Gewalt ist keine Lösung (außer jemand beleidigt Sara Dolohow)
Phillis fand sich in ihrem zu Hause wieder – genauer gesagt im Wohnzimmer des Anwesens.
Sara Dolohow hatte es von ihren Eltern geerbt, wobei jeweils sie und ihr Bruder Antonin ein Haus bekamen und eine Menge Geld. Wahrscheinlich war es ganz gut, dass ihr Vater genau in dem Jahr vor Phillis Geburt gestorben war, denn so hatte er nie herausgefunden, dass Sara von ihrer Familie als Schande bezeichnet wurde, als sie von einem fremden Mann unverheiratet schwanger geworden war.
So hatte Sara ein Haus gehabt, in dem sie Phillis hatte aufziehen können und Geld, damit sie sich voll und ganz um ihr schwieriges Kind kümmern konnte, das immer Bewegung im Freien brauchte, sowie besondere Hingabe beim Lernen.
Das Wohnzimmer war mit alten Möbeln eingerichtet worden, die von Generation zu Generation schon weitergegeben wurden, bis auf ein Piano, der im Gegensatz zu den anderen Möbelstücken neu war, aber auch schon (wie es Phillis vorkam) immer dagewesen war.
Sara betrat den Raum, dicht gefolgt von ihrem Bruder.
Phillis hatte Antonin Dolohow schon seit Jahren nicht mehr gesehen.
Er hatte einige Jahre lang versucht, seine Schwester trotz der Schande weiterhin zu unterstützen und er hatte Phillis' Werdegang genau beobachtet, aber offenbar war das nicht genug für ihn gewesen.
Als sich herausgestellt hatte, dass Phillis nicht ohne Schwierigkeiten lesen konnte und dass sie ein so schwieriges Kind war, dass es jeden Abend eine Sisyphus-Aufgabe war, sie ins Bett zu bringen, hatte er Sara dazu bringen wollen, sie wegzugeben, in eine andere Familie, die weniger ehrenhaft war, als die Dolohow-Familie, immerhin hatten sie einen guten Ruf, den sie verteidigen mussten, aber natürlich hatte Sara nicht angenommen. Sie hatte Antonin angeschrien und ihn mit Zaubern aus dem Haus gejagt – damals war Phillis vielleicht sieben gewesen und sie hatte ihren Onkel seitdem auch nicht mehr gesehen.
Nun stand er aber wieder in ihrem Wohnzimmer, aber Sara schien ihm wohl immer noch nicht wirklich verziehen zu haben und er selbst wirkte so, als wäre es ihm unangenehm, da zu sein.
„Sara, denk bitte darüber nach!", redete er auf seine Schwester ein, „Du weißt nicht, wovon du sprichst! Der Dunkle Lord ist mächtig und er kann dir –"
„Ich habe sehr gut darüber nachgedacht und meine Antwort ist und bleibt Nein", unterbrach Sara ihn. Sara erhob selten ihre Stimme und auch jetzt klang sie ruhig, aber warnend.
Antonin seufzte. „Ist es wegen der Kleinen? Deiner Tochter?", fragte er sie beinahe schon genervt, als wäre Phillis nur ein kleines Ärgernis, „Du weißt, dass ihr nichts passieren wird, wenn du zustimmst. Genauer gesagt bringst du sie in Gefahr, wenn du ablehnst."
„Bedrohst du mich gerade?", zischte Sara und Wut blitze in ihren Augen auf.
Antonins Lippen zuckten kurz zu einem kühlen Lächeln. „Nein, ich warne dich nur. Der Dunkle Lord steht nicht alleine da –"
„Ja, er hat ja eine Bande Idioten wie dir hinter sich", spottete Sara und Antonin trat einen bedrohlichen Schritt auf sie zu, aber Sara wich nicht einmal zurück. Sie erwiderte mit der Sturheit eines wahren Slytherins den Blick ihres älteren Bruders, als wäre er ein pubertierendes Kind (wie ihre Tochter es war). Sara Dolohow hatte Phillis' Wutausbrüche überstanden, da würde sie wohl auch mit ihrem launischen Bruder zurechtkommen.
„Du machst mir keine Angst, Antonin", wisperte Sara leise, „Du nicht. Der Dunkle Lord nicht. Niemand."
Antonin trat wieder einen Schritt zurück. „Der Dunkle Lord hat göttliche Hilfe."
Phillis zuckte zusammen, als sie das hörte und ihre Eingeweide schienen zu gefrieren. Göttliche Hilfe. Wie hoch war die Wahrscheinlichkeit, dass das einfach nur ein überheblicher Spruch von ihm war? Bestimmt schimpfte der Dunkle Lord, Lord Voldemort sich selbst als ein Gott, nachdem er so mächtig war, wie nur wenige Zauberer vor ihm, aber vielleicht meinte er tatsächlich Götter... Phillis hatte schon zu viel in ihrem Leben gesehen und gehört, um von einem Zufall auszugehen.
Sie hatte gelernt, immer vom Schlimmsten auszugehen, denn schlimmer würde es sowieso noch kommen.
Auch Sara schien Ähnliches zu denken, denn ihre selbstsichere Haltung brach einen Moment lang in sich zusammen und sie machte eine besorgte Miene. Auch Antonin schien das bemerkt zu haben und Phillis sah Interesse in seinem Blick, aber da fasste Sara sich wieder und sie zückte ihren Zauberstab und hielt ihn Antonin ins Gesicht.
„Verschwinde aus meinem Haus!", zischte sie wütend, „Ich schließe mich niemals euren Reihen an! Niemals!"
Phillis schreckte hoch und atmete schnell, während irgendwie extrem laut „Smoke on the Water" von Deep Purple spielte, wie sie es schon von Sonnenaufgängen kannte. Es war ein Traum gewesen, aber jeder Demigott wusste, dass Träume nie etwas Gutes bedeuteten und dieser hier war erschreckend detailliert gewesen. Sie war sich sicher, dass genau das passiert war und das war nicht gut.
Offenbar hatte Antonin versucht, ihre Mutter zu rekrutieren. Er hatte von göttlicher Hilfe gesprochen...
Phillis' Gedanken rasten. Sie musste das mit jemanden besprechen, aber mit wem? Niemand im Camp wusste, dass sie eine Hexe war und vermutlich wusste sie auch nicht, was eine Hexe überhaupt war. Genau dasselbe galt umgekehrt für Zauberer und Hogwarts und Phillis würde niemals herumerzählen, dass ihr Vater ein Gott war.
Sie wünschte sich, dass ihre Mutter niemals auf einen Gott hereingefallen wäre und dass ihr Vater sich niemals in ihre Mutter verliebt hätte – zwei magische Welten, die nichts voneinander wussten war zu viel für ein Kind.
Vermutlich war das auch der Grund, warum Phillis sonst kein Zauberer-Halbgott-Kind kannte...
Es war ein Samstag, was sehr gut war, denn niemals hätte Phillis sich auf den Unterricht konzentrieren können, aber gleichzeitig hatte sie am Vormittag ein Training mit dem Team geplant.
Seit dem Spiel gegen Slytherin waren zwei Wochen vergangen und sie hatten so viel und fleißig trainiert, wie noch nie zuvor und einige ihrer Teammitglieder hatten angefangen, sie ein paar Mal in der Woche während ihrer eigenen kleinen Trainingseinheiten während der Essenszeiten zu begleiten oder sie rannten für sich selbst ein paar Runden.
Aber das Training an diesem Tag war für Phillis ein Desaster gewesen und jeder hatte es bemerkt, aber niemand sprach es an. Jeder hatte einmal einen schlechten Tag, aber trotzdem spürte Phillis die besorgten Blicke ihre Teamkameraden auf ihrem Rücken. Sie war die ganze Zeit sehr abgelenkt gewesen – mit ihren Gedanken immer woanders und eigentlich hatte sie an diesem Tag absolut nichts erreicht.
Niemand nahm es ihr aber übel, immerhin war sie ansonsten ein wundervoller Kapitän.
Sie gingen zusammen noch in ihrer Quidditch-Uniform in die Große Halle, um zu Mittag zu essen.
„Oi, Dolohow!", es war Mulciber, wie Phillis erkannte – ein Quidditchspieler von Slytherin. Das Slytherin-Team hatte begonnen, sie und auch die anderen Gryffindor-Spieler auf den Gängen und während der Mahlzeiten zu ärgern, aber meistens lachten sie nur darüber oder ignorierten sie, immerhin bewies das nur, dass sie schlechte Verlierer waren.
„Dolohow, hey!", rief Mulciber ihr hinterher, „Schon wieder beim Trainieren? Vielleicht, wenn ihr fleißig weitertrainiert, seid ihr ja irgendwann auch gut im Quidditch!"
„Das macht keinen Sinn", bemerkte Silas verwirrt, als sie einfach als geschlossene Gruppe weitergingen, „Wir haben sie doch geschlagen..."
„Es muss keinen Sinn machen, Robins", flüsterte Sirius zurück, „Sie wollen uns nur ärgern."
„Ich finde sie dämlich", murmelte Phillis, „Ich habe heute keine Geduld für so etwas."
„Ignoriere sie einfach", schlug James leise vor, „dann wird ihnen langweilig."
„Hey, Dolohow!", Mulciber drängte sich an dem Team vorbei, das einfach nur zu ihrem Tisch wollte, aber diese kleine Gruppe an Slytherins hatte andere Pläne. Mulciber wurde von Rosier und Snape begleitet – ebenfalls Slytherins, aber nicht im Team, wie Phillis wusste. „Hey, Dolohow, warte doch –"
Natürlich wartete Phillis nicht, sondern wollte sich einfach an ihn vorbeidrängen.
„Wie geht es deiner Huren-Mutter?", fragte Mulciber plötzlich, „Ich habe gehört, sie hat gestern einen unangenehmen Besuch bekommen, ich frage mich –"
Es kam ohne Vorwarnung. Phillis wirbelte herum und schlug Malciber so hart ins Gesicht, dass ein ekelerregendes Knacken ertönte und er wurde einfach zurückgerissen. Er versuchte sich noch an Rosier festzuhalten, fiel aber einfach auf den Boden und schlug sich auch noch den Kopf an, aber damit nicht genug, denn vor der gesamten versammelten Lehrerschaft und allen Schülern stützte Phillis sich auf ihn und drückte ihn mit ihrem Gewicht zu Boden, während sie weiter auf ihn einschlug.
„Nicht meine Mutter, du dreckiges, kleines Stück Scheiße!", kreischte sie, und Mulciber heulte bei jedem Schlag auf und versuchte sich mit seinen Händen zu schützen, aber ohne Erfolg, denn Phillis war eindeutig stärker, als er, „Du wertloses Miststück! Ich werde dir gleich zeigen, wer hier eine Hure ist!"
Phillis spürte, dass jemand versuchte, sie von Mulciber herunter zu reißen, aber er hatte ihre Mutter beleidigt und das konnte sie nicht einfach so auf sich sitzen lassen.
„Petrificus Totalus!"
Phillis erstarrte in ihrer Bewegung und kippte einfach zur Seite, aber jemand fing sie auf, bevor sie auf dem Boden aufschlagen konnte.
„Finite Incantatem!"
Sofort konnte Phillis sich wieder bewegen und sie befreite sich aus dem Griff desjenigen, der sie gefangen hatte und sie war bereit, sich wieder auf den immer noch am Boden liegenden und stöhnenden Mulciber zu stürzen, aber sie war umzingelt von Professoren. Professor Ioneb zeigte mit einem Zauberstab auf sie und wirkte sehr zufrieden mit sich, dass sie Phillis hatte verhexen können und Phillis nahm sich vor, sie als nächstes zusammen zu schlagen, aber es waren auch McGonagall und andere in der Nähe.
„Mr Snape, Mr Rosier, bringen Sie Mr Mulciber in den Krankenflügel", ordnete McGonagall streng an, „Dolohow – in mein Büro!"
Phillis erhob sich mürrisch und funkelte die Slytherins noch einmal bedrohlich an, bevor sie McGonagall folgte, die mit großen eiligen Schritten die Große Halle verließ und direkt in ihr Büro eilte.
Man merkte, wie wütend die Professorin war, als sie ihre Bürotür zu donnerte und sich wortlos hinter ihren Schreibtisch setzte.
Phillis überlegte sich, ob sie rebellisch bleiben und einfach stehenbleiben sollte, aber eigentlich konnte sie McGonagall ganz gut leiden, also setzte sie sich brav auf den Stuhl gegenüber von ihr.
McGonagall musterte sie mit einem ungläubigen und zornigen Blick, der Phillis zu durchbohren schien und sie fühlte sich schuldig, aber Mulciber hatte es verdient.
„Was hatte das zu bedeuten, Miss Dolohow?", fragte McGonagall streng.
Phillis presste störrisch die Lippen aufeinander und blickte wütend auf die Schreibtischplatte, bevor sie antwortete. „Er hat meine Mutter beleidigt."
„Sie haben Mr Mulciber zusammengeschlagen, Miss Dolohow!", rief McGonagall entsetzt auf, „Er ist kaum noch bei Bewusstsein gewesen!"
„Er hat meine Mutter beleidigt", wiederholte Phillis stur, „Er hätte Schlimmeres verdient. Für Menschen wie ihn sind Plätze auf den Feldern der Bestrafung reserviert."
„Ein so animalisches und wildes Verhalten wird hier in Hogwarts nicht geduldet", schimpfte McGonagall außer sich, „Noch nie in all meinen Jahren... ich... ich bin sehr enttäusch von Ihnen, Miss Dolohow."
Diese Worte trafen Phillis. Sie wollte niemanden enttäuschen. Das war noch nie ihr Ziel gewesen. Sie war doch eine gute Tochter. Sie war ein braves Kind.
„Jaah", murmelte sie bedrückt und bohrte ihre Fingernägel in ihre Handflächen, „Scheint so, als wäre ich eine einzige Enttäuschung für alle... ich bin das schon gewohnt."
Professor McGonagall sah sie schon beinahe mitleidig an, aber Phillis wollte ihr Mitleid nicht und wich ihrem Blick aus. Wahrscheinlich würden sie sie von der Schule werfen, aber immerhin würde sie nun ins Camp gehen können. Sie würde für niemanden mehr eine Last sein und Quidditch dafür aufzugeben war ein kleiner Preis, immerhin konnte sie auch andere sportliche Aktivitäten im Camp ausüben, im Gegensatz zu Hogwarts.
Vielleicht fand sie es ganz gut, dass sie nun Hogwarts verlassen konnte.
„Ich verstehe nicht, Miss Dolohow", seufzte McGonagall, „Sie sind eine so kluge, junge Hexe, aber Sie verschwenden Ihr Talent!"
Phillis schnaubte. „Klug" war sie noch nie genannt worden.
„Das Quidditch-Team ist so erfolgreich, wie noch nie zuvor – dank Ihnen, Miss Dolohow, aber gleichzeitig vernachlässigen Sie die Schule. Sie schwänzen ganze Stunden, machen keine Hausaufgaben und wenn doch, dann sind diese voller Fehler und schlampig gemacht."
Phillis versuchte nicht einmal mehr, irgendjemanden zu sagen, dass sie Legastheniker war. Alle anderen kamen ja auch aus.
McGonagall seufzte wieder, als sie keine Antwort von ihrer mürrischen Schülerin bekam. „Mir bleibt nichts Anderes übrig, Miss Dolohow", sagte sie, „Ich werde Ihrer Mutter von diesem Vorfall berichten müssen und Sie werden die nächste Woche jeden Abend nachsitzen. Außerdem ist das Ihre letzte Verwarnung: Sollte ich noch ein einziges Mal eine Beschwerde von einem Professor über Sie hören oder sollten Sie noch einmal in einen Kampf oder etwas Ähnliches verwickelt werden, muss ich Ihnen leider Quidditch-Verbot geben."
Bei diesen Worten sah Phillis alarmiert auf. „Was? Nein!", rief sie entsetzt, „Bitte nicht, Professor! Werfen Sie mich lieber von der Schule!"
„Nein, Miss Dolohow!", schimpfte McGonagall streng, „Sollte ein Professor noch einmal berichten, dass Sie keine Hausaufgaben gemacht haben, dass sie geschwänzt haben oder dass Sie sich sonst etwas haben zur Last kommen lassen, werden Sie nicht mehr im Team spielen dürfen, haben wir uns verstanden?"
Phillis überlegte sich noch einen Moment lang, ob sie irgendetwas tun sollte, dass McGonagall nichts Anderes übrigblieb, als sie sofort von der Schule zu werfen, aber sie nickte nur mechanisch und starrte wieder auf ihre Hände.
„Sie können nun gehen", entließ McGonagall sie und Phillis ging, ohne sich zu verabschieden und dann nicht einmal in die Große Halle zum Mittagessen, sondern hinauf in den Gryffindorturm.
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