Erste Phase des geplanten Mordes (oder war es Trauer...? oder Liebe...?)
Das größte Problem bei Phillis war gar nicht, dass sie Legasthenie hatte.
Zuerst, als Remus davon erfahren hatte, hatte er gedacht, das würde das schwierigste werden, wenn es darum ging, Phillis mit ihren Hausaufgaben zu helfen, aber das war es gar nicht.
Meistens waren es Fehler, die zwar schlimm waren, sich aber leicht und einfach ausbessern ließen und nachdem Remus wusste, dass Phillis eigentlich gar nichts für ihre Rechtsschreibfehler konnte, verbesserte er sie für sie mit Zauber.
Das größte Problem war nicht, was Phillis schrieb, sondern die Probleme kamen, wenn sie nicht schrieb.
Wie oft hatte Remus sie schon dabei beobachtet, wie sie mit der Feder in der Hand einfach vor ihrem Pergament gesessen und verträumt in die Luft gestarrt hatte. Remus kannte das. Wenn er müde oder gelangweilt war, starrte er auch gerne ins Nichts und vergaß dann immer, was er gerade tat, aber bei Phillis konnte dieser Zustand Ewigkeiten andauernd und einmal hatte Remus sie eine halbe Stunde alleine gelassen und als er zurückgekommen war, hatte sie kein Wort geschrieben.
Hagrid hatte recht gehabt – Phillis brauchte einfach nur jemanden, der sie daran erinnerte, dass sie arbeiten sollte und dann funktionierte das alles eigentlich von selbst. Dann war es eigentlich sogar ganz nett, mit Phillis zu arbeiten, denn sie arbeitete am besten, wenn sie entweder in Bewegung war oder alle halbe Stunde etwas Auslauf hatte und Remus bemerkte, dass das ihm auch guttat.
In den letzten zwei Wochen hatte Remus auch gelernt, dass Phillis effizienter arbeiten konnte, wenn sie nicht abgelenkt wurde und schuldbewusst dachte er an den ersten Tag zurück, an dem er Phillis „helfen" wollte und sie mehr oder weniger gezwungen hatte, in der Großen Halle (dem Hauptort für Ablenkungen und Reize) still zu sitzen und zu lernen. Nun wusste er es besser und auch der Gemeinschaftsraum war kein guter Ort und die Bibliothek erst recht nicht (denn dort gab es zwar keine Ablenkung, aber dafür konnte Phillis auch nicht hin und wieder frustriert schreien und als Remus und Phillis das erste Mal in der Bibliothek gewesen waren, hatte Mrs Pince, die Bibliothekarin sie hinausgeworfen, als Phillis ihr Verwandlungs-Buch voller Frust durch die Gegend geworfen und der Einband sich vom Buchblock gelöst hatte.
Es war nicht das erste Mal gewesen, dass Remus aus der Bibliothek geworfen worden war (meistens waren James und Sirius die Schuld gewesen), aber es war das erste Mal gewesen, dass er Mrs Pince so wütend gesehen hatte. Nicht einmal James und Sirius hatten das geschafft, aber auch Phillis war sehr aufgebracht gewesen und hatte später das Buch einfach mit Klebeband repariert, als würde sie nicht einmal ein schön repariertes Buch wollen, wie Remus es ihr angeboten hatte, denn dieser wusste, wie man ein Buch mit Magie reparierte.
Sie suchten sich also andere Orte, an denen sie Hausaufgaben machen konnten und Remus bemerkte, dass es ihm auch guttat, einmal weg von seinen anderen Freunden zu kommen. Er wusste nicht so genau, ob er Phillis als eine „Freundin" bezeichnen würde, aber er genoss die Zeit, die er mit ihr verbrachte, beziehungsweise die Distanz, die er dann zu anderen hatte.
Phillis und Remus hatten sich auf zwei Tage geeinigt, an denen sie Hausaufgaben machen würden: Mittwoch und Samstag, damit Phillis auch noch Zeit für ihr spezielles Quidditch-Training hatte und es war tatsächlich ein Kraftaufwand, alle ihre Hausaufgaben an nur zwei Tagen zu erledigen, aber Phillis bestand darauf, dass sie mehr Zeit mit Quidditch verbringen wollte, sonst hätten das alles keinen Sinn für sie.
Am Anfang hatte Remus erwartet, dass er Phillis nur einmal zeigen musste, wie es funktionierte, aber er bezweifelte, dass Phillis jemals ohne außenstehende Hilfe Struktur und Ordnung kennen würde. Alles an ihr schien so... chaotisch, was auch das Buch bewies, das sie zerstörte und dann chaotisch wieder flickte, als würde sie den Anblick von Ordnung nicht ertragen können.
Remus bestand nur darauf, dass man ihre Schrift wenigstens lesen konnte, aber ihm machten die Tintenspritzer und Flecken auf den Pergamenten nichts aus.
Phillis hatten den ganzen Abend Hausaufgaben in einem unbenutzten Klassenzimmer gemacht und als es Zeit wurde, in die Türme zu gehen, war nicht nur Phillis erschöpft von all der Arbeit, die sie erledigt hatten, sondern auch Remus verspürte eine Müdigkeit, die er zuvor nicht wirklich gekannt hatte. Es war nicht die Müdigkeit nach einer schlaflosen Nacht oder einer Vollmondnacht. Es war eher eine Müdigkeit, wie man sie verspürte, wenn man stundenlang effizient gelernt hatte und dann das Gefühl hatte, als wäre das Hirn flüssig werden und bald aus den Ohren herausrinnen. Wenn man nicht einmal mehr einen ordentlichen Satz formen konnte, weil der Kopf voll anderer Gedanken war, die wild herumschwirrten.
Phillis zu helfen war an diesem Abend besonders anstrengend gewesen und er wusste nicht genau, woran es lag, immerhin hatte er für genügend (vielleicht sogar mehr als sonst) Pausen gesorgt und Phillis hatte in der Mittagspause eine kleine Trainingseinheit mit James und Caradoc Dearborn abgelegt, also konnte es nicht daran liegen. Manchmal war Phillis in dieser (und in vielen anderen) Hinsicht seltsam und Remus konnte es sich nicht erklären, aber ihm fiel auf, dass Phillis müde schien. Vielleicht hatte sie an diesem Tag zu viel Bewegung gehabt, aber so, wie sie noch immer herumzappelte und nervös an ihren Fingern zog, war das wohl nicht der Fall. Vermutlich war es gar nicht möglich, dass Phillis zu viel Bewegung bekam.
Es musste also etwas Anderes gewesen sein, das Phillis so abgelenkt hatte, dass sie so unkonzentriert wie bisher noch nie gewesen war.
„Bist du müde?", fragte Remus sie also vorsichtig, denn bei Phillis konnte man sich nie so sicher sein, wann sie bereit war, über ihr Gefühle zu sprechen (dann bombardierte sie einen nahezu mit Informationen) oder ob genau das Gegenteil der Fall war und sie Remus wieder anschnauzen würde, obwohl dieser nur versuchte, nett zu sein.
„Erschöpft", gestand Phillis und beschrieb damit auch das Gefühl, das Remus nach dieser Einheit hatte, „Ich habe heute etwas Seltsames geträumt und das geht mir nicht aus dem Kopf."
„Ich vergesse meine Träume immer sofort", gestand Remus, „Ich glaube, ich kann mich an keinen einzigen Traum erinnern."
„Du Glückspilz", schnaubte Phillis, ohne Remus direkt anzusehen, als wäre es ihr unangenehm, darüber zu sprechen, „Ich erinnere mich immer und es ist immer verwirrend."
„Was war es für ein Traum?", fragte Remus, „Ein Albtraum?"
Phillis überlegte einen Moment lang. „Nicht wirklich", summte sie, „Eher... ein beunruhigender Traum. Als würde man ein beunruhigendes Omen aus Teeblättern lesen."
„Ich habe keine Ahnung von Wahrsagen", gestand Remus, „Ich glaube nicht, dass man anhand von Tee oder Kugeln die Zukunft herausfinden kann... oder durch Träume..."
„Viele meiner Träume warnen mich vor etwas", erzählte Phillis bestimmt.
„Wenn du das meinst...", murmelte Remus, „Wovor hat dich dein Traum diese Nacht gewarnt?"
Phillis antwortete ihm nicht sofort und sie bekam auch noch eine Schonfrist, als sie das Portrait zum Gemeinschaftsraum erreichten und Remus nannte das Passwort (Besenritt), bevor er Phillis zuerst durch das Portraitloch krabbeln ließ und er folgte ihr.
„Jetzt erzähl schon!", verlangte Remus amüsiert, „Was sagt dir dein Traum von deiner Zukunft, Phil?"
Phillis schien noch immer nicht ganz sicher zu sein, ob sie es ihm erzählen sollte, aber dann setzte sie sich seufzend auf einen Sessel beim Kamin. Der Gemeinschaftsraum war komplett ausgestorben und alle waren wohl schon in ihren Betten, bis auf Phillis und Remus, der sich zu Phillis zum Kamin setzte und erwartungsvoll darauf wartete, dass sie von ihrem Traum erzählte.
Remus gab das nicht gerne zu, aber er hörte Phillis gerne dabei zu, wie sie Geschichten erzählte. Die Professorin für Verteidigung gegen die Dunklen Künste, Professor Ioneb erzählte ihnen auch regelmäßig Geschichten, aber bei weitem nicht so gut wie Phillis. Remus wusste nicht, was es war, aber etwas an Phillis zog einen geradezu in die Geschichte und er könnte ihr stundenlang zuhören.
„In meinem Traum", begann Phillis mit geheimnisvoller Stimme, „bin ich in den Bergen. Ich weiß nicht genau, wo, aber ich kenne sie irgendwoher, also müssen sie wohl irgendwo in England oder Irland sein. Ich bin in den Bergen mit zwei meiner Freunde – Laertes und Birget und bei mir sind auch noch meine Tante und ein paar von ihren Jägerinnen."
„Du meinst die Tante, die die Gruppe an Mädchen anführt, die Monster jagen?", fragte Remus nach und ein bitterer Geschmack blieb auf seiner Zunge zurück, als er daran dachte, dass er selbst ein Monster war.
„Genau die", bestätigte Phillis, „Es sind nicht alle, aber Phoebe ist bei ihnen und noch eine weitere – Zoë. Jedenfalls rennen wir – ich weiß nicht genau, was es ist, aber etwas jagt uns –"
Ein kalter Schauer rann Remus über den Rücken, als er bei Phillis Erzählung das Gefühl hatte, dass auch er in diesem Moment verfolgt wurde.
„Ich renne und renne, aber ich weiß, dass wir zu langsam sind und in diesem Moment holt es uns ein und sich sehe noch zur Sonne, die hinter schwarzen Wolken verschwindet", beendete Phillis ihre Erzählung und Remus atmete aus – er hatte gar nicht bemerkt, dass er den Atem angehalten hatte.
„Was hat euch verfolgt?", fragte Remus nach, „Ein... Monster?"
„Vermutlich", bestätigte Phillis, „aber ich weiß nicht, welches."
„Gibt es da so viel Auswahlmöglichkeiten?", fragte Remus spöttisch und dachte daran, dass es genauso gut ein Werwolf hätte sein können.
„Zu viele", schnaubte Phillis, „und jedes von ihnen ist schlimmer, als das davor. Hast du schon einmal einen Zyklopen gesehen, Remus?"
„Das kann ich nicht von mir behaupten, nein", gestand er, „Gibt es die überhaupt? Ich dachte, die wären nur Mythen."
„Ha!", lachte Phillis spöttisch auf, „Mythen versuchen einen nicht umzubringen! Hab ich dir schon erzählt, wie mich ein Zyklop beinahe umgebracht hätte?"
„Das ist nicht passiert", schnaubte Remus ungläubig und er lachte.
Auch Phillis lachte. „Doch, wirklich! Er hat versucht, mich aufzufressen!", bestätigte sie, aber Remus kaufte ihr diese Geschichte nicht ab, „Da bin ich gerade einmal elf gewesen – beinahe zwölf. Aber ich habe ihn mit einem Pfeil durch sein Auge umgebracht, bevor er mich erwischt hat!"
„Gute Geschichte", lobte Remus begeistert, „aber das ist nicht passiert."
„Glaub, was du willst, Lupin", grinste Phillis nur neckend, „Ich gehe ins Bett."
„Gute Nacht", wünschte Remus ihr noch, „Träum nicht wieder von Monstern."
„Das hoffe ich auch!", rief sie ihm noch zu, „Gute Nacht!"
Es wurde still und Remus bemerkte, dass er alleine zurückgeblieben war, also nahm er schnell seine Sachen und schlich sich hinauf in den Schlafsaal der Jungen seines Jahrgangs und erwartete, dass James, Sirius und Peter schon schliefen, aber natürlich war das nicht der Fall.
Stattdessen saßen sie alle zusammen auf Remus' Bett und hatten wohl auf ihn gewartet.
„Wo bist du gewesen, junger Mann?", fragte James ihn sofort streng, „Weißt du eigentlich, wie spät es ist?"
„Nicht so spät, wie sonst", bemerkte Remus, „Ich bin noch mit Phil unten gewesen."
„Ach ja?", Sirius grinste vielsagend, „Mit Phil? Willst du uns etwas gestehen, Moony?"
Remus spürte, wie er knallrot wurde, als Sirius auch nur an so eine Möglichkeit dachte. Phillis konnte vielleicht gut Geschichten erzählen, aber deswegen verliebte Remus sich doch nicht sofort in sie.
„Na-natürlich nicht!", stammelte er, „Ich– ich bin müde. Ich will schlafen!"
„Was habt ihr denn so getrieben? Unten? Ganz alleine?", fragte Sirius weiter, als Remus sich seinen Pyjama anzog.
„Halt die Klappe, Tatze", schnaubte Remus und warf ihm sein altes Hemd ins Gesicht, bevor er sich zu den anderen auf sein Bett setzte, „Darf man nun nicht einmal jemanden mit seinen Hausaufgaben helfen? Immerhin mache ich das für euch, damit Phillis weiterhin Kapitän bleiben kann."
„Außerdem magst du Phillis", zeigte Peter auf.
„Ganz genau", stimmte Remus ihm sofort zu, bevor ihm auffiel, wie das klang und er wurde knallrot, „Äh... ich meine... sie ist eigentlich ganz nett."
„Aha", machte James, „und jetzt willst du uns noch erzählen, dass ihr nur geredet habt?"
„Ja!", rief Remus frustriert und er räusperte sich peinlich berührt, „Ich verstehe nicht, wie ihr plötzlich auf die Idee kommt, dass ich und Phil –"
„Wie kommst du auf die Idee, dass wir auf die Idee gekommen sind?", fragte Sirius grinsend und Remus öffnete schon den Mund, um eine Antwort zu geben, aber dann runzelte er verwirrt die Stirn.
„Was?"
„Du kannst es gerne zugeben, wenn du auf Phillis stehst", James schlug ihm auf die Schulter, „Wir verstehen das vollkommen, Moony und wir helfen dir dann auch, mit ihr zusammen zu kommen –"
„Nein, danke!", rief Remus dazwischen, „1. Wenn ich von jemanden Hilfe annehmen würde, dann nicht von der einen Person, die seit Jahren erfolglos hinter Lily Evans hinterherrennt –"
„Au, Moony!", beschwerte James sich, „Das hat getroffen! Das tat weh!"
„– und 2. mag ich Phil gar nicht auf diese Weise. Sie erzählt nur tolle Geschichten, aber ansonsten macht sie mir eigentlich mehr Probleme, als sie mir guttut... ihr hättet sie heute erleben sollen. So abgelenkt ist nicht einmal Krone, wenn Lily im selben Raum ist!"
„Wow", machte Peter, „Das ist wirklich sehr abgelenkt."
„Was für Geschichten erzählt sie dir?", fragte Sirius interessiert und Remus wurde wieder rot.
„Nur Kleinigkeiten – ihr solltet ihr einmal zuhören", schlug Remus vor, „Sie hat erzählt, dass sie einen Zyklopen einen Pfeil durchs Auge geschossen hat."
„Wirklich?", fragte Peter beeindruckt.
„Nein, es gibt keine Zyklopen", schnaubte Remus, „und ich glaube nicht, dass sie die Wahrheit gesagt hat, aber sie hat es wirklich toll erzählt!"
„Moony hat's erwischt! Moony hat's erwischt!", sang Sirius und er erinnerte Remus in diesem Moment an Phillis, die ebenfalls manche Sätze sang, um einen doppelten sarkastischen Effekt zu erzielen. Er schüttelte den Kopf.
„Halt die Klappe, Tatze!", zischte er, „Ich würde jetzt gerne schlafen!"
Mit diesen Worten (und indem er geschickt seine Bettdecke unter seinen Freunden hervorzog) warf er die drei aus seinem Bett und legte sich selbst hin.
Er mochte Phillis nicht so gern. Wie kamen die überhaupt auf diese Idee.
Phillis war vielleicht ganz hübsch und konnte Geschichten erzählen, wie niemand anderer, sodass Remus manchmal vergaß, wo er war, aber das bedeutete noch lange nicht, dass er sich in sie verliebte.
Und ganz besonders bedeutete das nicht, dass Remus auf die Idee kam, dass jemand wie er – ein Monster – jemanden wie Phillis verdient hätte.
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