Gold und Rot - wenn Laertes fährt ist man in Not

Hermes war der Gott der Diebe, also war es kein Wunder, dass viele seiner Kinder entweder tatsächlich Kleptomanen waren oder zwanghaft stahlen, einfach nicht das Konzept von „meins und deins" gelernt hatten oder einfach das Erbe weiterführten und sich wenig darum kümmerten, was andere davon hielten.

Es war für Phillis vollkommen fremd gewesen, als im Camp solche kleinen Verbrechen zwar nicht ungestraft blieben, aber nicht direkt mit Rausschmiss oder Schlägen oder Gefängnis bestraft wurden. Wenn man Pech hatte, gab es einmal keinen Nachtisch (den man sich aber ganz einfach stehlen konnte, also war diese Strafe kontraproduktiv).

Letztendlich war das Camp wohl nicht direkt dazu da, die Kinder zu erziehen oder ihnen Manieren beizubringen (was vielleicht manchmal dringend nötig gewesen wäre, nachdem bei einigen Kindern die Eltern versäumt hatten, das zu übernehmen oder ihnen genau die falschen Moralvorstellungen beigebracht hatten), sondern ihre Fähigkeiten zu fördern und zu trainieren und im Fall der Hermes-Kinder war das wohl Diebstahl.

Phillis hatte im Camp gelernt, wie man ein Auto aufknackte und kurzschloss, auch, wenn sie nicht so gut darin gewesen war, wie die Hephaistos-Kinder oder die von der Hermes-Hütte.

Fahren hatte ihr Marty beigebracht mit dem Lieferwagen des Camps, den sie zum Liefern von Erdbeeren in ganz New York benutzten und wenn jemand bei einem Auftrag ein Stück weit gefahren werden musste.

Phillis und Marty hatten an diesem Tag zusammen die Erdbeerlieferung übernommen und nachdem Phillis ihren großen Bruder gefragt hatte, ob sie einmal fahren durfte, hatte er ihr prompt gezeigt, wie das funktionierte.

Phillis hatte erwartet, dass sie vielleicht die Landstraße bis nach New York fahren durfte, aber dann hatte Marty sie auch noch im New Yorker Mittagsverkehr fahren lassen und sie hatte erfahren, warum Marty so vollkommen widerstandslos nachgegeben hatte, als sie fahren wollte, denn es brauchte ungefähr tausend Mal so viel Geduld in diesem Verkehr zu fahren, wie ein Demigott in seinem ganzen Leben aufbringen konnte.

Phillis hatte gehupt, geschimpft, gestritten und sich über die anderen Fahrer beschwert, die zwar schon alle viel mehr Erfahrung mit Autofahren hatten, als Phillis (und sogar einen Führerschein), aber trotzdem vollkommen unfähig fuhren.

Phillis wusste also, obwohl sie in noch keinem Land legal fahren durfte, wie man sich ein Auto beschaffen konnte und wie man es dann auch noch fuhr, solange sie keine Straßenregeln beachten musste, denn obwohl Chiron ihr nach diesem Tag versucht hatte, diese zu erklären, hatte sie nicht wirklich viel davon behalten und hatte sich die meiste Zeit weggeträumt. Chiron hatte das wenig gestört und er hatte einfach seinen Vortrag gehalten, als wäre es einfach nur eine Prävention, damit er später (sollte etwas passieren) sagen konnte, dass er sich an alle Anweisungen gehalten hatte und ER vollkommen unschuldig war, aber trotzdem überließen sie es Laertes (dem Profi in diesem Gebiet, immerhin lehrte er es auch im Camp (kleine und mittelgroße (bis etwas größere, aber trotzdem noch eher kleine) Verbrechen für Anfänger und etwas Fortgeschrittene)).

Laertes fand ein passendes Gefährt, brach es auf, schloss es kurz und schon begann die Reise nach Irland – in Phillis' Heimat.

Sie würden eine Fähre nehmen und das Auto zurücklassen. Dann in Irland ein neues Auto stehlen und weiter zu Phillis' Heimat fahren. Ein einfacher Plan, den Laertes vorschlug (nachdem er vermutete, dass jemand der Diebstahl des Autos schnell auffallen würde und sie den Wagen deswegen nicht über Staatsgrenzen schmuggeln konnten).

Keiner hatte Einwände.

„Was ist das für ein Auftrag hier in Europa?", fragte Phillis interessiert, nachdem sie in der Sicherheit des Autos waren und Laertes sie durch die hektischen Straßen von London fuhr. Man merkte, dass er Amerikaner war, nachdem er mehrmals auf der falschen Straßenseite fuhr (Phillis passierte immer dasselbe, aber umgekehrt in Amerika), aber wofür gab es eine Hupe, wenn man sie nicht benutzte, und Laertes kannte von seiner Zeit als Straßenkind in New York auch eine Menge Schimpfwörter, die er laut durch das Fenster brüllen konnte.

Phillis durfte vorne sitzen und als Beifahrer agieren (was bedeutete, dass sie immer wieder das Steuer herumreißen musste, um Laertes wieder auf die richtige Spur zu bringen.

„Mr D hat gesagt, du weißt Bescheid", sagte Birget mit einem misstrauischen Blick (wobei das bei Birget gleichgestellt wie ein besorgter Blick war, also gab es da manchmal kleine Verwirrungen), „Irgendetwas wegen... einem Verräter und... einem... Voldemort?"

Phillis zuckte bei dem Namen zusammen und Laertes fuhr schon automatisch auf die andere Straßenseite, die aber die falsche war, denn er war zuerst auf der richtigen gefahren, aber weil Phillis zusammengezuckt war, hatte er gedacht, er würde wieder falsch fahren, also fuhr er jetzt falsch und Phillis zog ihn wieder auf die richtige Seite.

„Ah... ja", bestätigte Phillis nervös, „Was wisst ihr? Erzählt mir alles."

„Nun, mit diesem Voll-into-Mord (was für ein seltsamer Name... oder Fetisch...) hat unser Auftrag nicht wirklich zu tun. Ursprünglich ist das schon der Plan gewesen, aber... dann kam die Prophezeiung."

„Prophezeiung?", wiederholte Phillis.

„Eigentlich hat es damit begonnen, dass ich immer diese seltsamen Träume gehabt habe, aber davon weißt du schon", erzählte Ruth, „und dann ist einmal Dad in einem Traum erschienen."

„Apollo?", fragte Phillis überrascht und zog Laertes auf die richtige Straßenseite zurück, „Was wollte er?"

„Er hat gesagt, dass es Zeit für meinen Auftrag ist und dann hat er mir einen goldenen Bogen in die Hand gedrückt und ist verschwunden", sagte Ruth und etwas an ihrer Stimme verriet Phillis, dass sie nicht alles erzählte, aber bestimmt hatte sie ihre Gründe dafür, „Am nächsten Morgen bin ich dann mit dem goldenen Bogen in der Hand aufgewacht."

„Und dann?", fragte Phillis, „Die Prophezeiung?"

„Alles zu seiner Zeit", lachte Ruth, „Ich bin natürlich als erstes zu Chiron und Mr D – Mr D ist wohl etwas überrascht gewesen, dass ich gehen sollte, aber letztendlich haben sie den Auftrag bestätigt und ich habe mir beim Orakel eine Prophezeiung geholt – bete, dass du das Ding niemals sehen musst."

„Ich habe es auch überlebt", schnaubte Birget, die auch schon einmal einen Auftrag geführt hatte und bei einem als Begleiter dabei gewesen war, wie bei diesem hier, „Ist eben eine Mumie... hab schon ekelerregenderes gesehen."

„Mr D in Unterhosen", bestimmte Laertes und fuhr prompt beinahe eine alte Frau und ihren Hund zusammen, „Das ist ekelerregender! Sie haben ein Leopardenmuster!"

„Hmm...", Birget schien sich da nicht ganz sicher zu sein und Phillis war sich nicht sicher, ob das noch verstörender war oder beruhigender.

„Auf jeden Fall... die Prophezeiung!", kam Ruth wieder auf das ursprüngliche Thema zurück, „Tochter der Sonne, ziehe übers weite Wasser;

Goldener Bogen, goldenes Schwert und Zwietracht arbeiten zusammen;

Um zu behalten die Büchse, achte auf das rote Messer;

Und ein Vertrauter wird dich verdammen!"

Es wurde leise, als Phillis diese Prophezeiung verarbeitete und realisierte, was sie vielleicht bedeuten könnte.

Ziehe übers weite Wasser...", murmelte sie nachdenklich, „Ziemlich offensichtlich, oder? Das Meer ist ziemlich weit."

„Nicht so weit, wie Lake Superior!", bemerkte Birget und Laertes blickte über die Schulter unbeeindruckt zu ihr zurück (Phillis übernahm inzwischen vollkommen das Steuer und versuchte verzweifelt das Auto daran zu hindern, auf dem Gehsteig Leute umzubringen, indem sie es wieder auf die Straße lenkte).

„Birget, Lake Superior ist bei Weitem nicht so groß, wie der Nord Atlantische Ozean."

Birget runzelte die Stirn, als würde sie einen Moment darüber nachdenken, dann schüttelte die stur den Kopf. „Nein, bestimmt nicht! Das gibt es nicht!"

Laertes sah hilfesuchend zu Ruth, die aber vollkommen begeistert von Birget war und diese mit einem breiten Grinsen im Gesicht ein bisschen verliebt ansah. Von ihr konnte er also keine Hilfe erwarten und wahrscheinlich war das auch nicht möglich, denn ein Kind des Ares konnte man einfach nicht in Geografie unterrichten. Kinder des Ares interessieren sich nur für kleine Geografien: in welchem Gelände kämpfen sie und so etwas.

Goldener Bogen... das ist wohl Ruth, oder? Dein Bogen?"

Ruth hielt ihren Bogen in die Höhe und tatsächlich war es ein anderer, als Ruth eigentlich zuvor benutzt hatte. Er war golden und mit wunderschönen Musterungen. Phillis war schon beinahe neidisch.

Goldenes Schwert...", überlegte Phillis, „Was hat es damit auf sich?"

„Ich habe ein Schwert", erklärte Laertes und versuchte wohl, es Phillis zu zeigen, aber dafür musste er beide Hände vom Lenkrad nehmen und Phillis war kaum schnell genug, um das Auto wieder umzulenken, sodass sie nicht gegen eine Straßenlaterne fuhren, während Laertes ein Schwert aus der Scheide an seinem Gürtel nahm und es Phillis zeigte. Es war vielleicht nicht komplett golden wie der Bogen, aber der Griff war mit goldenen Verzierungen versehen. Dieses Schwert kannte Phillis – es gehörte Laertes schon seit Jahren. Er hatte es bei einem Auftrag von irgendeinem Monster bekommen... beziehungsweise hatte er das Monster umgebracht und das Schwert war zurückgeblieben. Nun gehörte es wohl Laertes.

Und Zwietracht...", murmelte Phillis und blickte über die Schulter zurück zu Birget, die ihre Fingernägel gerade mit einem sehr scharf aussehenden Dolch reinigte und Laertes fuhr ziemlich rumplig auch häufig über die Straßenkanten oder beinahe gegen Passanten, Hydranten oder anderen Hindernissen wie Häuser.

Phillis machte sich keine Sorgen um sie.

„Ares ist auch irgendwie ein Gott der Zwietracht", erklärte Ruth schulternzuckend, „Also... Blutbad, Massaker... schrecklicher Krieg..."

„Klingt nach einem kleinen Streit für mich", bestimmte Birget, ohne von ihren Fingern aufzusehen, „Außerdem hätte ich Ruth nicht alleine gehen lassen."

„Niedlich, oder?", fragte Laertes sarkastisch und verdrehte die Augen, „Da vergisst man beinahe, dass Birget ein Kind des Ares ist und nicht der Aphrodite."

„Ich würde aufpassen, was du sagst, Laertes", drohte Birget ihm, „Die Sitze sind gerade dünn genug, dass man dich durch sie hindurch erstechen könnte."

„Bitte nicht", meinte Phillis lächelnd, „Wir fahren gerade mit siebzig Sachen durch London. Ich würde es bevorzugen, wenn Laertes nicht genau dann sterben würde."

Birget schnaubte, als würde sie Phillis' Einwände für den Moment akzeptieren.

„In der Prophezeiung wird eine Büchse erwähnt", erkannte Phillis, „Die einzige Büchse, die mir einfällt, ist die Büchse der Pandora."

„Daran haben wir auch gedacht", gestand Birget, „Wir vermuten, wir müssen die Büchse finden. Wer auch immer sie im Moment hat, hat große Macht über die Welt. Eigentlich gilt sie als verschollen, aber offenbar besagt die Prophezeiung, dass sie gefunden wird."

„Krass", bemerkte Phillis, „Wie hängt das alles zusammen?"

Laertes lachte laut und unangenehm lang. Er klang verzweifelt, fasste damit aber so ziemlich ihre derzeitige Lage zusammen.

Achte auf das rote Messer...", meinte Phillis, „Hast du auch noch einen roten Dolch, Birget?"

„Sehe ich so aus, als würde ich mich nicht gut um meine Waffen kümmern?", fragte sie beleidigt, „Waffen sind nur rot, wenn sie voller Blut sind und jeder weiß, dass man sie schnell reinigen sollte, sonst zerstört das Eisen im Blut noch –"

„Jaah, wir haben es verstanden", unterbrach Laertes sie und warf Phillis einen vielsagenden Blick zu, der so viel bedeutete wie: Wir haben das Thema schon einmal angesprochen und sie hat uns drei Stunden lang einen Vortrag über die Reinigung und Pflege von Waffen gehalten, also BITTE sprich es NIE WIEDER an!

Phillis verstand.

„Kein rotes Messer also...", meinte sie nachdenklich.

„Ich weiß nicht genau, wie ich darauf achten soll, wenn ich niemanden kenne, der ein rotes Messer hat, aber vielleicht ist es metaphorisch gemeint", schlug Ruth vor.

„Es ist immer metaphorisch gemeint", stimmte Birget zu, „Deswegen hasse ich Prophezeiungen."

„Und die letzte Zeile?", Phillis versuchte sich zu erinnern, „Ein Vertrauter?"

Und ein Vertrauter wird dich verdammen", zitierte Ruth wieder, „Das haben wir aber davor schon von Mr D erfahren – es gibt wohl einen Spion oder Verräter in unseren Reihen. Bisher haben wir noch nicht herausgefunden, wer es ist."

„Ich nicht", bestimmte Phillis und Laertes lachte auf.

„Klar doch! Wir würden nicht mit dir in einem Auto fahren, wenn wir das glauben würden", erinnerte er sie, „Nein, der Verräter muss jemand anderes sein... wir vermuten, dass es jemand sein muss, der die Götter hasst und ihnen einfach nur eine auswischen will, denn mehr wird er mit einem so winzigen Krieg in Europa nicht erreichen. Es ist nicht einmal New York und damit nicht der Olymp betroffen!"

Phillis hätte gerne gesagt, dass die verfolgten Muggelgeborenen und die ermordeten Muggel das nicht so sahen, aber eigentlich hatte er Recht. Aus der Sicht der Götter war es wirklich ein sehr unwichtiger Krieg. Er hatte nichts mit ihnen zu tun.

„Also... könnte es jeder sein?", fragte Phillis und sie lachten. Tatsächlich gab es kaum einen Demigott, der schon länger als zwei Jahre im Camp war, der die Götter nicht wenigstens ein wenig verabscheute. Keiner war wirklich stolz auf die Götter und keiner würde auch nur auf die Idee kommen, den Göttern freiwillig zu helfen. Meistens waren die anderen Demigötter die Gründe, warum sie noch gegen die Zerstörung der Welt kämpfen und nicht fröhlich mithalfen.

„Klingt lustig", bemerkte Phillis heiter, „Ihr benutzt unser zu Hause also wirklich als Basis?"

„Nein, wir wollten dich nur über Weihnachten besuchen und haben zufällig deine Adresse erfahren", gestand Ruth, „Eigentlich hätten wir schon weiter sein sollen, aber es gibt nicht wirklich eine Deadline für unseren Auftrag."

„Kein Stress!", seufzte Birget zufrieden und lehnte sich entspannt zurück, „Bei meinen Aufträgen hat es immer so nervige Deadlines gegeben – Mach dies und das in drei Tagen! Mach das und das in vierundzwanzig Stunden! Wenn du das nicht bis übermorgen Mittag schaffst, sterben alle! Absolut nervig!"

„Kann ich mir vorstellen", nickte Phillis verständnisvoll.

„Chiron hat uns deine Adresse für Notfälle mitgegeben und ich finde, es ist ein ausgezeichneter Notfall, einmal Weihnachten mit dir und deiner Mum zu verbringen", bestimmte Ruth, „Ich liebe deine Mum übrigens."

„Ja, sie ist wirklich toll!", stimmte Laertes ihr zu, „Ich habe schon immer gewusst, dass du deine Mum wenigstens leiden kannst, aber ich habe mir ehrlich gesagt nicht vorstellen können, dass es wirklich so ist! Wenn dieser Auftrag hier vorbei ist, komme ich häufiger einmal vorbei, Phil!"

„Klar – ich bin nur das ganze Jahr über in der Schule", bemerkte Phillis, „aber Mum freut sich sicher über euch." Laertes bog ab und fuhr schon wieder auf der falschen Straßenseite und Phillis riss das Lenkrad zur Seite, damit sie nicht gegen ein entgegenkommendes Auto fuhren. „Aber das nächste Mal solltest du das Autofahren jemanden anderen überlassen... das nächste Mal fahre ich!"



Das Haus, in dem Phillis Dolohow aufgewachsen war, gehörte eigentlich der Familie Dolohow, war aber selten von irgendeinem ihrer Familienmitglieder bewohnt.

Hin und wieder hatten es die Dolohows der Geschichte als Versteck benutzt, als zum Beispiel Phillis' Ur-Ur-Ur-Ur-Großtante Deleah einen Mord begangen hatte und dafür nach Askaban gebracht werden sollte, aber sie hatte sich in diesem unbekannten Haus der Familie versteckt, bis die damalige Behörde sie einfach vergessen hatte.

Ein anderes Mal hatte Phillis' Ur-Großonkel das Haus benutzt, um ein paar Tage weg von seiner Frau zu kommen.

Nach dem Tod von Phillis' Großvater hatte Sara das Haus bekommen. Sie war damals noch unverheiratet gewesen und als alleinstehende Frau nicht sonderlich bedeutend für die Familie, aber sie hatte irgendetwas als Erbe gebraucht, um wenigstens Besitz zu haben und so vielleicht effizienter einen Mann zu finden, also hatte sie dieses unbeliebte Haus und einen Haufen Geld bekommen. Im Testament ihres Vaters war auch noch niedergeschrieben gewesen, dass Sara noch etwas mehr Geld und ein anderes, besseres Haus haben sollte, wenn sie einen reinblütigen Mann fand, aber das war bis heute nicht passiert und selbst, wenn das noch jemals passieren würde, so würde Saras Familie es ihr niemals geben.

Aber Sara hatte nicht so viel gegen das unbeliebte Haus der Dolohows, wie der Rest ihrer Familie.

Es war zwar alt und ziemlich vernachlässigt worden, aber mit dem Geld vom Erbe hatte Sara es auch etwas reparieren können. Zudem hatten sie alles, das sie brauchten und das einzige, das die Dolohows dagegen auszusetzen hatten, war, dass es in einer reinen Muggel-Gegend stand.

Tatsächlich waren alle von Phillis' Nachbarn und alle Leute in der Straße Muggel und hatten keine Ahnung von Zauberei, deswegen fanden sie wohl Sara und ihre Tochter Phillis auch so seltsam, aber gleichzeitig brachte es eine gewisse Ruhe.

Die Familie Dolohow war in der Zaubererwelt bekannt (nicht nur positiv) und besonders durch die bekannten Dolohows, die angeblich Todesser waren, war der Name in manchen Kreisen nicht gerne gehört, aber Muggel wussten nichts von Dolohows und reinblütigen Familien, also hatte Sara Ruhe vor ihnen.

Die Muggel fanden es nur manchmal seltsam, wenn sie zu Besuch waren und einige Geräte wohl etwas veraltet waren und es eigentlich nichts Elektronisches gab (Elektronik und Magie verstanden sich nicht so gut), aber nachdem das sicher nicht das Seltsamste war, das sie von den Dolohows wussten, beließen sie es bei Geflüster und Gerüchten.

„Wir sind erst vorgestern hier angekommen", erklärte Ruth, als sie den Weg zur Eingangstür gingen. Laertes hatte das in Irland gestohlene Auto einige Kilometer vom Haus entfernt zurückgelassen, damit die Familie Dolohow und nicht einmal die Umgebung mit dem Diebstahl assoziiert werden konnte und den restlichen Weg gingen sie zu Fuß, aber das machte ihnen allen nichts aus. Sie waren es gewohnt, weite Strecken zu Fuß zu gehen, nachdem Chiron Demigötter, die zu hyperaktiv waren gerne auf weite Wanderausflüge mitnahm, damit sie zusätzliche Energien verbrennen konnten. Bei Phillis funktionierte das irgendwie nie und egal, wie müde sie war, so wirklich ruhig wurde sie nicht.

„Ich wette, Mum ist überrascht gewesen", vermutete Phillis amüsiert. Sie hatte ihrer Mum von der Begegnung mit Mr D geschrieben und ihr gesagt, dass der Gott angedeutet hatte, dass sie ihr Haus als Unterkunft benutzen würden.

„Sie hat es erstaunlich gelassen aufgenommen, aber ich wette, das ist einfach, weil deine Mum toll ist", bemerkte Birget.

Beim Haus angekommen klopfte Ruth zwar, bevor sie die Tür öffnete, wartete aber nicht auf eine Antwort, sondern trat einfach ein. Das Klopfen hatte Sara Dolohow aber verständigt.

„Wir sind zurück, Mrs Dolohow", rief Ruth durch das Haus, „und sehen Sie, wen wir auf der Straße gefunden haben!"

„Einen kleinen Leprechaun", gurrte Laertes und stupste Phillis in die Seite. Phillis fauchte beleidigt wie eine Katze und sprang einen halben Meter zurück.

Das Klopfen und Ruths Geschrei hatte Sara Dolohow verständigt und sie kam aus dem Wohnzimmer, um die Ankömmlinge zu begrüßen und als sie Phillis erblickte, begann sie sofort breit zu lächeln und mit ausgebreiteten Armen kam sie direkt auf ihre Tochter zu und begrub sie in eine Umarmung.

Und Phillis umarmte sie liebend gerne zurück. Sie roch noch immer so, wie sie es in Erinnerung hatte und dieser Geruch allein ließ sie ruhig werden. Es war schön, von Sara Dolohow umarmt zu werden und besonders Phillis genoss es, mit ihrer Mutter wiedervereint zu sein.

„Ihr seid sicher angekommen", seufzte Sara erleichtert und strich Phillis über die Haare, bevor sie sie losließ, aber eine Armlänge von sich weghielt und mit leuchtenden Augen und einem stolzen Blick betrachtete, „Du bist gewachsen, oder? Wenn das so weitergeht, müssen wir bald wieder neue Uniformen kaufen!"

Wenn das so weitergeht, müssen wir überhaupt keine Uniformen mehr kaufen, dachte Phillis sich, aber die Worte blieben in ihrem Hals stecken. Sie dachte an all das, was in diesem Jahr bisher passiert war und wie kurz davor sie war, tatsächlich von ihrer bisher erst zweiten Schule zu fliegen, aber wenn man aus Hogwarts geworfen wird, bedeutet das, dass man wirklich, wirklich verkackt hatte.

„Was ist los, Phillis?", fragte Sara ihre Tochter besorgt. Phillis wusste, dass sie ihre Mimik nicht wirklich unter Kontrolle hatte und man ihr deswegen häufig ihre Gefühle direkt ansehen konnte, aber Sara hatte zusätzlich dazu auch noch ein besonderes Gespür dafür, wann es ihrer Tochter nicht gutging.

Und diese einzige Frage ließ alle Dämme brechen. Phillis begann nicht zu weinen, aber sie erzählte (natürlich in Codes, damit ihre Freunde aus dem Camp nicht verstanden, dass sie von der Zaubererwelt sprach), wie sie geträumt hatte, dass Antonin Sara bedroht hatte, wie am nächsten Tag jemand (Mulciber) etwas darüber angedeutet hatte und wie er sie eine Hure (Phillis sprach das Wort nicht aus, aber man sah ihr an, dass es ein schlimmes Wort gewesen war) genannt hatte und wie Phillis ihn dafür verprügelt hatte (Birget sah sie voller Stolz an und wischte sich eine imaginäre Träne aus dem Augenwinkel).

Dann erzählte Phillis, wie McGonagall ihr damit gedroht hatte, sie aus dem Team zu werfen, wenn sie sich in der Schule nicht mehr Mühe gab und wie jetzt alle, die Phillis in der Schule kannte auf einmal versuchten, die durch den Unterricht zu zwingen, obwohl Phillis einfach nur Quidditch spielen wollte und eigentlich nichts dagegen hätte, Hogwarts einfach zurück zu lassen, aber wie sie weiterhin dort bleiben wollte, weil Sara es so wollte.

Sara hörte ihr geduldig zu und führte sie in die Küche, damit sie sich setzen konnten und Ruth machte ihnen Kaffee.

Phillis beendete ihre Erzählung mit dem Treffen mit Dionysos, wie er sie davor gewarnt hatte, dass Zeus dachte, sie wäre die Verräterin, aber sie war es nicht.

„Du musst dir keine Sorgen machen", winkte Laertes ab, während Ruth Tassen auf den Tisch stellte und eine Kanne mit Kaffee sowie Milch und Zucker, „Der Donner-Groller kann dir nichts tun – er würde eine Revolution riskieren."

„Du überschätzt meinen Wert", schnaubte Phillis bedrückt und sie ließ ihre Schultern sinken, „Er könnte mich einfach mit einem Blitz vernichten und ein paar Leute würden sich beschweren, aber nach ein paar Tagen ist das alles schon vergessen – so hat das schon immer funktioniert."

„Du hast gesagt, dass du geträumt hast, dass Dad dich verteidigt hat?", erinnerte Ruth sie nachdenklich, „Das bedeutet also, dass er schon einmal auf deiner Seite ist und Mr D offenbar auch. Das sind schon zwei olympische Götter, die auf deiner Seite stehen."

„Ganz zu schweigen von uns", bestimmte Birget, „Denkst du wirklich, wir würden dich einfach so sterben lassen? Natürlich rächen wir dich!"

„Danke, Birget", Phillis lächelte, „Ich werde gerne gerächt, wenn ich sterbe."

„Immer wieder gerne."

„Sollte auch nur irgendein Gott auf die Idee kommen, dir ein Haar zu krümmen, dann gehe ich persönlich auf den Olymp und mache sie genau so zur Schnecke, wie ich es mit Antonin gemacht habe!", versprach Sara ihrer Tochter und drückte ihr einen Kuss auf die Wange, „Ich lass doch nicht zu, dass meinem Baby etwas passiert!"

„Mum!", beschwerte Phillis sich peinlich berührt und wischte sich mit ihrem Ärmel über ihr Gesicht, aber eigentlich ermutigte ihre Mum sie gerade am meisten.

„Und jetzt setzt euch, ich hole uns auch noch ein paar Kekse!", schlug Sara heiter vor, „Bestimmt seid ihr müde nach der langen Fahrt nach Irland."

Birget sah Phillis direkt an und starrte ihr in die Augen, wie ein Raubtier kurz vor dem Angriff. „Ich liebe deine Mum", sagte sie nur und Phillis blinzelte verwirrt.

„Jaah, ich auch...", meinte sie etwas perplex.

Sara Dolohow musste man einfach lieben.

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