn, „Aber um zurück zu Jupiter zu kommen (der ist immer mein Lieblingsbeispiel) – Jupiter ist ein römischer Gott, der dafür bekannt ist, dass... er hin und wieder einmal an zu vielen Frauen auf einmal interessiert war."
Remus zuckte zusammen, als wie auf ein Stichwort hin ein Blitz über den Himmel schoss, aber er war sich sicher, dass er sich geirrt hatte, denn keine Wolke war am Himmel zu sehen und die Sterne standen klar über ihnen.
„Zufällig sind die meisten Monde des Jupiters nach seinen Liebschaften benannt – Io, Europa, Ganymed, Kallisto, Himalia, Elara, Sinope, Lysithea, Karme und natürlich Leda. Amalthea, Pasiphae und Ananke spielen andere Rollen in den Geschichten und sind Jupiter wohl entwischt, wenn du verstehst, was ich meine..."
„Das ist ziemlich bizarr", bemerkte Remus und runzelte die Stirn, „aber ich habe etwas Ähnliches schon einmal gelesen... ist nicht Mars auch ein Gott?"
„Ein Kriegsgott, ja, und dazu noch ein ziemlich wichtiger", bestätigte Phillis, „Seine Monde, Phobos und Deimos sind zufällig nach seinen beiden Söhnen benannt, die er mit der Göttin der Schönheit, Venus hatte."
„Klingt beinahe noch komplizierter", scherzte Remus.
„Und das sind erst die Planeten", stimmte Phillis ihm zu, „Lass mich erst gar nicht von den Sternbildern anfangen! Siehst du die Sterne da? Das sind die Plejaden, die Vorboten des Winters und da hinten ist Orion – er hat die Göttin Artemis verärgert und sie hat einen Skorpion erschaffen, der ihn über den Himmel jagt. Manche sagen auch, er ist besonders motiviert, weiter zu rennen, weil er gleichzeitig den Plejaden nachstellen kann."
Remus lachte auf und Phillis grinste ebenfalls.
Sie waren nun vor dem Schloss angekommen, aber Remus wollte noch nie den Sternenhimmel zurücklassen. Phillis' Geschichten waren ergreifend.
„Erzählt mir noch eine Geschichte!", verlangte Remus begeistert (mit einer ähnliches Begeisterung, mit der Phillis nur wenige Stunden zuvor aus Hagrids Hütte in ihre Pause gerannt war), aber Phillis wurde von dieser Begeisterung nur allzu gerne angesteckt. Sie hatte es auch immer geliebt, ihrer Mutter und ihren Geschichten zu lauschen und im Camp beim Lagerfeuer war es meistens sie, die Geschichten erzählte.
„Mal sehen... wie wäre es mit Kassiopeia, die sieht man ganz ganze Jahr über? Sie ist die Mutter von Andromeda, einer wunderschönen Prinzessin. Einmal behauptete Kassiopeia, dass ihre Tochter schöner als die Nereiden wäre. Die Nereiden sind aber die Töchter des Meeresgottes Poseidon und jeder weiß, dass man so etwas niemals laut ausspricht! Man behauptet nicht einfach, dass etwas besser ist, als die Götter, das hat schon früher zu so einigen Problemen geführt..."
Remus lachte. Er fand es amüsant, dass Phillis das so sagte, als wäre es wirklich unweise, schlecht über die Götter zu sprechen.
„Jedenfalls schickt Poseidon daraufhin ein schreckliches Meeresmonster, das das Königreich von Kassiopeia zerstört und die Königin sucht bei dem Orakel von Delphi um Rat und bekommt ihn auch: Sie muss ihre wunderschöne Tochter Andromeda opfern, damit wieder Friede herrschen kann."
„Was hat sie gemacht?", fragte Remus neugierig.
„Nun, sie haben Andromeda an einen Felsen an der Küste gekettet und beinahe hätte das Seemonster sie tatsächlich verschlungen, aber im letzten Moment kam ein Held vorbei – Perseus. Perseus ist ein Sohn des Zeus und damit ein Demigott und er befreit Andromeda und sie ist gerettet. Man kann diese Auseinandersetzung in den Sternen sehen – der Walfisch, Kassiopeia, Andromeda, Perseus, ... sie sind alle da oben in den Sternen..."
„Nicht schlecht", lobte Remus, „aber irgendwie schräg, oder nicht? Ich meine... welche Zivilisation denkt sich schon solche Geschichten aus? Ist es nicht unfair, dass Andromeda für die Taten ihrer Mutter bezahlen muss?"
Phillis sah bei seinen Worten überraschend verletzt aus, als hätte er ein tatsächliches Problem in ihrem Leben angesprochen.
„Ist es nicht immer so?", fragte Phillis, „Eltern fressen etwas aus und die Kinder müssen dafür geradestehen? Besonders in vielen Erzählungen der Griechen ist das ein Thema, das häufig behandelt wird. Ich glaube, die Götter haben häufig die Kinder der Täter bestraft, damit man sich noch weniger gegen sie stellen wollte. Das eigene Leben war vielleicht egal, aber das der Kinder und weiterer Generationen... teilweise sind Kinder und Kindeskinder verflucht worden. Mehrere Generationen und das alles nur, weil ein Typ versucht hat, den Göttern Menschenfleisch zu füttern."
„Was?", fragte Remus entsetzt und Phillis grinste.
„Je mehr Geschichten man hört, desto bizarrer werden sie", warnte sie, „Wollen wir reingehen? Mir ist zu kalt."
Tatsächlich zitterte sie schon ziemlich und obwohl sie beide dicke Mäntel trugen, so standen sie einfach nur herum und bewegten sich nicht viel, außer sie starrten hoch in den Himmel.
„Klar", stimmte Remus sofort zu, „Aber sag mir, warum kannst du dir all diese Geschichten merken, aber nicht deine Hausaufgaben?"
Phillis seufzte. „Glaub mir, Remus – das frage ich mich schon mein ganzes Leben lang..."
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